Katechismus KK 1997 1829


II Die Gaben und Früchte des Heiligen Geistes

1830 Das sittliche Leben der Christen wird unterstützt durch die Gaben des Heiligen Geistes. Diese sind bleibende Anlagen, die den Menschen geneigt machen, dem Antrieb des Heiligen Geistes zu folgen.

1831 Die sieben Gaben des Heiligen Geistes sind: Weisheit, Einsicht, Rat, Stärke, Erkenntnis, Frömmigkeit und Gottesfurcht. In ihrer ganzen Fülle stehen sie Christus, dem Sohn Davids, zu (Vgl. Is 11,1-2). Sie vervollständigen und vervollkommnen die Tugenden derer, die sie empfangen. Sie machen die Gläubigen bereit, den göttlichen Eingebungen willig zu gehorchen (Vgl. dazu auch CEC 1266 CEC 1299).

"Dein guter Geist leite mich auf ebenem Pfad" (Ps 143,10).

"Alle, die sich vom Geist Gottes leiten lassen, sind Söhne Gottes ... Sind wir aber Kinder, dann auch Erben; wir sind Erben Gottes und sind Miterben Christi" (Rm 8,14 Rm 8,17).

1832 Die Früchte des Geistes sind Vollkommenheiten, die der Heilige Geist in uns als die Erstlingsfrüchte der ewigen Herrlichkeit hervorbringt. Die Überlieferung der Kirche zählt deren zwölf auf: "Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Langmut, Sanftmut, Treue, Bescheidenheit, Enthaltsamkeit, Keuschheit" (Ga 5,22-23 Vg.).



KURZTEXTE



1833 Die Tugend ist eine feste, beständige Neigung, das Gute zu tun.

1834 Die menschlichen Tugenden sind feste Neigungen des Verstandes und des Willens, die unsere Handlungen regeln, unsere Leidenschaften ordnen und unser Verhalten der Vernunft und dem Glauben entsprechend leiten. Sie lassen sich nach vier Kardinaltugenden ordnen: Klugheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit und Mäßigung.

1835 Die Klugheit befähigt die praktische Vernunft, in allen Umstanden das wahre Gut zu erkennen und die rechten Mittel zu wählen, um es auszuführen.

1836 Die Gerechtigkeit besteht im beständigen festen Willen, Gott und dem Nächsten das zu geben, was ihnen zusteht.

1837 Die Tapferkeit laßt auch in Schwierigkeiten das Gute entschieden und ausdauernd anstreben.

1838 Die Mäßigung zügelt die Neigung zu sinnlichem Vergnügen und läßt im Gebrauch der geschaffenen Dinge das rechte Maß einhalten.

1839 Die sittlichen Tugenden wachsen durch Erziehung, durch überlegte Taten und ausdauernde Anstrengung. Die göttliche Gnade läutert und erhebt sie.

1840 Die göttlichen Tugenden machen den Christen fähig, in Verbindung mit der heiligsten Dreifaltigkeit zu leben. Sie haben Gott zum Ursprung, zum Beweggrund und zum Gegenstand - Gott selbst, der im Glauben erkannt, erhofft und um seiner selbst willen geliebt wird.

1841 Es gibt drei göttliche Tugenden: Glaube, Hoffnung und Liebe (Vgl. 1Co 13,13). Sie gestalten und beleben alle sittlichen Tugenden.

1842 Durch den Glauben glauben wir an Gott und glauben wir alles, was er uns geoffenbart hat und was die heilige Kirche uns zu glauben vorlegt.

1843 Durch die Hoffnung ersehnen und erwarten wir von Gott in festem Vertrauen das ewige Leben und die Gnaden es zu verdienen.

1844 Durch die Liebe lieben wir Gott über alles und aus Liebe zu ihm unseren Nächsten wie uns selbst. Sie ist "das Band der Vollkommenheit" (Col 3,14) und die Form aller Tugenden.

1845 Die sieben Gaben des Heiligen Geistes, die den Christen gewährt werden, sind: Weisheit, Einsicht, Rat, Stärke, Erkenntnis, Frömmigkeit und Gottesfurcht.






ARTIKEL 8 DIE SÜNDE



I Die Barmherzigkeit und die Sünde

1846 Das Evangelium ist die in Jesus Christus ergangene Offenbarung, daß Gott mit den Sündern Erbarmen hat (Vgl. Lc 15). Der Engel sagt zu Josef: "Ihm sollst du den Namen Jesus geben; denn er wird sein Volk von seinen Sünden erlösen" (Mt 1,21). Und von der Eucharistie, dem Sakrament der Erlösung, sagt Jesus: "Das ist mein Blut, das Blut des Bundes, das für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden" (Mt 26,28) (Vgl. dazu auch CEC 430 CEC 1365).

1847 "Gott hat uns erschaffen ohne uns, er wollte uns aber nicht retten ohne uns" (Augustinus, serm. 169,11,13). Um sein Erbarmen zu empfangen, müssen wir unsere Verfehlungen bekennen: "Wenn wir sagen, daß wir keine Sünde haben, führen wir uns selbst in die Irre, und die Wahrheit ist nicht in uns. Wenn wir unsere Sünden bekennen, ist er treu und gerecht; er vergibt uns die Sünden und reinigt uns von allem Unrecht" (1Jn 1,8-9) (Vgl. dazu auch CEC 387 CEC 1455).

1848 Der hl. Paulus sagt: "Wo jedoch die Sünde mächtig wurde, da ist die Gnade übergroß geworden". Um aber ihr Werk zu tun, muß die Gnade die Sünde aufdecken, um unser Herz zu bekehren und uns "durch Gerechtigkeit zum ewigen Leben durch Jesus Christus, unsern Herrn" (Rm 5,20-21) zu führen. Wie ein Arzt die Wunde untersucht, bevor er sie verbindet, so wirft Gott durch sein Wort und seinen Geist ein helles Licht auf die Sünde (Vgl. dazu auch CEC 385).

"Umkehr erfordert, daß die Sünde ans Licht gebracht wird; sie enthält ein inneres Gewissensurteil, und da dieses eine Prüfung durch das Wirken des Geistes der Wahrheit im Herzen des Menschen ist, wird es zugleich zum Beginn einer neuen Ausspendung von Gnade und Liebe: ,Empfangt den Heiligen Geist'. Wir entdecken so in diesem ,der Sünde Überführen' eine doppelte Gabe: das Geschenk der Wahrheit des Gewissens und das Geschenk der Gewißheit der Erlösung. Der Geist der Wahrheit ist auch der Tröster" (DEV 31) (Vgl. dazu auch CEC 1433).



II Das Wesen der Sünde

1849 Die Sünde ist ein Verstoß gegen die Vernunft, die Wahrheit und das rechte Gewissen; sie ist eine Verfehlung gegen die wahre Liebe zu Gott und zum Nächsten aufgrund einer abartigen Anhänglichkeit an gewisse Güter. Sie verletzt die Natur des Menschen und die menschliche Solidarität. Sie wurde definiert als "ein Wort, eine Tat oder ein Begehren im Widerspruch zum ewigen Gesetz" (Augustinus, Faust. 22, 27) (Zitiert bei Thomas v. A., s. th. I-II 71,6, obj.1) (Vgl. dazu auch CEC 311 CEC 1952).

1850 Die Sünde ist eine Beleidigung Gottes: "Gegen dich allein habe ich gesündigt, ich habe getan, was dir mißfällt" (Ps 51,6). Die Sünde lehnt sich gegen die Liebe Gottes zu uns auf und wendet unsere Herzen von ihm ab. Wie die Ursünde ist sie ein Ungehorsam, eine Auflehnung gegen Gott durch den Willen, "wie Gott" zu werden und dadurch Gut und Böse zu erkennen und zu bestimmen (Gn 3,5). Die Sünde ist somit "die bis zur Verachtung Gottes gesteigerte Selbstliebe" (Augustinus, ). Die Sünde ist wegen dieser stolzen Überheblichkeit dem Gehorsam Jesu (Vgl. Phil Ph 2,6-9), der das Heil wirkt, völlig entgegengesetzt (Vgl. dazu auch CEC 1440 CEC 397 CEC 615).

1851 Gerade in der Passion, in der die Barmherzigkeit Christi die Sünde überwindet, zeigt sich am besten, wie gewalttätig und vielgestaltig diese ist: Unglaube, mörderischer Haß, Verstoßung und Verspottung durch die Führer und das Volk, Feigheit des Pilatus und Grausamkeit der Soldaten, der für Jesus so bittere Verrat des Judas, die Verleugnung durch Petrus und die Flucht der Jünger. Doch gerade in der Stunde der Finsternis und des Fürsten dieser Welt (Vgl. Jn 14,30) wird das Opfer Christi im Verborgenen zur Quelle, aus der unerschöpflich die Vergebung unserer Sünden strömt (Vgl. dazu auch CEC 598 CEC 2746 CEC 616).



III Die Verschiedenheit der Sünden

1852 Die Sünden sind vielfältig; die Schrift enthält mehrere Sündenregister. Der Galaterbrief setzt dabei der Frucht des Geistes die Werke des Fleisches entgegen: "Die Werke des Fleisches sind deutlich erkennbar: Unzucht, Unsittlichkeit, ausschweifendes Leben, Götzendienst, Zauberei, Feindschaften, Streit, Eifersucht, Jähzorn, Eigennutz, Spaltungen, Parteiungen, Neid und Mißgunst, Trink- und Eßgelage und ähnliches mehr. Ich wiederhole, was ich euch schon früher gesagt habe: Wer so etwas tut, wird das Reich Gottes nicht erben" (Ga 5,19-21) (Vgl. Rm 1,28-32 1Co 6,9 Ep 5,3-5 Col 3,5-8 1Tm 1,9-10 2Tm 3,2-5).

1853 Wie alle menschlichen Handlungen kann man die Sünden nach ihrem Gegenstand unterscheiden oder nach den Tugenden, zu denen sie durch Übertreibung oder Mangel im Gegensatz stehen, oder nach den Geboten, denen sie widersprechen. Man kann sie auch in Sünden gegen Gott, gegen den Nächsten und gegen sich selbst einteilen, in geistige und in fleischliche Sünden oder auch in Sünden, die man in Gedanken, Worten und Werken oder durch Unterlassungen begeht. Wie der Herr lehrt, liegt die Wurzel der Sünde im Herzen des Menschen, in seinem freien Willen: "Aus dem Herzen kommen böse Gedanken, Mord, Ehebruch, Unzucht, Diebstahl, falsche Zeugenaussagen und Verleumdungen. Das ist es, was den Menschen unrein macht" (Mt 15,19). Im Herzen wohnt auch die Liebe, die Ursprung der guten und reinen Werke ist. Diese wird durch die Sünde verwundet (Vgl. dazu auch CEC 1751 CEC 2067 CEC 368).



IV Die Schwere der Sünde - Todsünde und läßliche Sünde

1854 Die Sünden sind nach ihrer Schwere zu beurteilen. Die schon in der Schrift erkennbare (Vgl. 1Jn 6,16-17) Unterscheidung zwischen Todsünde und läßlicher Sünde wurde von der Überlieferung der Kirche übernommen. Die Erfahrung der Menschen bestätigt sie.

1855 Die Todsünde zerstört die Liebe im Herzen des Menschen durch einen schweren Verstoß gegen das Gesetz Gottes. In ihr wendet sich der Mensch von Gott, seinem letzten Ziel und seiner Seligkeit, ab und zieht ihm ein minderes Gut vor (Vgl. dazu auch CEC 1395).

Die läßliche Sünde läßt die Liebe bestehen, verstößt aber gegen sie und verletzt sie.

1856 Da die Todsünde in uns das Lebensprinzip, die Liebe, angreift, erfordert sie einen neuen Einsatz der Barmherzigkeit Gottes und eine Bekehrung des Herzens, die normalerweise im Rahmen des Sakramentes der Versöhnung erfolgt (Vgl. dazu auch CEC 1446).

"Wenn der Wille sich zu etwas entschließt, was der Liebe, durch die der Mensch auf das letzte Ziel hingeordnet wird, in sich widerspricht, ist diese Sünde von ihrem Objekt her tödlich ..., verstoße sie nun, wie die Gotteslästerung, der Meineid und ähnliches gegen die Liebe zu Gott oder, wie Mord, Ehebruch und ähnliches gegen die Liebe zum Nächsten ... Wenn hingegen der Wille des Sünders sich zu etwas entschließt, was in sich eine gewisse Unordnung enthält, aber nicht gegen die Liebe zu Gott und zum Nächsten gerichtet ist, wie z. B. ein müßiges Wort, übermäßiges Lachen und anderes, so sind das läßliche Sünden" (Thomas v. A., s. th. I-II 88,2).

1857 Damit eine Tat eine Todsünde ist, müssen gleichzeitig drei Bedingungen erfüllt sein: "Eine Todsünde ist jene Sünde, die eine schwerwiegende Materie zum Gegenstand hat und die dazu mit vollem Bewußtsein und bedachter Zustimmung begangen wird" (RP 17).

1858 Was eine schwerwiegende Materie ist, wird durch die zehn Gebote erläutert, entsprechend der Antwort Jesu an den reichen Jüngling: "Du sollst nicht töten, du sollst nicht die Ehe brechen, du sollst nicht stehlen, du sollst nicht falsch aussagen ... ehre deinen Vater und deine Mutter" (Mc 10,19). Sünden können mehr oder weniger schwer sein: ein Mord wiegt schwerer als ein Diebstahl. Auch die Eigenschaft der Personen, gegen die man sich verfehlt, ist zu berücksichtigen: eine Gewalttat gegen die Eltern wiegt schwerer als die gegen einen Fremden (Vgl. dazu auch CEC 2072 CEC 2214).

1859 Eine Todsünde erfordert volle Erkenntnis und volle Zustimmung.Sie setzt das Wissen um die Sündhaftigkeit einer Handlung, ihren Gegensatz zum Gesetz Gottes, voraus. Die Todsünde schließt auch eine genügend überlegte Zustimmung ein, um persönliche Willensentscheidung zu sein. Selbstverschuldete Unwissenheit und Verhärtung des Herzens (Vgl. Mc 3,5-6 Lc 16,19-31) mindern die Freiwilligkeit der Sünde nicht, sondern steigern sie (Vgl. dazu auch CEC 1734).

1860 Unverschuldete Unkenntnis kann die Verantwortung für ein schweres Vergehen vermindern, wenn nicht sogar aufheben. Aber von niemandem wird angenommen, daß er die sittlichen Grundsätze nicht kennt, die in das Gewissen jedes Menschen eingeschrieben sind. Auch Triebimpulse, Leidenschaften sowie von außen ausgeübter Druck oder krankhafte Störungen können die Freiheit und die Willentlichkeit eines Vergehens vermindern. Die Sünde aus Bosheit, aus überlegter Entscheidung für das Böse wiegt am schwersten (Vgl. dazu auch CEC 1735 CEC 1767).

1861 Die Todsünde ist wie auch die Liebe eine radikale Möglichkeit, die der Mensch in Freiheit wählen kann. Sie zieht den Verlust der göttlichen Tugend der Liebe und der heiligmachenden Gnade, das heißt des Standes der Gnade, nach sich. Wenn sie nicht durch Reue und göttliche Vergebung wieder gutgemacht wird, verursacht sie den Ausschluß aus dem Reiche Christi und den ewigen Tod in der Hölle, da es in der Macht unseres Willens steht, endgültige und unwiderrufliche Entscheidungen zu treffen. Doch wenn wir auch beurteilen können, daß eine Handlung in sich ein schweres Vergehen darstellt, müssen wir das Urteil über die Menschen der Gerechtigkeit und der Barmherzigkeit Gottes überlassen (Vgl. dazu auch CEC 1472 CEC 1033).

1862 Eine läßliche Sünde begeht, wer in einer nicht schwerwiegenden Materie eine Vorschrift des Sittengesetzes verletzt oder das Sittengesetz zwar in einer schwerwiegenden Materie, aber ohne volle Kenntnis oder volle Zustimmung übertritt.

1863 Die läßliche Sünde schwächt die göttliche Tugend der Liebe; in ihr verrät sich eine ungeordnete Neigung zu geschaffenen Gütern; sie verhindert, daß die Seele in der Übung der Tugenden und im Tun des sittlich Guten Fortschritte macht; sie zieht zeitliche Strafen nach sich. Falls die läßliche Sünde mit Bedacht geschieht und nicht bereut wird, macht sie uns allmählich bereit, Todsünden zu begehen. Die läßliche Sünde bricht den Bund mit Gott nicht. Sie läßt sich mit der Gnade Gottes menschlich wiedergutmachen. Sie "entzieht nicht die heiligmachende, vergöttlichende Gnade, die Liebe und so auch nicht die ewige Seligkeit" (RP 17) (Vgl. dazu auch CEC 1394 CEC 1472).

"Solange der Mensch im Fleisch wandelt, kann er wenigstens nicht ohne leichte Sünden sein. Halte aber diese Sünden, die wir als leicht bezeichnen, nicht für harmlos. Falls du sie für harmlos ansiehst, wenn du sie wägst, zittere, wenn du sie zählst. Viele kleine Dinge bilden eine große Masse; viele Tropfen füllen einen Fluß; viele Körner bilden einen Haufen. Welche Hoffnung haben wir also? Zuerst das Bekenntnis" (Augustinus, ep. Jo. 1,6).

1864 "Wer aber den Heiligen Geist lästert, der findet in Ewigkeit keine Vergebung, sondern seine Sünde wird ewig an ihm haften" (Mc 3,29) (Vgl. Mt 12,32 Lc 12,10). Die Barmherzigkeit Gottes ist grenzenlos; wer sich aber absichtlich weigert, durch Reue das Erbarmen Gottes anzunehmen, weist die Vergebung seiner Sünden und das vom Heiligen Geist angebotene Heil zurück (Vgl. DEV 46). Eine solche Verhärtung kann zur Unbußfertigkeit bis zum Tod und zum ewigen Verderben führen (Vgl. dazu auch CEC 2091 CEC 1037).



V Die Ausbreitung der Sünde

1865 Die Sünde schafft einen Hang zur Sünde; Wiederholung der gleichen bösen Taten erzeugt das Laster. Es kommt zu verkehrten Neigungen, die das Gewissen verdunkeln und das konkrete Urteil über Gut und Böse beeinträchtigen. Die Sünde neigt dazu, sich zu wiederholen und sich zu verstärken; sie kann jedoch das sittliche Empfinden nicht völlig zerstören (Vgl. dazu auch CEC 401 CEC 1768).

1866 Die Laster lassen sich nach den Tugenden ordnen, deren Gegensatz sie sind, oder auch mit den Hauptsünden in Verbindung bringen, welche die christliche Erfahrung in Anlehnung an den hl. Johannes Cassian und den hl. Gregor d. Gr (Vgl. mor. 31,45) unterschieden hat. Als Hauptsünden werden sie deshalb bezeichnet, weil sie weitere Sünden, weitere Laster erzeugen. Hauptsünden sind: Stolz, Habsucht, Neid, Zorn, Unkeuschheit, Unmäßigkeit, Trägheit oder Überdruß (acedia) (Vgl. dazu auch CEC 2539).

1867 Die katechetische Tradition erinnert auch daran, daß es himmelschreiende Sünden gibt. Zum Himmel schreien das Blut Abels (Vgl. Gn 4,10), die Sünde der Sodomiten (Vgl. Gn 18,20 Gn 19,13), die laute Klage des in Ägypten unterdrückten Volkes (Vgl. Ex 3 Ex 7-10), die Klage der Fremden, der Witwen und Waisen (Vgl. Ex 22,20-22) und der den Arbeitern vorenthaltene Lohn (Vgl. Dt 24,14-15 Jc 5,4) (Vgl. dazu auch CEC 2268).

1868 Die Sünde ist eine persönliche Handlung. Wir haben aber auch eine Verantwortung für die Sünden anderer Menschen, wenn wir daran mitwirken,

- indem wir uns direkt und willentlich daran beteiligen (Vgl. dazu auch
CEC 1736),

- indem wir sie befehlen, zu ihnen raten, sie loben oder gutheißen,

- indem wir sie decken oder nicht verhindern, obwohl wir dazu verpflichtet sind und

- indem wir Übeltäter schützen.

1869 So macht die Sünde die Menschen zu Komplizen und läßt unter ihnen Gier, Gewalttat und Ungerechtigkeit herrschen. Die Sünden führen in der Gesellschaft zu Situationen und Institutionen, die zur Güte Gottes im Gegensatz stehen. "Sündige Strukturen" sind Ausdruck und Wirkung persönlicher Sünden. Sie verleiten ihre Opfer dazu, ebenfalls Böses zu begehen. In einem analogen Sinn stellen sie eine "soziale Sünde" dar (Vgl. RP 16) (Vgl. dazu auch CEC 408 CEC 1887).



KURZTEXTE



1870 Gott hat alle in den Ungehorsam eingeschlossen, um sich aller zu erbarmen"
(
Rm 11,32).

1871 Die Sünde ist "ein Wort, eine Tat oder ein Begehren im Widerspruch zum ewigen Gesetz" (Augustinus Faust 22 27) (Zitiert bei Thomas v. A., s. th. I-II 71,6, obj. 1: sc) Sie ist eine Beleidigung Gottes. Sie lehnt sich gegen Gott auf in Ungehorsam, der dem Gehorsam Christi entgegensteht.

1872 Die Sünde ist eine Handlung, die der Vernunft widerspricht. Sie verwundet die Natur des Menschen und beeinträchtigt die menschliche Solidarität.

1873 Die Wurzel aller Sünden liegt im Herzen des Menschen. Ihre Art und ihre Schwere werden hauptsächlich nach ihrem Objekt bestimmt.

1874 Wer sich absichtlich, das heißt mit Wissen und Willen zu etwas entscheidet, das dem göttlichen Gesetz und dem letzten Ziel des Menschen schwer widerspricht, begeht eine Todsünde. Diese zerstört in uns die göttliche Tugend der Liebe, ohne die es keine ewige Seligkeit geben kann. Falls sie nicht bereut wird zieht sie den ewigen Tod nach sich.

1875 Die läßliche Sünde stellt eine sittliche Unordnung dar, welche durch die göttliche Liebe, die trotzdem in uns weiterbesteht, wiedergutgemacht werden kann.

1876 Die Wiederholung von Sünden, auch von läßlichen, führt zu Lastern, unter anderen zu den sogenannten Hauptsünden.





ZWEITES KAPITEL

DIE MENSCHLICHE GEMEINSCHAFT



1877 Die Menschheit ist dazu berufen, das Ebenbild Gottes offenbar zu machen und nach dem Bilde des eingeborenen Sohnes des Vaters umgestaltet zu werden. Diese Berufung ergeht an jeden persönlich, denn jeder Mensch ist eingeladen, in die göttliche Seligkeit einzutreten. Sie betrifft aber auch die menschliche Gesellschaft als Ganze (Vgl. dazu auch CEC 355).



ARTIKEL 9 PERSON UND GESELLSCHAFT



I Der Gemeinschaftscharakter der Berufung des Menschen

1878 Alle Menschen sind zum gleichen Ziel berufen: zu Gott. Zwischen der Einheit der göttlichen Personen und der brüderlichen Gesinnung, in der die Menschen in Wahrheit und Liebe untereinander leben sollen (Vgl. GS 24,3), besteht eine gewisse Ähnlichkeit. Die Liebe zum Nächsten läßt sich von der Liebe zu Gott nicht trennen (Vgl. dazu auch CEC 1702).

1879 Die menschliche Person bedarf des gesellschaftlichen Lebens. Dieses stellt für sie nicht etwas Zusätzliches dar, sondern ist ein Anspruch ihrer Natur. Durch Begegnung mit anderen, durch wechselseitige Dienste und durch Zwiesprache mit seinen Brüdern und Schwestern entwickelt der Mensch seine Anlagen und kann seiner Berufung entsprechen (Vgl. GS 25,1) (Vgl. dazu auch CEC 1936).

1880 Eine Gesellschaft ist eine Gruppe von Personen, die organisch durch ein Einheitsprinzip verbunden sind, das über den Einzelnen hinausgeht. Als zugleich sichtbare und geistige Vereinigung dauert eine Gesellschaft in der Zeit fort: sie empfängt das Vergangene und bereitet die Zukunft vor. Durch sie wird jeder Mensch zum "Erben" und empfängt "Talente", die ihn bereichern und die er fruchtbringend einsetzen soll (Vgl. Lc 19,13 Lc 19,15). Darum schuldet jeder Mensch den Gemeinschaften, denen er angehört, seinen Beitrag, und den Autoritäten, die mit der Sorge für das Gemeinwohl betraut sind, Achtung (Vgl. dazu auch CEC 771).

1881 Jede Gemeinschaft ist durch ihr Ziel bestimmt und gehorcht infolgedessen eigenen Regeln, aber "Grund, Träger und Ziel aller gesellschaftlichen Institutionen ist die menschliche Person und muß es sein" (GS 25,1) (Vgl. dazu auch CEC 1929).

1882 Manche Gesellschaften, so die Familie und der Staat, entsprechen unmittelbar der Natur des Menschen; sie sind für ihn notwendig. Um die Beteiligung möglichst vieler am gesellschaftlichen Leben zu fördern, ist die Schaffung von "Verbänden, Vereinigungen, Einrichtungen mit wirtschaftlicher, kultureller, unterhaltender, sportlicher, beruflicher und politischer Zielsetzung sowohl im nationalen Raum wie auf Weltebene" (MM 60) zu fördern. Diese Sozialisation gründet auch auf der natürlichen Neigung der Menschen, sich zusammenzuschließen, um Ziele zu erreichen, welche die Kräfte der Einzelnen übersteigen. Sie bringt die Anlagen der Person, insbesondere ihren Unternehmungsgeist und ihren Sinn für Verantwortung zur Entfaltung und hilft, ihre Rechte zu gewährleisten (Vgl. GS 25,2 CA 12) (Vgl. dazu auch CEC 1913)

1883 Die Sozialisation ist auch mit Gefahren verbunden. Ein allzu weitgehendes Eingreifen des Staates kann die persönliche Freiheit und Initiative bedrohen. Die Kirche vertritt das sogenannte Subsidiaritätsprinzip: "Eine übergeordnete Gesellschaft darf nicht so in das innere Leben einer untergeordneten Gesellschaft dadurch eingreifen, daß sie diese ihrer Kompetenzen beraubt. Sie soll sie im Notfall unterstützen und ihr dazu helfen, ihr eigenes Handeln mit dem der anderen gesellschaftlichen Kräfte im Hinblick auf das Gemeinwohl abzustimmen" (CA 48) (Vgl. Pius Xl.. Enz. "Quadragesimo anno") (Vgl. dazu auch CEC 2431).

1884 Gott wollte sich nicht die Ausübung aller Gewalten allein vorbehalten. Er überläßt jedem Geschöpf jene Aufgaben, die es den Fähigkeiten seiner Natur gemäß auszuüben vermag. Diese Führungsweise soll im gesellschaftlichen Leben nachgeahmt werden. Das Verhalten Gottes bei der Weltregierung, das von so großer Rücksichtnahme auf die menschliche Freiheit zeugt, sollte die Weisheit derer inspirieren, welche die menschlichen Gesellschaften regieren. Sie haben sich als Diener der göttlichen Vorsehung zu verhalten (Vgl. dazu auch CEC 307 CEC 302).

1885 Das Subsidiaritätsprinzip widersetzt sich allen Formen des Kollektivismus. Es zieht die Grenzen für das Eingreifen des Staates. Es zielt darauf ab, die Beziehungen zwischen den Einzelpersonen und den Gesellschaften in ein harmonisches Verhältnis zu bringen. Es sucht auf internationaler Ebene eine wahre Ordnung zu schaffen.



II Umkehr und Gesellschaft

1886 Die Gesellschaft ist notwendig für die Verwirklichung der Berufung des Menschen. Damit dieses Ziel erreicht wird, ist die richtige Ordnung der Werte zu beachten, welche "die materiellen und triebhaften (Dimensionen) den inneren und geistigen unterordnet" (CA 36) (Vgl. dazu auch CEC 1779).

"Das Zusammenleben der Menschen ist ... als ein vordringlich geistiges Geschehen aufzufassen. In den geistigen Bereich gehören nämlich die Forderungen, daß die Menschen im hellen Licht der Wahrheit ihre Erkenntnisse untereinander austauschen, daß sie in den Stand gesetzt werden, ihre Rechte wahrzunehmen und ihre Pflichten zu erfüllen, daß sie angespornt werden, die geistigen Güter zu erstreben, daß sie aus jeder ehrenhaften Sache, wie immer sie beschaffen sein mag, einen Anlaß zu gemeinsamer rechtschaffener Freude gewinnen, daß sie in unermüdlichem Wollen das Beste, was sie haben, einander mitzuteilen und voneinander zu empfangen suchen. Diese Werte berühren und lenken alles, was sich auf Wissenschaft, Wirtschaft, soziale Einrichtungen, Entwicklung und Ordnung des Staates und schließlich auf alle übrigen Dinge bezieht, die äußerlich das menschliche Zusammenleben ausmachen und in ständigem Fortschritt entwickeln" (PT 36) (Vgl. dazu auch CEC 2500).

1887 Die Vertauschung von Mitteln und Zielen (Vgl. CA41) gibt dem, was nur Mittel ist, den Wert eines letzten Zieles oder betrachtet Personen als bloße Mittel zum Zweck. Das führt zu ungerechten Strukturen, die "ein christliches, den Geboten des göttlichen Gesetzgebers entsprechendes Leben erschweren, ja praktisch verunmöglichen" (Pius XII., Ansprache vom 1. Juni 1941) (Vgl. dazu auch CEC 909 CEC 1869).

1888 Deshalb ist an die geistigen und sittlichen Kräfte des Menschen zu appellieren, und es ist daran zu erinnern, daß sich der Mensch dauernd innerlich erneuern muß, um Gesellschaftsveränderungen herbeizuführen, die wirklich im Dienste der Person stehen. Die Bekehrung des Herzens ist an erste Stelle zu setzen. Das enthebt nicht der Pflicht, sondern verstärkt sie vielmehr, Institutionen und Lebensbedingungen, falls sie zur Sünde Anlaß geben, zu verbessern, damit sie den Normen der Gerechtigkeit entsprechen und das Gute fördern, statt es zu behindern (Vgl. LG 36) (Vgl. dazu auch CEC 407 CEC 1430).

1889 Ohne die Hilfe der Gnade sind die Menschen außerstande, "den schmalen Pfad zu erkennen zwischen der Feigheit, die dem Bösen weicht, und der Gewalt, die sich zwar einbildet, das Böse zu bekämpfen, es aber in Wirklichkeit verschlimmert" (CA 25). Dies ist der Pfad der christlichen Liebe, der Liebe zu Gott und zum Nächsten. Die Liebe ist das größte soziale Gebot. Sie achtet den anderen und dessen Rechte. Sie verlangt gerechtes Handeln und sie allein macht uns dazu fähig. Sie drängt zu einem Leben der Selbsthingabe: "Wer sein Leben zu bewahren sucht, wird es verlieren; wer es dagegen verliert, wird es gewinnen" (Lc 17,33) (Vgl. dazu auch CEC 1825).



KURZTEXTE



1890 Zwischen der Einheit der göttlichen Personen und der brüderlichen Beziehung, die unter den Menschen herrschen soll, besteht eine gewisse Ähnlichkeit.

1891 Der Mensch bedarf des gesellschaftlichen Lebens, um sich seiner Natur gemäß entfalten zu können. Gewisse Gesellschaften, so die Familie und der Staat, entsprechen unmittelbar der Natur des Menschen.

1892 "Grund, Träger und Ziel aller gesellschaftlichen Institutionen ist die menschliche Person und muß es sein" (GS 25 GS 1).

1893 Eine starke und freiwillige Beteiligung an Vereinigungen und Institutionen ist zu fördern.

1894 Gemäß dem Subsidiaritätsprinzip dürfen weder Staat noch größere Gesellschaften die Initiative und Verantwortung der Personen und der kleineren Gemeinwesen verdrängen.

1895 Die Gesellschaft muß das Tun des Guten begünstigen, nicht behindern. Sie muß sich von einer richtigen Ordnung der Werte leiten lassen.

1896 Wo die Sünde das Gesellschaftsklima verdirbt, ist zur Bekehrung der Herzen aufzurufen und an die Gnade Gottes zu appellieren. Die Liebe drängt zu gerechten Reformen. Es gibt keine Lösung der sozialen Frage außerhalb des Evangeliums (Vgl. CA 3).





ARTIKEL 10 DIE BETEILIGUNG AM GESELLSCHAFTLICHEN LEBEN



I Die Autorität

1897 "Die menschliche Gesellschaft kann weder gut geordnet noch fruchtbar sein, wenn es in ihr niemanden gibt, der mit rechtmäßiger Autorität die Ordnung aufrecht erhält und mit der notwendigen Sorgfalt auf das allgemeine Wohl bedacht ist" (PT 46) (Vgl. dazu auch CEC 2234).

Als "Autorität" bezeichnet man die Eigenschaft von Personen oder Institutionen, aufgrund derer sie den Menschen Gesetze und Befehle geben und von ihnen Gehorsam erwarten können.

1898 Jede menschliche Gemeinschaft bedarf einer Autorität, von der sie geleitet wird (Vgl. Leo XIII., Enz. "Immortale Dei"; Enz. "Diuturnum illud"). Diese hat ihre Grundlage in der menschlichen Natur. Sie ist für die Einheit des Gemeinwesens notwendig. Ihre Aufgabe ist es, soweit wie möglich das Gemeinwohl der Gesellschaft zu gewährleisten.

1899 Die von der sittlichen Ordnung geforderte Autorität geht von Gott aus: "Jeder leiste den Trägern der staatlichen Gewalt den schuldigen Gehorsam. Denn es gibt keine staatliche Gewalt, die nicht von Gott stammt; jede ist von Gott eingesetzt. Wer sich daher der staatlichen Gewalt widersetzt, stellt sich gegen die Ordnung Gottes, und wer sich ihm entgegenstellt, wird dem Gericht verfallen" (Rm 13,1-2) (Vgl. dazu auch CEC 2235).

1900 Die Gehorsamspflicht verlangt von allen, der Autorität die ihr gebührende Ehre zu erweisen und die Personen, die ein Amt ausüben, zu achten und ihnen - je nach Verdienst - Dankbarkeit und Wohlwollen entgegenzubringen (Vgl. dazu auch CEC 2238).

Dem hl. Papst Clemens von Rom verdanken wir das älteste Gebet der Kirche für die Träger der staatlichen Autorität (Vgl. schon 1Tm 2,1-2): "Gib ihnen, Herr, Gesundheit, Frieden, Eintracht, Beständigkeit, damit sie die von dir ihnen gegebene Herrschaft untadelig ausüben! Denn du, himmlischer Herr, König der Äonen, gibst den Menschenkindern Herrlichkeit und Ehre und Gewalt über das, was auf Erden ist; du, Herr, lenke ihren Willen nach dem, was gut und wohlgefällig ist vor dir, damit sie in Frieden und Milde frommen Sinnes die von dir ihnen gegebene Gewalt ausüben und so deiner Huld teilhaftig werden!" (Cor. 61,1-2) (Vgl. dazu auch CEC 2240).

1901 Während die Autorität als solche auf eine von Gott vorgebildete Ordnung verweist, muß "die Bestimmung der Regierungsform und die Auswahl der Regierenden dem freien Willen der Staatsbürger überlassen" bleiben (GS 74,3).

Unterschiedliche Regierungsformen sind sittlich zulässig, sofern sie zum rechtmäßigen Wohl der Gemeinschaft, die sie annimmt, beitragen. Regierungen, deren Wesen dem natürlichen Sittengesetz, der öffentlichen Ordnung und den Grundrechten der Personen widerspricht, können das Gemeinwohl der Nationen, denen sie aufgezwungen wurden, nicht verwirklichen (Vgl. dazu auch CEC 2242).

1902 Die Autorität hat ihre moralische Rechtmäßigkeit nicht aus sich selbst. Sie darf sich nicht willkürlich verhalten, sondern muß für das Gemeinwohl wirken "als moralische Macht, die sich stützt auf die Freiheit und auf das Bewußtsein einer übernommenen Verantwortung" (GS 74,2) (Vgl. dazu auch CEC 1930).

"Insofern das menschliche Gesetz der rechten Vernunft entspricht, hat es das Wesen eines Gesetzes; dementsprechend leitet es sich offenbar vom ewigen Gesetz her. Aber insofern es von der Vernunft abweicht, heißt es ungerechtes Gesetz; und so hat es nicht das Wesen eines Gesetzes, sondern vielmehr das einer Gewalttat" (Thomas v. A., s. th. I-II 93,3, ad 2).

1903 Die Autorität wird nur dann rechtmäßig ausgeübt, wenn sie das Gemeinwohl der betreffenden Gemeinschaft anstrebt und sittlich erlaubte Mittel anwendet, um es zu erreichen. Falls Behörden ungerechte Gesetze erlassen oder der sittlichen Ordnung widersprechende Maßnahmen ergreifen, können solche Anordnungen das Gewissen nicht verpflichten; "in diesem Falle hört die Autorität ganz auf; an ihre Stelle tritt gräßliches Unrecht" (PT 51) (Vgl. dazu auch CEC 2242).

1904 Es ist besser, "wenn jede Macht von anderen Mächten und anderen Kompetenzbereichen ausgeglichen wird, die sie in ihren rechten Grenzen halten. Das ist das Prinzip des ,Rechtsstaates', in dem das Gesetz und nicht die Willkür der Menschen herrscht" (CA 44).



II Das Gemeinwohl

1905 Der gesellschaftlichen Natur des Menschen entsprechend steht das Wohl eines jeden in Verbindung mit dem Gemeinwohl. Dieses läßt sich nur von der menschlichen Person her bestimmen (Vgl. dazu auch CEC 801 CEC 1881).

"Verkriecht euch nicht in euch selbst und sondert euch nicht ab, als wäret ihr schon gerechtfertigt, sondern kommt zusammen und sucht miteinander nach dem gemeinsamen Nutzen!" (Barnabasbrief 4,10).

1906 Das Gemeinwohl ist "die Gesamtheit jener Bedingungen des gesellschaftlichen Lebens, die sowohl den Gruppen als auch deren einzelnen Gliedern ermöglichen, die eigene Vollendung voller und leichter zu erreichen" (GS 26,1) (Vgl. GS 74,1). Das Gemeinwohl betrifft das Leben aller. Von einem jeden verlangt es Klugheit, besonders von denen, die mit der Ausübung der Autorität betraut sind. Es beruht auf drei wesentlichen Elementen:

1907 Erstens setzt es die Achtung der Person als solcher voraus. Im Namen des Gemeinwohls sind die öffentlichen Gewalten verpflichtet, die unveräußerlichen Grundrechte der menschlichen Person zu achten. Die Gesellschaft muß jedem ihrer Glieder ermöglichen, seine Berufung zu verwirklichen. Insbesondere besteht das Gemeinwohl darin, daß man die natürlichen Freiheiten ausüben kann, die unerläßlich sind, um die Berufung als Mensch zu entfalten: "das Recht zum Handeln nach der rechten Norm seines Gewissens, das Recht auf Schutz des Privatlebens und auf die rechte Freiheit, und zwar auch im religiösen Bereich" (GS 26,2) (Vgl. dazu auch CEC 1929 CEC 2106).

1908 Zweitens verlangt das Gemeinwohl das soziale Wohl und die Entwicklung der Gemeinschaft. Entwicklung ist der Inbegriff aller sozialen Aufgaben. Gewiß kommt es der Autorität zu, im Namen des Gemeinwohls zwischen den verschiedenen Sonderinteressen als Schiedsrichterin zu walten. Sie muß aber einem jeden das zugänglich machen, was für ein wirklich menschliches Leben notwendig ist, wie Nahrung, Kleidung, Wohnung, Gesundheit, Arbeit, Erziehung und Bildung, richtige Information und Recht auf Familiengründung (Vgl. GS 26,2) (Vgl. dazu auch CEC 2441).

1909 Zum Gemeinwohl gehört schließlich der Friede, das heißt die Dauerhaftigkeit und Sicherheit einer gerechten Ordnung. Es setzt somit voraus, daß die Autorität durch rechte Mittel die Sicherheit der Gesellschaft und deren Glieder gewährleistet. Es begründet das Recht auf persönliche und kollektive Selbstverteidigung (Vgl. dazu auch CEC 2304 CEC 2310).

1910 Jede menschliche Gemeinschaft besitzt ein Gemeinwohl, durch das sie sich als solche erkennen kann. Am vollständigsten wird dies in der politischen Gemeinschaft verwirklicht. Es ist Aufgabe des Staates, das Gemeinwohl der bürgerlichen Gesellschaft, der Bürger und der kleineren Gemeinwesen zu schützen und zu fördern (Vgl. dazu auch CEC 2244).

1911 Die gegenseitige Abhängigkeit der Menschen wächst und erstreckt sich allmählich über die ganze Erde. Die Einheit der Menschheitsfamilie, welche Menschen gleicher natürlicher Würde vereint, setzt ein weltweites Gemeinwohl voraus. Dieses erfordert eine Gliederung der Völkergemeinschaft, die imstande ist, "den verschiedenen Bedürfnissen der Menschen nach Kräften Rechnung zu tragen, und zwar sowohl in den Bereichen des sozialen Lebens, z. B. Ernährung, Gesundheit, Erziehung, Arbeit, als auch in besonderen Situationen, die hier und dort entstehen können" (GS 84,2), etwa durch Flüchtlingshilfe und Unterstützung Heimatloser und ihrer Familien (Vgl. dazu auch CEC 2438).

1912 Das Gemeinwohl ist stets auf den Fortschritt der Personen ausgerichtet, "denn die Ordnung der Dinge ist der Ordnung der Personen zu unterwerfen und nicht umgekehrt" (GS 26,3). Diese Ordnung gründet in der Wahrheit, wird in der Gerechtigkeit aufgebaut und ist durch die Liebe beseelt (Vgl. dazu auch CEC 1881).




Katechismus KK 1997 1829