Christifideles laici DE 42

Alle sind Adressaten und Protagonisten der Politik

42 Die Liebe, die dem Menschen dient und ihn liebt, kann nicht von der Gerechtigkeit getrennt werden: Die eine und die andere verlangen jede auf ihre Weise die volle Anerkennung der Rechte der Person, auf die die Gesellschaft mit all ihren Strukturen und Institutionen hingeordnet ist.(149)

Um die zeitliche Ordnung im genannten Sinn des Dienstes am Menschen christlich zu inspirieren, können die Laien nicht darauf verzichten, sich in die »Politik« einzuschalten, das heißt in die vielfältigen und verschiedenen Initiativen auf wirtschaftlicher, sozialer, gesetzgebender, verwaltungsmäßiger und kultureller Ebene, die der organischen und systematischen Förderung desAllgemeinwohls dienen. Wie die Synodenväter wiederholt feststellten, haben alle und jeder einzelne die Pflicht und das Recht, sich an der Politik zu beteiligen, wenn auch auf verschiedener und komplementärer Weise und Ebene und aufgrund verschiedener und komplementärer Aufgaben und Verantwortungen. Die Anklagen des Arrivismus, der Idolatrie der Macht, des Egoismus und der Korruption, die nicht selten gegen Regierungsleute, Abgeordnete der Parlamente, dominierenden Klassen und politischen Parteien erhoben werden, sowie die verbreitete Meinung, die Politik sei ein Bereich unbedingter moralischer Gefährdung, rechtfertigen auf keine Weise den Skeptizismus oder die Abwendung der Christen von den öffentlichen Angelegenheiten. Vielmehr gewinnt gerade auf diesem Hintergrund das Wort des II. Vatikanischen Konzils seine volle Bedeutung: »Die Kirche ihrerseits zollt der Arbeit jener, die sich zum Dienst an den Menschen für das Wohl des Staates einsetzen und die Lasten eines solchen Amtes tragen, Anerkennung und Achtung«.(150)

Eine Politik, die auf die Person und auf die Gesellschaft ausgerichtet ist, findet ihr Grundkriteriumin der Bemühung um das Allgemeinwohl als Wohl aller Menschen und des ganzen Menschen, ein Wohl, das der freien und verantwortlichen Annahme der einzelnen und der Gruppen angeboten wird. »Die politische Gemeinschaft - so lesen wir in der Konstitution Gaudium et Spes - besteht also um dieses Gemeinwohls willen; in ihm hat sie ihre letztgültige Rechtfertigung und ihren Sinn, aus ihm leitet sie ihr ursprüngliches Eigenrecht ab. Das Gemeinwohl aber begreift in sich die Summe aller jener Bedingungen gesellschaftlichen Lebens, die den Einzelnen, den Familien und gesellschaftlichen Gruppen ihre eigene Vervollkommung voller und ungehinderter zu erreichen gestatten«.(151)

Eine Politik, die auf den Menschen und auf die Gesellschaft ausgerichtet ist, findet darüber hinaus ihre kontinuierliche Richtlinie in der Verteidigung und Förderung der Gerechtigkeit, die sie als »Tugend«, zu der alle erzogen werden müssen, und als »moralische Kraft« versteht, die das Bemühen um die Anerkennung der Rechte und Pflichten aller und eines jeden auf der Grundlage der Personwürde des Menschen trägt.

Bei der Ausübung der öffentlichen Macht ist die Gesinnung des Dienstes entscheidend. Nur sie kann neben der notwendigen Kompetenz und Fähigkeit das Wirken der Politiker »durchsichtig« und »rein« erhalten, so wie das Volk es berechtigterweise fordert. Voraussetzung dafür ist die Bekämpfung und die entschiedene Überwindung bestimmter Versuchungen, wie die der Unlauterkeit und Lüge, des Vergeudens der öffentlichen Mittel zugunsten von Wenigen und mit gewinnsüchtigen Interessen, des Gebrauchs von zweideutigen und unerlaubten Mitteln, um die Macht auf jeden Fall zu erobern, festzuhalten und zu vermehren.

Wie die Konstitution Gaudium et Spes hervorhebt, sollen die in der Politik engagierten Laien die Autonomie der irdischen Wirklichkeiten respektieren: »Sehr wichtig ist besonders in einer pluralistischen Gesellschaft, daß man das Verhältnis zwischen der politischen Gemeinschaft und der Kirche richtig sieht, so daß zwischen dem, was die Christen als Einzelne oder im Verbund im eigenen Namen als Staatsbürger, die von ihrem christlichen Gewissen geleitet werden, und dem, was sie im Namen der Kirche zusammen mit ihren Hirten tun, klar unterschieden wird.

Die Kirche, die in keiner Weise hinsichtlich ihrer Aufgabe und Zuständigkeit mit der politischen Gemeinschaft verwechselt werden darf, noch auch an irgendein politisches System gebunden ist, ist zugleich Zeichen und Schutz der Transzendenz der menschlichen Person«.(152)

Zugleich müssen die Laien - so wird es heute als dringende Notwendigkeit und Verantwortung empfunden - Zeugnis geben für jene menschlichen Werte des Evangeliums, die zutiefst mit der politischen Tätigkeit verbunden sind: Freiheit und Gerechtigkeit, Solidarität, treue und selbstlose Hingabe an das Wohl aller, einfacher Lebensstil, Vorliebe für die Armen und für die Letzten. Voraussetzung dafür ist, daß sie von ihrer lebendigen Teilhabe am Leben der Kirche getragen und durch ihre Soziallehre aufgeklärt sind. Dabei können die Nähe ihrer Gemeinden und ihrer Hirten ihnen eine große Hilfe bedeuten.(153)

Stil und Mittel zur Verwirklichung einer Politik, die die wahre Entwicklung der Menschen zum Ziel haben will, sind gegeben in der Solidarität. Sie erweckt die aktive und verantwortliche Teilnahmealler am politischen Leben, angefangen bei den einzelnen Bürgern bis hin zu den verschiedenen Gruppen, von den Gewerkschaften bis hin zu den Parteien: Gemeinsam und einzeln sind wir alle Adressaten und Protagonisten der Politik. Wie ich in der Enzyklika Sollicitudo Rei Socialisgeschrieben habe, ist die Solidarität in diesem Sinn »nicht ein Gefühl vagen Mitleids oder oberflächlicher Rührung wegen der Leiden so vieler Menschen nah oder fern. Im Gegenteil, sie istdie feste und beständige Entschlossenheit, sich für das "Gemeinwohl" einzusetzen, das heißt für das Wohl aller und eines jeden, weil wir alle für alle verantwortlich sind «.(154)

Die politische Solidarität will heute in einer Spannweite, die über die einzelne Nation oder den einzelnen Block von Nationen hinausgeht und sich als kontinental oder universal darstellt, verwirklicht werden.

Die von allen erwünschte, aber leider noch nicht ausgereifte Frucht der solidarischen politischen Tätigkeit ist der Friede. Angesichts aller Phänomene, die den Frieden verneinen oder bedrohen, können die Laien nicht indifferent, distanziert oder unberührt bleiben: Gewalt und Krieg, Folter und Terrorismus, Konzentrationslager, Militarisierung der Politik, Rüstung, Bedrohung durch die Nuklearwaffen. Als Jünger Jesu, der der »Friedensfürst« (
Is 9,5) und »unser Friede« (Ep 2,14) ist, müssen die Laien durch die Bekehrung des »Herzens«, wie durch ein Engagement zugunsten der Wahrheit, der Freiheit, der Gerechtigkeit und der Liebe, die unverzichtbare Fundamente des Friedens sind, »Frieden stiften« (Mt 5,8).(155)

Die Laien müssen mit allen, die in Wahrheit den Frieden suchen, zusammenarbeiten und die spezifischen nationalen und internationalen Organismen benutzen, um von der Basis her einen Prozeß der Bewußtseinsbildung auszulösen, der die beherrschende Kultur des Egoismus, des Hasses, der Rache und der Feindschaft überwindet und auf allen Ebenen eine Kultur der Solidarität fördert. Sie ist »der Weg zum Frieden und zugleich zur Entwicklung«.(156) Die Synodenväter haben die Christen aufgefordert, unannehmbare Formen der Gewalt abzulehnen, die Dialog- und Friedensbereitschaft zu pflegen und sich einzusetzen für die Errichtung einer gerechten sozialen und internationalen Ordnung.(157)

[149] Sobre la relación entre justicia y misericordia, cf. la Encíclica Dives in misericordia, DM 12:AAS 72 (1980) 1215-1217.
[150] Conc. Ecum. Vat. II, Const. past. sobre la Iglesia en el mundo actual Gaudium et spes, GS 75.
[151] Ibid., GS 74.
[152] Ibid., GS 76.
[153] Cf. Propositio 28.
[154] Juan Pablo II, Enc. Sollicitudo rei socialis, SRS 38: AAS 80 (1988) 565-566.
[155] Cf Juan XXIII, Enc. Pacem in terris: AAS 55 (1963) PT 265-266.
[156] Juan Pablo II, Enc. Sollicitudo rei socialis, SRS 39: AAS 80 (1988) 568.
[157] Cf. Propositio 26.


Den Menschen in die Mitte wirtschaftlichsozialen Lebens stellen

43 Die wirtschaftlich-soziale Frage, dessen Schlüssel in der Organisation der Arbeit gegeben ist, stellt ein wesentliches Moment des Dienstes der Laien an der Gesellschaft dar.

Die aktuelle Brisanz dieser Fragestellung, die aus den verschiedenen Entwicklungsstufen ersichtlich ist und auf die die Soziallehre der Kirche eine Antwort zu geben versucht, wurde kürzlich in der Enzyklika Sollicitudo Rei Socialis in Erinnerung gerufen. Diese möchte ich darum allen, vor allem den Laien sehr empfehlen.

Zu den Eckpfeilern der Soziallehre der Kirche zählt das Prinzip der allgemeinen Bestimmung der Güter: Nach dem Plan Gottes stehen die Güter der Erde allen Menschen und jedem einzelnen Menschen als Mittel für die Entwicklung einer wahrhaft menschlichen Existenz zur Verfügung. Das Privateigentum steht im Dienst dieses Prinzips und kennt darum gerade aus diesem Grund eine wesenhaft soziale Dimension. Die Arbeit des Mannes und der Frau ist konkret der gängigste und unmittelbarste Weg für die Entwicklung des wirtschaftlichen Lebens, Weg, der zugleich Recht und Pflicht eines jeden Menschen ist.

Alle diese Aspekte sind in besonderer Weise in der Sendung der Laien eingeschlossen. Ziel und Kriterium ihrer Präsenz und Wirksamkeit werden vom II. Vatikanischen Konzil allgemein formuliert: »Auch im Wirtschaftsleben sind die Würde der menschlichen Person und ihre ungeschmälerte Berufung wie auch das Wohl der gesamten Gesellschaft zu achten und zu fördern, ist doch der Mensch Urheber, Mittelpunkt und Ziel aller Wirtschaft«.(158)

Die erschütternden Umwälzungen in der Welt der Wirtschaft und in der Welt der Arbeit verlangen, daß die Laien sich an vorderster Front für die Lösung dieser überaus schweren Probleme engagieren: Bekämpfung der wachsenden Arbeitslosigkeit, Überwindung der zahlreichen Ungerechtigkeiten wegen schlechter Organisation der Arbeit, die Förderung des Entstehens von Persongemeinschaften am Arbeitsort, die die Subjektivität und das Recht auf Teilhabe des Einzelnen respektieren, die Entwicklung neuer Formen der Solidarität unter denen, die an der gemeinsamen Arbeit teilnehmen, Schaffung neuer Modalitäten des Unternehmens, Überprüfung von Handelssystemen, Finanzwesen und technologischem Transfer.

Dazu wird von den Laien Berufstüchtigkeit, menschliche Redlichkeit und christlicher Geist bei der Verrichtung ihrer Arbeit als Weg zur Selbsheiligung verlangt.(159) Das Konzil spricht diese Forderung ausdrücklich aus: »Durch seine Arbeit erhält der Mensch sein und der Seinigen Leben, tritt in tätigen Verbund mit seinen Brüdern und dient ihnen; so kann er praktische Nächstenliebe üben und seinen Beitrag zur Vollendung des Schöpferwerkes Gott erbringen. Ja wir halten fest: Durch seine Gott dargebrachte Arbeit verbindet sich der Mensch mit dem Erlösungswerk Jesu Christ selbst, der, indem er in Nazareth mit eigenen Händen arbeitete, der Arbeit eine einzigartige Würde verliehen hat«.(160)

Im Hinblick auf das wirtschaftlich-soziale Leben und auf die Arbeit wird die sogenannte »ökologische« Frage heute immer akuter. Der Mensch hat von Gott selbst den Auftrag erhalten, über die Dinge zu »herrschen« und den»Garten der Welt zu bestellen«; diese Aufgabe muß er in Ehrfurcht vor der göttlichen Ebenbildlichkeit, die er empfangen hat, das heißt mit Vernunft und Liebe erfüllen. Er muß sich verantwortlich halten für die Gaben, die Gott ihm geschenkt hat und dauernd schenkt. Die Gabe, die er in Händen hält, muß er - wenn möglich sogar verbessert - den künftigen Generationen weitergeben, denn auch sie sind Empfänger der Gaben des Herrn: »Die vom Schöpfer dem Menschen anvertraute Herrschaft ist keine absolute Macht, noch kann man von der Freiheit sprechen, sie zu "gebrauchen oder zu mißbrauchen", oder über die Dinge zu verfügen, wie es beliebt. Die Beschränkung, die der Schöpfer selber von Anfang an auferlegt hat, ist symbolisch in dem Verbot enthalten, "von der Frucht des Baumes zu essen" (vgl.
Gn 2,16-17); sie zeigt mit genügender Klarheit, daß wir im Hinblick auf die sichtbare Natur nicht nur biologischen, sondern auch moralischen Gesetzen unterworfen sind, die man nicht ungestraft übertreten darf. Eine richtige Auffassung von Entwicklung kann nicht von solchen Überlegungen hinsichtlich des Gebrauchs der Naturdinge, der möglichen Erneuerung der Hilfsquellen und der Folgen einer ungeordneten Industrialisierung absehen, die unser Gewissen erneut auf diemoralische Dimension der Entwicklung hinlenken«.(161)

[158] Conc. Ecum. Vat. II, Const. past. sobre la Iglesia en el mundo actual Gaudium et spes, GS 63.
[159] Cf. Propositio 24.
[160] Conc. Ecum. Vat. II, Const. past. sobre la Iglesia en el mundo actual Gaudium et spes, GS 67. Cf. Juan Pablo II, Enc. Laborem exercens, LE 24-27: AAS 73 (1981) 637-647.
[161] Juan Pablo II, Enc. Sollicitudo rei socialis, SRS 34: AAS 80 (1988) 560.


Die Kultur und die Kulturen des Menschen evangelisieren

44 Der Dienst am Menschen und an der menschlichen Gesellschaft kommt im Schaffen und Weitergeben von Kultur zum Ausdruck und zur Verwirklichung. Vor allem in unseren Tagen stellt dies eine der dringendsten Aufgaben des menschlichen Miteinanders und des sozialen Fortschrittes dar. Im Licht des Konzils verstehen wir unter »Kultur ... alles, wodurch der Mensch seine vielfältigen geistigen und körperlichen Anlagen ausbildet und entfaltet; wodurch er sich die ganze Welt in Erkenntnis und Arbeit zu unterwerfen sucht; wodurch er das gesellschaftliche Leben in der Familie und in der ganzen bürgerlichen Gesellschaft im moralischen und institutionellen Fortschritt menschlicher gestaltet: wodurch er endlich seine großen geistigen Erfahrungen und Bestrebungen im Lauf der Zeit in seinen Werken vergangenständlicht, mitteilt und ihnen Dauer verleiht - zum Segen vieler, ja der ganzen Menschheit«.(162) In diesem Sinn muß die Kultur als Allgemeingut eines jeden Volkes, als Ausdruck seiner Würde, Freiheit und Kreativität, als Zeugnis seines Weges in der Geschichte verstanden werden. Vor allem der christliche Glaube kann nur von der Kultur her und durch sie geschichtlich und geschichtsschöpferisch werden.

Angesichts der Entwicklung einer Kultur, die nicht nur dem christlichen Glauben, sondern auch den menschlichen Werten absagt,(163) und einer wissenschaftlich und technologisch geprägten Kultur, die es nicht vermag, auf die brennende Suche nach der Wahrheit und nach dem Guten, die heute im Herzen der Menschen brennt, zu antworten, weiß die Kirche um die dringende pastorale Notwendigkeit, der Kultur besondere Aufmerksamkeit zu widmen.

Sie fordert darum die Laien auf, sich mutig und kreativ an den privilegierten Orten der Kultur, wie die Welt der Schulen und Universitäten, die Milieus wissenschaftlicher und technischer Forschung, die Orte des künstlerischen Schaffens und humanistischen Nachdenkens eine Präsenz zu verschaffen. Diese Präsenz soll nicht nur die Elemente der gegenwärtigen Kultur erkennen, kritisch beurteilen und gegebenenfalls läutern, sondern sie mit Hilfe des ursprünglichen Reichtums des Evangeliums und des christlichen Glaubens auf eine höhere Ebene erheben. Was das II. Vatikanische Konzil über die Beziehung zwischen Evangelium und Kultur schreibt, ist bleibende historische Gegebenheit und zugleich ein höchst aktuelles und notwendiges Ziel; dieses anspruchsvolle Programm ist der pastoralen Verantwortung der gesamten Kirche und somit der spezifischen Verantwortung aller Laien anvertraut: »Die gute Botschaft Christi erneuert unausgesetzt Leben und Kultur des gefallenen Menschen und bekämpft und beseitigt Irrtümer und Übel, die aus der stets drohenden Verführung zur Sünde hervorgehen. Unablässig reinigt und hebt sie die Sitten der Völker.

Schon durch die Erfüllung der eigenen Aufgabe treibt die Kirche die menschliche und mitmenschliche Kultur voran und trägt zu ihr bei; durch ihr Wirken, auch durch ihre Liturgie, erzieht sie den Menschen zur inneren Freiheit«.(164)

Einige besonders inhaltsvolle Passagen des Schreibens Paulus VI.Evangelii Nuntiandi verdienen es, hier in Erinnerung gerufen zu werden: »Die Kirche evangelisiert, wenn sie sich darum bemüht, allein durch die göttliche Kraft der Botschaft, die sie verkündet (cf.
Rm 1,16 1Co 1,18 1Co 2,4), zugleich das persönliche und kollektive Bewußtsein der Menschen, die Tätigkeit, in der sie sich engagieren, ihr konkretes Leben und jeweiliges Milieu umzuwandeln.

Bereiche der Menschheit, die umgewandelt werden sollen: Für die Kirche geht es nicht nur darum, immer weitere Landstriche oder immer größere Volksgruppen durch die Predigt des Evangeliums zu erfassen, sondern zu erreichen, daß durch die Kraft des Evangeliums die Urteilskriterien, die bestimmenden Werte, die Interessenpunkte, die Denkgewohnheiten, die Quellen der Inspiration und die Lebensmodelle der Menschheit, die zum Wort Gottes und zum Heilsplan im Gegensatz stehen, umgewandelt werden.

Vielleicht können wir dies zusammenfassend auf folgende Weise ausdrücken: es gilt - und zwar nicht nur dekorativ wie durch einen oberflächlichen Anstrich, sondern mit vitaler Kraft in der Tiefe und bis zu ihren Wurzeln - die Kultur und die Kulturen des Menschen im vollen und umfassenden Sinn ... zu evangelisieren ... Der Bruch zwischen Evangelium und Kultur ist ohne Zweifel das Drama unserer Zeitepoche, wie es auch das anderer Epochen gewesen ist. Man muß somit alle Anstrengungen machen, um die Kultur genauer die Kulturen, auf mutige Weise zu evangelisieren«.(165)

Die Kommunikationsmittel bieten sich heute als privilegierter Weg zur Schaffung und zur Weitergabe der Kultur an.(166) Aufgrund der raschen und umwälzenden Entwicklung und Erneuerung und ihres weltweiten, zugleich bis zur Basis reichenden Einflußes wird auch die Welt der Medien zu einem neuen Grenzgebiet der Sendung der Kirche. Die berufliche Verantwortung der Laien auf diesem Gebiet, sei es der einzelnen, sei es der gemeinsamen Institutionen und Initiativen, muß in ihrer ganzen Bedeutung anerkannt und mit mehr materiellen, intellektuellen und pastoralen Mitteln unterstützt werden.

Gebrauch und Aufnahme der Kommunikationsmittel verlangen nach einer Erziehung zum kritischen, von der Liebe zur Wahrheit getragenen Sinn, und einer umfassenden Verteidigung der Freiheit, der Ehrfurcht vor der personalen Würde, der Festigung der wahren Kultur der Völker durch die entschiedene und mutige Ablehnung jeder Form von Monopolisierung und Manipulierung.

Die pastorale Verantwortung der Laien schränkt sich aber nicht auf diese Verteidigung ein: Das heilbringende Evangelium muß auf allen Straßen der Welt, auch auf denen der Presse, des Kinos, der Radiosender, des Fernsehens und des Theaters verkündigt werden.

[162] Conc. Ecum. Vat. II, Const. past. sobre la Iglesia en el mundo actual Gaudium et spes, GS 53.
[163] Cf. Propositio 35.
[164] Conc. Ecum. Vat. II, Const. past. sobre la Iglesia en el mundo actual Gaudium et spes, GS 58.
[165] Pablo VI, Exh. Ap. Evangelii nuntiandi, EN 18-20: AAS 68 (1976) 18-19.
[166] Cf. Propositio 37.


VIERTES KAPITEL


DIE ARBEITER IM WEINBERG DES HERRN


Gute Verwalter der vielfältigen Gnade Gottes

Die Vielfalt der Berufungen

45 Nach dem Gleichnis des Evangeliums ruft der »Gutsbesitzer« die Arbeiter zu verschiedenen Tagzeiten in seinen Weinberg: einige beim Morgengrauen, andere gegen die neunte Stunde, andere noch gegen Mittag und um die sechste und um die elfte Stunde (vgl. Mt 20,1 ff). Im Kommentar zu dieser Perikope des Evangeliums interpretiert Gregor der Große die verschiedenen Zeitpunkte der Berufung im Hinblick auf das Lebensalter: »Die Verschiedenheit der Stunde« - schreibt er - »kann auf die verschiedenen Alter des Menschen angewandt werden. In dieser unserer Interpretation kann der Morgen die Kindheit darstellen. Die dritte Stunde kann dann als die frühe Jugend verstanden werden: Die Sonne steigt am Himmel auf, das heißt die Glut des Alters wächst. Die sechste Stunde ist die Jugend: Die Sonne steht wie in der Mitte des Himmels, das heißt, daß sich in dem Alter die Fülle der Kraft festigt. Das hohe Alter wird von der neunten Stunde dargestellt, weil die Sonne von der Höhe heruntergeht, so wie dieses Alter die Glut der Jugend verliert. Die elfte Stunde ist das Alter derer, die an Jahren schon weit fortgeschritten sind ... Die Arbeiter werden zu verschiedenen Stunden in den Weinberg gerufen, gleichsam um zu bedeuten, daß der eine schon in der Kindheit zum Leben der Heiligkeit geführt wird, der andere in der Jugend, ein anderer im Alter und noch ein anderer im hohen Alter«.(167)

Wir können den Kommentar des heilgen Gregor erweitern und auf die außerordentliche Vielfalt der Formen einer Präsenz in der Kirche, von denen alle und eine jede gerufen ist, je nach der Verschiedenheit der Berufungen und Situationen, der Charismen und der Dienste für die Ankunft des Reiches Gottes zu arbeiten anwenden. Diese Verschiedenheit ist nicht nur durch das Alter, sondern auch durch die Verschiedenheit der Geschlechter und die Vielfalt der Gaben, Berufungen und Lebenssituationen gegeben, und sie läßt den Reichtum der Kirche konkreter und lebendiger werden.

[167] San Gregorio Magno, Hom. in Evang. I, XIX, 2: PL 76, 1155.


Jugendliche, Kinder und alte Menschen

Die Jugend, Hoffnung der Kirche
46 Die Synode hat berechtigterweise der Jugend besondere Aufmerksamkeit schenken wollen. Denn in vielen Ländern der Welt stellen die Jugendlichen die Hälfte der gesamten Bevölkerung und oft auch die Hälfte des Volkes Gottes selbst, das in diesen Ländern lebt. Schon unter diesem Gesichtspunkt sind die Jugendlichen eine außerordentliche Kraft und eine große Herausforderung für die Zukunft der Kirche. Diese liest von den Jugendlichen ihr Schreiten in die Zukunft, die sie erwartet, ab; in ihnen findet sie das Bild und die Erinnerung an die beseligende Jugend, mit der der Geist Christi sie immer bereichert. In diesem Sinn hat das Konzil die Jugend als die »Hoffnung der Kirche« definiert.(168)

In dem Brief an die Jugendlichen der Welt vom 31. März 1985 lesen wir: »Die Kirche blickt auf die Jugendlichen; mehr noch, die Kirche erblickt sich selbst in einer besonderen Weise in den Jugendlichen - in euch allen und in jedem einzelnen von euch. So ist es von Anfang an, seit den Zeiten der Apostel gewesen. Die Worte im ersten Johannesbrief sind dafür ein besonderes Zeugnis: »Ich schreibe euch, ihr jungen Männer, daß ihr den Bösen besiegt habt. Ich schreibe euch, ihr Kinder, daß ihr den Vater erkannt habt ... ich schreibe euch, ihr jungen Männer, daß ihr stark seid und daß das Wort Gottes in euch bleibt (
1Jn 2,13 ff). Die Worte des Apostels kommen zum Gespräch Christi mit dem jungen Mann im Evangelium hinzu und erschallen mit mächtigem Echo von Generation zu Generation.

Auch in unserer Generation, am Ende des zweiten Jahrtausends nach Christus sieht die Kirche sich selbst in den Jugendlichen«.(169)

Die Jugendlichen dürfen nicht lediglich als Gegenstand der pastoralen Sorge der Kirche verstanden werden. Sie sind in der Tat, und müssen darin ermutigt werden, aktive Subjekte, Protagonisten der Evangelisierung und Erbauer der sozialen Erneuerung.(170) Die Jugend ist die Zeit einer besonders intensiven Entdeckung des eigenen »Ich« und des eigenen »Lebensentwurfes«, die Zeit eines Wachsens, das Zunehmen in der »Weisheit« und an »Gefallen bei Gott und den Menschen« ist (Lc 2,52).

Die Synodenväter sagten dazu: »Die Jugendlichen sind für die Werte der Gerechtigkeit, der Gewaltlosigkeit und des Friedens besonders sensibel. Ihr Herz ist offen für Geschwisterlichkeit, Freundschaft und Solidarität. Sie sind aufs höchste motiviert für die Anliegen der Lebensqualität und der Erhaltung der Natur. Aber sie sind auch erfüllt mit Fragen, Enttäuschungen, Nöten und Ängsten vor dlor Welt sowie der für sie typischen Versuchungen«.(171)

Die Kirche muß die Vorliebe Jesu für den jungen Mann des Evangeliums neu lebendig werden lassen: »Da sah ihn Jesus an, weil er ihn liebte« (Mc 10,12). Darum wird sie nicht müde, Jesus Christus zu verkünden und sein Evangelium zu predigen, als einzige und überreiche Antwort auf die tiefsten Sehnsüchte der Jugend, als eindeutige und anziehende Aufforderung zu einer persönlichen Nachfolge (»komm und folge mir nach« [ Mc 10, 21]), die Teilhabe an der Kindesliebe Jesu zum Vater und Teilhabe an seiner Heilssendung für die Menschheit ist.

Die Kirche hat der Jugend viel zu sagen, und die Jugend hat der Kirche viel zu sagen. Dieser gegenseitige Dialog muß offenherzig, klar und mutig sein. Er fördert die Begegnung und den Austausch zwischen den Generationen und wird für Kirche und Gesellschaft Quelle des Reichtums und des Jungseins. In seiner Botschaft an die Jugend sagt das Konzil: »Die Kirche schaut mit Vertrauen und Liebe auf euch ... Sie ist die wahre Jugend für die Welt ... Schaut auf sie und ihr werdet in ihr das Antlitz Christi finden«.(172)

[168] Conc. Ecum. Vat. II, Decl. sobre la educación cristiana Gravissimum educationis, GE 2.
[169] Juan Pablo II, Carta Ap. a los jóvenes y a los jóvenes del mundo con ocasión del "Año Internacional de la Juventud", 15: AAS 77 (1985) 620-621.
[170] Cf. Propositio 52.
[171] Propositio 51.
[172] Conc. Ecum. Vat. II, "Mensaje a los jóvenes" (8 Diciembre 1965): AAS 58 (1966) 18.


Die Kinder und das Reich Gottes

47 Die Kinder sind mit Sicherheit Gegenstand der zarten und warmen Liebe des Herrn Jesus: Er versichert sie seines Segens und verspricht ihnen das Himmelreich (vgl. Mt 19,13-15 Mc 10,14). Jesus hebt die aktive Teilnahme der Kleinen am Gottesreich hervor. Sie sind sprechendes Symbol und herrliches Vorbild der moralischen und geistlichen Haltung, die Voraussetzung ist, um in das Himmelreich zu gelangen und in der Logik einer Ganzhingabe an den Herrn zu leben: »Amen, das sage ich euch: Wenn ihr nicht umkehrt und wie die Kinder werdet, könnt ihr nicht in das Himmelreich kommen. Wer so klein sein kann wie dieses Kind, der ist im Himmelreich der Größte. Und wer ein solches Kind um meinetwillen aufnimmt, der nimmt mich auf« (Mt 18,3-5 vgl. Lc 9,48).

Die Kinder erinnern uns ständig daran, daß die missionarische Fruchtbarkeit der Kirche nicht in den menschlichen Mitteln und Verdiensten, sondern in der absolut freien Gabe Gottes ihre Lebenswurzel hat. Das Leben in Unschuld und Gnade der Kinder sowie die Leiden und die Unterdrückung, die ihnen ungerechterweise auferlegt werden, bringen aufgrund des Kreuzes Christi ihnen selbst und der gesamten Kirche eine geistliche Bereicherung ein. Wir alle müssen uns dieser Tatsache dankbarer bewußt werden.

Es muß auch bedacht werden, daß Kindheit und Jugend wertvolle Möglichkeiten für den Aufbau der Kirche und für die Humanisierung der Gesellschaft bieten. Über die wohltuende und positive Präsenz der Kinder in der »Hauskirche« der Familie sagt das Konzil: »Die Kinder als lebendige Glieder der Familie tragen auf ihre Weise zur Heiligung der Eltern bei«.(173) Diese Wahrheit muß in Anwendung auf die Teilkirchen und auf die Universalkirche wiederholt werden. Schon Jean Gerson, Theologe und Erzieher aus dem XV. Jahrhundert, für den »die Kinder und Jugendlichen gewiß kein außer acht zu lassender Teil der Kirche« darstellen, machte auf diese Tatsache aufmerksam.(174)

[173] Conc. Ecum. Vat. II, Const. past. sobre la Iglesia en el mundo actual Gaudium et spes, GS 48.
[174] J. Gerson, De parvulis ad Christum trahendis, CEuvres completes, Desclée, Paris 1973, IX, 669.


Die alten Menschen und die Gabe der Weisheit

48 Die alten Menschen, die oft als nutzlos oder sogar als unerträgliche Last betrachtet werden, möchte ich daran erinnern, daß die Kirche von ihnen erbittet und erwartet, daß sie ihre missionarische und apostolische Sendung fortsetzen. Ihre Erfüllung ist in diesem Alter nicht nur möglich und verpflichtend, sie erhält durch es in gewisser Weise eine spezifische und originelle Note.

Die Bibel zeichnet den alten Menschen gerne als Symbol des von Weisheit und Gottesfurcht erfüllten Menschen (vgl.
Si 25,4-6). In diesem Sinn könnte die »Gabe« des alten Menschendarin gesehen werden, in der Kirche und in der Gesellschaft Zeuge der Glaubenstradition (vgl. Ps 44,2 Ex 12,26-27), Meister des Lebens (vgl. Si 6,34 Si 8,11-12) und Träger der Liebe zu sein.

Die wachsende Zahl alter Menschen und ihr frühzeitiges Zurücktreten aus Beruf und Arbeit öffnen ihrer apostolischen Aufgabe neue Möglichkeiten. Diese muß mit Entschiedenheit übernommen werden. Die Versuchung muß überwunden werden, sich sehnsüchtig in eine Vergangenheit, die nicht wiederkehrt, zurückzuziehen, um wegen der Schwierigkeiten, die eine Welt der ständigen Neuheiten bedeutet, vor einer Verpflichtung in der Gegenwart zurückzuweichen. Alte Menschen müssen sich immer neu vergegenwärtigen, daß ihre Aufgabe in der Kirche und in der Gesellschaft aufgrund des Alters keine Unterbrechungen kennt, sondern lediglich neue Ausdrucksweisen finden muß. Der Psalmist sagt dazu: »Sie tragen Frucht noch im Alter und bleiben voll Saft und Frische; sie verkünden: Gerecht ist der Herr (Ps 92,15-16). Ich wiederhole hier, was ich anläßlich der Jubiläumsfeier für alte Menschen gesagt habe: »Das Erreichen des dritten Alters muß als ein Privileg betrachtet werden: nicht nur, weil nicht alle das Glück haben, diese Etappe zu erreichen, sondern auch und vor allem, weil diese Zeit konkrete Möglichkeiten bietet, die Vergangenheit besser zu überprüfen, das Ostergeheimnis tiefer zu erkennen und zu erleben, in der Kirche für das gesamte Volk Gottes zum Vorbild zu werden... Trotz der Komplexität eurer Probleme, die noch keine Lösung gefunden haben, des langsamen Kräftezerfalls, der mangelnden sozialen Organisationen, der Verzögerungen in der offiziellen Gesetzgebung, des Unverständnisses einer egoistischen Gesellschaft seid ihr nicht am Rand des Lebens der Kirche und müßt ihr nicht meinen, passive Elemente in einer Welt, die zu viel Bewegung kennt, zu sein. Ihr seid vielmehr aktive Subjekte einer menschlich und geistlich fruchtbaren Zeit der Existenz. Noch habt ihr eine Aufgabe zu erfüllen und einen Beitrag zu geben. Nach dem göttlichen Plan ist jeder Mensch vom ersten Augenblick seiner Existenz an bis zu seinem letzten Atemzug wachsendes Leben«.(175)

[175] Juan Pablo II, Discurso a grupos de la tercera edad de las diócesis italianas (23 Marzo 1984): Insegnamenti, VII, 1 (1984) 744.


Frauen and Männer

49 Die Synodenväter haben der Lage und der Aufgabe der Frau in einer zweifachen Hinsicht besondere Aufmerksamkeit gewidmet die Aufforderung an alle, den unverzichtbaren Beitrag der Frau zum Aufbau der Kirche und zur Entwicklung der Gesellschaft anzuerkennen; den Anstoß zu einer spezifischen Analyse der Teilhabe der Frau am Leben und an der Sendung der Kirche.

Rückblickend auf Johannes XXIII., der das Bewußtsein der Frauen von der eigenen Würde und das Eintreten der Frauen in das öffentliche Leben als ein Zeichen unserer Zeit erkannt hat,(176) haben die Synodenväter wiederholt und entschieden die Dringlichkeit hervorgehoben, angesichts der verschiedenen Formen der Diskriminierung und Marginalisierung, denen die Frau wegen ihres Frauseins ausgesetzt ist, die Personwürde der Frau und somit ihre Gleichheit mit dem Mann herauszustellen.

Diese Aufgabe kommt in der Kirche und in der Gesellschaft allen, insbesondere aber den Frauen zu. In vielen Teilen der Welt muß vielerorts noch eine ungerechte und schädliche Mentalität überwunden werden, die den Menschen als ein Ding, als ein Objekt, als ein Werkzeug des egoistischen Interesses oder der Lust versteht, das man kaufen oder verkaufen kann. Das um so mehr, als die Frau das erste Opfer dieses Denkens ist. Die ausdrückliche Anerkennung der personalen Würde der Frau ist der erste Schritt, um ihre volle Teilhabe am Leben der Kirche und am öffentlichen und gesellschaftlichen Leben anzustreben. Die Aufforderung in Familiaris Consortio im Hinblick auf die vielen Diskriminierungen, denen die Frau zum Opfer fällt, muß noch eine umfassendere und entschiedenere Antwort erhalten: »Ich bitte deshalb alle, durch einen stärkeren und gezielteren spezifischen pastoralen Einsatz in dieser Richtung für ihre endgültige Beseitigung zu wirken, damit das Bild Gottes, das in allen Menschen ausnahmslos widerstrahlt, seine volle Würdigung findet«.(177) In derselben Linie haben die Synodenväter behauptet: »Als ein Ausdruck ihrer Sendung muß die Kirche sich mit Entschiedenheit allen Formen der Diskriminierung und des Mißbrauchs der Frau widersetzen«.(178) Und weiter: »Die Würde der Frau, die in der öffentlichen Meinung schwer verletzt ist, muß durch die wahre Ehrfurcht vor den Menschenrechten und durch die Anwendung der Soziallehre der Kirche wiederhergestellt werden«.(179)

Schon das II. Vatikanische Konzil hat die aktive und verantwortliche Teilnahme der Frau an Leben und Sendung der Kirche ausdrücklich empfohlen: »Da heute die Frauen eine immer aktivere Funktion im ganzen Leben der Gesellschaft ausüben, ist es von großer Wichtigkeit, daß sie auch an den verschiedenen Bereichen des Apostolates der Kirche wachsenden Anteil nehmen«.(180)

Das Bewußtsein, daß die Frau mit ihren eigenen Gaben und Aufgaben eine besondere Berufunghat, hat sich in der nachkonziliaren Zeit vertieft und verbreitet. Es hat im Evangelium und in der Kirchengeschichte seine ursprüngliche Inspirationsquelle gefunden. Für den Glaubenden bleibt das Evangelium, das heißt das Wort und das Beispiel Jesu Christi notwendiges und entscheidendes Kriterium, das auch im augenblicklichen historischen Moment fruchtbar und erneuernd ist.

Wenn auch nicht zu dem Apostolat der Zwölf und somit zum Priesteramt berufen, begleiten viele Frauen Jesus in seinem Dienst und stehen der Gruppe der Apostel bei (vgl.
Lc 8,2-3); unter dem Kreuz sind sie präsent (vgl. Lc 23,49); sie wohnen der Grablegung Jesu bei (vgl. Lc 23,55) und empfangen und verkündigen am Ostermorgen die Botschaft von der Auferstehung (vgl. Lc 24,1-10); sie beten im Coenaculum mit den Aposteln in der Pfingsterwartung (vgl. Ac 1,14).

Auf den Spuren des Evangeliums nimmt die Urkirche Abstand von der Kultur ihrer Zeit, und sie beruft die Frau zu bestimmten Aufgaben, die mit der Evangelisierung gegeben sind. Der Apostel Paulus nennt in seinen Briefen auch mit Namen zahlreiche Frauen und ihre verschiedenen Aufgaben innerhalb und im Dienst der ersten Gemeinden (vgl. Rm 16,1-15 Ph 4,2-3 Col 4,15 und 1Co 11,5 1Tm 5,16). »Wenn das Zeugnis der Apostel die Kirche begründet«, - sagte Paul VI. - »trägt das der Frauen entscheidend dazu bei, den Glauben der christlichen Gemeinden zu nähren«.(181)

Wie zu ihren Anfängen - wenn auch auf verschiedene Weise und mit anderen Akzentsetzungen - hat die Kirche auch in ihrer späteren Entwicklung Frauen gekannt, die zuweilen eine entscheidende Rolle gespielt und höchst bedeutende Aufgaben für sie erfüllt haben. Diese ist eine Geschichte immensen Einsatzes, das oft im Verborgenen geschah, für das Wachstum und die Heiligkeit der Kirche deswegen aber nicht weniger entscheidend war. Diese Geschichte muß fortgesetzt, erweitert und verdichtet werden angesichts des wachsenden und universell verbreiteten Bewußtseins von der Personwürde der Frau und ihrer Berufung sowie der Dringlichkeit einer neuen »Evangelisierung« und einer größeren »Humanisierung« der sozialen Beziehungen.

Die Synodenväter haben den Auftrag des II. Vatikanischen Konzils, der die Botschaft des Evangeliums und der Kirchengeschichte spiegelt, neu aufgenommen und unter anderem diese ausdrückliche Empfehlung formuliert: »Die Kirche muß in ihrem Leben und in ihrer Sendung alle Gaben der Frauen und der Männer anerkennen und sie in die Praxis umsetzen«.(182) Und weiter: »Diese Synode verkündet, daß die Kirche um ihre Sendung besser erfüllen zu können, die Anerkennung und den Einsatz aller dieser Gaben, Erfahrungen und Haltungen von Männern und Frauen verlangt (vgl. Kongregation für die Glaubenslehre, Instructio de libertate christiana et liberatione, 72)«.(183)

[176] Cf Juan XXIII, Enc. Pacem in terris: AAS 55 (1963) PT 267-268.
[177] Juan Pablo II, Exh. Ap. Familiaris consortio, FC 24: AAS 74 (1982) 109-110.
[178] Propositio 46.
[179] Propositio 47.
[180] Conc. Ecum. Vat. II, Dec. sobre el apostolado de los laicos Apostolicam actuositatem, AA 9.
[181] Pablo VI, Discurso al Comité de organización del Año Internacional de la Mujer (18 Abril 1975): AAS 67 (1975) 266.
[182] Propositio 46.
[183] Propositio 47.



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