Allgemeines Direktorium für die Katechese 74

Das Umfeld Schule und die Adressaten des Religionsunterrichts


74 Der Religionsunterricht in den Schulen entfaltet sich in unterschiedlichen schulischen Rahmenbedingungen, was bewirkt, daß er, trotz Beibehaltung seiner spezifischen Eigenart, verschiedene Akzentsetzungen erhält. Diese hängen von den rechtlichen und organisatorischen Verhältnissen, von der didaktischen Konzeption, von den persönlichen Voraussetzungen der Lehrer und der Schüler und von der Verbindung zwischen dem Religionsunterricht in der Schule und der Katechese in Familie und Pfarrei ab.

Es ist unmöglich, sämtliche Modelle des Religionsunterrichts in der Schule, die sich historisch im Zuge der Vereinbarungen mit den Staaten und der Beschlüsse der einzelnen Bischofskonferenzen entwickelt haben, auf eine einzige Form zurückführen. Man muß sich jedoch unbedingt darum bemühen, daß entsprechend den jeweiligen Voraussetzungen der Religionsunterricht an den Schulen seinen besonderen Zielsetzungen und Wesensmerkmalen entspricht. (224)

Die Schüler haben »ein Recht darauf, ihre Religion wahrheitsgemäß und zuverlässig kennenzulernen. Dieses ihr Recht, die Person Christi und das unverkürzte Ganze der von ihm gebrachten Heilsbotschaft gründlicher kennenzulernen, darf nicht mißachtet werden. Der konfessionelle Charakter des Religionsunterrichts, wie ihn die Kirche nach den in den einzelnen Ländern festgelegten Weisen und Formen erteilt, ist daher eine unverzichtbare Garantie für die Familien und die Schüler, die sich für diesen Unterricht entscheiden«. (225)

Für die katholischen Schulen ist der so qualifizierte und durch andere Formen des Dienstes am Wort (Katechese, Gottesdienste usw.) ergänzte Religionsunterricht unersetzlicher Bestandteil ihrer pädagogischen Aufgabe und Grundlage ihrer Existenz. (226)

Der Religionsunterricht im Rahmen der öffentlich-staatlichen und nichtkonfessionellen Schule, wo die staatlichen Behörden oder andere Umstände zu einem gemeinsamen Religionsunterricht für katholische und nichtkatholische Schüler nötigen, (227) wird einen mehr ökumenischen Charakter haben und gemeinsames interreligiöses Kennenlernen fördern.

In anderen Fällen wird der Religionsunterricht in der Schule einen eher kulturellen Charakter haben können, der auf die Kenntnis der Religionen ausgerichtet ist, dabei aber der Darstellung der katholischen Religion einen gebührenden Platz einräumt. (228) Auch in diesem Fall bewahrt der Religionsunterricht an der Schule, vor allem wenn er von einem ehrlich respektvoll eingestellten Professor erteilt wird, eine Dimension echter »Vorbereitung für das Evangelium«.


75 Die Lebens- und Glaubenssituation der Schüler, die den Religionsunterricht in der Schule besuchen, ist von beachtlichem, ständigem Wandel gekennzeichnet. Diesem Umstand muß der Religionsunterricht Rechnung tragen, um seine Ziele erreichen zu können.

Der Religionsunterricht in der Schule verhilft den gläubigen Schülern zu einem besseren Verständnis der christlichen Botschaft mit Bezug auf die großen, den Religionen gemeinsamen und für jedes menschliche Dasein charakteristischen Existenzprobleme, auf die vor allem in der Kultur vorhandenen Lebensauffassungen und auf die hauptsächlichen moralischen Grundprobleme, in die sich die Menschheit heute verstrickt sieht.

Die Schüler hingegen, die sich auf der Suche oder in religiösen Zweifeln befinden, werden im Religionsunterricht in der Schule entdecken können, was der Glaube an Jesus Christus genau ist, welche Antworten die Kirche ihnen auf ihre Fragen gibt, indem sie ihnen Gelegenheit bietet, die eigene Entscheidung besser zu erforschen.

Wenn es sich hingegen um nicht glaubende Schüler handelt, nimmt der Religionsunterricht in der Schule die Merkmale einer missionarischen Verkündigung des Evangeliums an, um eine Glaubensentscheidung herbeizuführen, die dann die Katechese im Rahmen der Gemeinde zum Wachsen und Reifen bringen wird.

Christliche Familienerziehung, Katechese und Religionsunterricht in den Schulen im Dienst der Glaubenserziehung


76 Die christliche Erziehung in der Familie, die Katechese und der Religionsunterricht in der Schule stehen, je nach ihren besonderen Wesensmerkmalen, in enger Wechselbeziehung mit dem Dienst der christlichen Erziehung der Kinder, Heranwachsenden und Jugendlichen. In der Praxis sind jedoch unterschiedliche Variabeln, zu denen es punktuell kommt, in Erwägung zu ziehen, um bei der Anwendung der allgemeinen Weisungen mit Wirklichkeitssinn und pastoraler Klugheit vorzugehen.

Es ist somit Sache jeder Diözese oder Seelsorgeregion, die verschiedenen Umstände, die mitspielen, wahrzunehmen: ob für die Kinder im Kreis der Familien eine christliche Initiation stattfindet oder nicht, oder welche Bildungsaufträge die Pfarreien, die Schulen usw. in der örtlichen Tradition oder Situation erfüllen.

Folglich werden die Teilkirchen und die Bischofskonferenz eigene Anleitungen für die verschiedenen Bereiche festlegen und Aktivitäten anregen, die unterscheidenden und ergänzenden Charakter haben.


III. KAPITEL

Wesen, Zielsetzung
und Aufgaben der Katechese

»... jeder Mund bekennt: "Jesus Christus ist der Herr" – zur Ehre Gottes, des Vaters« (Ph 2,11).


77 Nachdem der Platz der Katechese in der evangelisierenden Sendung der Kirche, ihre Beziehung zu den verschiedenen Elementen der Evangelisierung und zu den anderen Formen des Dienstes am Wort umrissen worden ist, soll in diesem Kapitel über die Katechese selbst nachgedacht werden, und zwar insbesondere über:

– das kirchliche Wesen der Katechese, das heißt über die vom Geist beseelte Kirche als Träger der Katechese;

– das Ziel, das sie beim Glaubensunterricht im wesentlichen anstrebt;

– die Aufgaben, mit denen sie dieses Ziel verwirklicht und die ihre unmittelbaren Zielsetzungen bilden;

– die innere Staffelung des katechetischen Prozesses und die katechumenale Inspiration, die ihn beseelt.

Im letzten Kapitel dieses Teiles soll zudem der Eigencharakter der Katechese — der schon im vorigen Kapitel beschrieben worden ist — noch mehr vertieft und dabei die Beziehungen analysiert werden, die sie zu den anderen kirchlichen Tätigkeiten herstellt.

Die Katechese: eine ihrem Wesen nach kirchliche Tätigkeit


78 Die Katechese ist ihrem Wesen nach ein kirchlicher Akt. (229) Der eigentliche Träger der Katechese ist die Kirche, die in Fortsetzung der Sendung Jesu, des Meisters, und vom Geist beseelt, gesandt ist, Glaubenslehrerin zu sein. Darum bewahrt die Kirche in Nachahmung der Mutter des Herrn das Evangelium treu in ihrem Herzen, (230) verkündet es, feiert es, lebt es und gibt es in der Katechese an alle weiter, die sich dazu entschieden haben, Jesus Christus nachzufolgen.

Diese Weitergabe des Evangeliums ist ein lebendiger Akt kirchlicher Überlieferung: (231)

– Die Kirche gibt den Glauben weiter, den sie selber lebt: ihr Verständnis des Mysteriums Gottes und seines Heilsplanes; ihre Sicht der erhabenen Berufung des Menschen; den evangeliumsgemäßen Lebensstil, der die Freude des Gottesreiches vermittelt; die Hoffnung, die sie durchdringt; die Liebe, die sie für die Menschheit und für alle Geschöpfe Gottes empfindet.

– Die Kirche gibt den Glauben aktiv weiter, sie sät ihn in die Herzen der Katechumenen und Glaubensschüler, um deren tiefste Erfahrungen zu befruchten. (232) Das von der Kirche empfangene Glaubensbekenntnis (»traditio«), das während des Unterrichtsvorgangs keimt und wächst, wird, angereichert mit den Werten der verschiedenen Kulturen, zurückgegeben (»redditio«). (233) Der Katechumenat wird so zu einem fundamentalen Zentrum des Wachstums von Katholizität und zu einem Ferment kirchlicher Erneuerung.


79 Bei der Weitergabe des Glaubens und des neuen Lebens — durch die christliche Initiation — handelt die Kirche als Mutter der Menschen, die Kinder zur Welt bringt, die durch das Wirken des Heiligen Geistes empfangen und aus Gott geboren sind (234) Genauer gesagt, »als unsere Mutter ist die Kirche auch unsere Erzieherin im Glauben«; (235 )sie ist zugleich Mutter und Lehrerin. Durch die Katechese nährt sie ihre Kinder mit ihrem eigenen Glauben und fügt sie als Glieder in die kirchliche Familie ein. Als gute Mutter bietet sie ihnen das Evangelium in seiner ganzen Echtheit und Reinheit an, das ihnen zugleich als kulturell angereicherte und geeignete Speise und als Antwort auf die tiefsten Sehnsüchte des menschlichen Herzens geschenkt wird.

Ziel der Katechese: die Gemeinschaft mit Jesus Christus


80 »Das Endziel der Katechese ist es, jemanden nicht nur in Kontakt, sondern in Gemeinschaft, in Lebenseinheit mit Jesus Christus zu bringen«. (236)

Die ganze katechetische Tätigkeit ist darauf bedacht, die Gemeinschaft mit Jesus Christus zu fördern. Von der »anfanghaften«, (237) vom Heiligen Geist durch die Erstverkündigung angestoßenen Bekehrung eines Menschen zum Herrn an nimmt sich die Katechese vor, dieser ersten Bindung eine Grundlage zu geben und sie reifen zu lassen. Es geht also darum, dem eben Bekehrten zu helfen, »... diesen Christus, dem er sich anvertraut hat, besser kennenzulernen: sein "Geheimnis" zu verstehen und das Reich Gottes, das er verkündet, die Forderungen und Verheißungen seiner Frohen Botschaft zu erfassen und die Wege, die er für alle, die ihm nachfolgen wollen, aufgezeigt hat«. (238) Die Taufe, das Sakrament, durch das wir »Christus gleichgestaltet« (239) werden, unterstützt mit ihrer Gnade dieses Wirken der Katechese.


81 Die Gemeinschaft mit Jesus Christus treibt mit der ihr eigenen Dynamik den Jünger an, sich mit all dem zu vereinen, mit dem Jesus Christus selbst sich tief vereint fühlte: mit Gott, seinem Vater, der ihn in die Welt gesandt hatte, und mit dem Heiligen Geist, der ihm den Impuls zur Sendung gab; mit der Kirche, seinem Leib, für den er sich hingab, und mit den Menschen, seinen Brüdern und Schwestern, deren Los er teilen wollte.

Das Ziel der Katechese kommt zum Ausdruck im Bekenntnis des Glaubens an den einen Gott: den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist


82 Die Katechese ist jene besondere Form des Dienstes am Wort, welche die anfanghafte Bekehrung zum Reifen bringt, bis sie zu einem lebendigen, ausdrücklichen und sich in Taten auswirkenden Glaubensbekenntnis wird: »Die Katechese hat ihren Ursprung im Bekenntnis des Glaubens und führt zum Bekenntnis des Glaubens«. (240)

Das Glaubensbekenntis bei der Taufe (241) ist in hervorstechender Weise trinitarisch. Die Kirche tauft »im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes« (
Mt 28,19), (242) des dreieinigen Gottes, dem der Christ sein Leben anvertraut. Die Initiationskatechese bereitet — vor und nach dem Empfang der Taufe — auf diese entscheidende Verpflichtung vor. Die ständige Katechese soll helfen, dieses Glaubensbekenntnis fortwährend reifen zu lassen, es in der Eucharistiefeier zu verkünden und die mit ihm gegebenen Verpflichtungen zu erneuern. Es ist wichtig, daß die Katechese das christologische Glaubensbekenntnis »Jesus ist der Herr« gut mit dem trinitarischen Bekenntnis »Ich glaube an den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist« zu verbinden weiß, denn es sind nur zwei Weisen, um ein und denselben christlichen Glauben zum Ausdruck zu bringen. Wer sich durch die Erstverkündigung zu Jesus Christus bekehrt und ihn als Herrn anerkennt, beginnt einen von der Katechese unterstützten Prozeß, der notwendigerweise in das ausdrückliche Bekenntnis der Dreifaltigkeit mündet.

Mit dem Bekenntnis des Glaubens an den einen Gott verzichtet der Christ darauf, irgendeinem menschlichen Absolutum, wie Macht, Vergnügen, Rasse, Ahnen, Staat, Geld..., (243) hörig zu sein, und befreit sich von jedwedem Idol, das ihn versklavt. Er erklärt damit seinen Willen, Gott und den Menschen ohne irgendeine andere Bindung zu dienen. Durch die Kundmachung seines Glaubens an die Dreifaltigkeit, eine Personengemeinschaft, bekundet der Jünger Christi gleichzeitig, daß die Liebe zu Gott und zum Nächsten das Prinzip ist, das sein Wesen und Wirken formt.


83 Das Glaubensbekenntnis ist nur dann vollständig, wenn es Bezug nimmt auf die Kirche. Jeder Getaufte spricht einzeln das Credo, denn es gibt keinen persönlicheren Akt als diesen. Aber er spricht es in der Kirche und durch sie, denn er tut das als ihr Glied. Das »Ich glaube« und das »wir glauben« schließen einander ein. (244) Indem er sein eigenes Bekenntnis mit dem der Kirche verschmilzt, wird der Christ in ihre Sendung eingegliedert: »allumfassendes Sakrament des Heils« für das Leben der Welt zu sein. Wer das Glaubensbekenntnis ablegt, nimmt Verpflichtungen auf sich, die nicht selten Verfolgung nach sich ziehen werden. In der Geschichte des Christentums sind die Märtyrer die Verkünder und Zeugen schlechthin. (245)

Die Aufgaben der Katechese verwirklichen deren Ziel


84 Das Ziel der Katechese wird durch verschiedene, miteinander verflochtene Aufgaben erreicht. (246) Um sie auszuführen, wird sich die Katechese sicherlich von der Art und Weise inspirieren lassen, wie Jesus seine Jünger bildete: er ließ sie die verschiedenen Dimensionen des Gottesreiches erkennen (»Euch ist es gegeben, die Geheimnisse des Himmelreichs zu erkennen«, Mt 13,11), (247) lehrte sie beten (»Wenn ihr betet, so sprecht: Vater...«, Lc 11,2), (248) prägte ihnen die evangeliumsgemäßen Haltungen ein (»Lernt von mir, denn ich bin gütig und von Herzen demütig«, Mt 11,29), führte sie in die Mission ein (»Er sandte sie zu zweit voraus...«, Lc 10,1). (249)

Die Aufgaben der Katechese entsprechen der Erziehung zu den verschiedenen Dimensionen des Glaubens, denn die Katechese ist eine ganzheitliche christliche Bildung, »die sich für alle Bereiche des christlichen Lebens offenhält«. (250) Kraft seiner inneren Dynamik will der Glaube gekannt, gefeiert, gelebt und in Gebet übersetzt werden. Die Katechese muß jede dieser Dimensionen pflegen. Der Glaube wird jedoch in der christlichen Gemeinde gelebt und in der Mission verkündet: er ist ein solidarischer und verkündeter Glaube. Auch diese Dimensionen sollen von der Katechese gefördert werden.

Das II. Vatikanische Konzil brachte diese Aufgaben so zum Ausdruck: »Die katechetische Unterweisung erleuchtet den Glauben und stärkt ihn, sie nährt das Leben im Geiste Christi, führt zum bewußten und aktiven Mitvollzug des Mysteriums der Liturgie und ermuntert zur apostolischen Tat«. (251)

Die grundlegenden Aufgaben der Katechese: helfen, das Geheimnis Christi zu erkennen, zu feiern, zu leben und zu betrachten


85 Die grundlegenden Aufgaben der Katechese sind:

Die Förderung der Kenntnis des Glaubens

Wer Christus begegnet ist, möchte ihn möglichst gut kennenlernen, ebenso wie er wünscht, den von ihm offenbarten Plan des Vaters zu kennen. Die Kenntnis der Glaubensinhalte (fides quae) wird von der Annahme des Glaubens (fides qua) gefordert. (252) Schon auf der menschlichen Ebene bringt es die Liebe zu einem Menschen mit sich, daß man ihn immer besser kennenlernen möchte. Die Katechese muß also dahin führen, »allmählich die ganze Wahrheit des göttlichen Ratschlusses zu erfassen«, (253) indem sie die Jünger Jesu Christi in die Kenntnis der Überlieferung und der Schrift einführt, in die »alles übertreffende Erkenntnis Jesu Christi (
Ph 3,8)«. (254)

Die Vertiefung in die Glaubenserkenntnis führt zur christlichen Erleuchtung des menschlichen Daseins, nährt das Glaubensleben und befähigt überdies dazu, den Glauben in der Welt bekanntzumachen. Die Überreichung des Glaubensbekenntnisses, das ein Kompendium der Schrift und des Glaubens der Kirche darstellt, bringt die Verwirklichung dieser Aufgabe zum Ausdruck.

Die liturgische Erziehung

»Christus ist in seiner Kirche immerdar gegenwärtig, besonders in den liturgischen Handlungen«.(255) Die Gemeinschaft mit Jesus Christus veranlaßt, seine Heilsgegenwart in den Sakramenten, zumal in der Eucharistie, zu feiern. Die Kirche wünscht sehr, daß alle Christgläubigen zu jener vollen, bewußten und aktiven Beteiligung geführt werden, wie sie das Wesen der Liturgie und die Würde ihres allgemeinen Priestertums kraft der Taufe verlangt. (256) Deshalb muß die Katechese nicht nur die Kenntnis von der Bedeutung der Liturgie und der Sakramente fördern, sondern auch die Jünger Jesu Christi »zum Gebet, zur Danksagung, zur Buße, zum vertrauensvollen Bitten, zum Gemeinschaftssinn, zum Erfassen der symbolischen Sprache...« (257) erziehen, denn all das ist zu einem echten liturgischen Leben notwendig.

Die sittliche Bildung

Zur Bekehrung zu Jesus Christus gehört, daß man den Weg seiner Nachfolge einschlägt. Die Katechese muß deshalb den Jüngern die dem Meister eigenen Haltungen vermitteln. Diese begeben sich so auf einen Weg innerer Umformung, auf dem sie unter Teilnahme am Ostermysterium des Herrn »vom alten Menschen hinüberschreiten zum neuen Menschen, der in Christus vollendet ist«. (258) Die Bergpredigt, in der Jesus den Dekalog übernimmt und ihm den Geist der Seligpreisungen aufprägt, (259) ist ein unerläßlicher Bezugspunkt in der sittlichen Bildung, die heute so notwendig ist. Die Evangelisierung, die auch »die Verkündigung und das Anbieten einer Moral«(260) in sich schließt, verbreitet ihre ganze, an den Menschen appellierende Kraft, wenn sie, im Verein mit dem verkündeten Wort, auch das ins Leben umgesetzte Wort anzubieten weiß. Dieses sittliche Zeugnis, zu dem die Katechese vorbereitet, muß die sozialen Konsequenzen der Forderungen des Evangeliums aufzuzeigen wissen. (261)

Beten lehren

Die Gemeinschaft mit Christus bringt die Jünger dazu, die betende und kontemplative Haltung anzunehmen, die der Meister hatte. Mit Jesus beten zu lernen heibt mit den gleichen Gefühlen beten, mit denen er sich an seinen Vater wandte: in Anbetung, Lob, Danksagung, kindlichem Vertrauen, Bitte, Bewunderung seiner Herrlichkeit. Diese Gefühle spiegeln sich im Vaterunser wider, dem Gebet, das Jesus seine Jünger lehrte und das Modell jedes christlichen Gebetes ist. Die »Übergabe des Vaterunsers«, (262) das eine Zusammenfassung des ganzen Evangeliums darstellt, (263) ist deshalb der eigentliche Ausdruck für die Verwirklichung dieser Aufgabe. Wenn die Katechese von einer Gebetsatmosphäre durchdrungen ist, erhält das Erlernen des ganzen christlichen Lebens seine Tiefe. Diese Atmosphäre ist besonders notwendig, wenn die Katechumenen und Glaubensschüler vor den anspruchsvolleren Aspekten des Evangeliums stehen und sich schwach fühlen, oder wenn sie — verwundert — das Wirken Gottes in ihrem Leben entdecken.

Weitere grundlegende Aufgaben der Katechese: Hinführung und Erziehung zum Gemeinschaftsleben und zur Mission


86 Die Katechese befähigt den Christen, in Gemeinschaft zu leben und am Leben und an der Sendung der Kirche aktiv teilzunehmen. Das II. Vatikanische Konzil weist auf die Notwendigkeit hin, daß die Hirten den »Geist der Gemeinschaft« (264) pflegen und daß die Katechumenen »lernen, durch das Zeugnis des Lebens und das Bekenntnis des Glaubens an der Verkündigung des Evangeliums und am Aufbau der Kirche wirksam mitzuarbeiten«.(265)

Die Erziehung zum Gemeinschaftsleben

a) Das christliche Leben in Gemeinschaft läßt sich nicht improvisieren, sondern es muß sorgsam zu ihm erzogen werden. Für diese Einübung verlangt die Unterweisung Jesu über das Gemeinschaftsleben, die vom Matthäusevangelium wiedergegeben wird, einige Haltungen, welche die Katechese fördern muß: den Geist der Schlichtheit und Demut (»Wenn ihr nicht wie die Kinder werdet ...«,
Mt 18,3); die Sorge um die Kleinen (»Wer einen von diesen Kleinen... zur Sünde verführt...«, Mt 18,6); die besondere Aufmerksamkeit für diejenigen, die sich abgewandt haben (»Auf die Suche nach dem verlorenen Schaf gehen...«, Mt 18,12); die brüderliche Zurechtweisung (»Weise ihn unter vier Augen zurecht...«, Mt 18,15); das gemeinsame Gebet (»Was zwei von euch auf Erden gemeinsam erbitten ...«, Mt 18,19); die gegenseitige Vergebung (»siebenundsiebzigmal...«, Mt 18,22). Die brüderliche Liebe vereint alle diese Haltungen (»Liebt einander, wie ich euch geliebt habe«, Jn 13,34).

b) Bei der Erziehung zu diesem Gemeinschaftssinn wird die Katechese auch die ökumenische Dimension pflegen und zu brüderlichen Haltungen gegenüber den Mitgliedern anderer christlicher Kirchen und kirchlicher Gemeinschaften ermuntern. Deshalb wird die Katechese bei der Verfolgung dieses Zieles die ganze Lehre der katholischen Kirche klar darlegen und dabei Ausdrücke oder Darstellungen vermeiden, die zu Irrtümern verleiten könnten. Sie wird außerdem »eine richtige Kenntnis der anderen Konfessionen« fördern, (266) mit denen wir einige Güter gemeinsam besitzen, wie »das geschriebene Wort Gottes, das Leben der Gnade, Glaube, Hoffnung und Liebe und andere innere Gaben des Heiligen Geistes«. (267) Die Katechese wird in dem Maße eine ökumenische Dimension haben, als sie »ein echtes Verlangen nach Einheit weckt und nährt«, (268) und zwar nicht im Blick auf einen bequemen Ökumenismus, sondern im Blick auf die volle Einheit, wann sie denn der Herr haben will, und durch die Mittel und Wege, die er haben will.

Einführung in die Sendung

a) Die Katechese ist ebenfalls für die missionarische Dynamik aufgeschlossen. (269) Sie bemüht sich, die Jünger Jesu dafür tauglich zu machen, daß sie in der Gesellschaft, im beruflichen, kulturellen und sozialen Leben als Christen präsent sind. Sie wird sie auch vorbereiten, entsprechend der einem jeden eigenen Berufung in den verschiedenen kirchlichen Diensten mitzuarbeiten. Dieser Einsatz für die Glaubensverkündigung ergibt sich für die gläubigen Laien aus den Sakramenten der christlichen Initiation und aus dem weltlichen Charakter ihrer Berufung. (270) Wichtig ist auch, alle Mittel einzusetzen, um Berufungen zum Priestertum und zur besonderen Weihe an Gott in den verschiedenen Formen des Ordenslebens und des apostolischen Lebens zu wecken und im Herzen der einzelnen die besondere missionarische Berufung zu entzünden.

Die evangeliumsgemäßen Haltungen, zu denen Jesus seine Jünger anregte, als er sie in die Sendung einführte, müssen von der Katechese gefördert werden: auf die Suche nach dem verirrten Schaf gehen; gleichzeitig verkündigen und heilen; arm auftreten, ohne Gold und ohne Vorratstasche; Ablehnung und Verfolgung auf sich zu nehmen wissen; sein Vertrauen auf den Vater und die Unterstützung durch den Heiligen Geist setzen; sich keinen anderen Lohn erwarten als die Freude, für das Gottesreich zu arbeiten. (271)

b) Bei der Erziehung zu diesem missionarischen Bewußtsein soll die Katechese zum interreligiösen Dialog heranbilden, der die Gläubigen zu einer fruchtbaren Kommunikation mit Männern und Frauen anderer Religionen befähigen kann. (272) Die Katechese soll aufzeigen, daß die Verbundenheit der Kirche mit den nichtchristlichen Religionen sich in erster Linie aus dem gemeinsamen Ursprung und dem gemeinsamen Ziel des Menschengeschlechtes ergibt sowie aus den vielfältigen »Samenkörnern des Wortes«, die Gott in diese Religionen gelegt hat. Die Katechese wird auch mithelfen, daß es gelingt, »Christusverkündigung« und »interreligiösen Dialog« miteinander zu versöhnen und zugleich voneinander zu unterscheiden. Diese beiden Elemente behalten wohl ihre enge Beziehung zueinander, dürfen aber weder vermengt noch als gleichwertig betrachtet werden. (273) Denn »der Dialog enthebt nicht von der Verkündigung des Evangeliums«. (274)

Einige Überlegungen zu diesen Aufgaben als Ganzes


87 Die Aufgaben der Katechese stellen folglich ein facettenreiches und buntes Ganzes dar. Dazu sind einige Überlegungen angebracht:

– Alle Aufgaben sind notwendig. Wie es für die Lebenskraft eines menschlichen Organismus notwendig ist, daß alle seine Organe funktionieren, so müssen zum Reifen des christlichen Lebens alle seine Dimensionen gepflegt werden: die Glaubenskenntnis, das liturgische Leben, die sittliche Bildung, das Gebet, die Zugehörigkeit zur Gemeinschaft, der missionarische Geist. Wenn die Katchese eine dieser Dimensionen vernachlässigt, wird der christliche Glaube nicht zur vollen Entfaltung kommen.

– Die Erfüllung jeder Aufgabe verwirklicht auf ihre Weise die Zielsetzung der Katechese. Die sittliche Bildung zum Beispiel ist ihrem Wesen nach christologisch und trinitarisch, von kirchlichem Bewußtsein beseelt und für die soziale Dimension aufgeschlossen. Das gleiche ist bei der liturgischen Erziehung der Fall, die ihrem Wesen nach religiös und kirchlich ist, aber auch hohe Anforderungen stellt in bezug auf ihr evangelisierendes Engagement zugunsten der Welt.

– Die Aufgaben implizieren sich gegenseitig und entwickeln sich miteinander. Jedes große katechetische Thema, zum Beispiel die Katechese über Gottvater, hat eine Erkenntnisdimension und moralische Implikationen; man verinnerlicht es im Gebet und übernimmt es in das Zeugnis. Eine Aufgabe ruft nach der anderen: die Glaubenskenntnis befähigt zur Sendung; das sakramentale Leben gibt Kraft zum sittlichen Wandel.

– Für die Erfüllung ihrer Aufgaben bedient sich die Katechese zweier großartiger Mittel: der Weitergabe der Botschaft des Evangeliums und der christlichen Lebenserfahrung. (275) So muß zum Beispiel die liturgische Erziehung erklären, was die christliche Liturgie ist und was die Sakramente sind; sie soll jedoch auch die verschiedenen Arten von liturgischen Feiern erfahrbar machen, die Symbole, den Sinn der Körpergesten usw. entdecken und lieb gewinnen lassen. Die sittliche Bildung vermittelt nicht nur den Inhalt der christlichen Moral, sondern pflegt auch aktiv die evangeliumsgemäßen Haltungen und die christlichen Werte.

– Die verschiedenen Dimensionen des Glaubens sind als »Gabe« wie auch als »Empfang« Gegenstand der Erziehung. Die Kenntnis des Glaubens, das liturgische Leben, die Nachfolge Christi sind jede für sich eine Gabe des Geistes, die man im Gebet empfängt, und zugleich eine Verpflichtung zum Studium in geistlicher, moralischer und zeugnisgebender Hinsicht. Beide Aspekte müssen gepflegt werden.(276)

– Jede Dimension des Glaubens ebenso wie der Glaube als ganzer soll in der menschlichen Erfahrung Wurzel fassen und im Menschen nicht etwas künstlich Aufgesetztes oder Isoliertes bleiben. Die Kenntnis des Glaubens ist bedeutsam, erhellt die ganze Existenz und steht im Dialog mit der Kultur; in der Liturgie wird das ganze persönliche Leben zu einem geistlichen Angebot; die evangeliumsgemäße Moral nimmt die menschlichen Werte auf und erhöht sie; das Gebet ist für alle persönlichen und gesellschaftlichen Probleme offen. (277)

Wie das Direktorium von 1971 sagte, hat es »seine große Bedeutung, daß die Katechese ihre Vielgestaltigkeit bewahrt, so daß ein Aspekt von den übrigen nicht ohne Schaden für die anderen losgelöst werden kann«. (278)

Der Taufkatechumenat: Aufbau und Mehrstufigkeit


88 Von der göttlichen Gnade angeregt und vom Wirken der Kirche gepflegt, erfährt der Glaube einen Reifungsprozeß. Im Dienst dieses Wachstums ist die Katechese ein mehrstufiger Vorgang.Eine gute Katechese ist in Abschnitte gegliedert. (279)

Im Taufkatechumenat entfaltet sich die Bildung in vier Etappen:

– der Vor-Katechumenat, (280) dessen Eigenart darin besteht, daß in ihm die auf die Bekehrung hingeordnete erste Evangelisierung stattfindet und das Kerygma der Erstverkündigung deutlich wird;

– der eigentliche Katechumenat, (281) der zur unverkürzten Katechese dienen soll und an dessen Beginn die »Überreichung der Evangelien« stattfindet;(282)

– die Zeit der Läuterung und Erleuchtung, (283)die eine intensivere Vorbereitung auf die Initiationssakramente bietet und in der die »Überreichung des Symbolum« (284) und die »Überreichung des Gebetes des Herrn« (285) stattfindet;

– die Zeit der Mystagogie, (286) die durch das Erleben der Sakramente und den Eintritt in die Gemeinde gekennzeichnet ist.


89 Diese Abschnitte, die von der Weisheit der großen katechumenalen Tradition erfüllt sind, inspirieren die Mehrstufigkeit der Katechese. (287) Zur Zeit der Kirchenväter erfolgte die katechumenale Bildung im eigentlichen Sinn durch die Bibelkatechese, in deren Mitte die Erzählung der Heilsgeschichte stand; die unmittelbare Vorbereitung auf die Taufe durch dieLehrkatechese, die das Glaubensbekenntnis und das Vaterunser, die soeben überreicht worden waren, mit ihren sittlichen Forderungen erklärte; und der Abschnitt, der auf die Initiationssakramente folgte, durch die mystagogische Katechese, die dem Neugetauften half, sich die genannten Sakramente innerlich anzueignen und sich in die Gemeinde einzugliedern. Dieses Konzept der Väter bildet weiterhin eine Lichtquelle für den heutigen Katechumenat und für die Initiationskatechese.

Insofern diese den Bekehrungsprozeß begleitet, erfolgt sie wesensgemäß in Stufen; und insofern sie im Dienst dessen steht, der sich dazu entschieden hat, Christus Jesus nachzufolgen, ist sie eminent christozentrisch.

Der Taufkatechumenat als Inspirator der Katechese in der Kirche


90 Da die Mission ad gentes das Musterbeispiel des ganzen missionarischen Wirkens der Kirche ist, bildet der mit ihr verbundene Taufkatechumenat das Modell, das ihr katechetisches Wirken inspiriert. (288) Darum ist es angebracht, diejenigen Elemente des Katechumenats, welche die heutige Katechese inspirieren sollen, und ihre inspirierende Bedeutung hervorzuheben. Doch ist vorauszuschicken, daß zwischen den Glaubensschülern und den Katechumenen (289) und zwischen der Katechese vor der Taufe und der Katechese nach der Taufe, die ihnen je nachdem erteilt werden, ein grundlegender Unterschied besteht. Dieser rührt von den Initiationssakramenten her, die von den ersteren bereits empfangen worden sind. »Sie sind ja bereits in die Kirche aufgenommen und durch die Taufe Kinder Gottes geworden. Ihre Umkehr gründet in der schon empfangenen Taufe, deren Wirkung sie nun zur Entwicklung bringen«. (290)


91 Angesichts dieses wesentlichen Unterschiedes werden nun einige Elemente des Taufkatechumenats besehen, die für die Katechese nach der Taufe eine Inspirationsquelle sein sollen:

– Der Taufkatechumenat erinnert die ganze Kirche beständig an die grundlegende Wichtigkeit derInitiationsfunktion mit den Grundfaktoren, die sie ausmachen: die Katechese und die Sakramente der Taufe, der Firmung und der Eucharistie. Die Pastoral der christlichen Initiation ist für jede Teilkirche lebenswichtig.

– Für den Taufkatechumenat ist die ganze christliche Gemeinde verantwortlich. »Um diese christliche Initiation im Katechumenat sollen sich aber nicht bloß. Katechisten und Priester kümmern, sondern die ganze Gemeinde der Gläubigen, besonders aber die Taufpaten«. (291) Die Einrichtung des Katechumenats steigert so in der Kirche das Bewubtsein der geistlichen Mutterschaft, die sie in jeder Form der Glaubenserziehung ausübt. (292)

– Der Taufkatechumenat ist ganz vom Paschamysterium Christi durchtränkt. Deshalb »muß die ganze Eingliederung österlich geprägt sein«. (293) Die Ostervigil, das Zentrum der christlichen Liturgie, und ihre Taufspiritualität sind Inspiration für die ganze Katechese.

– Der Taufkatechumenat ist auch der Beginn der Inkulturation. Nach dem Beispiel der Inkarnation des Gottessohnes, der in einem konkreten geschichtlichen Augenblick Mensch geworden ist, nimmt die Kirche die Katechumenen vollständig, samt ihren kulturellen Bindungen, auf. Das ganze katechetische Wirken hat an dieser Aufgabe teil, die echten, in die Einzelpersonen und die Völker ausgesäten »Samenkörner des Wortes« in die Katholizität der Kirche einzugliedern. (294)

– Schließlich bietet die Auffassung vom Taufkatechumenat als Bildungsprozeß und wahre Glaubensschule der Katechese nach der Taufe eine Dynamik und einige kennzeichnende Merkmale: die Intensität und Integrität der Bildung; ihren Stufencharakter mit bestimmten Abschnitten; ihre Verbindung mit Riten, Symbolen und Zeichen, besonders biblischen und liturgischen; ihre ständige Bezogenheit auf die christliche Gemeinde...

Die Katechese nach der Taufe braucht die Gestalt des Taufkatechumenats nicht äußerlich nachzuahmen und soll den Glaubensschülern ihr Getauftsein zuerkennen. Doch würde sie gut daran tun, sich von dieser »Vorschule des christlichen Lebens« (295) inspirieren und von ihren kennzeichnenden Hauptelementen befruchten zu lassen.


Allgemeines Direktorium für die Katechese 74