Allgemeines Direktorium für die Katechese 91


ZWEITER TEIL

DIE BOTSCHAFT DES EVANGELIUMS

»Das ist das ewige Leben: dich, den einzigen wahren Gott, zu erkennen und Jesus Christus, den du gesandt hast« (Jn 17,3).
»Jesus ging wieder nach Galiläa; er verkündete das Evangelium Gottes und sprach: Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um, und glaubt an das Evangelium!« (Mc 1,14-15).
»Ich erinnere euch, Brüder, an das Evangelium, das ich euch verkündet habe... Vor allem habe ich euch überliefert, was auch ich empfangen habe: Christus ist für unsere Sünden gestorben, gemäß der Schrift, und ist begraben worden. Er ist am dritten Tag auferweckt worden, gemäß der Schrift« (1Co 15,1-4).

Bedeutung und Zielsetzung dieses Teiles


92 Der christliche Glaube, auf Grund dessen sich ein Mensch zu Jesus Christus bekennt, kann unter einem doppelten Aspekt gesehen werden:

– als unter dem Einfluß der Gnade gewährte Bindung an den sich offenbarenden Gott.

In diesem Fall besteht der Glaube darin, daß sich der Mensch dem Wort Gottes anvertraut und sich ihm überläßt (fides qua);

– als Inhalt der Offenbarung und der Botschaft des Evangeliums.

So verstanden, kommt der Glaube in dem Bemühen zum Ausdruck, den tiefen Sinn jenes Wortes immer besser zu erkennen (fides quae).

Diese beiden Aspekte lassen sich wegen ihres Charakters nicht voneinander trennen. Reifen und Wachsen des Glaubens erfordern deren organische und kohärente Entwicklung. Aus methodischen Gründen können die zwei Aspekte jedoch getrennt betrachtet werden. (296)


93 In diesem zweiten Teil geht es um den Inhalt der Botschaft des Evangeliums (fides quae).

– Im ersten Kapitel werden die Normen und Richtlinien angegeben, an die sich die Katechese halten muß, um ihre Inhalte aufzustellen, zu formulieren und darzulegen. Jede Form des Dienstes am Wort ordnet und präsentiert die Botschaft des Evangeliums ja ihrem eigenen Charakter gemäß.

– Im zweiten Kapitel wird der Glaubensinhalt so behandelt, wie er im Katechismus der Katholischen Kirche dargelegt wird, der für die Katechese der Bezugstext für die Glaubenslehre ist. Darum werden einige Hinweise gegeben, die behilflich sein können, den Katechismusinhalt sich anzueignen und in sich aufzunehmen sowie ihn in das katechetische Wirken der Kirche hineinzustellen. Zudem werden einige Richtlinien geboten für die im Anschluß an den Katechismus der Katholischen Kirche vorgesehene Erstellung von örtlichen Katechismen in den Teilkirchen, die — in Bewahrung der Glaubenseinheit — den verschiedenen Situationen und Kulturen gebührend Rechnung tragen sollen.


I. KAPITEL

Normen und Richtlinien

für die Darbietung der Botschaft

des Evangeliums in der Katechese

»Höre, Israel! Jahwe, unser Gott, Jahwe ist einzig. Darum sollst du den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft. Diese Worte, auf die ich dich heute verpflichte, sollen auf deinem Herzen geschrieben stehen. Du sollst sie deinen Söhnen wiederholen. Du sollst von ihnen reden, wenn du zu Hause sitzt und wenn du auf der Straße gehst, wenn du dich schlafen legst und wenn du aufstehst. Du sollst sie als Zeichen um das Handgelenk binden. Sie sollen zum Schmuck auf deiner Stirn werden. Du sollst sie auf die Türpfosten deines Hauses und in deine Stadttore schreiben« (Dt 6,4-6).

»Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt« (Jn 1,14).

Das Wort Gottes, Quelle der Katechese


94 Die Quelle, aus der die Katechese ihre Botschaft schöpft, ist das Wort Gottes:

»Die Katechese wird ihren Inhalt immer aus der lebendigen Quelle des Wortes Gottes schöpfen, das uns in der Überlieferung und in der Heiligen Schrift gegeben ist; denn die Heilige Überlieferung und die Heilige Schrift bilden den einen der Kirche überlassenen heiligen Schatz des Wortes Gottes«. (297)

Dieser »Schatz des Glaubens« (298) ist gewissermaßen der der Kirche, der Familie Gottes, anvertraute Schatz des Hausherrn, aus dem sie beständig Neues und Altes hervorholt. (299) Von seinem Geist beseelt, nähren sich alle Kinder des Vaters aus diesem Schatz des Wortes. Sie wissen, daß das Wort Jesus Christus, das menschgewordene Wort ist, und daß seine Stimme durch den Heiligen Geist in der Kirche und in der Welt weiterhin ertönt.

Durch die wunderbare »Herablassung« (300) Gottes wird das Gotteswort an uns gerichtet und erreicht uns mittels menschlicher »Taten und Worte«, »wie einst des ewigen Vaters Wort durch die Annahme menschlich-schwachen Fleisches den Menschen ähnlich geworden ist«. (301) Ohne aufzuhören, Wort Gottes zu sein, äußert es sich im menschlichen Wort. Obwohl nahe, bleibt es jedoch verhüllt, im Zustand der »Kenosis«. Darum ist es nötig, daß die Kirche, vom Heiligen Geist geleitet, es beständig auslegt und, während sie es in tiefem Glaubensgeist betrachtet, es »voll Ehrfurcht hört, heilig bewahrt und treu auslegt«. (302)

Die Quelle und »die Quellen« der Botschaft der Katechese\b\i (303)


95 Das in der Heiligen Überlieferung und in der Heiligen Schrift enthaltene Wort Gottes:

– wird durch den Glaubenssinn des ganzen Gottesvolkes unter der Leitung des Lehramtes, das es mit Autorität lehrt, bedacht und immer tiefer erfaßt;

– es wird in der Liturgie gefeiert, wo es ständig verkündet, gehört, verinnerlicht und kommentiert wird;

– es erstrahlt im Leben der Kirche, in ihrer zweitausendjährigen Geschichte, vor allem im Zeugnis der Christen, zumal der Heiligen;

– es wird eingehend untersucht in der theologischen Forschung, die den Gläubigen hilft, im lebenswichtigen Verständnis der Glaubensgeheimnisse fortzuschreiten;

– es offenbart sich in den echten religiösen und sittlichen Werten, die als Samenkörner des Wortes in die menschliche Gesellschaft und die verschiedenen Kulturen gesät werden.


96 »Das alles sind Quellen der Katechese, grundlegende oder subsidiäre, doch dürfen sie in keiner Weise als gleichwertige verwendet werden«. (304) »Die Heilige Schrift ist Gottes Rede, insofern sie unter dem Anhauch des Heiligen Geistes schriftlich aufgezeichnet wurde«. (305) »Die Heilige Überlieferung aber gibt das Wort Gottes, das von Christus dem Herrn und vom Heiligen Geist den Aposteln anvertraut wurde, unversehrt an deren Nachfolger weiter«. (306) Das Lehramt hat die Aufgabe, »das Wort Gottes verbindlich zu erklären«, (307) und erfüllt damit — im Namen Jesu Christi — einen grundlegenden kirchlichen Dienst. Überlieferung, Schrift und Lehramt, eng »miteinander verknüpft und einander zugesellt«, sind, »jedes auf seine Art«, (308) die Hauptquellen der Katechese.

Die »Quellen« der Katechese haben eine je eigene Sprache, der durch eine reiche Vielfalt von »Glaubensdokumenten« Ausdruck gegeben wird. Die Katechese ist lebendige Überlieferung dieser Dokumente: (309) biblische Perikopen, liturgische Texte, Schriften der Kirchenväter, Äußerungen des Lehramtes, Glaubensbekenntnisse, Zeugnisse von Heiligen, theologische Reflexionen.

Die lebendige Quelle des Gotteswortes und die »Quellen«, die auf ihm beruhen und in denen es sich ausdrückt, liefern der Katechese die Kriterien, um ihre Botschaft an alle zu übermitteln, in denen der Entschluß herangereift ist, Jesus Christus nachzufolgen.

Die Kriterien für die Darbietung der Botschaft


97 Die Kriterien für die Darbietung der Botschaft des Evangeliums in der Katechese stehen miteinander in enger Beziehung, da sie einer einzigen Quelle entspringen.

– Die auf die Person Jesu Christi konzentrierte Botschaft (Christozentrik) führt durch ihre innere Dynamik in die trinitarische Dimension dieser Botschaft ein.

– Die Verkündigung der Frohbotschaft vom Reich Gottes, die um die Gabe des Heils kreist, enthält eine Befreiungsbotschaft.

– Der kirchliche Charakter der Botschaft verweist auf ihren geschichtlichen Charakter, denn die Katechese geht — wie die Evangelisierung als ganze — in der »Zeit der Kirche« vor sich.

– Als für alle Völker bestimmte Frohe Botschaft strebt die Botschaft des Evangeliums dieInkulturation an, die nur dann gründlich verwirklicht werden kann, wenn die Botschaft in ihrer ganzen Vollständigkeit und Unversehrtheit dargeboten wird.

– Die Botschaft des Evangeliums ist notwendigerweise eine organische Botschaft mit einer eigenen Wahrheitshierarchie. Diese harmonische Sicht des Evangeliums macht sie für den Menschen zu einem zutiefst bedeutsamen Ereignis.

Obwohl diese Kriterien für den ganzen Dienst am Wort gelten, werden sie aber hier auf die Katechese bezogen dargelegt.

Die Christozentrik der Botschaft des Evangeliums


98 Jesus Christus übermittelt nicht nur das Wort Gottes; er ist das Wort Gottes. Darum steht die Katechese — als ganze — in Beziehung zu ihm.

Was die von der Katechese vermittelte Botschaft charakterisiert, ist somit vor allem die »Christozentrik«, (310) die in mehrfachem Sinn zu verstehen ist:

– Sie besagt erstens, »daß wir im Kern der Katechese wesentlich eine Person vorfinden, nämlich Jesus von Nazareth, einziger Sohn vom Vater, voll Gnade und Wahrheit«. (311) Hauptaufgabe der Katechese ist es, Christus darzustellen, und alles übrige mit Bezugnahme auf ihn. Was sie letztendlich zu fördern sucht, ist die Nachfolge Jesu, die Gemeinschaft mit ihm; jedes Element der Botschaft strebt das an.

– Die Christozentrik besagt zweitens, daß Christus im »Zentrum der Heilsgeschichte« (312) steht, die von der Katechese vorgelegt wird. Er ist ja das Endereignis, auf das die ganze Heilsgeschichte zuläuft. Gekommen, als »die Zeit erfüllt war«, ist er der »Schlüssel, der Mittelpunkt und das Ziel der Menschheitsgeschichte«. (313) Die katechetische Botschaft hilft dem Christen, sich in die Geschichte zu stellen und sich aktiv in sie einzufügen, indem sie ihm zeigt, daß Christus der letzte Sinn dieser Geschichte ist.

– Christozentrik besagt zudem, daß die Botschaft des Evangeliums nicht vom Menschen stammt, sondern Wort Gottes ist. Die Kirche, und in ihrem Namen jeder Katechet, kann wahrheitsgetreu sagen: »Meine Lehre stammt nicht von mir, sondern von dem, der mich gesandt hat« (
Jn 7,16). Deshalb ist alles, was die Katechese übermittelt, »die Lehre Jesu Christi, die Wahrheit, die er mitteilt, oder genauer: die Wahrheit, die er ist. (314) Die Christozentrik verpflichtet die Katechese, das zu übermitteln, was Jesus über Gott, den Menschen, die Glückseligkeit, das sittliche Leben, den Tod... lehrt, ohne sich zu gestatten, sein Denken irgendwie zu verändern. (315)

Die Evangelien, die das Leben Jesu erzählen, stehen im Zentrum der katechetischen Botschaft. Da sie selber eine »katechetische Struktur« (316) aufweisen, sind sie Ausdruck der Unterweisung, die den ersten Christengemeinden erteilt wurde und die das Leben Jesu, seine Botschaft und seine Heilstaten vermittelte. »Die vier Evangelien nehmen« in der Katechese »eine zentrale Stellung ein, weil Jesus Christus ihre Mitte ist«. (317)

Die trinitarische Christozentrik der Botschaft des Evangeliums


99 Das in Jesus von Nazaret, Sohn der Jungfrau Maria, inkarnierte Wort Gottes ist das Wort des Vaters, der durch seinen Geist zur Welt spricht. Jesus verweist beständig auf den Vater, als dessen einzigen Sohn er sich weiß, und auf den Heiligen Geist, von dem er sich gesalbt weiß. Er ist der »Weg«, der ins innerste Geheimnis Gottes führt. (318)

Kraft der ihr innewohnenden Dynamik führt die Christozentrik der Katechese zum Bekenntnis des Glaubens an Gott: den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist. Es ist eine wesentlich trinitarische Christozentrik. Die Christen werden bei der Taufe Christus gleichgestaltet, »einem der Dreifaltigkeit«, (319) und diese Gleichgestaltung versetzt die Getauften, »Söhne im Sohn«, in die Gemeinschaft mit dem Vater und dem Heiligen Geist. Darum ist ihr Glaube von Grund auf trinitarisch. »Das Mysterium der heiligsten Dreifaltigkeit ist das zentrale Geheimnis des christlichen Glaubens und Lebens«. (320)


100 Die trinitarische Christozentrik der Botschaft des Evangeliums veranlaßt die Katechese, unter anderen die folgenden Aspekte zu beachten:

– Die innere Struktur der Katechese, jede Weise der Darstellung, wird stets christozentrisch-trinitarisch sein: »durch Christus zum Vater im Heiligen Geist«. (321) Eine Katechese, die es an einem dieser drei Elemente fehlen ließe und deren innere Verknüpfung vernachlässigte, liefe Gefahr, den Eigencharakter der christlichen Botschaft zu verraten. (322)

– Entsprechend dem pädagogischen Vorgehen Jesu selbst bei der Offenbarung des Vaters, seiner selbst als des Sohnes, und des Heiligen Geistes wird die Katechese von den Heilswerken zugunsten der Menschheit her das innere Leben Gottes aufzeigen. (323) Die Werke Gottes offenbaren, wer er in sich selbst ist, während das Geheimnis seines inneren Wesens das Verständnis aller seiner Werke erhellt.

Ähnlich verhält es sich in den Beziehungen zwischen menschlichen Personen: Die Person äußert sich in ihrem Tun, und je besser wir eine Person kennen, desto mehr verstehen wir ihr Handeln. (324)

– Die Darstellung des von Jesus geoffenbarten inneren Wesens Gottes — einer dem Wesen nach und dreifach in den Personen — wird die wichtigen Folgerungen daraus für das Leben der Menschen aufzeigen. Einen einzigen Gott bekennen heißt, »daß der Mensch seine personale Freiheit keiner irdischen Gewalt absolut unterwerfen darf«. (325) Es besagt auch, daß die nach dem Bilde eines Gottes, der »Personengemeinschaft« ist, geschaffene Menschheit berufen ist, eine geschwisterliche Gesellschft zu sein, die aus Söhnen und Töchtern ein und desselben Vaters besteht, die der personalen Würde nach einander gleichgestellt sind. (326) Die menschlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen der christlichen Gottesauffassung sind immens. Darin, daß die Kirche den Glauben an die Dreifaltigkeit bekennt und ihn der Welt verkündet, versteht sie sich selbst als »das von der Einheit des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes her geeinte Volk«. (327)

Eine Botschaft, die das Heil verkündet


101 Die Botschaft Jesu von Gott ist für die Menschheit eine gute Nachricht. Jesus verkündete ja das Reich Gottes: (328) ein neues, endgültiges Eingreifen Gottes mit einer umgestaltenden Kraft, die ebenso groß, ja größer ist als die, die er bei der Erschaffung der Welt einsetzte. (329), Vigila Paschalis, Oratio post primuam lectionem).] In diesem Sinn, »als Hauptpunkt und gleichsam Zentrum seiner Frohbotschaft, verkündet Christus das Heil, nämlich das große Geschenk Gottes, das nicht nur als Befreiung von all dem anzusehen ist, von dem der Mensch niedergedrückt wird, sondern vor allem als Befreiung von der Sünde und vom Bösen, die mit der Freude verbunden ist, die einer spürt, wenn er Gott erkennt und von ihm erkannt wird, ihn sieht und in ihm getrost ruht«. (330)

Die Katechese vermittelt diese Botschaft vom Reich, die im Zentrum der Verkündigung Jesu steht. Dadurch wird diese Botschaft »mehr und mehr vertieft, in ihren inneren Folgerungen entfaltet«, (331) indem aufgezeigt wird, welch große Auswirkungen sie für die Menschen und die Welt hat.


102 Bei dieser Verdeutlichung des Kerygmas Jesu im Evangelium betont die Katechese die folgenden grundlegenden Aspekte:

– Mit dem Kommen des Reiches verkündigt und offenbart Jesus, daß Gott nicht ein fernes, unzugängliches Wesen, »keine anonyme und ferne Macht« (332) ist, sondern der Vater, der inmitten seiner Geschöpfe anwesend und durch seine Liebe und seine Macht am Werk ist. Dieses auf einfache und direkte Weise gebotene Zeugnis über Gott als den Vater ist für die Katechese von entscheidender Wichtigkeit.

– Jesus weist gleichzeitig darauf hin, daß Gott mit seinem Reich das Geschenk des vollen Heils anbietet, von der Sünde befreit, in die Gemeinschaft mit dem Vater führt, die Gotteskindschaft gewährt und durch die Besiegung des Todes das ewige Leben verheißt. (333) Dieses volle Heil ist zugleich immanent und eschatologisch, da es »seinen Anfang gewiß schon in diesem Leben hat, aber sich erst in der Ewigkeit vollendet«. (334)

– Bei der Verkündigung des Reiches verkündet Jesus die Gerechtigkeit Gottes: er kündigt das göttliche Gericht an und stellt unsere Verantwortung heraus. Die Ankündigung von Gottes Gericht mit ihrer Macht, die Gewissen zu formen, ist ein zentraler Inhalt des Evangeliums und für die Welt eine gute Nachricht, eine Frohbotschaft. Sie ist es für den, der unter dem Fehlen der Gerechtigkeit leidet, und für die, die für die Schaffung von Gerechtigkeit kämpfen; sie ist es auch für den, der es versäumt hat, zu lieben und solidarisch zu sein, denn er hat nun die Möglichkeit zu Buße und Vergebung, da wir im Kreuz Christi die Erlösung von der Sünde erlangen. Der Ruf zur Umkehr und zum Glauben an die Frohbotschaft vom Reich — das ein Reich der Gerechtigkeit, der Liebe und des Friedens ist und in dessen Licht wir dereinst gerichtet werden — ist für die Katechese überaus wichtig.

– Jesus erklärt, daß das Reich Gottes mit ihm, in seiner Person beginnt. (335) Er offenbart, daß er selbst, zum Herrn bestellt, die Verwirklichung dieses Reiches auf sich nimmt, bis er es, wenn er in Herrlichkeit wiederkommen wird, allseits vollendet dem Vater übergeben wird. (336) »Hier auf Erden ist das Reich schon im Geheimnis da; beim Kommen des Herrn erreicht es seine Vollendung«. (337)

– Jesus weist auch darauf hin, daß die Gemeinde seiner Jünger, seine Kirche, »Keim und Anfang dieses Reiches auf Erden darstellt« (338) und daß sie, als Sauerteig in der Welt, wünscht, das Reich Gottes in der Welt möge wachsen wie ein gewaltiger Baum und alle Völker und Kulturen in sich eingliedern. »Die Kirche ist tatsächlich und konkret für den Dienst am Reich da«. (339)

– Jesus macht schließlich kund, daß die Menschheitsgeschichte nicht auf das Nichts zuläuft, sondern mit ihren Aspekten von Gnade und Sünde in ihm von Gott angenommen ist, um umgestaltet zu werden. Auf ihrer jetzigen Pilgerschaft zum Haus des Vaters bietet sie schon eine Vorahnung von der zukünftigen Welt, wo sie, angenommen und geläutert, ihre Vollkommenheit erreichen wird. »Die Evangelisierung muß folglich die prophetische Verkündigung eines Jenseits enthalten, das eine tiefe, endgültige Berufung des Menschen ist, die zugleich eine Fortsetzung und ein Übersteigen des jetzigen Zustandes darstellt«. (340)

Eine Botschaft der Befreiung


103 Die Frohe Botschaft vom Gottesreich, die das Heil ankündigt, enthält eine »Botschaft der Befreiung«. (341) Bei der Verkündigung dieses Reiches wandte sich Jesus ganz besonders an die Armen: »Selig ihr Armen, denn euch gehört das Reich Gottes. Selig, die ihr jetzt hungert, denn ihr werdet satt werden. Selig, die ihr jetzt weint, denn ihr werdet lachen« (Lc 6,20-21). Diese Seligpreisungen Jesu, die sich an die Leidenden richten, sind die eschatologische Ankündigung des Heils, das das Reich mit sich bringt. Sie greifen die schmerzlichen Erfahrungen auf, für die das Evangelium so empfänglich ist: Armut, Hunger und Leid der Menschheit.

Die Gemeinde der Jünger Jesu, die Kirche, teilt heute dieselbe Sensibilität, die damals ihr Meister hatte. In tiefem Mitgefühl richtet sie ihre Aufmerksamkeit auf jene »Völker, die sich mit all ihren Kräften dafür einsetzen und kämpfen, daß all das überwunden wird, was sie dazu verurteilt, am Rande des Lebens zu bleiben: Hunger, chronische Krankheiten, Analphabetismus, Armut, Ungerechtigkeiten in den internationalen Beziehungen..., Situationen eines wirtschaftlichen und kulturellen Neokolonialismus...«. (342) Alle Formen von Armut, »nicht nur die materielle, sondern auch die kulturelle und religiöse Armut«, (343) erfüllen die Kirche mit Sorge.

Als wichtige Dimension ihrer Sendung »hat die Kirche die Pflicht, die Befreiung von Millionen Menschen zu verkünden, von denen viele ihr selbst angehören; die Pflicht, zu helfen, daß diese Befreiung Wirklichkeit wird, für sie Zeugnis zu geben und mitzuwirken, damit sie ganzheitlich erfolgt«. (344)


104 Um die Christen auf diese Aufgabe vorzubereiten, wird sich die Katechese unter anderen folgende Aspekte angelegen sein lassen:

– Sie wird die Botschaft von der Befreiung in die Perspektive der »spezifisch religiösen Zielsetzung der Evangelisierung« (345) stellen, denn »diese würde ihre Existenzberechtigung verlieren, wenn sie sich von der religiösen Zielsetzung entfernte, die sie bestimmt: das Reich Gottes vor allen anderen Dingen in seinem vollen theologischen Sinn«. (346) Darum kann sich die Botschaft der Befreiung »nicht einfach auf die begrenzte wirtschaftliche, politische, soziale oder kulturelle Dimension beschränken, sondern muß den ganzen Menschen in allen seinen Dimensionen sehen, einschließlich seiner Öffnung auf das Absolute, das Gott ist«. (347)

– Bei der Aufgabe der sittlichen Erziehung wird die Katechese die christliche Sozialmoral als eine Forderung und Konsequenz der »von Christus vollbrachten radikalen Befreiung« (348) darstellen. Das nämlich ist die Frohe Botschaft, welche die Christen mit hoffnungsvollem Herzen bekennen: Christus hat die Welt befreit und befreit sie weiterhin. Hier entsteht die christliche Praxis, die die Erfüllung des großen Liebesgebotes ist.

– Desgleichen wird die Katechese bei der Aufgabe der Einführung in die Sendung in den Katechumenen und den Glaubensschülern »die Option oder vorrangige Liebe zu den Armen« (349) wecken. Diese, »weit davon entfernt, den Willen zu bekunden, sich nur um einen Teil oder Bereich des Menschen zu sorgen, erschließt... vielmehr die Universalität des Wesens und der Sendung der Kirche. Von dieser Option wird niemand ausgeschlossen«, (350) sondern es »ergibt sich daraus auch der Einsatz für die Gerechtigkeit je nach Auftrag, Berufung und Lage des einzelnen«. (351)

Der ekklesiologische Charakter der Botschaft des Evangeliums


105 Der ekklesiologische Charakter der Katechese verleiht der von ihr vermittelten Botschaft des Evangeliums einen innerlich kirchlichen Charakter. Die Katechese geht aus dem Glaubensbekenntnis der Kirche hervor und führt zum Glaubensbekenntnis des Katechumenen und des Glaubensschülers. Das erste offizielle Wort, das die Kirche an den erwachsenen Täufling richtet, nachdem sie seinen Namen vernommen hat, ist die Frage: »Was verlangst du von der Kirche Gottes?«. »Den Glauben», lautet die Antwort des Taufbewerbers. (352) Der Katechumene weiß ja, daß das Evangelium, das er entdeckt hat und kennenlernen will, im Herzen der Glaubenden lebendig ist. Die Katechese ist nichts anderes als der Vorgang der Weitergabe des Evangeliums, so wie die christliche Gemeinschaft es empfangen hat, versteht, feiert, lebt und in vielerlei Formen mitteilt.

Wenn die Katechese das Geheimnis Christi weitergibt, ist deshalb in ihrer Botschaft der Glaube des ganzen Gottesvolkes im Verlauf der Geschichte zu vernehmen: der Glaube der Apostel, den sie von Christus selbst und durch das Wirken des Heiligen Geistes erhalten haben; der Glaube der Märtyrer, die ihn mit ihrem Blut bekannten und bekennen; der Glaube der Heiligen, die ihn in seiner ganzen Tiefe gelebt haben und leben; der Glaube der Kirchenväter und Kirchenlehrer, die ihn in glanzvoller Weise lehrten; der Glaube der Missionare, die ihn unablässig verkünden; der Glaube der Theologen, die helfen, ihn besser zu verstehen; schließlich der Glaube der Bischöfe, die ihn voll Eifer und Liebe behüten und authentisch auslegen. In der Katechese ist tatsächlich der Glaube all derer vorhanden, die glauben und sich vom Heiligen Geist leiten lassen.


106 Dieser von der kirchlichen Gemeinschaft übermittelte Glaube ist ein einziger. Wenn auch die Jünger Jesu Christi eine Gemeinschaft bilden, die in die ganze Welt verstreut ist, und wenn auch die Katechese den Glauben in sehr verschiedenen Kultursprachen weitergibt, ist das Evangelium, das weitergegeben wird, ein einziges, das Glaubensbekenntnis ein einziges und die Taufe eine einzige: »Ein Herr, ein Glaube, eine Taufe, ein Gott und Vater aller« (Ep 4,5).

Die Katechese ist also in der Kirche der Dienst, der die Katechumenen in die Einheit des Glaubensbekenntnisses einführt. (353) Kraft ihres Wesens stärkt sie das Band der Einheit, (354) indem sie das Bewußtsein schafft, einer großen Gemeinschaft anzugehören, die weder räumlich noch zeitlich begrenzt sein kann: »Vom gerechten Abel bis zum letzten Auserwählten, bis zu den äußersten Grenzen der Erde, bis ans Ende der Zeiten«. (355)

Der geschichtliche Charakter des Heilsmysteriums


107 Das Glaubensbekenntnis der Jünger Jesu Christi geht aus einer pilgernden, auf Sendung geschickten Kirche hervor. Es ist noch nicht die glorreiche Verkündigung am Ende des Weges, sondern eine, die der »Zeit der Kirche« entspricht. (356) Die »Heilsökonomie« hat somit geschichtlichen Charakter, denn sie erfüllt sich in der Zeit: »Sie hat in der Vergangenheit angefangen, ist fortgeschritten und hat in Christus ihren Höhepunkt erreicht; sie entfaltet ihre Kraft in der Gegenwart und erwartet ihre Vollendung in der Zukunft«. (357)

Wenn die Kirche im lebendigen Wissen darum heute die christliche Botschaft weitergibt, »gedenkt« sie deshalb beständig der Heilsereignisse der Vergangenheit und erzählt sie. Sie deutet in ihrem Licht die heutigen Ereignisse der Menschheitsgeschichte, worin der Geist Gottes das Antlitz der Erde erneuert, und verharrt in gläubiger Erwartung des Kommens des Herrn. In der Katechese der Kirchenväter begleiteten die Erzählung (narratio) von den Wundertaten Gottes und die Erwartung (expectatio) der Wiederkunft Christi stets die Darlegung der Glaubensgeheimnisse. (358)


108 Der geschichtliche Charakter der christlichen Botschaft verpflichtet die Katechese zur Beachtung folgender Aspekte:

– Darstellung der Heilsgeschichte mittels einer biblischen Katechese, die mit den »Taten und Worten« bekannt macht, mit denen sich Gott der Menschheit geoffenbart hat: die großen Etappen des Alten Testaments, mit denen er dem Evangelium den Weg bereitete; (359) das Leben Jesu, des im Schoße Mariens menschgewordenen Gottessohnes, der mit seinen Taten und seiner Lehre die Offenbarung zur Vollendung führte, (360) und die Geschichte der Kirche, welche die Offenbarung weitergibt. Auch diese Geschichte, die vom Glauben her zu deuten ist, gehört wesentlich zum Inhalt der Katechese.

– Bei der Erklärung des Glaubensbekenntnisses und des Inhalts der christlichen Moral durch eine lehrhafte Katechese soll die Botschaft des Evangeliums das »Heute« der Heilsgeschichte erhellen. Denn »... der Dienst am Wort ruft nicht nur die in der Vergangenheit erfolgte und in Christus zur Vollendung geführte Offenbarung in die Erinnerung zurück..., sondern deutet auch im Lichte dieser Offenbarung das menschliche Leben unserer Zeit, die Zeichen der Zeit und die Wirklichkeiten dieser Welt, da in diesen der Plan Gottes zum Heil der Menschen am Werke ist«. (361)

– Die Sakramente sind durch eine mystagogische Katechese, die »alle diese großen Ereignisse der Heilsgeschichte im "Heute" der Liturgie aufs neue liest und durchlebt«, in die Heilsgeschichte hineinzustellen. (362) Die Bezugnahme auf das heilsgeschichtliche »Heute« ist in dieser Katechese wesentlich. So wird den Katechumenen und den Glaubensschülern geholfen, »sich für dieses "geistliche" Verständnis der Heilsökonomie zu öffnen...«. (363)

– Die »Taten und Worte« der Offenbarung verweisen auf »das Geheimnis, das sie enthalten«. (364) Die Katechese wird helfen, vom Zeichen zum Geheimnis überzugehen. Sie wird helfen, hinter der Menschennatur Jesu seinen Seinszustand als Sohn Gottes zu entdecken; hinter der Geschichte der Kirche ihr Geheimnis als »Heilssakrament«; hinter den »Zeichen der Zeit« die Spuren der Gegenwart und des Planes Gottes. Die Katechese wird so die typische Glaubenserkenntnis zeigen, »die ein Erkennen auf dem Weg über Zeichen ist«. (365)

Die Inkulturation der Botschaft des Evangeliums\b\i (366)


109 Das Wort Gottes ist Mensch geworden, ein konkreter, in Zeit und Raum angesiedelter, in einer bestimmten Kultur verwurzelter Mensch: »Christus ließ sich in der Menschwerdung von der konkreten sozialen und kulturellen Welt der Menschen einschließen, unter denen er lebte«. (367) Das ist die Ur-»Inkulturation« des Wortes Gottes und das Bezugsmodell für die ganze Evangelisierung der Kirche, welche »die Kraft des Evangeliums ins Herz der Kultur und der Kulturen einpflanzen soll«. (368)

Die »Inkulturation« (369) des Glaubens, durch die »alle Schätze der Völker, die Christus zum Erbe gegeben sind«, in einen »wunderbaren Tausch« hineingenommen werden, (370) ist ein tiefgreifender und umfassender Prozeß und ein langsamer Weg. (371) Sie besteht nicht in einer bloß äußerlichen Anpassung, die, um die christliche Botschaft attraktiver zu machen, sich darauf beschränkt, sie nur dekorativ mit einem oberflächlichem Anstrich zu versehen.

Es geht im Gegenteil um das Eindringen des Evangeliums in die verborgensten Schichten der Menschen und der Völker, indem man sie »mit lebenspendender Kraft in der Tiefe und bis zu den Wurzeln« (372) ihrer Kulturen erreicht.

Bei dieser Inkulturationsarbeit werden jedoch die Christengemeinden eine Unterscheidung vornehmen müssen: Zum einen geht es darum, diejenigen kulturellen Reichtümer zu »übernehmen«, (373) die mit dem Glauben vereinbar sind; zum andern geht es aber auch darum zu helfen, jene Urteilskriterien, Denkgewohnheiten oder Lebensmodelle die zum Reiche Gottes im Gegensatz stehen, zu »heilen« (374) und »umzugestalten«. (375) Diese Unterscheidung muß sich von zwei Grundprinzipien leiten lassen: der »Vereinbarkeit mit dem Evangelium und der Gemeinschaft mit der Gesamtkirche«.(376) Das ganze Gottesvolk muß sich auf diesen Prozeß einlassen. Dieser »muß schrittweise vor sich gehen, damit er wirklich Ausdruck der christlichen Erfahrung der Gemeinde sein kann«. (377)


110 Bei dieser Inkulturation des Glaubens stellen sich der Katechese konkret verschiedene Aufgaben. Unter diesen sind anzuführen:

– Die kirchliche Gemeinschaft ist als wichtigster Faktor von Inkulturation zu betrachten. Einen Ausdruck und zugleich ein wirksames Werkzeug dieser Aufgabe stellt der Katechet dar, der nicht nur eine tief religiöse Gesinnung, sondern auch ein lebhaftes soziales Empfinden haben und in seinem kulturellen Umfeld gut verwurzelt sein muß. (378)

– Örtliche Katechismen sind auszuarbeiten, die den Erfordernissen, welche sich von den verschiedenen Kulturen her stellen, entsprechen (379) und das Evangelium bei seiner Darbietung zu den in diesen Kulturen auftretenden Ideen, Fragen und Problemen in Beziehung bringen.

– Durchführung einer zweckmäßigen Inkulturation im Katechumenat und in den katechetischen Einrichtungen, indem man mit kluger Überlegung die Sprache, die Symbole und die Werte der Kultur einbezieht, in der die Katechumenen und die Glaubenschüler leben.

– Darstellung der christlichen Botschaft auf eine Weise, die es denjenigen, die inmitten oft heidnischer und manchmal nachchristlicher Kulturen das Evangelium zu verkünden haben, möglich macht, »jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt« (
1P 3,15). Eine gelungene Apologetik, die den Dialog zwischen Glaube und Kultur voranbringt, erweist sich heute als unumgänglich.

Die Unversehrtheit der Botschaft des Evangeliums


111 Bei der Aufgabe der Inkulturation des Glaubens muß die Katechese die Botschaft des Evangeliums vollständig und rein verkünden. Jesus verkündet das Evangelium vollständig: »Ich habe euch alles mitgeteilt, was ich von meinem Vater gehört habe« (Jn 15,15). Diese selbe Vollständigkeit und Unversehrtheit verlangt Jesus von seinen Jüngern, als er sie aussendet: »Lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe« (Mt 28,20). Darum ist es ein Grundprinzip der Katechese, die Unversehrtheit der Botschaft zu wahren und sich vor verkürzten oder entstellten Wiedergaben zu hüten: »Damit die Opfergabe seines Glaubens vollkommen sei, hat jeder Jünger Christi das Recht, "das Wort des Glaubens" nicht verstümmelt, verfälscht oder verkürzt zu empfangen, sondern voll und ganz, in all seiner Macht und Kraft«.(380)


112 Zwei eng miteinander verbundene Dimensionen sind von diesem Kriterium abhängig. Es handelt sich darum:

– die vollständige Botschaft des Evangeliums vorzulegen, ohne über irgendeinen grundlegenden Aspekt stillschweigend hinwegzugehen oder aus dem Glaubensgut eine Auswahl zu treffen. (381) Vielmehr muß die Katechese »dafür sorgen, daß der ganze Schatz der christlichen Botschaft gewissenhaft verkündet wird«. (382) Das muß jedoch stufenweise geschehen nach dem Beispiel der »göttlichen Erziehungskunst«, gemäß der Gott bei seiner Selbstoffenbarung Schritt um Schritt und stufenweise vorgegangen ist. Vollständigkeit muß mit Anpassung einhergehen.

Folglich geht die Katechese von einer einfachen Vorlage der Gesamtstruktur der christlichen Botschaft aus und legt sie auf eine der Auffassungskraft der Empfänger angepaßte Weise dar. Die Katechese wird sich aber nicht auf diese anfängliche Darlegung beschränken, sondern die Botschaft stufenweise jedes Mal umfassender und ausführlicher vorlegen, je nach dem Auffassungsvermögen des Glaubensschülers und dem Eigencharakter der Katechese. (383) Diese beiden Ebenen einer vollständigen Darlegung der Botschaft werden als »intensive Integrität« und »extensive Integrität« bezeichnet.

– Die Botschaft des Evangeliums muß authentisch, in ihrer ganzen Reinheit vorgelegt werden, ohne ihre Ansprüche aus Angst vor Ablehnung zu verharmlosen und ohne schwere Lasten aufzuerlegen; solche bringt sie nicht mit sich, denn Jesu Joch ist leicht. (384)

Das Kriterium der Echtheit ist eng mit dem der Inkulturation verbunden, denn diese hat die Funktion, das Wesentliche der Botschaft in eine bestimmte Kultursprache zu »übersetzen«. (385) Bei dieser notwendigen Aufgabe gibt es immer eine Spannung: »Die Evangelisierung verliert viel von ihrer Kraft und Wirksamkeit, wenn sie das konkrete Volk, an das sie sich wendet, nicht berücksichtigt... Aber andererseits kann sie auch ihre Seele verlieren und innerlich leer werden, wenn man sie unter dem Vorwand, sie zu übersetzen, aushöhlt oder verfälscht...«. (386)


113 In dieser vielschichtigen Beziehung zwischen Inkulturation und Unversehrtheit der christlichen Botschaft ist das Kriterium einer evangeliumsgemäßen Haltung »missionarischer Offenheit für das Gesamtheil der Welt« (387) zu befolgen. Sie muß die Annahme der echt menschlichen und religiösen Werte über jede starre Abschließung hinweg zu verbinden wissen mit dem missionarischen Engagement, die ganze Wahrheit des Evangeliums zu verkünden, ohne auf bequeme Ausgleiche zu verfallen, die das Evangelium um seine Kraft bringen und die Kirche verweltlichen würden. Die Authentizität des Evangeliums schließt Haltungen aus, die dem wahren Sinn der Mission widersprechen.


Allgemeines Direktorium für die Katechese 91