Allgemeines Direktorium für die Katechese 133

Die Aspekte der Anpassung in einem örtlichen Katechismus\b\i (456)


133 Der Katechismus der Katholischen Kirche gibt an, welche Aspekte jeder örtliche Katechismus bei der Anpassung und Einbettung [in das jeweilige sozio–kulturelle Umfeld] der organischen Synthese des Glaubens berücksichtigen muß. Diese Glaubenssynthese muß die Anpassungen vornehmen, »welche die Unterschiede in den Kulturen, Lebensphasen, im geistlichen Leben, in den gesellschaftlichen und kirchlichen Situationen der Adressaten erfordern«. (457) Auch das II. Vatikanische Konzil bejaht nachdrücklich die Notwendigkeit, die Darbietung der Botschaft des Evangeliums anzupassen: »Diese... angepaßte Verkündigung des geoffenbarten Wortes muß ein Gesetz aller Evangelisation bleiben«. (458) Darum gilt:

– Ein örtlicher Katechismus muß beim Vorlegen der Glaubenssynthese auf die konkrete Kultur Bezug nehmen, in der die Katechumenen und Glaubensschüler leben. Er wird deshalb alle »originellen Ausdrucksformen christlichen Lebens, Feierns und Denkens« (459) sich zu eigen machen, die aus der eigenen Kulturtradition hervorgegangen und Furcht der Arbeit und der Inkulturation der Ortskirche sind.

– Ein örtlicher Katechismus, der sich an den Grundsatz »der Treue zu Gott und der Treue zum Menschen« hält, (460) stellt das christliche Mysterium sinnvoll und der Denkweise und seelischen Verfaßtheit der Altersstufe des konkreten Adressaten nahekommend dar und folglich in klarer Bezugnahme auf dessen grundlegende Lebenserfahrungen. (461)

– Insbesondere ist auf die konkrete Form zu achten, in der das Religiöse in einer bestimmten Gesellschaft gelebt wird. Es ist nicht dasselbe, ob man einen Katechismus für ein von religiöser Gleichgültigkeit geprägtes Milieu abfaßt, oder für ein anderes, dessen Umfeld tief religiös ist. (462) Das Verhältnis »Glaube — Wissen« ist in jedem Katechismus sehr sorgfältig zu behandeln.

– Die Problematik des gesellschaftlich-sozialen Umfeldes ist, wenigstens was die tieferen strukturellen (wirtschaftlichen, politischen, familiären...) Elemente betrifft, ein wichtiger Faktor, um den Katechismus in eben diesem Umfeld einzubetten. Indem er sich von der Soziallehre der Kirche inspirieren läßt, wird der Katechismus Kriterien, Beweggründe und Leitlinien zum Handeln anbieten, die die christliche Präsenz inmitten dieser Problematik erhellen.(463)

– Schließlich ist die konkrete kirchliche Situation, in der die Teilkirche lebt, vor allem der gegebene Rahmen, auf den sich der Katechismus beziehen muß. Selbstverständlich nicht die konjunkturellen oder Sondersituationen, derer sich andere lehramtliche Dokumente annehmen, sondern der ständige Zustand, der eine Evangelisierung mit spezifischeren und bestimmteren Akzenten erfordert.(464)

Die Kreativität der Ortskirchen bei der Erstellung der Katechismen


134 Bei der Aufgabe, die Botschaft des Evangeliums durch die Katechismen in das jeweilige Umfeld einzubetten, zu inkulturieren und ihre Formulierung an die verschiedenen Altersstufen, Situationen und Kulturen anzupassen, bedürfen die Ortskirchen einer sicheren und reifen Kreativität. Von dem der Kirche anvertrauten depositum fidei [Glaubensgut, Glaubenserbe] müssen die Ortskirchen unter der Leitung des Heiligen Geistes, des inneren Lehrers, all jene Elemente auswählen, gliedern und ausdrücken, mit denen das Evangelium in einer bestimmten Situation authentisch und vollständig weiterzugeben ist.

Bei dieser schwierigen Aufgabe ist der Katechismus der Katholischen Kirche »Bezugspunkt«, um die Einheit des Glaubens zu gewährleisten. Das vorliegende Allgemeine Direktorium für die Katechese bietet seinerseits die grundlegenden Kriterien, an denen sich die Darbietung der christlichen Botschaft orientieren soll.


135 In bezug auf die Ausarbeitung der örtlichen Katechismen ist an folgendes zu erinnern:

– Vor allem geht es darum, entsprechend angepaßte und inkulturierte echte Katechismen auszuarbeiten. In diesem Sinn gilt es zu unterscheiden zwischen einem Katechismus, der die christliche Botschaft an die verschiedenen Altersstufen, Situationen und Kulturen anpaßt, und einer bloßen Zusammenfassung des Katechismus der Katholischen Kirche als eines Werkzeugs zur Einführung in dessen Studium. Es handelt sich um zwei verschiedene Genera. (465)

– Die örtlichen Katechismen können diözesanen, regionalen oder nationalen Charakter haben. (466)

– Was Aufbau und Gliederung der Inhalte betrifft, so veröffentlichen die verschiedenen Episkopate Katechismen in verschiedener Gliederung und Gestalt. Wie schon gesagt, wurde der Katechismus der Katholischen Kirche als Bezugspunkt für die Lehre vorgelegt, aber man will damit nicht der ganzen Kirche eine bestimmte Gestalt des Katechismus vorschreiben. So gibt es Katechismen mit einer trinitarischen Struktur, andere sind entsprechend den Etappen des Heils aufgebaut, andere auf der Grundlage eines reichhaltigen biblischen und theologischen Themas (Bund, Reich Gottes usw.), andere nach der Dimension des Glaubens, wieder andere folgen dem liturgischen Jahr.

– Was die Art und Weise betrifft, wie die Botschaft des Evangeliums zum Ausdruck gebracht wird, so wirkt sich die Kreativität eines Katechismus auch auf die Formulierung des Inhaltes aus. (467) Selbstverständlich muß sich ein Katechismus in seiner Methode, den Lehrgehalt der christlichen Botschaft auszudrücken, treu an das Glaubensgut halten. »Die wahrhaft eingewurzelten Teilkirchen, die sich sozusagen verschmolzen haben mit den Menschen, aber auch mit den Wünschen, Reichtümern und Grenzen, mit der Art zu beten, zu lieben, Leben und Welt zu betrachten, wie sie für eine bestimmte Menschengruppe charakteristisch sind, haben die Aufgabe, das Wesentliche der Botschaft des Evangeliums sich tief zu eigen zu machen und es ohne den geringsten Verrat an seiner wesentlichen Wahrheit in eine Sprache zu übersetzen, die diese Menschen verstehen, um es dann in dieser Sprache zu verkünden«. (468) Bei dieser heiklen Aufgabe sollte man sich an den vom II. Vatikanischen Konzil empfohlenen Grundsatz halten: »Immer nach einer geeigneteren Weise zu suchen, die Lehre des Glaubens den Menschen ihrer Zeit zu vermitteln. Denn die Glaubenshinterlage selbst, das heißt die Glaubenswahrheiten, darf nicht verwechselt werden mit ihrer Aussageweise, auch wenn diese immer den selben Sinn und Inhalt meint«.(469)

Der Katechismus der Katholischen Kirche und die örtlichen Katechismen: die Symphonie des Glaubens


136 Der Katechismus der Katholischen Kirche und die örtlichen Katechismen bilden, natürlich je nach ihrer spezifischen Autorität, eine Einheit. Sie sind konkreter Ausdruck der »Einheit im gleichen apostolischen Glauben« (470) und zugleich der reichen Vielfalt in der Formulierung des gleichen Glaubens.

Der Katechismus der Katholischen Kirche und die örtlichen Katechismen, die dem, der ihre Harmonie betrachtet, als ein Ganzes erscheinen, bringen die Symphonie des Glaubens zum Ausdruck: allem voran eine Symphonie innerhalb des Katechismus der Katholischen Kirche selbst, der in Zusammenarbeit des ganzen Episkopats der katholischen Kirche ausgearbeitet wurde; und dann eine auf ihm beruhende und sich in den örtlichen Katechismen äußernde Symphonie. Diese »Symphonie« — dieser »Chor aller Stimmen der gesamten Kirche» (471) —, wie sie in den örtlichen Katechismen, die sich an den Katechismus der Katholischen Kirche halten, erklingt, hat eine wichtige theologische Bedeutung:

– In ihr offenbart sich vor allem die Katholizität der Kirche. Der kulturelle Reichtum der Völker fügt sich in den Ausdruck des Glaubens der einen Kirche ein.

– Der Katechismus der Katholischen Kirche und die örtlichen Katechismen offenbaren auch die kirchliche Gemeinschaft: das »Bekenntnis ein und desselben... Glaubens« (472) ist eines ihrer sichtbaren Bande. Die Teilkirchen, »in denen und aus denen die eine und einzige katholische Kirche besteht«, (473) bilden mit dem Ganzen, mit der Gesamtkirche, »eine besondere Beziehung wechselseitigen Innewohnens«. (474) Die Einheit zwischen dem Katechismus der Katholischen Kirche und den örtlichen Katechismen macht diese Gemeinschaft sichtbar.

– Der Katechismus der Katholischen Kirche und die örtlichen Katechismen drücken ganz offensichtlich auch die bischöfliche Kollegialität aus. Die Bischöfe, ein jeder in seiner Diözese und alle gemeinsam als Kollegium, haben, in Gemeinschaft mit dem Nachfolger Petri, die höchste Verantwortung für die Katechese in der Kirche. (475)

Wegen ihrer tiefen Einheit und reichen Vielfalt sind der Katechismus der Katholischen Kirche und die örtlichen Katechismen dazu berufen, der Sauerteig der Erneurerung der Katechese in der Kirche zu sein. Wenn die Kirche sie mit katholisch-universalem Blick betrachtet, kann sie, die ganze Gemeinschaft der Jünger Christi, in Wahrheit sagen: »Das ist unser Glaube, das ist der Glaube der Kirche«.


DRITTER TEIL

DIE PÄDAGOGIK DES GLAUBENS

»Ich war es, der Efraim gehen lehrte, ich nahm ihn auf meine Arme... Mit menschlichen Fesseln zog ich sie an mich, mit den Ketten der Liebe. Ich war für sie da wie die (Eltern), die den Säugling an ihre Wangen heben. Ich neigte mich ihm zu und gab ihm zu essen« (Os 11,3-4).

»Als er mit seinen Begleitern und den Zwölf allein war, fragten sie ihn nach dem Sinn seiner Gleichnisse. Da sagte er zu ihnen: Euch ist das Geheimnis des Reiches Gottes anvertraut... Seinen Jüngern erklärte er alles, wenn er mit ihnen allein war« (Mk 4,10-11.34).

»Nur einer ist euer Lehrer, Christus«\b\i (@MT 23,10@)


137 Jesus hat für die Formung der Apostel, die er ausgesandt hat, umsichtig gesorgt. Er hat sich ihnen als den einzigen Lehrer und zugleich als geduldigen und treuen Freund hingestellt,(1) hat durch sein ganzes Leben(2) eine wirkliche Lehrtätigkeit ausgeübt; indem er mit passenden Fragen ihr Interesse weckte,(3 )hat er ihnen das, was er der Menge verkündigte, eingehender erklärt;(4 )er hat sie ins Gebet eingeführt,(5)sie dazu angehalten, eine missionarische Lehrzeit zu machen;(6) er hat ihnen den Geist seines Vaters zuerst verheißen und dann gesandt, damit er sie in die ganze Wahrheit einführe(7) und sie in den unvermeidlichen schwierigen Augenblicken stärke.(8) Jesus Christus ist »der Meister, der den Menschen offenbart, wer Gott ist, und auch, wer der Mensch ist...; der Meister, der rettet, heiligt und führt, der lebt, spricht, aufrüttelt und erschüttert, zurechtweist, richtet und verzeiht, der täglich den Weg durch die Geschichte mit uns geht...; der Meister, der kommt und kommen wird in Herrlichkeit«.(9) In Jesus, dem Herrn und Meister, findet die Kirche die transzendente Gnade, die dauernde Inspiration, das überzeugende Vorbild für alle Glaubensvermittlung.

Bedeutung und Zielsetzung dieses Teiles


138 In der Schule des Meisters Jesus verbindet der Katechet sein Wirken als verantwortliche Person eng mit dem geheimnisvollen Wirken der Gnade Gottes. Die Katechese ist somit Ausübung einer »originalen Glaubenspädagogik«.(10)

Die Weitergabe des Evangeliums durch die Kirche bleibt vor allem und immer Werk des Heiligen Geistes und hat in der Offenbarung das fundamentale Zeugnis und die Grundnorm (Kapitel 1).

Aber der Geist benützt Menschen, welche den Auftrag zur Verkündigung des Evangeliums erhalten und ihre menschlichen Kompetenzen und Erfahrungen in die Glaubenspädagogik einbringen.

Daraus entspringen eine Reihe von Fragen, die in der Geschichte der Katechese ausführlich behandelt wurden: die Frage nach der Katechese selbst, nach den Quellen, den Methoden, den Adressaten, dem Inkulturationsprozeß.

Im zweiten Kapitel nimmt man sich nicht vor, diese Fragen erschöpfend zu behandeln, sondern es werden bloß jene Punkte dargelegt, die für die ganze Kirche besonders wichtig erscheinen. Es wird Sache der verschiedenen Verantwortlichen und anderer Arbeitsinstrumente der einzelnen Kirchen sein, sich den spezifischen Problemen auf passende Weise zu stellen.


KAPITEL I

Die Erziehungskunst Gottes,

Quelle und Vorbild

der Pädagogik des Glaubens\b\i(11)

Die Erziehungskunst Gottes


139 »Gott behandelt euch wie Söhne. Denn wo ist ein Sohn, den der Vater nicht züchtigt?» (He 12,7). Das Heil des Menschen, welches das Ziel der Offenbarung ist, erweist sich als Frucht auch einer eigenartigen und wirksamen »Erziehungskunst Gottes« im Lauf der Geschichte. In Analogie zu den menschlichen Bräuchen und in Entsprechung zu den jeweiligen kulturellen Kategorien wird Gott in der Schrift als ein barmherziger Vater, ein Meister, ein Weiser(12) gesehen, der den Menschen — den einzelnen und die Gemeinschaft — in der Situation annimmt, in der er sich befindet, ihn von den Banden des Bösen befreit, ihn durch Bande der Liebe an sich zieht, ihn Schritt für Schritt geduldig zu einem freien, treuen und seinem Wort gehorchenden Sohn heranreifen läßt. Als genialer und weitblickender Erzieher macht Gott zu diesem Zweck die Lebensschicksale seines Volkes zu Lektionen der Weisheit,(13) indem er sich an die verschiedenen Altersstufen und Lebenssituationen anpaßt. Er vermittelt ihm Worte der Belehrung und Katechese, die von Generation zu Generation weitergegeben werden,(14) ermahnt, indem er Belohnung verspricht oder Strafe androht, und macht selbst Prüfungen und Leiden zu Bildungsmitteln.(15) In der Tat, einen Menschen Gott begegnen lassen, was ja Aufgabe des Katecheten ist, heißt die Beziehung Gottes zum Menschen ins Zentrum stellen, sich zu eigen machen und sich von ihm leiten lassen.

Die Pädagogik Christi


140 Als die Zeit erfüllt war, sandte Gott der Menschheit seinen Sohn, Jesus Christus. Er hat das große Geschenk des Heils in die Welt gebracht, indem er seine Sendung als Erlöser in einem Vorgehen vollzog, das die »Erziehungskunst Gottes« mit der dem Neuen seiner Person innewohnenden Vollkommenheit und Wirksamkeit fortsetzte. Anhand seiner Worte, Zeichen und Werke während seines ganzen kurzen, aber intensiven Lebens haben die Jünger die Grundzüge der »Pädagogik Jesu» kennengelernt, auf die sie dann in den Evangelien hinwiesen: die Annahme des anderen Menschen, insbesondere des Armen, Kleinen, Sünders als einer von Gott geliebten und gesuchten Person; die freimütige Verkündigung des Reiches Gottes als gute Nachricht von der Wahrheit und dem Trost des Vaters; ein zarter und starker Stil der Liebe, die vom Bösen befreit und das Leben fördert; die dringende Aufforderung zu einem Verhalten, das vom Glauben an Gott, von der Hoffnung auf das Reich und von der Liebe zum Nächsten getragen ist; der Einsatz aller Möglichkeiten der interpersonalen Kommunikation, wie des Wortes, des Schweigens, der Metapher, des Bildes, des Beispiels, so vieler verschiedener Zeichen, wie sie die biblischen Propheten zur Hand hatten. Mit der Aufforderung an die Jünger, ihm total und ohne Bedauern zu folgen,(16) übergibt ihnen Christus seine Glaubenspädagogik als volle Teilhabe an seiner Sache und seinem Schicksal.

Die Pädagogik der Kirche


141 Von Anfang an hat die Kirche, die »in Christus gleichsam ein Sakrament«(17) ist, ihre Sendung als sichtbare und gegenwartsbezogene Weiterführung der Erziehungskunst des Vaters und des Sohnes gelebt. »Als unsere Mutter ist sie auch unsere Erzieherin im Glauben«.(18)

Das sind die tiefen Gründe, weshalb die christliche Gemeinde in sich selbst lebendige Katechese ist. Durch das, was sie ist, verkündet und feiert, bewirkt und bleibt sie stets der lebenswichtige und unerläßliche Hauptort der Katechese.

Die Kirche hat im Lauf der Jahrhunderte einen unvergleichlichen Reichtum an Glaubenspädagogik hervorgebracht: vor allem das Zeugnis heiligmäßiger Katecheten und Katechetinnen. Eine Vielfalt origineller Weisen und Formen religiöser Kommunikation wie der Katechumenat, die Katechismen, die Anleitungen zu einem christlichen Leben; ein kostbares Erbe an katechetischer Unterweisung, an Glaubenskultur, an katechetischen Einrichtungen und Diensten. Alle diese Aspekte machen die Geschichte der Katechese aus und gehen mit Recht in das Gedächtnis der Gemeinde und in die Praxis des Katecheten ein.

Die göttliche Erziehungskunst, Wirken des Heiligen Geistes in jedem Christen


142 »Wohl dem Mann, den du, Herr, erziehst, den du mit deiner Weisung belehrst« (Ps 94,12). In der Schule des Gotteswortes, das in der Kirche aufgenommen wird, nimmt der Jünger dank der Gabe des von Christus gesandten Heiligen Geistes wie sein Meister zu »an Weisheit, Alter und Wohlgefallen bei Gott und den Menschen« (Lc 2,52) und erfährt Hilfe, um in sich die erhaltene »göttliche Erziehung« durch die Katechese und durch die Mittel des Wissens und der Erfahrung zur Entfaltung zu bringen.(19) Indem er auf diese Weise das Heilsmysterium immer besser kennenlernt, Gott den Vater anbeten lernt und »sich, von der Liebe geleitet, an die Wahrheit hält«, sucht er »ihm, der das Haupt ist, Christus, in allem entgegenzuwachsen« (Ep 4,15).Man kann die Erziehungskunst Gottes dann für vollendet halten, wenn der Jünger zum vollkommenen Menschen wird und Christus in seiner vollendeten Gestalt darstellt (vgl. Eph Ep 4,13). Deshalb kann man nicht Glaubenslehrer und Glaubenserzieher für andere sein, wenn man nicht selber überzeugter und treuer Jünger Christi in seiner Kirche ist.

Göttliche Erziehungskunst und Katechese


143 Als Vermittlerin der göttlichen Offenbarung inspiriert sich die Katechese von Grund auf an der Erziehungsweisheit Gottes, wie sie sich in Christus und der Kirche entfaltet, nimmt ihre wesentlichen Züge an und erstellt von ihr unter der Leitung des Heiligen Geistes eine weise Synthese, womit sie eine echte Glaubenserfahrung, eine kindliche Begegnung mit Gott begünstigt. Auf diese Weise gilt von der Katechese:

– Sie ist eine Pädagogik, die sich in den »Heilsdialog» zwischen Gott und dem Menschen einfügt und in seinem Dienst steht, da sie die universale Bestimmung dieses Heils gebührend hervorhebt; was Gott angeht, so betont sie die göttliche Initiative, die liebende Motivierung, die Ungeschuldetheit, die Achtung der Freiheit; was den Menschen angeht, so verdeutlicht sie die Würde des erhaltenen Geschenkes und das Bedürfnis, ständig in ihm zu wachsen;(20)

– sie akzeptiert das Prinzip der fortschreitenden Entfaltung der Offenbarung, die Transzendenz und den geheimnisvollen Charakter des Wortes Gottes sowie seine Anpassung an die verschiedenen Personen und Kulturen;

– sie anerkennt die zentrale Stellung Jesu Christi, des menschgewordenen Wortes Gottes, welche die Katechese zur »Pädagogik der Inkarnation« bestimmt, weshalb das Evangelium stets durch das Leben und im Leben der Menschen vorzulegen ist;

– sie bringt die gemeinschaftliche Glaubenserfahrung, die dem Gottesvolk, der Kirche, eignet, zur Geltung;

– sie wurzelt in der interpersonalen Beziehung und macht sich den Prozeß des Dialogs zu eigen; – sie bedient sich pädagogisch der Zeichen, in denen Taten und Worte, Belehrung und Erfahrung miteinander verknüpft sind;(21)

– da die Liebe Gottes der letzte Grund seiner Offenbarung ist, bezieht die Katechese aus der unerschöpflichen göttlichen Liebe, dem Heiligen Geist, ihre Wahrheitskraft und das ständige Bemühen, von ihr Zeugnis zu geben.(22)

Die Katechese gestaltet sich als Lehrvorgang oder Anleitung oder Weg im Geist zum Vater in der Nachfolge des Christus des Evangeliums. Dieser Weg wird unternommen, um »in dem Maß, wie Christus es geschenkt hat« (
Ep 4,7), und entsprechend den Möglichkeiten und Bedürfnissen eines jeden zur Glaubensreife zu gelangen.

Ursprüngliche Pädagogik des Glaubens\b\i(23)


144 Die Katechese, die also aktive Glaubenspädagogik ist, darf sich beim Vollzug ihrer Aufgaben nicht von ideologischen Erwägungen oder rein menschlichen Interessen leiten lassen;(24) sie verwechselt das Heilshandeln Gottes, das reine Gnade ist, nicht mit dem pädagogischen Handeln des Menschen, stellt sich ihm aber auch nicht entgegen und verzichtet nicht darauf. Der Dialog, den Gott liebevoll mit jedem Menschen führt, wird zu ihrer Inspiration und Richtlinie; die Katechese wird zu seinem unermüdlichen »Echo«, indem sie ständig nach dem Dialog mit den Menschen sucht, den großen Leitlinien entsprechend, die vom Lehramt der Kirche angeboten werden.(25)

Genaue Zielsetzungen, die ihre Optionen hinsichtlich der Methoden inspirieren, sind:

– Förderung einer fortschreitenden und kohärenten Synthese zwischen der vollen Verbundenheit des Menschen mit Gott (fides qua)und den Inhalten der christlichen Botschaft (fides quae);

– Entfaltung sämtlicher Dimensionen des Glaubens, damit dieser zu einem Glauben wird, den man kennt, feiert, lebt, betet;(26)

– Ansporn des Menschen, »sich Gott als ganzer in Freiheit zu überantworten«,(27) das heißt seinen Verstand, seinen Willen, sein Herz, sein Gedächtnis;

– Hilfe an den Menschen, die Berufung, zu der ihn der Herr gerufen hat, wahrzunehmen.

Die Katechese leistet somit ein Werk der Initiation, der Erziehung und der Belehrung zugleich.

Treue zu Gott und Treue zum Menschen\b\i(28)


145 Jesus Christus ist die lebendige, vollkommene Beziehung Gottes zum Menschen und des Menschen zu Gott. Von ihm erhält die Glaubenspädagogik einen »für das ganze Leben der Kirche — und somit auch für die Katechese — fundamentalen Grundsatz«: den Grundsatz »der Treue zu Gott und der Treue zum Menschen aus derselben Haltung der Liebe«.(29)

Folglich wird jene Katechese echt sein, die das Wirken Gottes während des ganzen Bildungsweges wahrzunehmen hilft, indem sie eine Atmosphäre des Hörens, der Danksagung und des Gebetes begünstigt(30) und zugleich auf die freie Antwort der Menschen dadurch abzielt, daß sie die aktive Beteiligung der Glaubensschüler fördert.

Die »Herablassung«\b\i(31): Gottes, Schule für den Menschen


146 In dem Willen, zu den Menschen als zu Freunden zu sprechen,(32) erweist Gott seine Erziehungskunst insbesondere darin, daß er seine Rede fürsorglich auf unseren irdischen Zustand abstimmt.(33)

Das bringt für die Katechese die nie abgeschlossene Aufgabe mit sich, eine Sprache zu finden, die imstande ist, in den ganz unterschiedlichen Verhältnissen der Zuhörer(34) das Gotteswort und das von ihm abgeleitete Credo der Kirche mitzuteilen und dabei an der Gewißheit festzuhalten, daß das durch Gottes Gnade möglich ist und daß der Heilige Geist die Freude schenkt, es tatsächlich zu tun.

Für die Katechese eignen sich deshalb Hinweise, die es ermöglichen, die Gesamtheit des Wortes Gottes dem Herzen der Menschen in ihrer Existenz zu vermitteln.(35)

Durch Erziehung evangelisieren und durch Evangelisierung erziehen\b\i(36)


147 Während er sich dauernd von der Glaubenspädagogik inspirieren läßt, gestaltet der Katechet seinen Dienst als qualifizierten Erziehungsweg, das heißt, er hilft einerseits dem Menschen, sich der religiösen Lebensdimension zu öffnen, und legt ihm andererseits das Evangelium so vor, daß es die von Verstand, Bewußtsein, Freiheit und Handeln bestimmten Abläufe durchdringt und verändert, um nach dem Vorbild Jesu Christi das Dasein zu einer Selbsthingabe zu machen.

Zu diesem Zweck macht sich der Katechet mit dem Beitrag der christlich verstandenen Erziehungswissenschaften bekannt und bedient sich seiner.


II. KAPITEL

Elemente der Methodik

Die Verschiedenheit der Methoden in der Katechese\b\i (37)


148 Die Kirche hat bei der Glaubensvermittlung an und für sich weder eine eigene noch eine einzige Methode, sondern sie besieht im Licht der Erziehungskunst Gottes die zeitgenössischen Methoden und übernimmt in Geistesfreiheit, »was immer wahrhaft, edel, recht, was lauter, liebenswert, ansprechend ist, was Tugend heißt und lobenswert ist« (Ph 4,8), kurz, alle Elemente, die zum Evangelium nicht im Gegensatz stehen, und stellt sie in dessen Dienst. Das findet eine wunderbare Bestätigung in der Geschichte der Kirche, in der so viele Charismen im Dienst am Wort unterschiedliche Methoden hervorgebracht haben. In diesem Sinn ist »die Vielfalt der Methoden ein Zeichen der Lebendigkeit und ein Reichtum« und zugleich ein Erweis des Respekts gegenüber den Adressaten der Katechese. Erfordert wird diese Vielfalt vom »Alter und der geistigen Entwicklung der Christen, vom Grad ihrer kirchlichen und religiösen Reife und von vielen anderen persönlichen Umständen«.(38)

Die katechetische Methode hat die Erziehung zum Glauben zum eigentlichen Ziel; man bedient sich für die Katechese der Erziehungs- und der Kommunikationswissenschaften und berücksichtigt die zahlreichen bemerkenswerten Erkenntnisse und Einsichten der modernen Katechetik.

Die Beziehung von Inhalt und Methode in der Katechese\b\i(39)


149 Der Grundsatz von »der Treue zu Gott und der Treue zum Menschen« läßt jede Gegensätzlichkeit oder künstliche Trennung oder angebliche Neutralität von Methode und Inhalt vermeiden und spricht sich vielmehr für ihre notwendige Wechselbeziehung und Wechselwirkung aus. Der Katechet anerkennt, daß die Methode im Dienst der Offenbarung und der Bekehrung(40) steht und daß man sich deshalb ihrer bedienen muß. Andererseits weiß der Katechet, daß es in bezug auf den Inhalt der Katechese nicht gleichgültig ist, welcher Methode man sich bedient, sondern daß die Vermittlung ein Vorgehen erfordert, das dem Wesen der Botschaft, ihren Quellen und Redeweisen, den konkreten Umständen der kirchlichen Gemeinschaft und der Situation der einzelnen Gläubigen entspricht, an die sich die Katechese richtet.

Wegen der Bedeutung, die ihnen sowohl in der Tradition wie in der gegenwärtigen Situation der Katechese zukommt, sind zu erwähnen: die Methode der Annäherung an die Bibel;(41) die Methode oder »Pädagogik des Dokumentes«, inbesondere des Glaubensbekenntnisses oder Symbolums, insofern »die Katechese Weitergabe der Glaubensdokumente«(42) ist; die Methode der liturgischen und kirchlichen Zeichen; die den Massenmedien eigene Methode.

Eine gute katechetische Methode bietet Gewähr für die Treue zum Inhalt.

Induktive und deduktive Methode\b\i(43)


150 Die Glaubensmitteilung in der Katechese ist ein gnadenhaftes Geschehen, das die Begegnung des Wortes Gottes mit der Erfahrung des Menschen zustande kommt, sich durch sinnenfällige Zeichen äußert und sich letztlich dem Geheimnis öffnet. Sie kann auf verschiedenen Wegen geschehen, die uns nicht immer vollständig bekannt sind.

In Beachtung der Geschichte der Katechese spricht man heute allgemein von induktivem und deduktivem Verfahren. Die induktive Methode besteht in der Darbietung von Fakten (biblischen Ereignissen, liturgischen Handlungen, Ereignissen aus dem Leben der Kirche und aus dem Alltagsleben...), um herauszufinden, welche Bedeutung sie in der göttlichen Offenbarung haben können. Dieser Weg bietet viele Vorteile, denn er entspricht der Offenbarungsordnung oder »Heilsökonomie«; er entspricht dem tiefen Angewiesensein des menschlichen Geistes darauf, durch Sichtbares zur Erkenntnis von Unsichtbarem zu gelangen, und er entspricht auch den Wesensmerkmalen der Glaubenserkenntnis, die Erkenntnis durch Zeichen ist.

Die induktive Methode schließt die deduktive nicht aus, sondern erfordert sie, denn sie erklärt und beschreibt, von ihren Ursachen ausgehend, die Gegebenheiten. Aber die deduktive Synthese hat ihren vollen Wert erst dann, wenn der induktive Prozeß vollzogen worden ist.(44)


151 Anders verhält es sich in bezug auf die Bedeutung von operativen Verfahren: eines wird auch »kerygmatisch« (oder absteigend) genannt, wenn es von der Verkündigung der Botschaft ausgeht, wie sie in den Hauptdokumenten des Glaubens (Bibel, Liturgie, Glaubenslehre...) zum Ausdruck kommt, und sie auf das Leben anwendet; das andere wird »existentiell« (oderaufsteigend) genannt, wenn es bei menschlichen Problemen und Situationen ansetzt und sie mit dem Licht des Gotteswortes beleuchtet. An und für sich sind das legitime Ansätze, wenn dabei alle Faktoren beachtet werden, die mit im Spiel sind: das Geheimnis der Gnade und die menschliche Gegebenheit, das Glaubensverständnis und der Prozeß der Vernünftigkeit.

Die menschliche Erfahrung in der Katechese\b\i(45)


152 Die Erfahrung erfüllt in der Katechese verschiedene Funktionen, weshalb sie unablässig gebührend ausgewertet werden muß.

a) Sie läßt im Menschen Interessen, Fragen, Hoffnungen und Ängste, Überlegungen und Urteile entstehen, die sich zu einem gewissen Verlangen nach Umgestaltung des Daseins vereinen. Aufgabe der Katechese ist es, die Menschen auf ihre wichtigsten Erfahrungen aufmerksam zu machen, ihnen zu helfen, die Fragen und die Bedürfnisse, die sich daraus ergeben, im Licht des Evangeliums zu beurteilen, und sie zu einer Neuausrichtung des Lebens zu erziehen. Auf diese Weise wird der Mensch befähigt, sich angesichts der Gabe Gottes aktiv und verantwortlich zu verhalten.

b) Die Erfahrung begünstigt die Verständlichkeit der christlichen Botschaft. Dem entsprach trefflich das Handeln Jesu, der menschliche Erfahrungen und Situationen aufgriff, um auf eschatologische und transzendente Wirklichkeiten und zugleich darauf hinzuweisen, welche Haltung diesen Wirklichkeiten gegenüber eingenommen werden soll. Von daher gesehen ist die Erfahrung eine nützliche Vermittlung, um die Wahrheiten, die den objektiven Offenbarungsinhalt bilden, zu erforschen und sich anzueignen.

c) Die genannten Funktionen sind ein Hinweis darauf, daß die vom Glauben übernommene Erfahrung gewissermaßen zum Bereich der Heilsoffenbarung und Heilsverwirklichung wird, wo Gott, der Pädagogik der Inkarnation entsprechend, den Menschen mit seiner Gnade einholt und rettet. Der Katechet muß dem Menschen helfen, das Erlebte in dieser Sicht zu deuten, um die Einladung des Heiligen Geistes zur Umkehr, zum tätigen Einsatz, zur Hoffnung zu erfassen und so immer mehr im eigenen Leben Gottes Plan zu entdecken.


153 Die Erfahrung mit der Gegebenheit des Glaubens zu erhellen und zu deuten, wird eine Daueraufgabe der katechetischen Pädagogik sein, die zwar schwierig zu erfüllen ist, aber nicht vernachlässigt werden darf, da man sonst in künstliche Nebeneinanderstellungen oder in integristische Wahrheitsverständnisse gerät.

Ermöglicht wird diese Aufgabe durch eine korrekte Anwendung der Wechselbeziehung bzw. Wechselwirkung zwischen tiefen menschlichen Erfahrungen(46) und geoffenbarter Botschaft. Und wie ausgiebig zeugen davon die Verkündigung der Propheten, die Rede Christi und die Lehrtätigkeit der Apostel, die deshalb das grundlegende und maßgebende Kriterium für jede Begegnung zwischen Glaube und menschlicher Erfahrung in der Zeit der Kirche darstellen.

Die gedächtnismäßige Einprägung in der Katechese\b\i(47)


154 Die Katechese gehört zu jenem »Gedächtnis« der Kirche, das die Gegenwart des Herrn unter uns lebendig erhält.(48) Das Festhalten im Gedächtnis bildet darum seit den Anfangszeiten des Christentums einen wesentlichen Aspekt der Glaubenspädagogik. Um die Gefahren eines mechanischen Auswendiglernens zu bannen, muß sich das gedächtnismäßige Lernen in die verschiedenen Funktionen des Lernens einfügen: in die spontane Reaktion und die besonnene Überlegung, in den Moment des Gesprächs und den des Schweigens, in das mündliche Aufsagen und die schriftliche Arbeit.(49)

Als Gegenstand des Memorierens müssen insbesondere die wichtigsten Formeln des Glaubens geeignet erscheinen, denn sie sichern dessen genauere Darlegung und gewährleisten ein wertvolles gemeinsames lehrmäßiges, kulturelles und sprachliches Erbe. Der sichere Besitz der Sprachen des Glaubens ist eine unerläßliche Voraussetzung, um den Glauben selbst zu leben.

Diese Formeln dürfen jedoch erst dann als Synthesen vorgelegt werden, wenn zuvor ein Weg der Erklärung zurückgelegt wurde; sie müssen sich treu an die christliche Botschaft halten und der Verständnisfähigkeit der Zuhörer angepaßt sein. Zu diesen Formeln gehören einige sehr wichtige Formeln und Texte aus Bibel, Dogma, Liturgie sowie die bekannten Gebete der christlichen Überlieferung (Apostolisches Glaubensbekenntnis, Vaterunser, Ave Maria...-).(50)

»Die Blüten des Glaubens und der Frömmigkeit, wenn man so sagen darf, wachsen nicht in den Wüstengebieten einer Katechese ohne gedächtnismäßige Einprägung. Wesentlich ist natürlich, daß diese auswendig gelernten Texte zugleich innerlich angeeignet und allmählich in ihrer Tiefe verstanden werden, damit sie zur Quelle eines persönlichen und gemeinschaftlichen christlichen Lebens werden«.(51)


155 Das Erlernen der Glaubensformeln und ihr gläubiges Bekenntnis sind noch tiefer zu verstehen im Rahmen der gewinnbringenden herkömmlichen Übung der »traditio« und »redditio«, wonach der Weitergabe des Glaubens in der Katechese (traditio) die Antwort des Glaubensschülers während des Weges der Katechese und dann im Leben (redditio) entspricht.(52)

Dieses Verfahren begünstigt eine bessere Teilhabe an der empfangenen Wahrheit. Richtig und reif ist die persönliche Antwort, die den wahren Sinn der Glaubensgegebenheit voll respektiert und zeigt, daß man die zu seiner Aussage verwendete (biblische, liturgische, unterweisende...) Sprache versteht.


Allgemeines Direktorium für die Katechese 133