Direktorium für Dienst und Leben 55

Gemeindeleiter


55 Priester für die Gemeinde

Der Priester ist aufgefordert, sich mit den typischen Anforderungen eines weiteren Aspektes seines Amtes auseinanderzusetzen, neben den bereits behandelten. Es handelt sich um die Sorge für das Leben der ihm anvertrauten Gemeinde, die sich vor allem im Zeugnis der Liebe ausdrückt.

Als Hirte der Gemeinde existiert und lebt der Priester für sie; für sie betet, studiert, arbeitet er und für sie opfert er sich. Für sie ist er bereit, sein Leben hinzugeben, indem er sie liebt wie Christus und ihr all seine Liebe und Hochachtung entgegenbringt,(173) indem er sich mit allen Kräften und ohne Zeitgrenzen zu setzen für sie verschwendet, um sie gemäß dem Bild der Kirche als Braut Christi zum Wohlgefallen des Vaters immer schöner und der Liebe des Heiligen Geistes würdig erscheinen zu lassen.

Diese bräutliche Dimension des Priesterlebens als Hirte wird bewirken, daß er seine Gemeinde leiten wird, indem er hingebungsvoll allen und jedem ihrer Mitglieder dient, ihnen ihr Bewußtsein mit dem Licht der geoffenbarten Wahrheit erhellt, mit Vollmacht Sorge trägt für die evangelische Authentizität des christlichen Lebens, Irrtümer korrigiert, verzeiht, Wunden heilt, die Betrübten tröstet und die Brüderlichkeit fördert.(174)

Dieses Gesamt heikler und komplexer Anliegen garantiert ein immer mehr transparentes und wirksames Zeugnis der Liebe. Darüberhinaus wird es auch die tiefe Gemeinschaft sichtbar machen, die zwischen dem Priester und seiner Gemeinde entsteht, gleichsam als Fortsetzung und Aktualisierung der Gemeinschaft mit Gott, mit Christus und mit der Kirche.(175)


56 »Sentire cum ecclesia«

Um ein guter »Leiter« seines Volkes zu sein, wird der Priester darauf achten, die Zeichen der Zeit zu erkennen: jene mehr weitreichenden und tiefgründigen, welche die Gesamtkirche und ihren Weg in der Menschheitsgeschichte betreffen, sowie jene eher naheliegenden, welche die konkrete Situation der einzelnen Gemeinde betreffen.

Diese Unterscheidung erfordert die ständige und korrekte Offenheit beim Studium theologischer und pastoraler Probleme, sowie die Durchführung einer gewissenhaften Reflexion der sozialen, kulturellen und wissenschaftlichen Daten, die unsere Zeit kennzeichnen.

Diese Anforderung werden die Priester in der Ausübung ihres Amtes in eine konstante und ehrliche Haltung des »sentire cum ecclesia« einzubringen wissen, sodaß sie stets in verbindlicher Gemeinschaft mit dem Papst arbeiten werden, mit den Bischöfen, mit den anderen Mitbrüdern im Priestertum, mit den Ordensleuten und mit den Laien.

Sie werden bei der Ausübung ihrer Tätigkeit überdies nicht versäumen, um die Mitarbeit von Ordensleuten und gläubigen Laien zu ersuchen, unter Berücksichtigung der legitimen Formen und der jeweiligen Fähigkeiten jeder einzelnen Person.

Der Priesterliche Zölibat


57 Fester Wille der Kirche

Überzeugt von tiefen theologischen und pastoralen Gründen, welche die Beziehung zwischen Priestertum und Zölibat unterstützen, und erleuchtet vom Zeugnis, das auch heute trotz schmerzlicher negativer Fälle den spirituellen und evangelischen Wert in so vielen priesterlichen Existenzen bestätigt, hat die Kirche beim II. Vatikanischen Konzil und wiederholt bei späteren päpstlichen Lehraussagen den »festen Willen bekräftigt, das Gesetz beizubehalten, das von den Priesterkandidaten im lateinischen Ritus den frei gewählten und dauernden Zölibat verlangt«.(176)

Der Zölibat ist nämlich eine Gabe, welche die Kirche erhalten hat und bewahren will, davon überzeugt, daß er für sie selbst und für die Welt ein hohes Gut ist.


58 Theologisch-spirituelle Begründung des Zölibats

Wie jeder evangelische Wert muß der Zölibat als das befreiend Neue gelebt werden, als besonderes Zeugnis der Radikalität in der Nachfolge Christi und als Zeichen eschatologischer Realität. »Nicht alle können es verstehen, sondern nur jene, denen es zugestanden wurde. Es gibt nämlich Eunuchen, die schon als solche von ihrer Mutter geboren wurden; manche wurden von Menschen zu Eunuchen gemacht und es gibt noch andere, die sich um des Himmelreiches willen zu Eunuchen gemacht haben. Wer es fassen kann, der fasse es« (
Mt 19,10-12).(177)

Um mit Liebe und Großmut die erhaltene Gabe zu leben, ist es besonders wichtig, daß der Priester schon von der Seminarausbildung an die theologische und spirituelle Begründung der kirchlichen Disziplin des Zölibats versteht(178) Dieser verlangt als Gabe Gottes und als besonderes Charisma die Einhaltung der Keuschheit, also der vollkommenen und dauernden Enthaltsamkeit um des Himmelreiches willen, damit die geweihten Diener Christus mit ungeteiltem Herzen leichter anhangen und sich freier dem Dienst für Gott und für die Menschen widmen können(179) Bevor noch jemand seinen Willen bekundet, dazu bereit zu sein, manifestiert die kirchliche Disziplin den Willen der Kirche, der seinen tiefsten Grund im engen Band zwischen Zölibat und heiliger Weihe findet, die den Priester mit Jesus Christus, dem Haupt und Bräutigam der Kirche, konfiguriert.(180)

Der Brief an die Epheser (cf 5, 25-27) stellt die priesterliche Gabe Christi (cf. 5, 25) in einen engen Zusammenhang mit der Heiligung der Kirche (cf 5, 26), welche mit bräutlicher Liebe geliebt wird. Sakramental eingefügt in dieses Priestertum der exklusiven Liebe Christi zur Kirche, seiner treuen Braut, bringt der Priester mit seinem zölibatären Einsatz solche Liebe zum Ausdruck, die auch fruchtbare Quelle pastoraler Wirksamkeit wird.

Der Zölibat ist also weder ein Einfluß, der von außen auf den priesterlichen Dienst einwirkt, noch kann er einfach als eine vom Gesetz auferlegte Institution betrachtet werden. Denn wer das Weihesakrament empfängt, hat es voll bewußt und frei angestrebt,(181) nach mehrjähriger Vorbereitung, gründlicher Reflexion und eifrigem Gebet. Zur festen Überzeugung gelangt, daß ihm Christus diese Gabe gibt für das Wohl der Kirche und für den Dienst an den anderen, übernimmt der Priester den Zölibat für das ganze Leben und bekräftigt diesen seinen Willen gemäß dem schon während der Diakonatsweihe gegebenen Versprechen.(182)

Aus diesen Gründen bestätigt das kirchliche Gesetz einerseits das Charisma des Zölibats und zeigt auf, wie innig es mit dem heiligen Dienst verbunden ist in jener doppelten Dimension der Beziehung zwischen Christus und der Kirche, andererseits schützt sie die Freiheit dessen, der ihn übernimmt.(183) Der demnach unter einem neuen und hehren Titel(184) Christus geweihte Priester muß sich voll bewußt sein, daß er eine rechtsverbindlich genau festgelegte Gabe erhalten hat, aus der sich eine moralische Verpflichtung zur Einhaltung ergibt. Diese freiwillig übernommene rechtsverbindliche Verpflichtung hat theologischen Charakter. Sie ist Zeichen jener bräutlichen Wirklichkeit, die in der sakramentalen Weihe zum Tragen kommt. Der Priester übernimmt auch jene geistliche und doch reale Vaterschaft, die eine universale Dimension hat und dann besonders gegenüber der ihm anvertrauten Gemeinde konkretisiert wird.(185)


59 Das Beispiel Jesu

Der Zölibat ist also Sich-selbst-Hingeben »in« und »mit« Christus an seine Kirche und Ausdruck des Priesterdienstes an der Kirche »in« und »mit« dem Herrn.(186)

Man würde in einer permanenten Unreife bleiben, wenn man den Zölibat leben wollte als »einen Tribut, der dem Herrn zu entrichten ist«, um zu den heiligen Weihen zugelassen zu werden und nicht vielmehr als »Gabe, die man von seiner Barmherzigkeit empfängt«,(187) als freie Wahl und dankbare Annahme einer besonderen Berufung der Liebe zu Gott und zu den Menschen.

Das Vorbild ist der Herr selbst, indem er, entgegen der zu seiner Zeit dominierenden Kultur, sich freiwillig entschieden hat, zölibatär zu leben. In seiner Nachfolge verließen die Jünger »alles«, um die ihnen anvertraute Mission auszuführen (
Lc 18,28-30).

Aus diesem Grund wollte die Kirche seit den Zeiten der Aposteln die Gabe der dauernden Enthaltsamkeit der Kleriker bewahren und sie ist dazu übergegangen, die Kandidaten für heilige Weihen unter den Zölibatären auszuwählen (cf 2Th 2,15 1Co 7,5 1Co 9,5 1Tm 3,2 1Tm 3,12 1Tm 5,9 Tt 1,6 Tt 1,8).(188)


60 Schwierigkeiten und Einwände

Im aktuellen kulturellen Klima, häufig konditioniert von einer Sicht des Menschen ohne Werte und vor allem unfähig, der menschlichen Sexualität einen vollen, positiven und befreienden Sinn zu geben, stellt man immer wieder die Frage nach dem Wert und der Bedeutung des priesterlichen Zölibats oder manchmal danach, wie sehr die Angemessenheit seiner engen Verbindung und seines tiefen Einklangs mit dem Amtspriestertum zu bejahen ist.

Schwierigkeiten und Einwände haben im Lauf der Jahrhunderte immer die Entscheidung der lateinischen und mancher orientalischen Kirche begleitet, das Amtspriestertum nur solchen Männern zu übertragen, die von Gott die Gabe der Keuschheit im Zölibat erhalten haben. Die Disziplin der anderen orientalischen Kirchen, die verheiratete Priester zulassen, steht in keinem Widerspruch zur lateinischen Kirche. Immerhin verlangen dieselben orientalischen Kirchen nämlich den Zölibat der Bischöfe. Außerdem gestatten sie nicht die Heirat von Priestern und sie erlauben nicht die Wiederverheiratung von Witwern. Es handelt sich immer und nur um die Weihe bereits verheirateter Männer.

Die Schwierigkeiten, die manche auch heute vorbringen,(189) werden oft mit einem Vorwand als Argument begründet, wie zum Beispiel der Vorwurf eines fleischlosen Spiritualismus oder daß Enthaltsamkeit Mißtrauen und Verachtung der Sexualität mit sich brächten oder man geht von der Betrachtung von schwierigen und schmerzlichen Fällen aus oder man generalisiert Einzelfälle. Man vergißt allerdings das Zeugnis, das von der überwiegenden Mehrheit der Priester angeboten wird, die den eigenen Zölibat mit innerer Freiheit leben, mit reichhaltiger evangelischer Motivation, mit spiritueller Fruchtbarkeit, in einem Horizont überzeugter Treue und voll Freude über die eigene Berufung und Sendung.

Um dieser Gabe ein Klima froher Ausgeglichenheit und spirituellen Fortschritts zu sichern und zu bewahren, müssen alle jene Maßnahmen ergriffen werden, die den Priester von möglichen Gefahren fernhalten.(190)

Es ist daher notwendig, daß sich Priester mit entsprechender Klugheit im Umgang mit Personen verhalten, mit denen vertraut zu sein die Treue zur Gabe gefährden oder die Gläubigen skandalisieren könnte.(191) In Einzelfällen muß man sich dem Urteil des Bischofs unterwerfen, der verpflichtet ist, in der Materie genaue Normen zu erlassen.(192)

Überdies sollen die Priester jene asketischen Regeln befolgen, die von der Erfahrung der Kirche garantiert sind und die von den heutigen Umständen erst recht eingefordert werden. Daher sollen sie klugerweise vermeiden, gewisse Orte zu frequentieren und Spektakeln beizuwohnen oder sich schlechter Lektüre zu widmen, was immer die Einhaltung der zölibatären Keuschheit gefährden könnte.(193) Beim Gebrauch von sozialen Kommunikationsmitteln, als Mitarbeiter oder als Nutznießer derselben, sollen sie die nötige Diskretion wahren und alles vermeiden, was der Berufung schaden könnte.

Um die empfangene Gabe mit Liebe zu bewahren, müssen sie in der Gemeinschaft mit Christus und mit der Kirche und in der Verehrung der seligen Jungfrau Maria, ebenso wie in der Betrachtung der Beispiele heiliger Priester aller Zeiten, die nötige Kraft zur Überwindung der Schwierigkeiten finden, die ihnen in einem Klima ausgeprägter sexueller Permissivität auf ihrem Weg begegnen und außerdem mit jener Reife agieren, die sie vor der Welt glaubwürdig macht.(194)

Der Gehorsam


61 Fundament des Gehorsams

Der Gehorsam ist ein priesterlicher Wert von vorrangiger Wichtigkeit. Das Kreuzesopfer Jesu erwarb selbst Wert und Heilsbedeutung aufgrund seines Gehorsams und seiner Treue zum Willen des Vaters. Er war »gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz« (
Ph 2,8). Der Hebräerbrief unterstreicht auch, daß Jesus »durch sein Leiden Gehorsam gelernt hat« (He 5,8). Man kann also sagen, daß der Gehorsam gegenüber dem Vater im Herzen des Priestertums Christi selbst ist.

Wie für Christus ist auch für den Priester der Gehorsam Ausdruck vom Willen Gottes, der sich dem Priester durch die legitimen Superioren manifestiert. Solche Bereitschaft muß als wahre Verwirklichung der persönlichen Freiheit verstanden werden und als Konsequenz einer im Gebet vor dem Angesicht Gottes konstant gereiften Entscheidung. Die Tugend des Gehorsams ist in sich im Sakrament und in der hierarchischen Struktur der Kirche verlangt und sie ist vom Kleriker klar versprochen, zunächst bei der Diakonatsweihe und dann bei der Priesterweihe. Damit verstärkt der Priester seinen Willen zur Unterordnung und so begibt er sich in die Dynamik des Gehorsams Christi, der sich zum Knecht gemacht hat, gehorsam bis zum Tod am Kreuz (cf Ph 2,7-8).(195)

In der zeitgenössischen Kultur werden die Werte der Subjektivität und der Autonomie der einzelnen Person als Innerstes ihrer Würde unterstrichen. Diese an sich positiven Werte nehmen, wenn sie verabsolutiert und außerhalb des rechtmäßigen Kontextes eingefordert werden, eine negative Bedeutung an.(196) Dies kann sich auch im kirchlichen Bereich und im Leben des Priesters selbst zeigen, so daß es in diesem Falle dazu kommt, daß die Aktivitäten, die er zum Wohl der Gemeinde entwickelt, zu einer rein subjektiven Angelegenheit reduziert werden.

In Wirklichkeit befindet sich der Priester aufgrund der eigentlichen Natur seines Amtes im Dienst Christi und der Kirche. Er wird sich also bereitwillig zeigen, anzunehmen, was ihm rechtmäßig von den Vorgesetzten aufgetragen ist und insbesondere, wenn er nicht legitimerweise gehindert ist, muß er die ihm von seinem Ordinarius anvertraute Aufgabe akzeptieren und treu erfüllen.(197)


62 Hierarchischer Gehorsam

Dem Priester obliegt dem Papst und dem eigenen Ordinarius gegenüber »die besondere Pflicht der Ehrfurcht und des Gehorsams«.(198) Aufgrund der Zugehörigkeit zu einem bestimmten Presbyterium ist der Priester sodann dem Dienst in einer Teilkirche zugeordnet. Das Prinzip und Fundament ihrer Einheit ist derBischof,(199) der dazu über alle für die Ausübung seines pastoralen Amtes nötige, ordentliche, eigenberechtigte und unmittelbare Gewalt verfügt.(200) Die vom Weihesakrament geforderte hierarchische Unterordnung findet ihre ekklesiologisch-strukturelle Verwirklichung in Bezug auf den eigenen Bischof und auf den Papst, der den Primat (principatus) der ordentlichen Gewalt über alle Teilkirchen innehat.(201)

Die Verpflichtung, dem Magisterium in Glaubens- und Sittenlehre anzuhangen, ist an alle Funktionen, die der Priester in der Kirche auszuüben hat, zuinnerst gebunden. Dissens in dieser Hinsicht ist als schwerwiegend anzusehen, weil er unter den Gläubigen Skandal und Verwirrung hervorruft. Niemand ist sich mehr als der Priester der Tatsache bewußt, daß die Kirche Normen braucht: daß nämlich ihre hierarchische und organische Struktur sichtbar ist, muß die Ausübung der ihr göttlich anvertrauten Funktionen, besonders jene der Leitung und der Sakramentenspendung, entsprechend organisiert sein.(202)

Als Diener Christi und seiner Kirche macht sich der Priester großmütig die Aufgabe zu eigen, treu alle und die einzelnen Normen zu erfüllen, indem er jene Formen einer nach subiektiven Kriterien bloß teilweisen Einhaltung vermeidet, die Spaltungen schaffen und mit beträchtlichem pastoralem Schaden Rückwirkungen auf die Gläubigen und auf die öffentliche Meinung haben. In der Tat »verlangen die kanonischen Gesetze naturgemäß deren Einhaltung« und sie erfordern, daß »was vom Haupt befohlen wird, von den Gliedern ausgeführt werde«.(203)

Indem der Priester der eingesetzten Autorität gehorcht, begünstigt er unter anderem die gegenseitige Liebe innerhalb des Presbyteriums und jene Einheit, die ihr Fundament in der Wahrheit hat.


63 Autorität mit Liebe ausüben

Damit die Beobachtung des Gehorsams verwirklicht und der kirchlichen Gemeinschaft von Nutzen sein kann, müssen jene, die als Autorität eingesetzt sind (alle Ordinarien, die Superioren der Orden, die Moderatoren der Gemeinschaften apostolischen Lebens), neben der nötigen und konstanten persönlichen Beispielgebung, mit Liebe das eigene institutionelle Charisma ausüben, indem sie in entsprechender Art und zur rechten Zeit, das Anhangen an jede Disposition im Bereich des Magisteriums und der Disziplin vorsehen und verlangen.(204)

Solches Anhangen ist Quelle der Freiheit, insofern es die reife Spontaneität des Priesters nicht hindert, sondern stimuliert. Er wird es verstehen, eine frohe und ausgeglichene pastorale Haltung an den Tag zu legen, indem er die Harmonie herbeiführt, in der die persönliche Eigentümlichkeit mit einer Einheit, die auf höherer Ebene liegt, verschmilzt.


64 Beachtung der liturgischen Normen

Unter den verschiedenen Aspekten des Problems, die heute häufig aufgezeigt werden, verdient jener hervorgehoben zu werden, der die überzeugte Respektierung liturgischer Normen betrifft.

Die Liturgie ist Ausübung des Priestertums Christi,(205) »der Gipfel, auf den das Tun der Kirche hinstrebt und gleichfalls die Quelle, aus der alle ihre Tugenden hervorfließen«.(206) Sie bildet einen Bereich, wo sich der Priester in besonderer Weise bewußt sein muß, daß er Amtsträger ist und daß er der Kirche treu gehorchen muß. »Das Recht, die heilige Liturgie zu ordnen, steht einzig der Autorität der Kirche zu. Diese Autorität liegt beim Apostolischen Stuhl und nach Maßgabe des Rechtes beim Bischof«.(207) Deshalb wird der Priester nach eigenem Gutdünken in dieser Materie nichts hinzufügen, wegnehmen oder ändern.(208)

Dies gilt in besonderer Weise für die Feier der Sakramente, die herausragende Akte Christi und der Kirche sind und die der Priester in der Person Christi und im Namen der Kirche zum Wohl der Gläubigen ausspendet.(209) Diese haben ein wahres Recht darauf, an liturgischen Feiern so teilzunehmen, wie sie die Kirche will, und nicht nach dem persönlichen Geschmack des einzelnen Amtsträgers, nach partikularistischen Ritualen, die nicht approbiert sind, oder nach den Ausdrucksweisen einzelner Gruppen, die dazu neigen, sich der Universalität des Volkes Gottes zu verschließen.


65 Einheit bei Pastoralplänen

Es ist notwendig, daß die Priester in der Ausübung ihres Dienstes nicht nur an der Erstellung von Pastoralplänen, die der Bischof in Zusammenarbeit mit dem Priesterrat(210) vorlegt, verantwortungsbewußt mitarbeiten, sondern auch, daß sie deren praktische Verwirklichung in ihren eigenen Gemeinden danach ausrichten.

Die der Reife des Priesters entsprechende weise schöpferische Kraft und der Sinn für Initiative werden so nicht abgetötet, sondern im Gegenteil zum Vorteil der pastoralen Fruchtbarkeit entsprechend gewürdigt. Getrennte Wege auf diesem Gebiet einzuschlagen, kann effektiv die Schwächung des Werkes der Neu-Evangelisierung bedeuten.


66 Kirchliche Kleidungsvorschriften

In einer säkularisierten und tendentiell materialistischen Gesellschaft, wo auch äußere Zeichen sakraler und übernatürlicher Wirklichkeiten im Schwinden begriffen sind, wird besonders die Notwendigkeit empfunden, daß der Priester - als Mann Gottes und als Ausspender seiner Geheimnisse - den Augen der Gemeinde auch durch seine Kleidung als unmißverständliches Zeichen seiner Hingabe und seiner Identität als Träger eines öffentlichen Amtes zu erkennen sei.(211) Der Priester muß vor allem durch sein Verhalten erkennbar sein, aber auch durch seine Bekleidung, so daß jedem Gläubigen und überhaupt jedem Menschen (212) seine Identität und seine Zugehörigkeit zu Gott und zur Kirche unmittelbar erkenntlich ist.

Aus diesem Grund muß der Kleriker gemäß den von der Bischofskonferenz herausgegebenen Normen und gemäß den legitimen lokalen Gewohnheiten eine schickliche kirchliche Kleidung tragen.(213) Dies bedeutet, daß diese Bekleidung, falls sie nicht der Talar ist, verschieden von der Art der Kleidung der Laien zu sein hat und konform der Würde und Sakralität des Amtes. Schnitt und Farbe müssen von der Bischofskonferenz festgelegt werden, immer in Harmonie mit den Dispositionen des allgemeinen Rechts.

Wegen ihrer Inkohärenz mit dem Geist solcher Disziplin, können konträre Praktiken nicht als legitime Gewohnheiten angesehen werden und so müssen sie von den zuständigen Autoritäten abgeschafft werden.(214)

Abgesehen von ganz außergewöhnlichen Situationen, kann der Nichtgebrauch der kirchlichen Kleidung seitens des Klerikers, einen schwachen Sinn für die eigene Identität als ganz dem Dienst der Kirche ergebener Hirte manifestieren.(215)

Priesterliche Armut


67 Armut als Verfügbarkeit

Die Armut Jesu hat einen heilsbezogenen Inhalt. Christus, der reich war, hat sich für uns arm gemacht, damit wir durch seine Armut reich würden (
2Co 8,9).

Der Brief an die Philipper zeigt die Beziehung zwischen Entäußerung seiner selbst und dem Geist des Dienstes, der den pastoralen Amtsträger beseelen muß.

Paulus schreibt ja, daß Jesus nicht »daran festhielt, Gott gleich zu sein, sondern sich selbst erniedrigte und die Gestalt eines Knechtes annahm« (2, 6-7). In Wahrheit wird der Priester schwerlich zum wahren Knecht und Diener seiner Brüder werden, wenn er sich allzusehr um seine Annehmlichkeiten und um ein exzessives Wohlergehen kümmert.

Durch seine Armutsgestalt zeigt Christus, daß er alles von Ewigkeit her vom Vater empfangen hat und ihm alles bis zur Ganzhingabe seines Lebens zurückgibt.

Das Beispiel Christi muß den Priester dahin bringen, ihm gleichförmig zu werden, in innerer Freiheit gegenüber allen Gütern und Reichtümern der Welt.(216) Der Herr lehrt uns, daß das wahre Gut Gott ist und daß der wahre Reichtum im Gewinn des ewigen Lebens besteht: »Was nützt es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, aber dabei seine Seele verliert? Und was könnte ein Mensch jemals zum Tausch für seine Seele anbieten?« (Mc 8,36-37).

Der Priester, dessen Erbteil der Herr ist (cf NM 18,20), weiß darum, daß seine Sendung wie jene der Kirche inmitten der Welt auszuführen ist und daß die geschaffenen Güter für die persönliche Entwicklung des Menschen nötig sind. Er wird jedoch solche Güter mit Sinn für Verantwortung und Bescheidenheit gebrauchen, mit rechter Intention und Abstand, eben wie jemand, der seinen Schatz im Himmel hat und weiß, daß alles zum Aufbau des Reiches Gottes genützt werden muß (Lc 10,7 Mt 10,9-19 1Co 9,14 Ga 6,6).(217) Daher wird er sich gewinnbringender Tätigkeiten enthalten, die nicht seinem Amt entsprechen.(218)

Sich überdies erinnernd, daß das Geschenk, welches er erhalten hat, umsonst ist, sei er bereit, umsonst zu geben (Mt 10,8 Ac 8,18-25)(219) und was er bei der Ausübung seines Amtes erhalten hat, für das Wohl der Kirche und karitative Zwecke einzusetzen, nachdem er für den eigenen angemessenen Unterhalt und für die Erfüllung seiner Standespflichten gesorgt hat.(220)

Schließlich ist der Priester, obwohl er Armut nicht durch ein öffentliches Gelübde versprochen hat, an eine einfache Lebensführung gehalten. Er muß sich all dessen enthalten, was den Geschmack von »vanitas« hat(221) und so die freiwillige Armut annehmen,um so Christus näher zu folgen.(222) In allem (Wohnung, Transportmittel, Urlaub, usw.) vermeide der Priester jede Art von Wählerischsein und Luxus.(223)

Als Freund der Ärmsten wird er ihnen die besondere Aufmerksamkeit seiner pastorale Liebe widmen, mit einer bevorzugenden, jedoch weder ausschließlichen noch ausschließenden, Option für alle alte und neue Armut, die es tragischerweise auf der Welt gibt. Er erinnert sich immer daran, daß das erste Elend, von dem der Mensch befreit werden muß, die Sünde ist, die tiefste Wurzel jeden Übels.

Marienverehrung


68 Die Tugenden der Mutter

Es gibt eine »wesenhafte Beziehung... zwischen der Mutter Jesu und dem Priestertum der Diener ihres Sohnes«, die aus jener zwischen der Gottesmutterschaft Marias und dem Priestertum Christi hervorgeht.(224) In dieser Beziehung ist die marianische Spiritualität jedes Priesters verwurzelt. Priesterliche Spiritualität kann nicht vollständig sein ohne die ernsthafte Erwägung des letzen Willens Christi am Kreuz, der die Mutter dem auserwählten Jünger anvertraute und durch ihn allen Priestern, die zur Fortführung seines Erlösungswerkes berufen sind.

Wie dem Johannes zu Füßen des Kreuzes, so ist in besonderer Weise jedem Priester Maria als Mutter anvertraut (cf
Jn 19,26-27).

Die Priester, die zu den geliebtesten Jüngern des gekreuzigten und auferstandenen Jesus zählen, müssen Maria als ihre Mutter in ihr eigenes Leben aufnehmen und sie zum Objekt ständiger Aufmerksamkeit und Gebetsverbundenheit machen. Die immerwährende Jungfrau wird dann die Mutter, die sie zu Christus hinführt, die sie authentische Liebe zur Kirche lehrt, die für sie eintritt und die sie zum Himmelreich geleitet.

Jeder Priester weiß, daß Maria eben weil sie Mutter ist, auch die hervorragendste Erzieherin in seinem Priestertum ist, ja, daß sie es ist, die sein priesterliches Herz zu formen, ihn vor Gefahren, vor Müdigkeiten und vor Entmutigungen zu schützen weiß, sowie mit mütterlichem Eifer wacht, bis er an Weisheit, Alter und Gnade zunimmt, vor Gott und vor den Menschen (cf 2, 40).

Allerdings sind jene keine guten Söhne, welche die Tugenden der Mutter nicht nachzuahmen wissen. Der Priester wird also auf Maria schauen, um ein demütiger Diener zu sein, gehorsam, keusch und um die Liebe in der Ganzhingabe an den Herrn und an die Kirche zu bezeugen.(225)

Als erste Frucht des priesterlichen Opfers Christi repräsentiert die hl. Muttergottes die Kirche in reinster Form, »ohne Makel und Runzel«, ganz »heilig und unbefleckt« (Ep 5,27). Diese Betrachtung der seligen Jungfrau stellt dem Priester das Ideal vor Augen, das es im Dienst an der eigenen Gemeinde hochzuhalten gilt, bis auch sie »verherrlichte Kirche« (ibid.) wird durch das priesterliche Geschenk des eigenen Lebens.

III. Kapitel

FORMATIO PERMANENS


Prinzipien (\bGrundsätze/Leitlinien/Voraussetzungen)


69 Notwendigkeit von Weiterbildung heute

Die Weiterbildung ist ein Erfordernis, das entsteht und sich entfaltet aus dem Empfang des Weihesakramentes, durch das der Priester nicht nur vom Vater »geweiht« und vom Sohn »gesandt« wird, sondern auch »beseelt« vom Heiligen Geist. Sie entspringt deshalb einer Gnade, die eine übernatürliche Kraft ausströmt mit der Bestimmung, fortschreitend - und das immer ausgreifender und tiefgehender - Leben und Wirken des Priesters zu ergreifen in Treue zur empfangenen Gabe: »Darum rufe ich dir ins Gedächtnis - schreibt der hl. Paulus an Timotheus -: Entfache die Gnade Gottes wieder, die dir... zuteil geworden ist« (
2Tm 1,6).

Es handelt sich dabei um eine Notwendigkeit, die zutiefst verbunden ist mit der göttlichen Gabe selber,(226) die immerfort »belebt« werden muß, auf daß der Priester seiner Berufung angemessen entsprechen kann. Als geschichtlich eingebundenem Menschen eignet ihm das Bedürfnis, sich in allen Sparten seiner menschlichen und geistlichen Existenz zu vervollkommnen, um jene Gleichförmigkeit mit Christus zu erreichen, die das Einheitsprinzip von allem darstellt.

Die schnellen und vielfältigen Veränderungen und ein oft säkularisiertes soziales Umfeld sind Kennzeichen der gegenwärtigen Welt und darüberhinaus Faktoren, die eine Verpflichtung des Priesters unabweisbar machen, dafür angemessen vorbereitet zu sein, um die eigene Identität nicht aufzulösen und auf die Anforderungen der neuen Evangelisierung zu antworten. Diese bereits schwere Verpflichtung geht einher mit einem ausdrücklichen Recht der Gläubigen, denen die Früchte der guten Ausbildung und Heiligkeit der Priester zugute kommen.(227)


70 Fortgesetzte Arbeit an sich selbst

Das geistliche Leben des Priesters und sein pastoraler Dienst sind mit der fortgesetzten Arbeit an sich selbst in der Weise zu vereinen, daß sowohl die geistliche Bildung, als auch die menschliche, wie die geistige und pastorale vertieft und in eine harmonische Synthese gebracht werden. Diese Arbeit, die mit der Seminarzeit beginnen muß, ist von den Bischöfen auf verschiedenen Ebenen zu fördern: national, regional und vor allem diözesan.

Es ist Anlaß zur Ermutigung, feststellen zu können, daß bereits zahlreiche Diözesen und Bischofskonferenzen vielversprechende Initiativen unternehmen, um eine echte Weiterbildung der eigenen Priester zu gewährleisten. Es ist zu wünschen, daß alle Diözesen sich diesem Erfordernis stellen. Wo dies jedoch momentan nicht geschehen kann, ist es ratsam, daß solche sich untereinander verständigen, oder Kontakt aufnehmen mit jenen Einrichtungen oder Personen, die besonders geeignet sind für die Ausführung einer so bedeutsamen Aufgabe.(228)


71 Mittel der Heiligung

Die Weiterbildung erweist sich für den Priester von heute als notwendiges Mittel, um den Sinn seiner Berufung zu erfüllen: den Dienst Gottes und seines Volkes.

Praktisch besteht sie darin, allen Priestern zu helfen, großzügig dem Einsatz zu entsprechen, den die Würde und die Verantwortung erfordern, die Gott ihnen durch das Weihesakrament übertragen hat; im Bewahren, Verteidigen und Entfalten ihrer spezifischen Identität und Berufung; in der Heiligung ihrer selbst und der anderen durch die Ausübung ihres Dienstes.

Dies bedeutet, daß der Priester jeglichen Dualismus zwischen Spiritualität und Amtlichkeit vermeiden muß, die wesentliche Ursache mancher Krise.

Klar ist: um diese Zielsetzungen übernatürlicher Ordnung zu erreichen, müssen die allgemeinen Kriterien freigelegt und analysiert werden, mit denen die Weiterbildung der Priester strukturiert werden soll.

Diese allgemeinen Kriterien oder Prinzipien der Organisation müssen entworfen werden von ihrer Zielsetzung her, die ihnen vorgegeben ist, oder - treffender ausgedrückt - sie sind in ihr zu suchen.


72 Von der Kirche erteilt

Weiterbildung ist Recht und Pflicht des Priesters, sie zu erteilen, ist Recht und Pflicht der Kirche. Dies ist vom allgemeinen Recht festgelegt.(229) Wie nämlich die Berufung zum heiligen Dienst empfangen wird in der Kirche, so kommt es allein der Kirche zu, die spezifische Ausbildung gemäß der Verantwortung dieses Dienstes vorzuschreiben. Weil die Weiterbildung eine Unternehmung ist, die an die Ausübung des Amtspriestertums gebunden ist, gehört sie in die Verantwortung des Papstes und der Bischöfe. Die Kirche hat deshalb die Pflicht und das Recht, die Ausbildung ihrer Diener fortzuführen, um ihnen beim Fortschritt zu helfen im großzügigen Antworten auf die Gabe, die Gott ihnen verliehen hat.

Der Amtsträger hat mit der Weihe - als Erfordernis der Gabe - auch das Recht erhalten, seitens der Kirche die nötige Hilfe zu empfangen, um seinen Dienst wirksam und heiligmäßig zu erfüllen.


73 Ständige Aufgabe

Die Bildungstätigkeit gründet auf einem dynamischen, dem Charisma des Amtes innewohnenden Anspruch, wobei das Amt selbst in sich fortdauernd Bestand hat und unwiderruflich ist. Sie kann darum niemals als abgeschlossen gelten, weder auf seiten der Kirche, die sie vorschreibt, noch auf seiten des Amtsträgers, der sie erhält. Es ist also notwendig, sie in solcher Weise zu konzipieren und zu entfalten, daß alle Priester sie stets empfangen können, wobei jenen Möglichkeiten und Eigenheiten Rechnung zu tragen ist, die mit der Verschiedenheit in Alter, Lebensbedingungen und anvertrauten Aufgaben verbunden sind.(230)


74 Vollständigkeit

Eine solche Ausbildung soll alle Dimensionen der priesterlichen Bildung umfassen und aufeinander abstimmen. Sie soll also darauf ausgerichtet sein, daß jedem Priester zur Entfaltung einer menschlich gereiften Persönlichkeit im Geist des Dienstes an den anderen verholfen wird, welche Aufgabe auch immer ihm anvertraut wird; daß er in den theologischen und auch in den Humanwissenschaften, die mit seinem Dienst verbunden sind, intellektuell ausgebildet ist, damit er mit größerer Wirksamkeit seine Aufgabe als Zeuge des Glaubens ausüben kann; daß er ein tiefes geistliches Leben zu führen vermag, das von der Vertrautheit mit Jesus Christus und von der Liebe zur Kirche genährt wird; daß er seinen pastoralen Dienst mit Einsatz und Hingabe ausüben kann.

Daher muß eine solche Ausbildung umfassend sein: in gleicher Weise spirituell, pastoral, menschlich, intellektuell, systematisch und personal.


75 Menschlich

Diese Bildung ist in der heutigen Welt extrem wichtig, wie es ja immer war. Der Priester darf nicht vergessen, daß er ein von den Menschen ausgewählter Mensch ist, damit er dem Menschen diene.

Um sich zu heiligen und um seine priesterliche Sendung zu erfüllen, wird sich der Priester mit einer guten Ausrüstung an menschlichen Tugenden präsentieren müssen, die ihn der Achtung seiner Brüder wert werden lassen.

Besonders wird er Herzensgüte praktizieren müssen, Geduld, Liebenswürdigkeit, Charakterfestigkeit, Gerechtigkeitssinn, Ausgeglichenheit, Treue zum gegebenen Wort, Kohärenz mit freiwillig übernommenen Aufgaben, usw.(231)

Ebenso ist es wichtig, daß der Priester über sein soziales Verhalten nachdenkt, über die Korrektheit der verschiedenen Formen menschlicher Beziehungen, über Werte der Freundschaft, über gute Umgangsformen, usw.


76 Spirituell

Unter Bezugnahme auf all das, was bereits ausführlich zum geistlichen Leben dargelegt wurde, wird an dieser Stelle lediglich auf einige praktische Methoden der Bildung verwiesen.

Vor allem wäre es notwendig, die entscheidenden Aspekte der priesterlichen Existenz zu vertiefen, indem besonders die biblische, patristische und hagiographische Lehre herangezogen werden. Darin soll sich der Priester ständig auf dem Laufenden halten, nicht nur durch die Lektüre guter Bücher, sondern auch durch die Teilnahme an Kursen, Tagungen, usw.(232)

Besondere Studientage sollten der Sorge um die Feier der Sakramente gewidmet sein, wie auch dem Studium von Fragen der Spiritualität, wie etwa christliche und menschliche Tugenden, Formen des Gebets, Beziehung zwischen dem geistlichen Leben und liturgischem Dienst, Pastoral usw.

Konkret wäre es wünschenswert, daß jeder Priester, womöglich in zeitlicher Übereinstimmung mit geistlichen Übungen, einen eigenen Entwurf seines persönlichen Lebens ausarbeitet, eventuell in Absprache mit seinem geistlichen Begleiter. Dafür wollen wir einige Punkte andeuten: 1. Tägliche Meditation des Wortes der Schrift oder eines Glaubensgeheimnisses; 2. tägliche Begegnung mit Jesus in der Eucharistie, abgesehen von der andächtigen Feier der Hl. Messe; 3. marianische Frömmigkeit (Rosenkranz, Weihe, Gespräch); 4. Zeit für theologische oder hagiographische Weiterbildung; 5. gebührende Ruhepause; 6. erneutes Bemühen um Verwirklichung der Weisungen des eigenen Bischofs und Überprüfung der eigenen überzeugten Zustimmung zum Lehramt und zur Ordnung der Kirche; 7. Pflege von Einheit und Freundschaft unter den Priestern.


77 Intellektuell

Im Blick auf den enormen Einfluß humanistisch-philosophischer Strömungen in der modernen Kultur, und unter Berücksichtigung der Tatsache, daß einige Priester keine entsprechende Ausbildung in diesen Disziplinen erworben haben (vielleicht auch, weil sie von unterschiedlichen Studienausrichtungen geprägt sind), ist es notwendig, daß in den Studientagen die hauptsächlichen humanistischen und philosophischen Themen behandelt werden.(233) Diese stellen auch eine wertvolle Hilfe dar, um die Hauptfragen der Dogmatik und der Moraltheologie, der Hl. Schrift, der Liturgie, des Kanonischen Rechts, des Ökumenismus, usw. in der richtigen Weise zu behandeln. Dabei ist darauf zu achten, daß die Darlegung dieser Themen weder nur »problematisierend« noch rein theoretisch oder informativ erfolgen, sondern zu einer authentischen Bildung, d.h. zum Gebet, zur Gemeinschaft und zum pastoralen Handeln, führen soll.

In den Studientagen sollen die Dokumente des Lehramtes gemeinsam und unter kompetenter Anleitung vertieft werden, um in der diözesanen Pastoral jene Einheit der Interpretation und der Praxis zu erleichtern, die dem Bemühen um die Evangelisierung so sehr nützt.

Besonders wichtig für die intellektuelle Bildung ist die Behandlung aktueller Themen, wie z.B. jener, die sich auf die Sozialethik, die Bioethik, sowie auf andere von größerer pastoraler Bedeutung beziehen.

Eine eingehende Behandlung soll ferner jenen Fragen gewidmet sein, die sich aus dem technischen Fortschritt ergeben, der ja die Geisteshaltung und das Leben der heutigen Menschen so tief beeinflußt. Die Priester dürfen sich der Erfordernis nicht entziehen, in angemessener Weise auf dem laufenden und bereit zu sein, auf die Herausforderungen zu antworten, die die Wissenschaft in ihrem Fortschritt stellt. Dabei sollen sie es nicht unterlassen, auf die Beratung ausgebildeter und zuverlässiger Fachleute zurückzugreifen.

Äußerst wichtig ist es ferner, die Soziallehre der Kirche zu studieren, zu vertiefen und zu verbreiten. Den Anregungen des Lehramtes folgend ist es erforderlich, daß das Interesse jedes Priesters - und, durch sie, das Interesse aller Gläubigen - zugunsten der Bedürftigen nicht auf der Ebene eines frommen Wunsches bleibt, sondern sich in eine konkrete Verpflichtung des Lebens übersetzt. »Heute mehr denn je ist sich die Kirche bewußt, daß ihre soziale Botschaft in erster Linie im Zeugnis der Werke Glaubwürdigkeit erlangt, eher noch als in ihrer Kohärenz und inneren Logik«.(234)

Ein unerläßliches Erfordernis für die intellektuelle Bildung der Priester ist die Kenntnis und der Gebrauch der sozialen Kommunikationsmittel in ihrer Tätigkeit. Diese stellen, wenn sie gut verwendet werden, ein »providentielles« Instrument der Evangelisierung dar, indem so nicht nur eine große Zahl von Gläubigen erreicht, sondern auch tiefgehend auf ihre Geisteshaltung und Verhaltensweise eingewirkt werden kann.

Dazu wäre es angemessen, daß der Bischof oder die Bischofskonferenz selbst Programme und technische Mittel vorbereiten, die für diesen Zweck geeignet sind.


78 Pastoral

Für eine entsprechende pastorale Bildung ist es nötig, Studientage zu veranstalten, die als Hauptziel die Reflexion über den Pastoralplan der Diözese haben sollten. Es sollte auch die Behandlung all jener Fragen nicht fehlen, die zum Leben und zur pastoralen Tätigkeit der Priester gehören, wie z.B. die Fundamentalmoral, die Berufs- und Sozialethik, usw.

Besondere Sorge soll der Kenntnis des Lebens und der Spiritualität der ständigen Diakone, der Ordensmänner und Ordensfrauen wie auch der Gläubigen im Laienstand gelten.

Andere Themen, deren Behandlung für eine entsprechende pastorale Bildung besonders nützlich ist, können jene sein, die sich auf die Katechese, die Familie, die Berufungen zum Priester oder zum Ordensleben, die Jugend, die Alten, den Ökumenismus, die »Fernstehenden«, usw. beziehen.

Es ist für die Katechese unter den gegenwärtigen Bedingungen sehr wichtig, daß besondere Arbeitskreise gebildet werden, um den »Katechismus der Katholischen Kirche« zu vertiefen und anzupassen. Dieser stellt ja, besonders für die Priester, ein wertvolles Instrument der Bildung dar, sowohl für die Predigt als auch für die Evangelisierung im allgemeinen.


79 Systematik

Damit die Weiterbildung umfassend sei, soll sie entsprechend strukturiert sein, »nicht als etwas Episodisches, sondern als systematisches, inhaltliches Angebot, das sich durch verschiedene Etappen hindurch entfaltet und durch präzise Formen bestimmt ist«.(235) Dies macht eine gewisse organisatorische Struktur notwendig, die in angemessener Weise Mittel, Zeiten und Inhalte für ihre konkrete und adäquate Verwirklichung vorsieht.

Dieser organisierten Weiterbildung muß sich das persönliche Studium anschließen, weil auch periodische Kurse von geringem Nutzen wären, wenn sie nicht von der Anwendung im persönlichen Studium begleitet wären.(236)


80 Persönlich

Auch wenn sie sich an alle wendet, bleibt das direkte Ziel der Weiterbildung der Dienst an jedem einzelnen, der sie in Anspruch nimmt. Deshalb muß es neben den kollektiven oder gemeinsamen Mitteln auch andere geben, die darauf abzielen, die persönliche Bildung zu einer wirklich personalen zu machen.

Aus diesem Grund ist, besonders unter den Verantwortlichen, das Bewußtsein zu fördern, daß jeder Priester persönlich erreicht werden soll, indem man sich um jeden sorgt, und sich nicht damit zufrieden gibt, allen die verschiedenen Angebote zur Verfügung zu stellen.

Jeder Priester soll sich seinerseits ermutigt fühlen, nach dem Wort und dem Beispiel seines Bischofs und der Mitbrüder im Priesteramt, die eigene Verantwortung für seine Bildung zu übernehmen, daß er der erste Ausbilder seiner selbst ist.(237)


Direktorium für Dienst und Leben 55