Ecclesia in Asia DE 33

Die Würde der menschlichen Person


33 Die Menschen, nicht Reichtum oder Technologie, sind Ausgangspunkt und Empfänger der Entwicklung. Daher geht die von der Kirche geförderte Art der Entwicklung weit über wirtschaftliche und technologische Fragen hinaus: Sie beginnt und endet mit der nach dem Abbild Gottes geschaffenen ganzheitlichen menschlichen Person, der Gott Würde und unveräußerliche menschliche Rechte verliehen hat. Verschiedene internationale Menschenrechtserklärungen und zahlreiche durch sie angeregte Initiativen verdeutlichen die wachsende weltweite Sensibilität für die Würde der menschlichen Person. Bedauerlicherweise wird in der Praxis jedoch oft gegen diese Erklärungen verstoßen. Fünfzig Jahre nach der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte sind noch immer zahlreiche Personen entwürdigenden Formen der Ausbeutung und Manipulierung ausgeliefert, die sie regelrecht zu Sklaven der Stärkeren machen, der Ideologien, wirtschaftlicher Macht, unmenschlicher politischer Systeme, wissenschaftlicher Technokratie und der Überflutung durch die Medien.(169)

Die Synodenväter waren sich der anhaltenden Verletzungen der Menschenrechte in vielen Teilen der Welt durchaus bewußt, was insbesondere in Asien zutrifft, wo »Millionen von Menschen unter Diskriminierung, Ausbeutung, Armut und Ausgrenzung leiden«; (170) sie wiesen auf die Notwendigkeit hin, daß sich das gesamte Volk Gottes in Asien der unausweichlichen und unverzichtbaren, mit der Verteidigung der Menschenrechte und der Förderung von Gerechtigkeit und Frieden verbundenen Herausforderung zutiefst bewußt werden müsse.

Die vorrangige Liebe für die Armen


34 Durch ihren Einsatz zur Förderung der menschlichen Würde zeigt die Kirche ihre vorrangige Liebe für die Armen und die, die keine Stimme haben, denn der Herr identifizierte sich mit ihnen auf ganz besondere Art und Weise (vgl. Mt Mt 25,40). Diese Liebe will niemanden ausschließen, sondern verkörpert lediglich einen herausragenden Dienst, den die gesamte christliche Tradition bezeugt. »Diese vorrangige Liebe mit den von ihr inspirierten Entscheidungen muß die unzähligen Scharen von Hungernden, Bettlern, Obdachlosen, Menschen ohne medizinische Hilfe und vor allem ohne Hoffnung auf eine bessere Zukunft umfassen: Es ist unmöglich, die Existenz dieser Menschengruppen nicht zur Kenntnis zu nehmen. An ihnen vorbeizusehen würde bedeuten, daß wir dem ›reichen Prasser‹ gleichen, der so tat, als kenne er den Bettler Lazarus nicht, ›der vor seiner Tür lag‹ (vgl. Lk 16,19–31).«(171) Das gilt vor allem für Asien, den Kontinent großer Ressourcen und bedeutender Kulturen, wo aber auch einige der ärmsten Länder der Welt zu finden sind und mehr als die Hälfte der Bevölkerung unter Entbehrungen, Armut und Ausbeutung leidet.(172) Die Armen in Asien und in aller Welt werden im Gebot Christi, einander zu lieben, wie er uns geliebt hat (vgl. Joh Jn 13,34), stets den besten Grund zur Hoffnung finden, und die Kirche Asiens muß intensiv bemüht sein, mit Wort und Tat dieses Gebot gegenüber den Armen zu erfüllen.

Ihre Solidarität mit den Armen wird um so überzeugender sein, wenn die Christen selbst, dem Beispiel Jesu entsprechend, in Einfachheit leben. Ein einfaches Leben, tiefer Glaube und aufrichtige Liebe für alle, insbesondere für die Armen und Ausgestoßenen, sind leuchtende Beispiele des in die Tat umgesetzten Evangeliums. Die Synodenväter forderten die Katholiken Asiens zu einem der Lehre des Evangeliums entsprechenden Lebensstil auf, um der kirchlichen Sendung besser dienen zu können und damit die Kirche selbst eine Kirche der Armen und für die Armen werden möge.(173)

In ihrer Liebe für die Armen Asiens wendet sich die Kirche vor allem an die Emigranten, die Eingeborenen und die Naturvölker, an Frauen und Kinder, die oft Opfer schlimmster Ausbeutungsformen sind. Ferner werden unzählige Personen aufgrund ihrer Kultur, Hautfarbe, Rasse, Kaste, wirtschaftlichen Verhältnisse oder Denkweise diskriminiert. Zu ihnen gehören auch jene, die anläßlich ihrer Bekehrung zum Christentum unterdrückt werden.(174) Gemeinsam mit den Synodenvätern rufe ich alle Nationen auf, das Recht auf Gewissens- und Religionsfreiheit wie auch die anderen Grundrechte des Menschen anzuerkennen.(175)

Zur Zeit erlebt Asien einen noch nie zuvor dagewesenen Strom von Flüchtlingen, Asylbewerbern, Emigranten und nach Übersee ausreisenden Arbeitskräften. In den jeweiligen Zielländern sind diese Menschen häufig ohne Freunde, kulturell entfremdet, sprachlich benachteiligt und wirtschaftlich geschwächt. Sie brauchen Unterstützung und Aufmerksamkeit, um ihre menschliche Würde und ihr kulturelles und religiöses Erbe zu wahren.(176) Trotz ihrer begrenzten Mittel ist die Kirche in Asien hochherzig bemüht, die Ermatteten und Kraftlosen aufzunehmen in dem Bewußtsein, daß im Herzen Jesu, wo niemand fremd ist, jeder Ruhe finden wird (vgl. Mt 11,28–29).

In fast allen Nationen Asiens besteht ein wesentlicher Bevölkerungsanteil aus Ureinwohnern, in wirtschaftlicher Hinsicht teilweise auf unterster Stufe. Mehrmals wies die Synode darauf hin, daß die Person Jesu Christi und die Kirche als Liebes- und Dienstgemeinschaft oft eine gewisse Anziehungskraft auf Einheimische und Naturvölker ausübt.(177) Hier stehen wir vor einem enormen Aktionsfeld im Bereich der Erziehung und Ausbildung, des Gesundheitswesens und der Förderung der sozialen Integration. Die katholische Gemeinschaft muß die pastorale Arbeit unter diesen Menschen intensivieren, ihren Sorgen und der Frage nach Gerechtigkeit Beachtung schenken, die ihr Leben berühren. Voraussetzung hierfür ist eine achtungsvolle Haltung gegenüber ihren traditionellen Religionen und deren Werten wie auch die Notwendigkeit, ihnen dabei zu helfen, sich selbst zu helfen, damit sie für die Verbesserung ihrer Lage arbeiten und die Verkünder ihrer eigenen Kultur und Gesellschaft werden können.(178)

Niemand kann gleichgültig sein angesichts der Not unzähliger asiatischer Kinder, die oft unerträglicher Ausbeutung und Gewalttätigkeit zum Opfer fallen, wofür nicht nur die Schlechtigkeit einzelner Menschen, sondern häufig die unmittelbaren Auswirkungen korrupter Gesellschaftsstrukturen verantwortlich sind. Die Synodenväter identifizierten Kinderarbeit, Pädophilie und Drogenkonsum als Kinder unmittelbar betreffende soziale Übel, die wiederum mit anderen krankhaften Erscheinungen der Gesellschaft wie Armut und schlecht konzipierte nationale Entwicklungsprogramme verbunden sind.(179) Die Kirche muß sich nach Kräften bemühen, die Macht dieser Übel zu brechen; sie muß sich für jene einsetzen, die am meisten ausgebeutet werden, und versuchen, diese Kleinen zur Liebe Christi zu führen, denn ihnen gehört das Reich Gottes (vgl. Lk Lc 18,16).(180)

Mit besonderer Aufmerksamkeit widmete sich die Synode den Frauen, deren Situation nach wie vor ein ernstes Problem in Asien ist, wo Diskriminierung und Gewalttätigkeit ihnen gegenüber häufig im häuslichen Bereich, am Arbeitsplatz und sogar innerhalb des Rechtssystems zu finden sind. Analphabetentum ist vor allem unter Frauen besonders verbreitet, und viele werden lediglich als Objekte im Bereich der Prostitution, des Tourismus und der Vergnügungsindustrie betrachtet.(181) Im Kampf gegen jede Form von Ungerechtigkeit und Diskriminierung sollten Frauen in der christlichen Gemeinschaft einen Verbündeten sehen. Aus diesem Grund schlug die Synode vor, die Ortskirchen in Asien sollten, falls möglich, Initiativen zum Schutz der Menschenrechte im Interesse der Frauen fördern mit dem Ziel, durch ein entsprechendes Verständnis der Rolle von Mann und Frau in der Familie, in der Gesellschaft und in der Kirche, durch ein tieferes Bewußtsein der ursprünglichen Komplementarität zwischen Männern und Frauen und größere Anerkennung der weiblichen Dimension in jeder menschlichen Tätigkeit die Haltung den Frauen gegenüber zu verändern. Der Beitrag der Frauen ist oft unterbewertet oder ignoriert worden, was zu geistiger und menschlicher Verarmung geführt hat. Die Kirche in Asien könnte die Würde und die Freiheit der Frauen durch die Förderung ihrer Rolle im kirchlichen Leben, einschließlich des intellektuellen Lebens, und größere Möglichkeiten ihrer aktiven Teilnahme an der kirchlichen Sendung der Liebe und des Dienstes sichtbarer und wirksamer verteidigen.(182)

Das Evangelium vom Leben


35 Der Einsatz für die menschliche Entwicklung beginnt mit dem Dienst am Leben selbst, jenem großen Geschenk Gottes, das er uns anvertraut als Plan und als Verantwortung. Somit sind wir nur die Verwalter des Lebens, nicht seine Eigentümer. Wir haben das Geschenk in Freiheit erhalten und, es dankbar entgegennehmend, verpflichten wir uns, es zu achten und zu verteidigen, vom Anfang bis zu seinem natürlichen Ende. Vom Augenblick der Zeugung an bedarf das menschliche Leben der Schöpfermacht Gottes und steht für immer in einer besonderen Beziehung zu seinem Schöpfer, Ursprung des Lebens und sein einziges Ziel. Ohne Achtung für das menschliche Leben, insbesondere das Leben derer, die keine Stimme haben, um sich zu verteidigen, ist weder wahrer Fortschritt noch eine wirklich zivile Gesellschaft oder menschliche Entwicklung möglich. Das Leben jeder Person, sowohl das des Kindes im Mutterleib oder das des kranken, des behinderten oder alten Menschen, ist ein Geschenk für alle.

Bezüglich der Heiligkeit des Lebens bestätigten die Synodenväter ohne Vorbehalt die Lehre des II. Vatikanischen Konzils und der nachfolgenden lehramtlichen Dokumente, einschließlich meiner Enzyklika Evangelium vitae. Gemeinsam mit ihnen wende ich mich an die Gläubigen ihrer Länder, wo das Bevölkerungsproblem oft als Argument gebraucht wird, um Abtreibung und Programme künstlicher Geburtenkontrolle einzuführen, und fordere sie auf, sich der »Kultur des Todes« zu widersetzen.(183) Durch ihre Unterstützung und Teilnahme an Initiativen, die das Leben jener verteidigen, die nicht in der Lage sind, es selbst zu schützen, beweisen sie ihre Treue zu Gott und ihren Einsatz für die wirkliche Entfaltung des Menschen.

Gesundheitswesen

36. Dem Beispiel Jesu Christi folgend, der sich aller erbarmt und »alle Krankheiten und Leiden« (Mt 9,35) geheilt hat, ist die Kirche in Asien bemüht, ihren Einsatz für die Betreuung der Kranken zu intensivieren, denn dieser wesentliche Aspekt ihrer Sendung will die heilende Gnade Christi der ganzen menschlichen Person vermitteln. Wie in dem Gleichnis vom barmherzigen Samariter (vgl.Lk 10,29–37) möchte sich auch die Kirche auf konkrete Art und Weise der Kranken und Behinderten annehmen,(184) vor allem dort, wo in Situationen der Armut und Ausgrenzung auch elementarste medizinische Strukturen fehlen.

Während meiner Pastoralbesuche in allen Teilen der Welt war ich oft tief bewegt von dem außergewöhnlichen christlichen Zeugnis der Ordensleute und Gottgeweihten, der Ärzte, des Pflegepersonals und anderer im Gesundheitswesen tätiger Personen, vor allem jener, die für die Betreuung von behinderten und unheilbar kranken Menschen zuständig sind oder gegen die Verbreitung neuer Krankheiten wie AIDS kämpfen. Mehr und mehr ist das im Krankendienst tätige christliche Personal zum hochherzigen und uneigennützigen Dienst an den oft von der Gesellschaft verachteten und verlassenen Drogen- und Aids-Opfern aufgerufen.(185) Zahlreiche katholische medizinische Einrichtungen Asiens werden mit staatlichen gesundheitspolitischen Strategien konfrontiert, die nicht von christlichen Grundsätzen ausgehen, und manchen von ihnen wird die Arbeit durch stets größere wirtschaftliche Schwierigkeiten erschwert. Trotz dieser Probleme machen die selbstlose Liebe und die fürsorgliche kompetente Arbeit des Personals diese Institutionen zu einem bewundernswerten und geschätzten Dienst an der Gemeinschaft wie auch zu einem sichtbaren und wirksamen Zeichen der unerschöpflichen Liebe Gottes. Ärzte und Pflegepersonal brauchen Ermunterung und Unterstützung in ihrem Dienst für das Wohl aller. Ihre unermüdliche Hingabe und Effizienz sind die beste Art und Weise, um christliche und ethische Werte tief in das asiatische Gesundheitswesen eindringen zu lassen und es von innen zu wandeln.(186)

Erziehung und Bildung


37 In ganz Asien ist der umfangreiche Einsatz der Kirche auf dem Erziehungs- und Bildungssektor überall deutlich sichtbar und somit ein wesentliches Element ihrer Gegenwart unter den Völkern des Kontinents. In vielen Ländern haben die katholischen Schulen eine wichtige Rolle im Bereich der Evangelisierung; ihre Aufgabe ist die Inkulturation des Glaubens, die Vermittlung einer von Offenheit und Achtung geprägten Haltung und die Förderung interreligiöser Verständigung. Kirchliche Schulen bieten oft die einzigen Ausbildungsmöglichkeiten für Mädchen, ethnische Minderheiten, die arme Landbevölkerung und unterprivilegierte Kinder. Die Synodenväter sind von der Notwendigkeit der Ausdehnung und Weiterentwicklung des Bildungsapostolats in Asien überzeugt, vor allem im Hinblick auf die Benachteiligten, denen geholfen werden muß, jenen Platz in der Gesellschaft einzunehmen, der ihnen als vollberechtigte Bürger zusteht.(187) Das bedeutet, wie die Synodenväter betonten, daß das katholische Erziehungs- und Bildungssystem noch eindeutiger auf die Entfaltung des Menschen ausgerichtet und eine Umgebung sein muß, wo den Schülern nicht nur formale Elemente der Bildung erteilt werden, sondern eine eher allgemeine, auf der Lehre Christi begründete ganzheitliche menschliche Bildung.(188) Die katholische Schule sollte auch weiterhin ein Ort sein, wo der Glaube frei vermittelt und empfangen werden kann. Ebenso sollten auch die katholischen Universitäten nicht nur ihr bereits wohlbekanntes hervorragendes akademisches Niveau aufrechterhalten, sondern auch eine klare christliche Identität bewahren, um in den asiatischen Gesellschaften christlicher Sauerteig zu sein.(189)

Frieden aufbauen


38 Am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts ist die Welt noch immer von Kräften bedroht, die Konflikte und Kriege auslösen, und Asien ist da sicher nicht ausgeschlossen. Zu diesen Kräften gehört jede Art von gesellschaftlicher, kultureller, politischer und auch religiöser Intoleranz und Ausgrenzung. Tag für Tag sind einzelne Menschen und ganze Völker neuen Gewalttätigkeiten ausgesetzt, und zur Lösung von Spannungen bedient sich die Kultur des Todes unentschuldbarer Gewaltanwendung. Angesichts der in zu vielen Teilen der Welt existierenden tragischen Konfliktsituationen ist die Kirche aufgerufen, intensiv an internationalen und interreligiösen Bemühungen im Interesse von Frieden, Gerechtigkeit und Wiederversöhnung teilzunehmen. Unermüdlich rät sie zu Verhandlungen und zur nichtmilitärischen Lösung von Konflikten in der Hoffnung, daß eines Tages Krieg nicht mehr als Mittel eingesetzt wird, um Forderungen geltend zu machen oder um Streitigkeiten zu lösen. Die Kirche ist überzeugt, daß Krieg mehr Probleme schafft als beseitigt, daß der Dialog der einzig richtige und edle Weg ist, der zu Einigung und Wiederversöhnung führt, und daß der geduldigen und weisen Kunst des Friedensaufbaus der ganz besondere Segen Gottes gilt.

Anlaß zu ganz besonderer Sorge gibt im asiatischen Kontext die ständige Zunahme von Massenvernichtungswaffen, zweifellos unmoralische und verderbenbringende Aufwendungen im Haushaltsplan der einzelnen Länder, die in manchen Fällen nicht einmal in der Lage sind, den Grundbedürfnissen der Bevölkerung zu ent-sprechen. Die Synodenväter erwähnten auch die zahllosen Anti-Personen-Minen in Asien, die Hunderttausende von unschuldigen Menschen verstümmelt oder getötet und gleichzeitig fruchtbaren Boden unbrauchbar gemacht haben, der zur Erzeugung von Nahrungsmitteln hätte genutzt werden können. (190) Es ist die Pflicht aller, insbesondere aber der für die Leitung der Nationen verantwortlichen Personen, sich auf intensivere Art und Weise für Abrüstungsmaßnahmen einzusetzen. Die Synode forderte die Einstellung der Produktion, des Verkaufs und des Einsatzes atomarer, chemischer und biologischer Waffen und rief die an der Verlegung von Minen Beteiligten auf, bei den Räumungs- und Wiederaufbauarbeiten behilflich zu sein.(191) Vor allem aber wendeten sich die Synodenväter an Gott, der die Tiefe jedes menschlichen Gewissens kennt, daß er die Herzen jener mit dem Wunsch nach Frieden erfüllen möge, die versucht sind, Wege der Gewalt zu gehen, damit sich die Worte der Bibel bewahrheiten: »Dann schmieden sie Pflugscharen aus ihren Schwertern und Winzermesser aus ihren Lanzen. Man zieht nicht mehr das Schwert, Volk gegen Volk, und übt nicht mehr für den Krieg« (
Is 2,4).

Während der Synode wurde vielfach vom Leid der irakischen Bevölkerung berichtet und davon, daß viele Iraker, vor allem Kinder, sterben mußten aufgrund des durch das anhaltende Embargo verursachten Mangels an Medikamenten und anderen Bedarfsartikeln. Gemeinsam mit den Synodenvätern bringe ich erneut meine Solidarität mit dem irakischen Volk zum Ausdruck und versichere insbesondere die Söhne und Töchter der Kirche dieses Lan-des meiner Nähe im Gebet und in der Hoffnung. Die Synode wendete sich mit der inständigen Bitte an den Herrn, das Gewissen jener zu erleuchten, die für eine gerechte Lösung der Krise die Verantwortung tragen, damit einem bereits schwer geprüften Volk weiteres Leid erspart bleibe.(192)

Globalisierung


39 Im Hinblick auf die Frage der menschlichen Entwicklung in Asien bekräftigten die Synodenväter die Bedeutung des wirtschaftlichen Globalisierungsprozesses. Obwohl sie die zahlreichen positiven Aspekte der Globalisierung berücksichtigten, konnten die Synodenväter jedoch nicht die Tatsache ignorieren, daß sie sich aufgrund der ihr eigenen Tendenz, ärmere Nationen an den Rand internationaler wirtschaftlicher und politischer Beziehungen zu drängen, als nachteilig erwiesen hat für die Armen.(193) Zahlreiche asiatische Länder sind nicht in der Lage, sich einer globalen Marktwirtschaft anzuschließen. Noch bedeutsamer ist vielleicht der Aspekt einer durch moderne Kommunikationsmittel ermöglichten kulturellen Globalisierung: in kürzester Zeit verwandelt sie die asiatischen Gesellschaften in konsumorientierte Kulturen globaler, verweltlichter, materialistischer Prägung, die für die Zerstörung jener traditionellen Familien und gesellschaftlichen Werte verantwortlich ist, die bis heute Völker und Gesellschaften gestützt haben. All das zeigt deutlich, daß die ethischen und moralischen Aspekte der Globalisierung eine direkte Herausforderung für die Verantwortlichen der Nationen und die für die menschliche Entwicklung arbeitenden Organisationen sind.

Die Kirche unterstreicht die Notwendigkeit einer »Globalisierung ohne Ausgrenzung«.(194) Zusammen mit den Synodenvätern rufe ich die Teilkirchen in aller Welt, insbesondere die der westlichen Regionen, auf, sich dafür einzusetzen, daß die Soziallehre der Kirche gebührenden Einfluß habe auf die Formulierung ethischer und rechtlicher Normen für die weltweite Regelung der freien Marktwirtschaft und der sozialen Kommunikationsmittel. Katholische Verantwortliche und Experten sollten Finanz- und Handelseinrichtungen auf nationaler und internationaler Ebene darin bestärken, diese Normen anzuerkennen und zu achten.(195)

Auslandsverschuldung


40 Im Bemühen um Gerechtigkeit in einer von sozialer und wirtschaftlicher Ungleichheit gekennzeichneten Welt kann die Kirche die schwere Last der Verschuldung vieler asiatischer Entwicklungsländer und die sich daraus ergebenden gegenwärtigen und zukünftigen Konsequenzen nicht ignorieren. In vielen Fällen sind diese Länder gezwungen, die Ausgaben für lebensnotwendige Anforderungen wie Nahrung, Gesundheitsfürsorge, Wohnungs- und Siedlungswesen oder Bildung zu kürzen, um ihre Schulden bei internationalen Währungsfonds und Banken abzutragen. Das bedeutet, daß zahlreiche Personen zu Lebensbedingungen verurteilt sind, die die Würde des Menschen verletzen. Im vollen Bewußtsein der überaus komplexen Natur dieser Materie betonte die Synode jedoch, daß diese Problematik die Fähigkeit der Völker, der Gesellschaften und Regierungen prüft, die menschliche Person und Millionen von Menschenleben unabhängig von wirtschaftlichen und materiellen Vorteilen zu beurteilen.(196)

Das nun unmittelbar bevorstehende Große Jubiläum des Jahres 2000 ist eine günstige Gelegenheit für die Bischofskonferenzen in aller Welt, insbesondere die der reicheren Nationen, internationale Währungsfonds und Banken zu bestärken, nach Möglichkeiten zur Einschränkung der internationalen Verschuldung zu suchen. Naheliegend wäre eine neue Einstufung der Schulden in Verbindung mit einer wesentlichen Verringerung oder sogar völligen Tilgung wie auch Handelsinitiativen und Investitionen zur wirtschaftlichen Unterstützung der ärmsten Länder.(197) Sich an die Schuldnernationen wendend, betonten die Synodenväter die Notwendigkeit eines nationalen Verantwortungsbewußtseins, erinnerten an die Bedeutung weiser Wirtschaftsplanung von Transparenz und guter Regierungsweise und forderten die entschlossene Bekämpfung von Korruption.(198) Sie riefen die Christen Asiens auf , jede Form von Korruption und widerrechtlicher Aneignung staatlicher Mittel durch die Vertreter der politischen Gewalt zu verurteilen. (199) Vielfach war die Bevölkerung der Schuldnerstaaten der Verschwendung und Ineffizienz im Landesinneren ausgeliefert, bevor sie zum Opfer internationaler Verschuldung wurde.

Umwelt


41 Wenn die Sorge um den wirtschaftlichen und technologischen Fortschritt nicht Hand in Hand geht mit der Sorge für das Gleichgewicht unseres Ökosystems, dann ist unsere Erde unweigerlich der Gefahr ernsthafter ökologischer Schäden ausgesetzt mit schwerwiegenden Folgen für das Wohl der Menschheit. Die offensichtliche Nichtbeachtung und Geringschätzung der natürlichen Umwelt wird kein Ende finden, solange die Erde und ihr Potential lediglich als Objekt zum unmittelbaren Gebrauch und Verbrauch angesehen wird, als etwas, was aufgrund grenzenloser Profitsucht manipuliert werden kann.200 Es ist Aufgabe der Christen und derjenigen, die Gott als Schöpfer betrachten, für den Schutz der Umwelt zu sorgen und die Achtung für alle Geschöpfe Gottes wieder herzustellen. Dem Willen Gottes entsprechend, soll der Mensch der Natur nicht als erbarmungsloser Ausbeuter, sondern als weiser und verantwortungsvoller Hüter gegenübertreten.(201) Insbesondere hofften die Synodenväter auf ein verantwortungsvolleres Vorgehen der führenden Persönlichkeiten des Staates, der Gesetzgeber, der Vertreter der Handels- und Wirtschaftswelt und aller, die unmittelbar für die Verwaltung der Ressourcen der Erde zuständig sind.(202) Ferner betonten sie die Notwendigkeit, die Menschen, vor allem die Jugend, zu umweltbewußtem Verhalten zu erziehen, damit sie jene Kunst lernen, die Gott der Menschheit anvertraut hat: die Verwaltung der Schöpfung. Umweltschutz ist nicht nur ein technischesProblem, sondern auch und vor allem eine Frage der Ethik. Alle sind moralisch verpflichtet, sich der Umwelt anzunehmen, und zwar nicht nur um des eigenen Wohles willen, sondern auch für das der zukünftigen Generationen.

Abschließend sollte vielleicht daran erinnert werden, daß die Synodenväter im Hinblick auf die Grundwerte der biblischen und kirchlichen Tradition alle Christen aufgerufen haben, sich für die menschliche Entfaltung einzusetzen und aufzuopfern. Das alte Israel bekräftigte nachdrücklich die untrennbare Verbindung zwischen der Verehrung Gottes und der Sorge für die Schwachen, die in der Heiligen Schrift als »Witwen, Fremde und Waisen« erscheinen (vgl. Ex 22,21–22;
Dt 10,18 Dt 27,19) und in der damaligen Gesellschaft mehr als andere von Ungerechtigkeit bedroht waren. Oft erkennen wir in den Worten der Propheten den Ruf nach Gerechtigkeit, nach einer ger echten Ordnung der menschlichen Gesellschaft, ohne die wahre Gottesverehrung nicht möglich ist (vgl.Jes 1,10–17; Am 5,21–24). Die Ermahnungen der Synodenväter sind somit das Echo der Propheten, die vom Geist Gottes erfüllt waren, der »Liebe will, nicht Schlachtopfer« (vgl. Hos Os 6,6). Jesus machte sich diese Worte zu eigen (vgl. Mt Mt 9,13), und gleiches gilt für alle Heiligen. Erinnern wir uns an die Worte des hl. Johannes Chrysostomus: »Willst du den Leib Christi ehren? Wende dich nicht ab von ihm, wenn er nackt ist. Schmücke ihn nicht mit Seide im Tempel, um ihn dann zu vergessen, wenn du ihn draußen frieren und nackt siehst. Der, der sagte: ›Das ist mein Leib‹, ist derselbe, der sagte: ›Du hast mich hungrig gesehen und mir nichts zu essen gegeben‹ …. Was nützt es, wenn sich der Altar unter dem Gewicht goldener Kelche biegt, während Christus vor Hunger stirbt? Stille zunächst seinen Hunger, und schmücke dann den Altar mit dem, was übrig bleibt.«(203) In dem Aufruf der Synode für die menschliche Entwicklung und Gerechtigkeit in den Beziehungen der Menschen zueinander hören wir eine zugleich alte und neue Stimme. Alt, weil sie der Tiefe unserer christlichen Tradition entspringt, die auf die feste, dem Willen Gottes entsprechende Harmonie ausgerichtet ist; neu, weil sie unmittelbar von der Situation zahlreicher Personen des heutigen Asien spricht.





KAPITEL VII


ZEUGEN DES EVANGELIUMS


Die Kirche als Zeugin


42 Das II. Vatikanische Konzil hat das missionarische Wesen der ganzen Kirche deutlich hervorgehoben und darauf hingewiesen, daß das Werk der Evangelisation Aufgabe des gesamten Gottesvolkes ist.(204) Da das Volk Gottes als solches ausgesandt ist, das Evangelium zu verkünden, kann die Evangelisierung nie das Werk eines einzelnen sein; sie ist vielmehr eine gesamtkirchliche Aufgabe, die von der ganzen Glaubensgemeinschaft erfüllt werden muß. Es ist ein- und dieselbe Mission mit demselben Ursprung und demselben Ziel. Aber innerhalb von ihr gibt es verschiedene Aufgaben und Tätigkeiten.(205) Jedenfalls kann von einer wirklichen Verkündigung des Evangeliums erst dann die Rede sein, wenn die Christen gleichzeitig Zeugen eines Lebens sind, das mit der von ihnen vermittelten Botschaft übereinstimmt: »Die erste Form des Zeugnisses ist das Leben des Missionars, der christlichen Familie und der kirchlichen Gemeinschaft; diese Form läßt eine neue Verhaltensweise erkennen. … Dieses Zeugnis können und müssen jedoch alle in der Kirche geben, indem sie sich bemühen, den göttlichen Meister nachzuahmen; ein Zeugnis, das in vielen Fällen die einzig mögliche Form ist, Missionar zu sein.«(206) Heute brauchen wir vor allem ein wahrhaft christliches Zeugnis, denn »der Mensch unserer Zeit glaubt mehr den Zeugen als den Lehrern, mehr der Erfahrung als der Lehre, mehr dem Leben und den Taten als den Theorien«.(207) Das gilt ganz besonders für Asien, wo ein Leben in Heiligkeit überzeugender ist als intellektuelle Argumente. Die Erfahrung des Glaubens und der Gaben des Heiligen Geistes werden somit Ausgangspunkt jeder missionarischen Tätigkeit in Dörfern und Städten, in Schulen und Krankenhäusern, unter Behinderten, Emigranten und Naturvölkern oder bei der Wahrung von Gerechtigkeit und Menschenrechten. Jede Situation gibt den Christen Gelegenheit, zu beweisen, welch bedeutenden Einfluß die Wahrheit Christi auf ihr Leben hat. Von zahlreichen Missionaren inspiriert, die in der Vergangenheit auf heroische Art und Weise die Liebe Gottes unter den Völkern des Kontinents bezeugt haben, bemüht sich die Kirche in Asien heute um ein ebenso eifriges Zeugnis für Jesus Christus und sein Evangelium, denn nichts Geringeres als dies verlangt der christliche Auftrag.

Im Bewußtsein des missionarischen Wesens der Kirche und in Erwartung eines neuen Ausgießens der Kraft des Heiligen Geistes zu Beginn des kommenden Jahrtausends betonten die Synodenväter, dieses Nachsynodale Apostolische Schreiben müsse der Orientierung all jener dienen, die auf dem breiten Sektor der Evangelisierung in Asien tätig sind.

Die Hirten


43 Der Heilige Geist ermöglicht der Kirche die Erfüllung jenes Auftrags, den Christus ihr anvertraut hat. Bevor er die Jünger als seine Zeugen aussandte, hauchte er ihnen den Heiligen Geist ein (vgl. Joh Jn 20,22), der durch sie wirkte und jene ins Herz traf, die ihnen zuhörten (vgl. Apg Ac 2,37). Gleiches widerfährt denjenigen, die er heute aussendet. Einerseits sind alle Getauften kraft der Gnade des Taufsakraments beauftragt, an der Fortsetzung der Heilssendung Christi teilzunehmen, eine Aufgabe, zu der sie fähig sind, weil die Liebe Gottes durch den Heiligen Geist, der ihnen gegeben ist (vgl. Röm Rm 5,5), in ihre Herzen ausgegossen wurde; andererseits vollzieht sich dieser gemeinschaftliche Auftrag durch eine Vielfalt von Funktionen und besonderen Charismen. Die Hauptverantwortung für die kirchliche Mission übertrug Christus den Aposteln und ihren Nachfolgern. Durch ihre Weihe und die hierarchische Gemeinschaft mit dem Haupt des Bischofskollegiums sind die Bischöfe beauftragt und bevollmächtigt, das Volk Gottes zu lehren, zu leiten und zu heiligen. Innerhalb des Bischofskollegiums übt der Nachfolger Petri – der Fels, auf dem die Kirche gebaut ist (vgl. Mt Mt 16,18) – dem Willen Christi entsprechend ein besonderes Amt der Einheit aus. Somit erfüllen die Bischöfe ihr Amt nur in Gemeinschaft mit dem Nachfolger Petri, Garant der Wahrheit ihrer Lehre und ihrer vollen Gemeinschaft in der Kirche.

Als Mitarbeiter der Bischöfe beim Auftrag der Verkündigung des Evangeliums sind die Priester durch ihre Weihe berufen, Hirten ihrer Herde, Verkünder der Frohbotschaft des Heils und Spender der Sakramente zu sein. Um dem Willen Christi entsprechend der Kirche zu dienen, brauchen Bischöfe und Priester eine eingehende und permanente Weiterbildung, die ihnen Gelegenheit zu menschlicher, spiritueller und pastoraler Erneuerung gibt; unerläßlich ist daher eine theologische, spirituelle und humanwissenschaftliche Unterweisung.(208) Die asiatische Bevölkerung sollte die Mitglieder des Klerus nicht lediglich als Vermittler von Nächstenliebe oder als institutionalisierte Verwalter sehen, sondern als Personen, die in Geist und Herz auf die Tiefen des Geistes hingeordnet sind (vgl. Röm Rm 8,5). Der Achtung, die man in Asien der Obrigkeit entgegenbringt, muß die klare moralische Rechtschaffenheit derjenigen entsprechen, die amtliche Verantwortungen in der Kirche tragen. Durch ihr Leben im Gebet, ihren eifrigen Dienst und ihre beispielhafte Lebensweise sind die Mitglieder des Klerus wirksame Zeugen des Evangeliums in jenen Gemeinden, die sie im Namen Christi »weiden«. Mögen die geweihten Diener Gottes der Kirche Asiens im Geist der Gemeinschaft und der Zusammenarbeit mit den Bischöfen und allen Gliedern der Kirche leben und arbeiten und Zeugnis geben für jene Liebe, die Jesus das wahre Kennzeichen seiner Jünger nannte (vgl. Joh Jn 13,35).

Insbesondere möchte ich die Sorge der Synode für die Ausbildung jener hervorheben, die als Erzieher und Lehrer in den Seminaren und theologischen Fakultäten tätig sind.(209) Nach eingehender Unterweisung in den kirchlichen Wissenschaften und den mit ihnen verbundenen Gebieten sollten sie eine spezielle Ausbildung erhalten, die auf die priesterliche Spiritualität, die Kunst der spirituellen Führung und andere Aspekte der anspruchsvollen und schwierigen Aufgabe ausgerichtet ist, die sie bei der Ausbildung der zukünftigen Priester erwartet. Kein Apostolat ist für das Wohl und die Lebenskraft der Kirche so wichtig wie dieses.

Das geweihte Leben und die Gesellschaften apostolischen Lebens


44 Im Nachsynodalen Apostolischen Schreiben Vita consecrata betonte ich die enge Verbindung zwischen geweihtem Leben und Mission. In den drei Aspekten – »confessio Trinitatis«, »signum fraternitatis« und »servitium caritatis« – verdeutlicht das geweihte Leben die Liebe Gottes in der Welt und bezeugt insbesondere jenen Erlösungsauftrag, den Christus durch seine Ganzhingabe an den Vater erfüllt hat. Im Bewußtsein, daß jede kirchliche Tätigkeit im Gebet und in der Gemeinschaft mit Gott Unterstützung findet, blickt die Kirche Asiens in tiefer Achtung und Anerkennung auf die kontemplativen Ordensgemeinschaften als besondere Quelle der Kraft und Inspiration. Den Empfehlungen der Synodenväter beipflichtend, möchte ich intensiv die Gründung kontemplativer Ordensgemeinschaften überall dort befürworten, wo die Umstände es erlauben. Wie das II. Vatikanische Konzil erinnert, wird so der Bau der irdischen Gesellschaft immer in Gott gründen und auf ihn ausgerichtet sein, und seine Erbauer werden nicht vergeblich arbeiten. (210)

Die Suche nach Gott, ein Leben in der Gemeinschaft und der Dienst am Nächsten sind die drei wesentlichen Merkmale des geweihten Lebens, die der heutigen Bevölkerung Asiens ein attraktives christliches Zeugnis bieten können. Die Sonderversammlung der Bischofskonferenz für Asien wies mit Nachdruck darauf hin, daß das geweihte Leben vor Christen und Nichtchristen Zeugnis des allumfassenden Rufs zur Heiligkeit sei und sowohl für den einen als auch den anderen ein überzeugendes Beispiel hochherziger Liebe für alle werde, insbesondere aber für die Geringsten unter den Brüdern und Schwestern. In einer Welt, in der das Bewußtsein der Gegenwart Gottes oft getrübt ist, müssen Ordensleute den Primat Gottes und des ewigen Lebens auf überzeugende und prophetische Art und Weise bezeugen. Durch ihr Leben in der Gemeinschaft sind sie Zeugen der Werte christlicher Brüderlichkeit und der erneuernden Kraft der Frohbotschaft.(211) Alle, die das geweihte Leben gewählt haben, sind berufen, andere auf der Suche nach Gott zu führen, jener Suche, die seit jeher das Herz des Menschen bewegt und die vor allem in den verschiedenen Formen der Spiritualität und der Askese Asiens sichtbar ist.(212) In zahlreichen Religionen dieses Kontinents genießen die dem kontemplativen und asketischen Leben geweihten Männer und Frauen große Achtung, und ihr Zeugnis ist von besonderer Überzeugungskraft. Durch ihr Leben in der Gemeinschaft, ihr friedliches und stilles Zeugnis, ihre Existenz inspirieren sie die Menschen, sich für größere Eintracht in der Gesellschaft einzusetzen. Gleiches wird auch von den geweihten Männern und Frauen der christlichen Tradition erwartet. Das Beispiel der Armut und Entäußerung, der Reinheit und Aufrichtigkeit, der Opferbereitschaft im Gehorsam kann ein ausdrucksvolles Zeugnis sein, dazu geeignet, Menschen guten Willens zu bewegen und einen fruchtbaren Dialog mit benachbarten Kulturen und Religionen, mit den Armen und Schutzlosen anzuregen. Das macht das geweihte Leben zu einem besonderen Mittel wirksamer Evangelisierung.(213)

Die Synodenväter bestätigten die grundlegende Rolle von Ordensgemeinschaften und Kongregationen, Missionsinstituten und Gesellschaften des apostolischen Lebens für die Evangelisierung Asiens in den vergangenen Jahrhunderten. Die Synode dankte ihnen im Namen der Kirche für diesen außerordentlichen Beitrag und ermutigte sie, nicht von ihrer missionarischen Arbeit abzulassen.(214) Gemeinsam mit den Synodenvätern lade ich alle Ordensleute ein, die heilbringende Wahrheit Christi mit neuem Eifer zu verkünden. Allen muß eine angemessene, auf Christus ausgerichtete Ausbildung und Vorbereitung gewährt werden in Übereinstimmung mit dem jeweiligen Gründungscharisma, mit besonderer Betonung der persönlichen Heiligkeit und des Zeugnisses; ihre Spiritualität und Lebensweise sollte dem religiösen Erbe jener Personen entsprechen, unter denen sie leben und denen sie dienen.(215) Unter Berücksichtigung ihres jeweiligen Charismas sollten sie in den Pastoralplan ihrer Heimatdiözese integriert werden; ihrerseits sind die Ortskirchen aufgerufen, den Sinn für das Ideal des Ordens- und Weihestandes neu zu entfachen und diese Berufungen zu fördern. Das setzt voraus, daß jede Diözese einen Pastoralplan zur Förderung von Berufungen ausarbeitet und auch Priester oder Ordensleute beauftragt, hauptamtlich mit den Jugendlichen zu arbeiten und ihnen zu helfen, den Ruf Gottes zu hören und zu erkennen. (216)

Im Kontext der weltkirchlichen Gemeinschaft muß ich auch die Kirche in Asien auffordern, Missionare auszusenden, obwohl sie selbst Arbeiter in ihrem Weinberg braucht. Mit Freude habe ich feststellen können, daß unlängst in verschiedenen asiatischen Ländern Missionsinstitute des apostolischen Lebens gegründet worden sind, die den missionarischen Charakter der Kirche und die Verantwortung der Teilkirchen Asiens für die Verkündigung des Evangeliums in aller Welt beweisen.(217) Den Empfehlungen der Synodenväter entsprechend, sollten »in jeder Ortskirche Asiens Missionsgesellschaften des apostolischen Lebens gegründet werden, die sich durch einen besonderen Geist für die Mission ›ad gentes‹, ›ad exteros‹ und ›ad vitam‹ auszeichnen«.(218) Eine derartige Initiative wird nicht nur jenen Kirchen reiche Früchte bringen, die Missionare empfangen, sondern auch jenen, die Missionare entsenden.


Ecclesia in Asia DE 33