Ecclesia in Africa DE 70

Sich zum Sprecher derer machen, die keine Stimme haben


70 Gestärkt im Glauben und in der Hoffnung auf die Heilskraft Jesu haben die Synodenväter zum Abschlub ihrer Arbeiten die Verpflichtung zur Annahme der Herausforderung erneuert, nämlich in jedem noch so unterschiedlichen Lebensbereich der afrikanischen Völker Heilswerkzeuge zu sein. »Die Kirche — so erklärten sie — mub weiter ihre prophetische Rolle ausüben und sich zur Stimme derjenigen machen, die keine Stimme haben«,130 damit überall jeder Person die menschliche Würde zuerkannt werde und stets der Mensch im Mittelpunkt jedes Regierungsprogrammes stehe. Die Synode »interpelliert an das Gewissen der Staatsoberhäupter und der für das öffentliche Leben Verantwortlichen, in zunehmendem Mabe die Befreiung und Entwicklung ihrer Völker zu garantieren«.131 Nur um diesen Preis läbt sich der Friede unter den Völkern aufbauen.

Die Evangelisierung mub jene Initiativen fördern, die dazu beitragen, den Menschen in seiner geistigen und materiellen Existenz zur Entfaltung zu bringen und zu adeln. Es geht um die Entwicklung und Entfaltung jedes Menschen und des ganzen Menschen, der nicht blob für sich alleinstehend, sondern auch und besonders im Rahmen einer solidarischen und harmonischen Entwicklung aller Mitglieder einer Nation und aller Völker der Erde zu verstehen ist.132

Schlieblich mub die Evangelisierung alles offenlegen und bekämpfen, was den Menschen entwürdigt und zerstört. »Die Durchführung des Verkündigungsauftrages im sozialen Bereich, der ein Aspekt der prophetischen Dimension der Kirche ist, umfabt auch die Offenlegung der Übel und Ungerechtigkeiten. Doch ist die Klarstellung angebracht, dab Verkündigung wichtiger ist als Anklage, und dab diese nicht von jener absehen darf, da sie nur von dort ihre wahre Berechtigung und die Kraft einer höchsten Motivation erhält«.133

Soziale Kommunikationsmittel


71 »Seit jeher ist Gott charakterisiert durch seinen Willen sich mitzuteilen. Er tut dies auf verschiedenste Weise. Allen beseelten oder unbeseelten Geschöpfen schenkt er das Leben. Besonders zum Menschen knüpft er bevorzugte Beziehungen. ?Viele Male und auf vielerlei Weise hat Gott einst zu den Vätern gesprochen durch die Propheten; in dieser Endzeit aber hat er zu uns gesprochen durch den Sohn' (He 1,1-2)«.134 Das Wort Gottes ist seiner Natur nach Wort, Dialog und Kommunikation. Er ist gekommen, um einerseits die Kommunikation und die Beziehungen zwischen Gott und den Menschen und andererseits die der Menschen untereinander wiederherzustellen.

Die Massenmedien haben die Aufmerksamkeit der Synode unter zwei wichtigen und sich ergänzenden Aspekten auf sich gezogen: als aufkommendes neues Kulturphänomen und als eine Gesamtheit von Mitteln im Dienst an der Kommunikation. Sie stellen von Anfang an eine neue Kultur dar, die ihre eigene Sprache und vor allem eigene spezifische Werte und Unwerte hat. Daher müssen sie, wie alle Kulturen, evangelisiert werden.135

In unseren Tagen stellen die Massenmedien in der Tat nicht nur eine Welt, sondern eine Kultur und Zivilisation dar. Und auch in diese Welt wird die Kirche gesandt, um ihr die Frohe Botschaft vom Heil zu bringen. Die Boten des Evangeliums müssen also eintreten und sich von dieser neuen Zivilisation und Kultur durchdringen lassen, doch zu dem Zweck, sich ihrer auf passende Weisezu bedienen. »Der erste Areopag der neuen Zeit ist die Welt der Kommunikation, die die Menschheit immer mehr eint und, wie man zu sagen pflegt, zu einem ?Weltdorf' macht. Die Massenmedien spielen eine derartig wichtige Rolle, dab sie für viele zum Hauptinstrument der Information und Bildung, der Führung und Beratung für individuelles, familiäres und soziales Verhalten geworden sind«.136

Die Ausbildung zum Gebrauch der Massenmedien ist daher eine Notwendigkeit; das gilt nicht nurfür den, der das Evangelium verkündet und der unter anderem über den Kommunikationsstil verfügen mub, sondern auch für den Leser, den Rundfunkhörer und das Fernsehpublikum, die auf Grund einer Schulung zum Verständnis der jeweiligen Kommunikationsart imstande sein sollen, deren Beiträge kritisch zu beurteilen.

In Afrika, wo die mündliche Weitergabe eines der Wesensmerkmale der Kultur darstellt, kommt einer solchen Ausbildung eine grundlegende Bedeutung zu. Eben dieser Kommunikationstyp mub die Hirten, besonders die Bischöfe und die Priester, daran erinnern, dab die Kirche gesandt ist, zusprechen, durch Wort und Zeichen das Evangelium zu verkünden. Sie kann also nicht schweigenauf die Gefahr hin, ihren Auftrag nicht zu erfüllen; es sei denn, dab unter bestimmten Umständen gerade das Schweigen eine Form des Sprechens und Zeugnisgebens wäre. Wir müssen also immer, bei jeder Gelegenheit das Wort verkünden, ob man es hören will oder nicht (vgl. 2Tm 4,2), um aufzubauen in Liebe und Wahrheit.

KAPITEL IV


IM AUSBLICK AUF DAS DRITTE CHRISTLICHE JAHRTAUSEND


I. Die gegenwärtigen herausforderungen


72 Die Sonderversammlung für Afrika der Bischofssynode wurde einberufen, um der über den Kontinent verbreiteten Kirche Gottes die Möglichkeit zu geben, über ihren Evangelisierungsauftrag im Hinblick auf das dritte Jahrtausend nachzudenken und, wie ich gesagt habe, »eine organische pastorale Solidarität auf dem gesam- ten Territorium Afrikas und den dazugehörigen Inseln«137 vorzubereiten. Dieser Auftrag bringt, wie bereits hervorgehoben wurde, Dringlichkeiten und Herausforderungen mit sich, die durch die tiefgreifenden und raschen Veränderungen der afrikanischen Gesellschaften und durch die Auswirkungen des Versuchs, sich als Weltzivilisation durchsetzen zu wollen, hervorgerufen werden.

Die Notwendigkeit der Taufe


73 An erster Stelle der Dringlichkeiten steht natürlich die Evangelisierung selber. Die Kirche mub sich einerseits die Botschaft, als deren Hüterin sie der Herr eingesetzt hat, immer besser aneignen und sie leben. Andererseits mub sie von dieser Botschaft Zeugnis geben und sie allen, die noch nichts von Jesus Christus wissen, verkünden. Denn ihretwegen hat der Herr zu den Aposteln gesagt: »Darum geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern« (Mt 28,19).

Wie zu Pfingsten hat die Verkündigung des kérygma als natürliches Ziel, den, der hört, zurmetànoia und zur Taufe zu veranlassen: »Die Verkündigung des Wortes Gottes hat die christliche Bekehrung zum Ziel, das heibt die volle und ehrliche Zugehörigkeit zu Christus und seinem Evangelium durch den Glauben«.138 Die Bekehrung zu Christus ist allerdings »eng mit der Taufe verbunden: diese Verbindung besteht nicht nur wegen der Praxis der Kirche, sondern auf Grund des Willens Christi und seines Aussendungsauftrags, alle Völker zu seinen Jüngern zu machen und sie zu taufen (vgl. Mt Mt 28,19); sie besteht auch aus einem inneren Zusammenhang heraus, um die Fülle des neuen Lebens in Ihm zu erhalten: ?Amen, Amen, ich sage dir — unterweist Jesus Nikodemus —: wenn jemand nicht aus Wasser und Geist geboren wird, kann er nicht in das Reich Gottes eingehen' (Jn 3,5). Die Taufe schafft uns in der Tat neu zum Leben als Kinder Gottes. Sie verbindet uns mit Jesus Christus und salbt uns im Heiligen Geist. Die Taufe ist nicht einfach die Besiegelung der Bekehrung, gleichsam ein äuberes Zeihen der Bestätigung; sie ist vielmehr das Sakrament, das diese Neugeburt im Geist bezeichnet und bewirkt, das reale und unlösbare Bande mit der Trinität knüpft und die Getauften zu Gliedern Christi und seiner Kirche macht«.139 Deshalb würde ein Bekehrungsweg, der nicht bis zur Taufe gelangte, auf halbem Weg stehen bleiben.

Tatsächlich werden die Menschen guten Willens, die ohne ihre Schuld von der Verkündigung des Evangeliums nicht erreicht wurden, aber in Übereinstimmung mit ihrem Gewissen nach dem Gesetz Gottes leben, von Christus und in Christus gerettet werden. An jeden Menschen ergeht in der Tat immer der Ruf Gottes, der darauf wartet, erkannt und angenommen zu werden (vgl. 1Tm 2,4). Um dieses Erkennen und diese Annahme zu erleichtern, sind die Jünger Christi aufgefordert, solange sich nicht zufrieden zu geben, bis allen die Frohbotschaft vom Heil überbracht ist.

Dringlichkeit der Evangelisierung


74 Der Name Jesu Christi ist tatsächlich der einzige, durch den gesichert ist, dab wir gerettet werden können (vgl. Apg Ac 4,12), und da es in Afrika Millionen von Menschen gibt, die das Evangelium noch nicht erreicht hat, steht die Kirche vor der notwendigen und dringenden Aufgabe, die Frohe Botschaft allen zu verkünden und diejenigen, die auf sie hören, zur Taufe und zum christlichen Leben zu führen. »Die Dringlichkeit missionarischer Tätigkeit geht aus der von Christus gebrachten und von seinen Jüngern gelebten grundlegenden Erneuerung des Lebens hervor. Dieses neue Leben ist Gabe Gottes. Von seiten des Menschen ist erforderlich, sie anzunehmen und ihr zum Wachstum zu verhelfen, wenn er sich selbst entsprechend seiner ganzheitlichen Berufung nach dem Bild Christi verwirklichen will«.140 Dieses neue Leben in der radikalen Ursprünglichkeit des Evangeliums ist für jedes Volk der Erde hinsichtlich seiner Gewohnheiten und seiner Kultur auch mit Brüchen verbunden, denn das Evangelium ist niemals ein inneres Produkt eines bestimmten Landes, sondern es kommt immer »von auberhalb«, von oben. Für die Getauften wird die grobe Herausforderung immer in der Konsequenz bestehen, eine den Verpflichtungen der Taufe entsprechende christliche Existenz zu führen, was den Tod der Sünde und tägliche Auferstehung zu einem neuen Leben bedeutet (vgl. Röm Rm 6,4-5). Ohne diese konsequente Haltung werden die Jünger Christi kaum »Salz der Erde« und »Licht der Welt« (Mt 5,13 Mt 5,14) sein können. Wenn sich die Kirche in Afrika mit Nachdruck und ohne Zögern auf diesen Weg einläbt, wird überall auf dem Kontinent zur Rettung der Völker, die ohne Furcht dem Erlöser die Türen öffnen, das Kreuz eingepflanzt werden können.

Bedeutung der Ausbildung


75 In allen Bereichen des kirchlichen Lebens kommt der Ausbildung vorrangige Bedeutung zu. Denn niemand vermag die Glaubenswahrheiten zu verstehen, die er nie hat lernen können, oder Handlungen zu vollbringen, zu denen er nie angeleitet worden ist. Daher »mub die ganze Gemeinschaft für die Evangelisierung vorbereitet, motiviert und gestärkt werden, ein jeder entsprechend seiner spezifischen Rolle in der Kirche«.141 Das gilt auch für die Bischöfe, die Priester, die Mitglieder der Ordensinstitute und der Gesellschaften apostolischen Lebens, für die Angehörigen der Säkularinstitute und für alle Laien.

Die missionarische Erziehung mub einen vorrangigen Platz einnehmen. Sie ist »Aufgabe der Ortskirche unter Mithilfe der Missionare und ihrer Institute, aber ebenso von Leuten der jungen Kirchen. Diese Arbeit darf nicht nebenbei, sondern mub ganz zentral das christliche Leben bestimmen«.142

Das Bildungsprogramm soll in besonderer Weise die Schulung der Laien dahingehend einschlieben, dab sie ihre Rolle einer christlichen Durchdringung der zeitlichen (politischen, kulturellen, wirtschaftlichen, sozialen) Ordnung voll ausfüllen, worin ja das charakteristische Engagement der weltlichen Berufung der Laien besteht. Man wird in diesem Zusammenhang nicht versäumen dürfen, sachverständige und motivierte Laien zu ermutigen, sich im politischen Bereich zu engagieren,143 wo sie durch eine entsprechende Erfüllung öffentlicher Aufgaben »dem Gemeinwohl dienen und zugleich dem Evangelium einen Weg bahnen« können.144

Den Glauben vertiefen


76 Die Kirche in Afrika mub, um Trägerin der Evangelisierung zu sein, »damit beginnen, sich selbst zu evangelisieren [...]. Sie mub unablässig selbst vernehmen, was sie glauben mub, welches die Gründe ihrer Hoffnung sind und was das neue Gebot der Liebe ist. Als Volk Gottes, das mitten in dieser Welt lebt und oft durch deren Idole versucht wird, mub die Kirche immer wieder die Verkündigung der Grobtaten Gottes hören«.145

Im heutigen Afrika »ist die Glaubensbildung [...] nur allzu oft im ersten Anfangsstadium steckengeblieben, und die Sekten nützen diese Unwissenheit schonungslos aus«.146 Es bedarf daher dringend einer ernsthaften Glaubensvertiefung, weil die rasche Entwicklung der Gesellschaft immer neue Herausforderungen mit sich bringt. Die wichtigsten Phänomene in diesem Zusammenhang sind Entwurzelung der Familien, Verstädterung und Arbeitslosigkeit, verbunden mit materiellen Versuchungen aller Art, sowie eine gewisse Säkularisierung und eine intellektuelle Erschütterung, die eine Lawine unkritisch hingenommener, von den Medien verbreiteter Ideen auslöst.147

Die Kraft des Zeugnisses


77 Ziel der Glaubensbildung mub es sein, den Christen nicht nur ein technisches Geschick zur besseren Weitergabe der Glaubensinhalte zu vermitteln, sondern auch eine tiefe persönliche Überzeugung, um von diesen Inhalten wirksam im Leben Zeugnis zu geben. Alle, die zur Verkündigung des Evangeliums berufen sind, sollen sich daher bemühen, in vollständiger Fügsamkeit gegenüber dem Heiligen Geist zu handeln. Denn er ist es, der »heute wie in den Anfängen der Kirche in all jenen am Werk ist, die das Evangelium verkünden und sich von ihm ergreifen und führen lassen«.148 »Die Methoden der Evangelisierung sind sicher nützlich, doch können auch die vollkommensten unter ihnen das verborgene Wirken des Heiligen Geistes nicht ersetzen. Ohne ihn richtet auch die geschickteste Vorbereitung des Verkündigers nichts aus. Ohne ihn bleibt auch die überzeugendste Dialektik bei den Menschen wirkungslos. Ohne ihn erweisen sich auch die höchstentwickelten soziologischen und psychologischen Methoden als wert- und inhaltslos«.149

In Afrika kommt es heute wesentlich auf ein wahrhaftiges Zeugnis von seiten der Gläubigen an, um den Glauben authentisch zu verkünden. Besonders ist es unerläblich, dab sie Zeugnis geben von einer aufrichtigen wechselseitigen Liebe. »?Das ist das ewige Leben: dich, den einzigen wahren Gott, zu erkennen und Jesus Christus, den du gesandt hast' (
Jn 17,3). Letzter Sinn der Sendung ist es, Anteil zu geben an der Gemeinschaft, die zwischen Vater und Sohn besteht. Die Jünger sollen die Einheit untereinander leben, sie sollen im Vater und im Sohn ?bleiben', damit die Welt erkennt und glaubt (vgl. Joh Jn 17,21-23). Dies ist ein bezeichnender missionarischer Text, der begreifen läbt: Missionar ist man zuallererst durch das, was man ist, als Kirche, die zutiefst die Einheit in der Liebe lebt, bevor man es ist durch das, was man sagt oder tut«.150

Den Glauben inkulturieren


78 Aus der tiefen Überzeugung, dab »die Synthese zwischen Kultur und Glauben nicht nur eine Forderung der Kultur, sondern auch des Glaubens ist«, weil »ein Glaube, der nicht zu Kultur wird, ein Glaube ist, der nicht voll angenommen, nicht unverkürzt gedacht, nicht getreu gelebt wird«,151 hat die Sonderversammlung für Afrika der Bischofssynode die Inkulturation zu einer Priorität und Dringlichkeit im Leben der Teilkirchen in Afrika erklärt: nur so kann das Evangelium in den christlichen Gemeinden des Kontinents feste Wurzeln fassen. Im Gefolge des II. Vatikanischen Konzils152 erklärten die Synodenväter die Inkulturation als einen Prozeb, der die ganze Weite des christlichen Lebens umfabt — Theologie, Liturgie, Gewohnheiten und Strukturen —, ohne natürlich das göttliche Recht und die grobe Ordung der Kirche anzurühren, die im Lauf der Jahrhunderte durch auberordentliche Leistungen der Tugend und des Heroismus bestätigt worden ist.153

Die Herausforderung der Inkulturation in Afrika besteht darin zu bewirken, dab die Jünger Christi die Botschaft des Evangeliums immer besser aufnehmen und dabei doch allen echten afrikanischen Werten treu bleiben. Den Glauben in sämtlichen Bereichen des christlichen und menschlichen Lebens zu inkulturieren stellt freilich eine schwierige Aufgabe dar, zu deren Lösung der Beistand des Geistes des Herrn notwendig ist, der die Kirche in die ganze Wahrheit einführt (vgl. Joh
Jn 16,13).

Eine versöhnte Gemeinschaft


79 Die Herausforderung des Dialogs ist im Grunde genommen die Herausforderung der Umwandlung der Beziehungen zwischen den Menschen, zwischen den Nationen und zwischen den Völkern im religiösen, politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Leben. Es ist die Herausforderung der Liebe Christi zu allen Menschen, einer Liebe, die der Jünger in seinem Leben wiedergeben soll: »Daran werden alle erkennen, dab ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander liebt« (Jn 13,35).

«Die Evangelisierung setzt den Dialog Gottes mit der Menschheit fort, einen Dialog, der seinen Höhepunkt in der Person Jesu Christi erreicht«.154 Durch das Kreuz hat er in sich selbst die Feindschaft zerstört (vgl. Eph Ep 2,16), die die Menschen voneinander trennt und entfernt.

Freilich ist trotz der heutigen Zivilisation des »Weltdorfes« in Afrika wie anderswo auf der Welt der Geist des Dialogs, des Friedens und der Versöhnung noch weit davon entfernt, in den Herzen aller Menschen zu wohnen. Kriege, Konflikte, rassistische und fremdenfeindliche Haltungen beherrschen noch immer allzu sehr die Welt der menschlichen Beziehungen.

Die Kirche in Afrika empfindet das Bedürfnis, durch das Zeugnis ihrer Söhne und Töchter für alle zum Ort einer echten Versöhnung zu werden. Wenn sie sich gegenseitig verziehen und miteinander versöhnt haben, werden sie der Welt die Vergebung und die Versöhnung bringen können, die Christus, unser Friede (vgl. Eph Ep 2,14), der Menschheit durch seine Kirche anbietet. Andernfalls wird die Welt immer mehr einem Schlachtfeld gleichen, wo allein egoistische Interessen zählen und wo das Gesetz der Stärke regiert, das die Menschheit unseligerweise von der erwünschtenZivilisation der Liebe entfernt.

II. Die familie

Die Familie evangelisieren


80 »Die Zukunft der Welt und der Kirche führt über die Familie«.155 In der Tat ist die Familie nicht nur die erste Zelle einer lebendigen Kirchengemeinschaft sondern auch der Gesellschaft. Besonders in Afrika stellt die Familie einen Stütz- pfeiler dar, auf dem das Gebäude der Gesellschaft errichtet ist. Darum betrachtet die Synode die Evangelisierung der afrikanischen Familie als eine der wichtigsten Prioritäten, wenn man will, dab sie ihrerseits die Rolle eines aktiven Subjekts im Hinblick auf die Evangelisierung der Familien durch die Familien wahrnehme.

Unter pastoralem Gesichtspunkt stellt dies eine echte Herausforderung dar, wenn man die Schwierigkeiten politischer, wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Natur bedenkt, mit denen sich im Zusammenhang mit den groben Veränderungen in der modernen Gesellschaft die Kernfamilien in Afrika konfrontiert sehen. Auch wenn die afrikanische Familie die positiven Werte der heutigen Zeit annimmt, wird sie dennoch die eigenen wesentlichen Werte bewahren müssen.

Die Heilige Familie als Vorbild


81 In diesem Zusammenhang ist die Heilige Familie, die nach dem Evangelium (vgl. Mt Mt 2,14-15) eine Zeitlang in Afrika gelebt hat, »Urbild und Beispiel für alle christlichen Familien«,156»Vorbild und geistliche Quelle« für jede christliche Familie.157 Um die Worte Papst Pauls VI., der als Pilger ins Heilige Land gekommen war, aufzugreifen: »Nazaret ist die Schule, wo man begonnen hat, das Leben Jesu zu erfassen: die Schule des Evangeliums [...]. Hier, in dieser Schule, begreift man die Notwendigkeit, dab einer religiöse Belehrung erhalten mub, wenn er [...] Jünger Christi werden will«.158 In seiner tiefgründigen Meditation über das Geheimnis von Nazaret fordert Paul VI. dazu auf, daraus eine dreifache Lehre zu ziehen: Schweigen, Familienleben und Arbeit. Im Haus zu Nazaret lebt jeder seine Sendung in vollkommener Harmonie mit den anderen Gliedern der Heiligen Familie.

Würde und Rolle des Mannes und der Frau


82 Die Würde des Mannes und der Frau rührt daher, dab Gott, als er den Menschen »als Abbild Gottes schuf, sie als Mann und Frau schuf« (Gn 1,27). Sowohl der Mann wie die Frau sind »nach dem Abbild Gottes« geschaffen, das heibt sie sind mit Verstand und Willen und infolgedessen mit Freiheit ausgestattet. Das zeigt der entsprechende Bericht vom Sündenfall der Stammeltern (vgl. Gen Gn 3). Der Psalmist besingt die unvergleichliche Würde des Menschen so: »Du hast ihn nur wenig geringer gemacht als Gott, hast ihn mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt. Du hast ihn als Herrscher eingesetzt über das Werk deiner Hände, hast ihm alles zu Füben gelegt« (Ps 8,6-7).

Da sie beide, Mann und Frau, als Abbild Gottes erschaffen wurden, sind sie, trotz Unterschieden, unter dem Gesichtspunkt des Menschseins im wesentlichen gleich. »Beide sind von Anfang an Personen, zum Unterschied von den anderen Lebewesen der sie umgebenden Welt. Die Frau ist ein anderes ?Ich' im gemeinsamen Menschsein«,159 und jeder stellt eine Hilfe für den anderen dar (vgl. Gen Gn 2,18-25).

»Indem Gott den Menschen ?als Mann und Frau' erschuf, schenkte er dem Mann und der Frau in gleicher Weise personale Würde und gab ihnen jene unveräuberlichen Rechte und Verantwortlichkeiten, die der menschlichen Person zukommen«.160 Die Synode hat jene afrikanischen Bräuche und Praktiken mibbilligt, die »die Frauen ihrer Rechte und der ihnen gebührenden Achtung berauben«,161 und hat von der Kirche auf dem Kontinent verlangt, dab sie sich bemühe, die Einhaltung dieser Rechte zu fördern.

Würde und Rolle der Ehe


83 Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist, ist die Liebe (vgl. 1Jn 4,8). »Die Gemeinschaft zwischen Gott und den Menschen findet ihre endgültige Erfüllung in Jesus Christus, dem liebenden Bräutigam, der sich hingibt als Erlöser der Menschheit und sie als seinen Leib mit sich vereint. Er offenbart die Urwahrheit über die Ehe, die Wahrheit des ?Anfangs', und macht den Menschen fähig, sie vollends zu verwirklichen, indem er ihn von seiner Herzenshärte befreit. Diese Offenbarung gelangt zur endgültigen Vollendung in der Liebesgabe, die das göttliche Wort der Menschheit macht, indem es die menschliche Natur annimmt, und im Opfer, mit dem Jesus Christus sich am Kreuz für seine Braut, die Kirche, darbringt. In diesem Opfer wird der Plan vollständig enthüllt, den Gott dem Menschsein des Mannes und der Frau seit ihrer Schöpfung eingeprägt hat (vgl. Eph Ep 5,32-33); die Ehe der Getauften wird so zum Realsymbol des neuen und ewigen Bundes, der im Blut Christi geschlossen wurde«.162

Die gegenseitige Liebe zwischen den getauften Eheleuten offenbart die Liebe Christi und der Kirche. Als Zeichen der Liebe Christi ist die Ehe ein Sakrament des Neuen Bundes: »Die Eheleute sind für die Kirche eine ständige Erinnerung an das, was am Kreuz geschehen ist. Sie sind füreinander und für die Kinder Zeugen des Heils, an dem sie durch das Sakrament teilhaben. Wie jedes andere Sakrament ist die Ehe Gedächtnis, Vollzug und Prophetie des Heilsgeschehens«.163

Sie ist daher ein Lebensstand, ein Weg christlicher Heiligkeit, eine Berufung, die zur glorreichen Auferstehung und zu dem Reich führen soll, wo »die Menschen nicht mehr heiraten« (Mt 22,30). Dank dieser ihrer Beständigkeit vermag sie wirksam zur vollen Verwirklichung der aus der Taufe erwachsenen Berufung der Eheleute beizutragen.

Die afrikanische Familie schützen


84 In zahlreichen Wortmeldungen wurde in der Synodenaula auf die Bedrohungen hingewiesen, die den afrikanischen Familien gegenwärtig bevorstehen. Die Sorgen der Synodenväter waren um so berechtigter, als das Vorbereitungsdokument einer im September 1994 in Kairo, also auf afrikanischem Boden, abgehaltenen Konferenz der Vereinten Nationen ganz offensichtlich zur Annahme von Entschliebungen bereit schien, die zu vielen Werten der afrikanischen Familie im Gegensatz standen. Indem sie sich die Besorgnisse zu eigen machten, die zuvor von mir gegenüber der genannten Konferenz und gegenüber den Staatsoberhäuptern der ganzen Welt geäubert worden waren,164 erlieben sie einen eindringlichen Appell zum Schutz der Familie: »Labt nicht zu — so riefen sie —, dab man die afrikanische Familie gerade auf ihrem eigenen Boden erniedrigt! Labt nicht zu, dab das internationale Jahr der Familie zu einem Jahr der Zerstörung der Familie wird!«165

Die für die Gesellschaft offene Familie


85 Die Ehe geht ihrer Natur nach über das Paar hinaus, da ihre besondere Sendung darin besteht, für den Fortbestand der Menschheit zu sorgen. Desgleichen geht die Familie ihrer Natur nach über die Grenzen des häuslichen Herdes hinaus: sie ist auf die Gesellschaft hin ausgerichtet. »Die Familie ist in lebendiger, organischer Weise mit der Gesellschaft verbunden; denn durch ihren Auftrag, dem Leben zu dienen, bildet sie deren Grundlage und ständigen Nährboden. In der Familie wachsen ja die Bürger heran und dort finden sie auch ihre erste Schule für jene sozialen Tugenden, die das Leben und die Entwicklung der Gesellschaft von innen her tragen und gestalten. So ergibt sich aus der Natur und Berufung der Familie, dab sie sich auf keinen Fall in sich selbst verschlieben darf, sondern sich vielmehr auf die anderen Familien und die Gesellschaft hin öffnen und so ihre gesellschaftliche Aufgabe wahrnehmen mub«.166

In diesem Sinne bekräftigt die Sonderversammlung für Afrika, dab es Ziel der Evangelisierung ist, die Kirche als Familie Gottes aufzubauen, als — wenn auch unvollkommene — Vorwegnahme des Reiches Gottes auf Erden. Auf diese Weise werden die christlichen Familien Afrikas zu echten »Hauskirchen« und zum Fortschritt der Gesellschaft hin zu einem brüderlicheren Leben beitragen. Auf diese Weise soll sich die Umgestaltung der afrikanischen Gesellschaften durch das Evangelium vollziehen!

KAPITEL V


»IHR WERDET MEINE ZEUGEN SEIN« IN AFRIKA


Zeugnis und Heiligkeit


86 Die Herausforderungen, auf die hingewiesen wurde, zeigen, wie nützlich die Sonderversammlung für Afrika der Bischofssynode war: die Aufgabe der Kirche auf dem Kontinent ist ungeheuer; um sie zu bewältigen, braucht es die Zusammenarbeit aller. Das zentrale Element dieser Zusammenarbeit ist das Zeugnis. Christus wendet sich an seine Jünger in Afrika und erteilt ihnen den Auftrag, den er den Aposteln am Himmelfahrtstag erteilt hat: »Ihr werdet meine Zeugen sein« (Ac 1,8) in Afrika.


87 Die Verkündigung der Frohen Botschaft durch Wort und Werke öffnet das Herz der Menschen für die Sehnsucht nach Heiligkeit, nach Gleichgestaltung mit Christus. In seinem ersten Brief an die Korinther wendet sich der hl. Paulus »an die Geheiligten in Christus Jesus, berufen als Heilige mit allen, die den Namen Jesu Christi, unseres Herrn, überall anrufen, bei ihnen und bei uns« (1,2). Die Verkündigung des Evangeliums hat auch den Aufbau der Kirche Gottes im Hinblick auf den Anbruch des Reiches zum Ziel, das Christus am Ende der Zeiten dem Vater übergeben wird (vgl. 1Co 15,24).

»Der Eintritt in das Reich Gottes verlangt einen Wandel in Gesinnung (metànoia) und Verhalten und ein Leben des Zeugnisses in Wort und Tat, das in der Kirche aus der Teilnahme an den Sakramenten, besonders an der Eucharistie, dem Heilssakrament, genährt wird«.167

Einen Weg zur Heiligkeit stellt auch die Inkulturation dar, durch die der Glaube das Leben der Menschen und ihrer ursprünglichen Gemeinschaften durchdringt. Wie Christus bei der Menschwerdung die menschliche Natur mit Ausnahme der Sünde angenommen hat, so nimmt analog die christliche Botschaft durch die Inkulturation die Werte der Gesellschaft an, der sie verkündet wird, wobei sie alles verwirft, was von der Sünde gezeichnet ist. In dem Mabe, in dem die Gemeinschaft der Kirche imstande ist, die positiven Werte einer bestimmten Kultur zu integrieren, wird sie zum Werkzeug dafür, dab sich diese Kulturen den Dimensionen der christlichen Heiligkeit öffnen. Eine klug durchgeführte Inkulturation reinigt und erhebt die Kulturen der verschiedenen Völker.

Unter diesem Gesichtspunkt ist die Liturgie berufen, eine wichtige Rolle zu spielen. Wenn sie die Heilsgeheimnisse wirksam verkündet und lebt, kann sie wirkungsvoll dazu beitragen, spezifische Ausdrucksweisen der Kultur eines bestimmten Volkes zu erheben und zu bereichern. Es wird deswegen Aufgabe der zuständigen Autorität sein, nach künstlerisch wertvollen Modellen für die Inkulturation jener liturgischen Elemente zu sorgen, die im Lichte der geltenden Normen verändert werden können.168

I. Träger der Evangelisierung


88 Die Evangelisierung braucht Träger. Denn »wie sollen sie nun den [den Herrn] anrufen, an den sie nicht glauben? Wie sollen sie an den glauben, von dem sie nichts gehört haben? Wie sollen sie hören, wenn niemand verkündigt? Wie aber soll jemand verkündigen, wenn er nicht gesandt ist?« (Rm 10,14-15). Die Verkündigung des Evangeliums kann nur durch Mitwirkung aller Gläubigen auf allen Ebenen sowohl der Weltkirche wie der Ortskirche voll erfüllt werden.

Insbesondere dieser unter die Verantwortung des Bischofs gestellten Ortskirche obliegt es, das Werk der Evangelisierung dadurch zu koordinieren, dab sie die Gläubigen sammelt, sie durch das Wirken der Priester und Katechisten im Glauben festigt und ihnen bei der Erfüllung der jeweiligen Sendungen beisteht. Zu diesem Zweck wird die Diözese für die Schaffung der notwendigen Strukturen für Begegnung, Dialog und Planung sorgen. Wenn der Bischof sich dieser Strukturen bedient, wird er die Arbeit von Priestern, Ordensleuten und Laien entsprechend ausrichten, indem er Gaben und Charismen eines jeden annimmt, um sie in den Dienst einer zeitnahen und ausgeprägten Pastoral zu stellen. Sehr nützlich werden in diesem Sinn die verschiedenen, von den geltenden Normen des Kirchenrechts vorgesehenen Räte sein.

Lebendige Kirchengemeinden


89 Die Synodenväter haben gleich erkannt, dab die Kirche als Familie nur dann in vollem Ausmab Kirche sein kann, wenn sie sich in Gemeinden gliedert, die klein genug sind, um enge menschliche Beziehungen zu erlauben. Die Merkmale solcher Gemeinden wurden von der Versammlung folgendermaben zusammengefabt: sie sollen Räume sein, innerhalb derer man zunächst für die eigene Evangelisierung sorgt, um dann die Frohe Botschaft den anderen zu bringen; sie sollen daher Orte des Betens und Hörens des Wortes Gottes sein; des Verantwortungsbewubtmachens der Mitglieder selbst; einer Lehrzeit in kirchlichem Leben und des Nachdenkens über die verschiedenen menschlichen Probleme im Lichte des Evangeliums. Vor allem soll man sich in ihnen darum bemühen, die universale Liebe Christi zu leben, die die Schranken der natürlichen Solidaritäten der Clans, der Stämme oder anderer Interessensgruppen übersteigt.169

Laien


90 Den Laien soll man helfen, sich der Rolle, die sie in der Kirche übernehmen sollen, immer bewubter zu werden durch Anerkennung ihrer spezifischen Sendung, die ihnen gemäb der Lehre des Nachsynodalen Apostolischen Schreibens Christifideles laici 170 und der EnzyklikaRedemptoris missio 171 als Getauften und Gefirmten zusteht. Sie müssen infolgedessen an eigens dazu bestimmten Zentren oder Schulen eine bibelkundliche und pastorale Ausbildung erhalten. In ähnlicher Weise sollen die Christen, die verantwortungsvolle Posten bekleiden, durch eine solide Ausbildung in kirchlicher Soziallehre sorgfältig auf ihre politische, ökonomische und soziale Aufgabe vorbereitet werden, um in ihrem Tätigkeitsbereich treue Zeugen des Evangeliums zu sein.172

Katechisten


91 «Die Rolle der Katechisten war und bleibt entscheidend bei der Gründung und Ausbreitung der Kirche in Afrika. Nach Empfehlung der Synode sollen die Katechisten nicht nur eine vollkommene Grundausbildung empfangen [...], sondern auch eine ständige lehrmäbige Weiterbildung sowie moralische und geistliche Unterstützung erhalten«.173 Sowohl den Bischöfen wie den Priestern sollen ihre Katechisten insofern ein Herzensanliegen sein, als sie dafür Sorge tragen, dab sie sichere und annehmbare Lebens- und Arbeitsbedingungen haben, um ihren Auftrag gut erfüllen zu können. Ihre Aufgabe soll innerhalb der christlichen Gemeinschaft anerkannt und geachtet werden.


Ecclesia in Africa DE 70