Ecclesia in Africa DE 119

Flüchtlinge und Vertriebene


119 Eine der bittersten Folgen der Kriege und der wirtschaftlichen Schwierigkeiten ist das traurige Phänomen der Flüchtlinge und Vertriebenen, eine Erscheinung, die, wie die Synode ausführt, tragische Dimensionen erreicht hat. Die ideale Lösung besteht in der Wiederherstellung eines gerechten Friedens, in der Versöhnung und in der wirtschaftlichen Entwicklung. Es ist daher dringend notwendig, dab die nationalen, regionalen und internationalen Organisationen die Probleme der Flüchtlinge und Vertriebenen auf gerechte und dauerhafte Weise lösen.230 Da der Kontinent jedoch weiter unter der Massenwanderung von Flüchtlingen leidet, erlasse ich unterdessen einen dringenden Appell, damit diesen Menschen überall, wo sie sich befinden, in Afrika oder auf anderen Kontinenten, materielle Hilfe gewährt und pastoraler Beistand geleistet werde.

Die Last der internationalen Verschuldung


120 Die Frage der Verschuldung der armen Nationen gegenüber den reichen bereitet der Kirche grobe Sorgen, wie sich aus zahlreichen offiziellen Dokumenten und vielen Interventionen des Heiligen Stuhls bei verschiedenen Anlässen ergibt.231

Wenn ich jetzt die Worte der Synodenväter aufgreife, halte ich es zuallererst für meine Pflicht, »die Staatsoberhäupter und ihre Regierungen in Afrika« zu ermahnen, »das Volk nicht mit inneren und äuberen Schulden zu erdrücken«.232 Sodann richte ich einen dringenden Appell »an den Internationalen Währungsfonds, an die Weltbank sowie an alle Gläubiger, sie mögen die die afrikanischen Nationen erdrückende Schuldenlast erleichtern«.233 Schlieblich ersuche ich eindringlich »die Bischofskonferenzen der Industrieländer, sich bei ihren Regierungen und anderen interessierten Stellen zu Anwälten für diese Sache zu machen«.234 Die Lage zahlreicher afrikanischer Länder ist so dramatisch, dab Verhaltensweisen der Gleichgültigkeit und Tatenlosigkeit nicht möglich sind.

Würde der afrikanischen Frau


121 Eines der typischen Merkmale unserer Zeit ist das wachsende Bewubtsein für die Würde der Frau und ihre spezifische Rolle in der Kirche und in der Gesellschaft im allgemeinen. »Gott schuf den Menschen als sein Abbild; als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie« (Gn 1,27).

Ich habe selbst wiederholt die fundamentale Gleichheit und die bereichernde gegenseitige Ergänzung angeführt, die zwischen Mann und Frau besteht.235 Die Synode hat diese Prinzipien auf die Lage der Frauen in Afrika angewandt. Ihre Rechte und Pflichten in bezug auf den Aufbau der Familie und die volle Beteiligung an der Entwicklung der Kirche und der Gesellschaft wurden nachdrücklich unterstrichen. Was speziell die Kirche angeht, so ist es opportun, dab die in adäquater Weise ausgebildeten Frauen auf den geeigneten Ebenen an der apostolischen Tätigkeit der Kirche beteiligt werden.

Die Kirche beklagt und verurteilt, sofern sie in verschiedenen afrikanischen Gesellschaften noch vorhanden sind, alle »Gepflogenheiten und Praktiken, die die Frauen ihrer Rechte und der ihnen gebührenden Achtung berauben«.236 Es ist überaus wünschenswert, dab die Bischofskonferenzen Sonderkommissionen ins Leben rufen, um, wo es möglich ist, in Zusammenarbeit mit den zuständigen Regierungsbehören die Probleme der Frau gründlicher zu studieren.237

II. Die frohbotschaft bekannt machen

Christus folgen, dem Verkünder im wahrsten Sinne des Wortes


122 Zum Thema soziale Kommunikation im Bereich der Evangelisierung Afrikas hatte die Synode viel zu sagen, wobei sie klar die gegenwärtigen Verhältnisse vor Augen hatte. Der theologische Ausgangspunkt ist Christus, der Verkünder im wahrsten Sinne des Wortes, der denen, die an ihn glauben, die Wahrheit, das Leben und die Liebe mitteilt, die er mit dem himmlischen Vater und dem Heiligen Geist innehat. Deshalb »ist sich die Kirche der Pflicht bewubt, die soziale Kommunikation ad intra und ad extra zu fördern. Durch eine verbesserte Informationsverbreitung unter ihren Mitgliedern trachtet sie die Kommunikation innerhalb der Kirche zu fördern«.238 Das soll ihr von Nutzen dabei sein, wenn sie der Welt die Frohe Botschaft von der in Jesus Christus geoffenbarten Liebe Gottes mitteilt.

Herkömmliche Formen der Kommunikation


123 Die herkömmlichen Formen der sozialen Kommunikation dürfen auf keinen Fall unterschätzt werden. Sie erweisen sich in zahlreichen Bereichen der afrikanischen Welt noch immer als sehr nützlich und wirksam. Auberdem sind sie »nicht so kostspielig und leichter zugänglich«.239 Sie erfassen die Gesänge und die Musik, die Mimik und das Theater, die Sprichwörter und die Erzählungen. Als Träger der Volksweisheit und des Volksgeistes stellen sie eine wertvolle Quelle von Inhalten und Inspiration für die modernen Medien dar.

Evangelisierung der Welt der Kommunikationsmittel


124 Die modernen Massenmedien stellen nicht nur Kommunikationsmittel dar; sie sind auch eine Welt, die es zu evangelisieren gilt. Was die von ihnen übermittelten Botschaften betrifft, mub man sich vergewissern, dab dabei das Gute, das Wahre und das Schöne dargestellt werden. Indem ich mich der Sorge der Synodenväter anschliebe, äubere ich meine Besorgnis hinsichtlich des moralischen Gehalts sehr vieler Programme, die die Kommunikationsmittel auf dem afrikanischen Kontinent verbreiten; insbesondere warne ich vor Pornographie und Gewalt, mit denen man die armen Nationen zu überfluten trachtet. Andererseits hat die Synode zu Recht »das sehr negative Bild« beklagt, »das die Massenmedien vom Afrikaner bieten, und fordert, dab dies sofort abgestellt werde«.240

Jeder Christ soll sich darum kümmern, dab die sozialen Kommunikationsmittel Träger der Evangelisierung sind. Doch der auf diesem Gebiet beruflich tätige Christ hat hier eine besondere Rolle zu übernehmen. Seine Pflicht ist es nämlich, darauf hinzuwirken, dab die christlichen Grundsätze die praktische Berufsausübung, den technischen und administrativen Sektor eingeschlossen, beeinflussen. Um ihm zu ermöglichen, diese Rolle in geeigneter Weise wahrzunehmen, mub ihm eine gesunde menschliche, religiöse und geistliche Bildung geboten werden.

Anwendung der sozialen Kommunikationsmittel


125 Die Kirche unserer Tage kann über eine Vielfalt von sozialen Kommunikationsmitteln verfügen, sowohl herkömmlicher wie moderner Art. Ihre Pflicht ist es, den besten Gebrauch davon zu machen, um die Botschaft vom Heil zu verbreiten. Was die Kirche in Afrika betrifft, wird der Zugang zu diesen Medien durch zahlreiche Hindernisse, nicht zuletzt ihre hohen Kosten, erschwert. An vielen Orten bestehen zudem Regierungsverordnungen, die diesbezüglich eine ungebührliche Kontrolle auferlegen. Es gilt, jede Anstrengung zur Beseitigung solcher Hindernisse zu unternehmen: die Kommunikationsmittel, ob privat oder öffentlich, müssen ausnahmslos im Dienst der Menschen stehen. Ich lade daher die Teilkirchen Afrikas ein, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um dieses Ziel zu erreichen.241

Zusammenarbeit und Koordinierung der Massenmedien


126 Die Kommunikationsmittel, vor allem in ihren modernsten Formen, üben einen alle Grenzen überschreitenden Einflub aus; in diesem Bereich ist daher eine strenge Koordinierung notwendig, die eine wirksamere Zusammenarbeit auf allen Ebenen erlaubt: auf diözesaner, nationaler, kontinentaler und Weltebene. In Afrika bedarf die Kirche dringend der Solidarität der Schwesterkirchen der reicheren und in technologischer Hinsicht fortschrittlicheren Länder. In Afrika selbst sollten einige bereits eingerichtete Programme für kontinentale Zusammenarbeit, wie das »Pan-afrikanische bischöfliche Komitee für soziale Kommunikationsmittel«, ermutigt und wiederbelebt werden. Und wie die Synode nahelegte, wird es eine engere Zusammenarbeit auf anderen Gebieten geben müssen, wie die berufliche Ausbildung, die Produktionsstrukturen von Rundfunk und Fernsehen und die Stationen, deren Sendebereich den ganzen Kontinent umfabt.242

KAPITEL VII


»IHR WERDET MEINE ZEUGEN SEIN BIS AN DIE GRENZEN DER ERDE«



127 Die Synodenväter haben während der Sonderversammlung die Situation in Afrika in ihrer Gesamtheit gründlich untersucht, um zu einem immer konkreteren und glaubwürdigeren Zeugnis von Christus in jeder Ortskirche, in jeder Nation, in jeder Region und auf dem ganzen afrikanischen Kontinent anzuspornen. Alle Überlegungen und Empfehlungen, die von der Sonderversammlung angestellt wurden, lassen den vorherrschenden Wunsch durchscheinen: von Christus Zeungis zu geben. Darin erkannte ich den Geist der Worte wieder, die ich an eine Gruppe von Bischöfen in Afrika gerichtet habe: »Wenn ihr die eigentlichen Werte und die Reichtümer des kulturellen Erbes eures Volkes respektiert, bewahrt und fördert, werdet ihr in der Lage sein, es zu einem besseren Verständnis des Geheimnisses Christi hinzuführen, das in den vortrefflichen, konkreten täglichen Erfahrungen des afrikanischen Lebens erlebt und gelebt werden mub. Es geht nicht darum, das Wort Gottes zu verfälschen oder das Kreuz um seine Kraft zu bringen (vgl. 1Co 1,17), sondern vielmehr darum, Christus dem Herzen des afrikanischen Lebens nahezubringen und das afrikanische Leben als ganzes zu erhöhen bis hin zu Christus. So erweist sich nicht nur das Christentum für Afrika geeignet, sondern Christus selbst ist in den Gliedern seines Leibes Afrikaner«.243

Offen für die Mission


128 Die Kirche in Afrika ist nicht aufgerufen, nur auf ihrem Erdteil Christus zu bezeugen; denn das Wort des auferstandenen Herrn: »Ihr werdet meine Zeugen sein [...] bis an die Grenzen der Erde« (Ac 1,8) ist auch an sie gerichtet. Eben darum haben die Synodenväter im Verlauf der Diskussionen über das Thema der Synode jede Tendenz zur Isolierung der Kirche in Afrika sorgfältig vermieden. Die Sonderversammlung ist zu jedem Zeitpunkt bei der Perspektive des Missionsauftrags geblieben, den die Kirche von Christus empfangen hat, nämlich ihn in der ganzen Welt zu bezeugen.244 Die Synodenväter haben den Aufruf erkannt, den Gott an Afrika richtet, dab es auf Weltebene seine Rolle im Heilsplan des Menschengeschlechtes vollgültig erfülle (vgl. 1Tm 2,4).


129 Bezüglich dieses Einsatzes für die Katholizität der Kirche erklärten schon die Lineamenta der Sonderversammlung für Afrika: »Keine Teilkirche, auch nicht die ärmste, soll von der Verpflichtung dispensiert werden können, ihre spirituellen, zeitlichen und menschlichen Güter mit anderen Ortskirchen und mit der Universalkirche zu teilen (vgl. Apg Ac 2,44-45)«.245 Die Sonderversammlung ihrerseits hat die Verantwortung Afrikas für die Mission »bis an die Grenzen der Erde« mit folgenden Worten nachdrücklich unterstrichen: »Der prophetische Satz Pauls VI. — ?Ihr Afrikaner seid aufgerufen, eure eigenen Missionare zu sein' — mub so verstanden werden: ?Ihr seid Missionare für die ganze Welt' [...]. An die Teilkirchen Afrikas wurde ein Aufruf erlassen für die Mission über die Grenzen ihrer eigenen Diözesen hinaus«.246


130 Während ich diese Erklärung der Sonderversammlung voll Freude und Anerkennung gutheibe, möchte ich für alle meine Mitbrüder im Bischofsamt in Afrika wiederholen, was ich vor einigen Jahren sagte: »Die Verpflichtung der Kirche in Afrika, missionarisch im eigenen Bereich zu sein und den Kontinent zu evangelisieren, schliebt die Zusammenarbeit zwischen Teilkirchen innerhalb jedes afrikanischen Landes ein sowie innerhalb der verschiedenen Nationen des Kontinents und auch mit Teilkirchen anderer Kontinente. Auf diese Weise integriert sich Afrika voll in die Missionstätigkeit«.247 In einem früheren Appell an alle Teilkirchen, die jungen und die alten, sagte ich: » Die Welt findet immer mehr zusammen, der Geist des Evangeliums mub zur Überwindung von kulturellen und nationalistischen Barrieren führen und jedes Sich-Verschlieben zu vermeiden suchen«.248

Die von der Sonderversammlung an den Tag gelegte mutige Entschlossenheit, die jungen Kirchen Afrikas in der Mission »bis an die Grenzen der Erde« einzusetzen, spiegelt das Verlangen wider, eine der wichtigsten Weisungen des II. Vatikanischen Konzils möglichst grobzügig zu befolgen: »Damit dieser missionarische Eifer bei den eigenen Landsleuten blühe, ist es sehr nützlich, dab die jungen Kirchen sobald wie möglich an dem gesamten Missionswerk der Kirche aktiven Anteil nehmen, indem sie selbst Missionare ausschicken, die überall in der Welt das Evangelium verkünden sollen, auch wenn sie selbst an Priestermangel leiden; denn die Gemeinschaft mit der Gesamtkirche findet gleichsam ihre Krönung, wenn sie selbst an der Missionsarbeit bei anderen Völkern tätig teilnehmen«.249

Organische pastorale Solidarität


131 Zu Beginn des vorliegenden Apostolischen Schreibens habe ich darauf hingewiesen, dab ich bei der Bekanntgabe der Einberufung der Sonderversammlung für Afrika der Bischofssynode als Ziel die Förderung »eines organischen solidarischen Zusammenwirkens in der Pastoral auf dem gesamten afrikanischen Kontinent und den dazugehörigen Inseln«250 im Blickfeld hatte. Zu meiner Freude kann ich feststellen, dab die Versammlung mutig dieses Ziel verfolgt hat. Die Diskussionen auf der Synode haben das eifrige und hochherzige Engagement der Bischöfe für diese pastorale Solidarität und für das Teilen ihrer Mittel mit anderen offenkundig gemacht, auch wenn sie selber Missionare nötig hatten.


132 Gerade an meine Mitrüder im Bischofsamt, die »mit mir unmittelbar für die Evangelisierung der Welt verantwortlich sind, sei es als Mitglieder des Bischofskollegiums, sei es als Hirten ihrer Ortskirchen«251 will ich in diesem Zusammenhang ein besonderes Wort richten. Bei der täglichen Hingabe an die ihnen anvertraute Herde dürfen sie niemals die Bedürfnisse der Kirche als ganzer aus den Augen verlieren. Als katholische Bischöfe müssen sie die Sorge für alle Gemeinden (vgl. 2Co 11,28) wahrnehmen, die dem Apostel im Herzen brannte. Sie müssen sie vor allem dann wahrnehmen, wenn sie miteinander überlegen und entscheiden als Mitglieder der entsprechenden Bischofskonferenzen, die durch die Verbindungsorgane auf regionaler und kontinentaler Ebene in der Lage sind, die in anderen Teilen der Welt anstehenden pastoralen Dringlichkeiten besser festzustellen und einzuschätzen. Einen hervorragenden Ausdruck apostolischer Solidarität verwirklichen die Bischöfe dann in der Synode: sie wird »unter den Obliegenheiten von allgemeiner Bedeutung der missionarischen Tätigkeit als der wichtigsten und heiligsten Aufgabe der Kirche besondere Aufmerksamkeit zuwenden« müssen.252


133 Die Sonderversammlung hat auberdem mit Recht darauf hingewiesen, dab zur Vorbereitung einer pastoralen Gesamtsolidarität in Afrika die Erneuerung der Ausbildung der Priester gefördert werden mub. Man wird gar nie genug die Worte des II. Vatikanischen Konzils bedenken können, wo festgestellt wird, dab »die Geistesgabe, die den Priestern in ihrer Weihe verliehen wurde, sie nicht für irgendeine begrenzte und eingeschränkte Sendung rüstet, sondern für die alles umfassende und universale Heilssendung ?bis an die Grenzen der Erde' (Ac 1,8)«.253

Aus diesem Grund habe ich selbst die Priester aufgefordert, »sich dem Heiligen Geist und dem Bischof ganz konkret zur Verfügung zu stellen, um zur Verkündigung des Evangeliums jenseits der Grenzen ihres Landes ausgesandt zu werden. Das erfordert von ihnen nicht blob eine ausgereifte Berufung, sondern auch eine ungewöhnliche Fähigkeit, sich vom eigenen Vaterland, dem eigenen Volk und der eigenen Familie loszulösen, sowie eine besondere Eignung, sich mit Klugheit und Ehrfurcht in die Kulturen einzuleben«.254

Ich bin Gott zutiefst dankbar, wenn ich erfahre, dab in zunehmender Zahl afrikanische Priester auf den Aufruf geantwortet haben, Zeugen »bis an die Grenzen der Erde« zu sein. Ich hoffe inständig, dab diese Tendenz in allen Ortskirchen Afrikas Ansporn und Festigung finden möge.


134 Es ist auch Anlab groben Trostes zu wissen, dab die schon lange in Afrika anwesenden Missionsinstitute »heute in steigender Zahl Kandidaten aus den jungen Kirchen aufnehmen, die sie selber gegründet haben«,255 und es so eben diesen Kirchen ermöglichen, sich an der Missionstätigkeit der Gesamtkirche zu beteiligen. Desgleichen bringe ich dankbare Genugtuung gegenüber den jungen afrikanischen Missionsinstituten zum Ausdruck, die auf dem Kontinent entstanden sind und heute ihre Mitglieder ad gentes aussenden. Das ist eine willkommene und wunderbare Entwicklung, die die Reife und die Dynamik der Kirche in Afrika erweist.


135 Ich möchte mir in besonderer Weise die ausdrückliche Empfehlung der Synodenväter zu eigen machen, dab sich die vier Päpstlichen Missionswerke in jeder Teilkirche und in jedem Land niederlassen mögen, um mit ihrer Hilfe eine organisch gewachsene pastorale Solidaritätzugunsten der Mission »bis an die Grenzen der Erde« zu verwirklichen. Als Werke des Papstes und des Bischofskollegiums nehmen sie mit Recht den ersten Platz ein, »da sie Mittel darstellen, die Katholiken von Kindheit an mit einer wahrhaft universalen und missionarischen Gesinnung zu erfüllen und zur tatkräftigen Sammlung von Hilfsmitteln zum Wohl aller Missionen gemäb den jeweiligen Bedürfnissen anzueifern«.256 Ein bedeutsames Ergebnis ihres Wirkens »ist die Weckung von Missionsberufen auf Lebenszeit, sowohl in den alten als auch in den jungen Kirchen. Ich empfehle wärmstens, dab sie ihren Dienst der Animation immer mehr auf dieses Ziel hin ausrichten«.257

Heiligkeit und Mission


136 Die Synode hat erneut beteuert, dab alle Söhne und Töchter Afrikas zur Heiligkeit und dazu berufen sind, überall in der Welt Zeugen Christi zu sein. »Die Geschichte bestätigt, dab durch das Wirken des Heiligen Geistes Evangelisierung vor allem durch das Zeugnis der Liebe, das Zeugnis der Heiligkeit, erfolgt«.258 Darum will ich für alle Christen Afrikas die Worte wiederholen, die ich vor einigen Jahren geschrieben habe: »Jeder Missionar ist nur dann ein echter Missionar, wenn er sich auf den Weg der Heiligkeit einläbt [...]. Jeder Gläubige ist zur Heiligkeit und zur Mission berufen [...]. Der erneuerte Drang zur Mission unter den Völkern — ad gentes — erfordert heiligmäbige Missionare. Es genügt weder die pastoralen Methoden zu erneuern noch die kirchlichen Kräfte besser zu organisieren bzw. zu koordinieren oder etwa die biblischen und theologischen Glaubensgrundlagen mit gröberer Klugheit zu erforschen: es gilt, ein neues ?glühendes Verlangen nach Heiligkeit' unter den Missionaren und in der ganzen christlichen Gemeinschaft zu wecken«.259

Wie damals so wende ich mich auch jetzt an die Christen der jungen Kirchen, um sie vor ihre Verantwortung zu stellen: »Ihr seid heute die Hoffnung dieser unserer zweitausend Jahre alten Kirche: da ihr jung im Glauben seid, mübt ihr wie die ersten Christen sein und Enthusiasmus und Mut ausstrahlen in selbstloser Hingabe an Gott und an die Brüder: mit einem Wort, ihr sollt euch auf den Weg der Heiligkeit einlassen. Nur so könnt ihr Zeichen Gottes in der Welt sein und in euren Ländern die missionarischen Grobtaten der Urkirche neu beleben. Und ihr werdet auch Sauerteig für die älteren Kirchen sein«.260


137 Die Kirche in Afrika teilt mit der Universalkirche »die hohe Berufung, zuallererst bei sich selber jenseits ethnischer, kultureller, nationaler, sozialer und anderer Unterschiede die Einheit des Menschengeschlechts zu verwirklichen, um eben die Vergänglichkeit dieser durch das Kreuz Christi aufgehobenen Unterschiede aufzuzeigen«.261 Dadurch, dab sie der Berufung entspricht, in der Welt das erlöste und versöhnte Volk zu sein, trägt die Kirche zu einer brüderlichen Koexistenz zwischen den Völkern bei und überwindet damit die durch Rasse und Nationalität bedingten Unterschiede.

Mit Rücksicht auf die besondere Berufung, die der Kirche von ihrem göttlichen Stifter aufgetragen wurde, bitte ich die Gemeinschaft der Katholiken in Afrika eindringlich, vor der ganzen Menschheit ein glaubwürdiges Zeugnis des christlichen Universalismus abzugeben, der Gottes Väterlichkeit entspringt. »Alle in Gott erschaffenen Menschen haben denselben Ursprung; wie grob ihre geographische Zersplitterung oder die Heraushebung ihrer Unterschiede im Laufe der Geschichte auch immer gewesen sein mag, sie sind dazu bestimmt, entsprechend dem ?im Anfang' gefabten Plan Gottes eine einzige Familie zu bilden«.262 Die Kirche in Afrika ist aufgerufen, aus Liebe auf jeden Menschen zuzugehen, in dem festen Glauben, dab »sich der Sohn Gottes in seiner Menschwerdung gewissermaben mit jedem Menschen vereinigt hat«.263

Afrika mub insbesondere seinen Beitrag zur ökumenischen Bewegung leisten, deren Dringlichkeit im Hinblick auf das dritte Jahrtausend ich in der Enzyklika Ut unum sint erst kürzlich hervorgehoben habe.264 Afrika kann sicherlich auch im Dialog zwischen den Religionen eine wichtige Rolle spielen, vor allem bei der Pflege intensiver Beziehungen zu den Moslems und bei der Förderung einer respektvollen Achtung gegenüber den Werten der traditionellen afrikanischen Religion.

Solidarität üben


138 Wenn die Kirche in Afrika »bis an die Grenzen der Erde« Zeugnis von Christus gibt, wird sie dabei sicher durch die Überzeugung von dem »positiven und moralischen Wert« unterstützt, den »das wachsende Bewubtsein der gegenseitigen Abhängigkeit zwischen den Menschen und den Nationen hat. Dab Männer und Frauen in verschiedenen Teilen der Welt Ungerechtigkeiten und Verletzungen der Menschenrechte, begangen in fernen Ländern, die sie vielleicht niemals besuchen werden, als ihnen selbst zugefügt empfinden, ist ein weiteres Zeichen einer Wirklichkeit, die sich zum Gewissen verinnerlicht hat und so eine moralische Qualität erhält«.265

Ich wünsche mir, dab sich die Christen in Afrika immer mehr dieser gegenseitigen Abhängigkeit zwischen den einzelnen Menschen und den Nationen bewubt werden und bereit sein mögen, ihr durch Übung der Tugend der Solidarität zu entsprechen. Die Frucht der Solidarität ist der Friede, ein so kostbares Gut für die Völker und die Nationen in allen Teilen der Welt. In der Tat, gerade durch Mittel, die die Solidarität zu fördern und zu stärken vermögen, kann die Kirche einen spezifischen und entscheidenden Beitrag zu einer wahren Kultur des Friedens leisten.


139 Indem die Kirche ohne Diskriminierung in Verbindung mit den Völkern der Welt tritt, bringt sie im Dialog mit den verschiedenen Kulturen diese einander näher und hilft jedem von ihnen, die echten Werte der anderen im Glauben anzunehmen.

Die Kirche in Afrika, die zur Zusammenarbeit mit jedem Menschen guten Willens und mit der internationalen Gemeinschaft bereit ist, sucht keine Vorteile für sich selbst. Die Solidarität, die sie zum Ausdruck bringt, »strebt danach, sich selbst zu übersteigen, um die spezifisch christlichenDimensionen des völligen Ungeschuldetseins, der Vergebung und der Versöhnung anzunehmen«.266 Die Kirche versucht, zur Umkehr der Menschheit dadurch beizutragen, dab sie sie veranlabt, sich dem Heilsplan Gottes durch das evangelische Zeugnis zu öffnen, ein Zeugnis, das begleitet ist vom karitativen Wirken im Dienst der Armen und Geringsten. Und dabei verliert sie nie den Vorrang des Transzendenten und jener geistlichen Wirklichkeiten aus den Augen, die die Anfänge des ewigen Heils des Menschen darstellen.

Während der Debatten über die Solidarität der Kirche gegenüber den Völkern und Nationen waren sich die Synodenväter zu jedem Zeitpunkt bewubt, dab »der irdische Fortschritt eindeutig vom Wachstum des Reiches Christi zu unterscheiden ist« und dab »er doch grobe Bedeutung für das Reich Christi [hat], insofern er zu einer besseren Ordnung der menschlichen Gesellschaft beitragen kann«.267 Gerade deswegen ist die Kirche in Afrika — und die Arbeit der Sonderversammlung hat dies deutlich gezeigt — überzeugt, dab die Erwartung der endgültigen Wiederkunft Christi »niemals eine Entschuldigung dafür sein kann, sich nicht für die Menschen in ihrer konkreten persönlichen Lage und ihrem gesellschaftlichen Leben zu interessieren, und dies auf nationaler wie auf internationaler Ebene«,268 denn die irdischen Bedingtheiten beeinflussen den Pilgerweg des Menschen zur Ewigkeit.

SCHLUSS


Auf dem Weg ins neue christliche Jahrtausend


140 Gleichsam zu einem Neuen Pfingsten um die Jungfrau Maria versammelt, haben die Mitglieder der Sonderversammlung für Afrika den Evangelisierungsauftrag der Kirche in Afrika an der Schwelle des dritten Jahrtausends eingehend untersucht. Zum Abschlub dieses Nachsynodalen Apostolischen Schreibens, in dem ich der Kirche in Afrika, in Madagaskar und auf den dazugehörigen Inseln sowie der ganzen katholischen Kirche die Früchte dieser Versammlung vorlege, danke ich Gott Vater, Sohn und Heiligem Geist, der uns das Privileg gewährt hat, diesen echten »Augenblick der Gnade«, der die Synode gewesen ist, zu erleben. Ich bin dem Volk Gottes in Afrika zutiefst dankbar für alles, was es für die Sonderversammlung getan hat. Diese Synode ist mit Eifer und Enthusiasmus vorbereitet worden, wie die dem Vorbereitungsdokument (Lineamenta)beigefügten Antworten auf den Fragebogen und die im »Arbeitsdokument« (Instrumentum laboris) gesammelten Überlegungen beweisen. Die christlichen Gemeinden Afrikas haben inbrünstig für das Gelingen der Arbeiten der Sonderversammlung gebetet, die vom Herrn reich gesegnet war.


141 Da die Synode einberufen wurde, um der Kirche in Afrika zu ermöglichen, ihren Evangelisierungsauftrag im Hinblick auf das dritte christliche Jahrtausend auf möglichst wirksame Weise wahrzunehmen, lade ich mit diesem Schreiben das Volk Gottes in Afrika — Bischöfe, Priester, Ordensleute und Laien — ein, sich entschlossen dem Groben Jubiläum zuzuwenden, das in einigen Jahren begangen werden wird. Die beste Vorbereitung auf das neue Jahrtausend kann für alle Völker Afrikas nur in dem entschlossenen Engagement bestehen, die Entscheidungen und Richtlinien, die ich mit der apostolischen Autorität des Nachfolgers des hl. Petrus in diesem Schreiben vorlege, mit grober Treue in die Tat umzusetzen. Es sind Entscheidungen und Richtlinien, die auf der unverfälschten Linie der Lehre und Anweisungen der Kirche und besonders des II. Vatikanischen Konzils liegen, das die wichtigste Inspirationsquelle der Sonderversammlung für Afrika gewesen ist.


142 Meine Einladung an das Volk Gottes in Afrika, sich auf das Grobe Jubiläum des Jahres 2000 vorzubereiten, will auch ein leidenschaftlicher Aufruf zur christlichen Freude sein. »Die grobe Freude, die der Engel in der Heiligen Nacht verkündet, ist tatsächlich dem ganzen Volke zugedacht (vgl. Lk Lc 2,10) [...]. Als erste hatte die Jungfrau Maria vom Erzengel Gabriel davon Kunde erhalten, und ihr Magnifikat war bereits das Freudenlied aller Demütigen. Die freudenreichen Geheimnisse stellen uns daher jedesmal, wenn wir den Rosenkranz beten, neu vor das unaussprechliche Ereignis, das Zentrum und Höhepunkt der Geschichte ist: das Kommen des Emanuel, Gott mit uns, auf diese Erde«.269

Wir bereiten uns darauf vor, mit dem kommenden Groben Jubeljahr den zweitausendsten Jahrestag dieses freudenreichen Ereignisses feierlich zu begehen. Afrika, das »in gewissem Sinn die ?zweite Heimat' des Jesus von Nazaret ist, (der) als kleines Kind eben in Afrika Zuflucht gefunden hat vor der Verfolgung des Herodes«,270 wird also zur Freude aufgerufen. Gleichzeitig »wird alles das vorrangige Ziel des Jubeljahres anstreben müssen, nämlich die Stärkung des Glaubens und des Zeugnisses der Christen«.271


143 Wegen der zahllosen Schwierigkeiten, Krisen und Konflikte, die soviel Elend und Leid über den Erdteil bringen, gibt es Afrikaner, die manchmal versucht sind zu glauben, der Herr habe sie verlassen, er habe sie vergessen (vgl. Jes Is 49,14)! »Und Gott antwortet mit den Worten des groben Propheten: ?Kann denn eine Frau ihr Kindlein vergessen, eine Mutter ihren leiblichen Sohn? Und selbst wenn sie ihn vergessen würde: ich vergesse dich nicht. Sieh her: Ich habe dich eingezeichnet in meine Hände' (Is 49,15-16). Ja, in die Hände Christi, von den Nägeln der Kreuzigung durchbohrt! Der Name eines jeden von euch (Afrikanern) ist in diese Hände eingezeichnet. Deshalb rufen wir voll Vertrauen: ?Der Herr ist meine Kraft und mein Schild, mein Herz vertraut Ihm. Mir wurde geholfen. Da jubelte mein Herz' (Ps 28 [27], 7)«.272

Gebet zu Maria, Mutter der Kirche


144 Voller Dankbarkeit für die Gnade dieser Synode wende ich mich an Maria, den Stern der Evangelisierung, und während das dritte Jahrtausend näherrückt, vertraue ich ihr Afrika und seinen Evangelisierungsauftrag an. Ich wende mich an sie mit den im Gebet ausgedrückten Gedanken und Gefühlen, das meine Mitbrüder im Bischofsamt zum Abschlub der Arbeitssitzung der Synode in Rom verfabt haben:

O Maria, Mutter Gottes und Mutter der Kirche,
Dank Dir hat sich am Tag der Verkündigung,
am Morgen der neuen Zeit,
das ganze Menschengeschlecht
mit seinen Kulturen
voller Freude als bereit erkannt
für die Aufnahme des Evangeliums.
Am Vorabend eines neuen Pfingsten
für die Kirche in Afrika,
Madagaskar und auf den dazugehörigen Inseln
flehen das Volk Gottes und seine Hirten
zusammen mit Dir:
die Ausgiebung des Heiligen Geistes
möge aus den afrikanischen Kulturen
Stätten der Gemeinschaft in der Verschiedenheit
und die Bewohner dieses groben Kontinents
zu grobherzigen Söhnen
und Töchtern der Kirche machen,
die Familie des Vaters ist,
Bruderliebe des Sohnes,
Ebenbild der Dreifaltigkeit,
Ursprung und Anfang auf Erden
jenes ewigen Reiches,
das seine Fülle haben wird
in der Stadt, deren Baumeister Gott ist:
der Stadt der Gerechtigkeit,
der Liebe und des Friedens.

Gegeben zu Yaoundé, in Kamerun, am 14. September, dem Fest der Kreuzerhöhung, des Jahres 1995, dem siebzehnten meines Pontifikats.







Ecclesia in Africa DE 119