Ecclesia in Asia DE


NACHSYNODALES APOSTOLISCHES SCHREIBEN
VON JOHANNES PAUL II.
»ECCLESIA IN ASIA«
AN DIE BISCHÖFE, PRIESTER, DIAKONE,
ORDENSLEUTE UND ALLE LAIENGLÄUBIGEN
ÜBER JESUS CHRISTUS, DEN ERLÖSER,
UND SEINE SENDUNG DER LIEBE
UND DES DIENSTES IN ASIEN:
»… DAMIT SIE DAS LEBEN HABEN
UND ES IN FÜLLE HABEN« (Jn 10,10).


EINLEITUNG


Die Wunder des göttlichen Planes in Asien


1 Die Kirche in Asien preist »Gott, der uns Rettung bringt« (Ps 68,21), denn er hat asiatischen Boden gewählt, um durch Männer und Frauen dieses Kontinents die Verwirklichung seines Heilsplans einzuleiten. In Asien nämlich nahm die Offenbarung und Erfüllung des göttlichen Erlösungsplanes ihren Anfang. Gott führte die Patriarchen (vgl. Gen Gn 12) und berief Mose, sein Volk aus der Sklaverei zu befreien (vgl. Ex Ex 3,10). Durch zahlreiche Propheten, Richter, Könige und unerschrockene Frauen des Glaubens sprach er zu seinem auserwählten Volk. »Als aber die Zeit erfüllt war« (Ga 4,4), sandte er seinen eingeborenen Sohn, Jesus Christus, den Erlöser, der als Asiate zur Welt kam! Voll Freude über die Hochherzigkeit der Menschen des Kontinents, ihre Kulturen und religiöse Vitalität und gleichzeitig im Bewußtsein der Einzigartigkeit des für das Wohl aller empfangenen Geschenks des Glaubens, verkündet die Kirche in Asien ohne Unterlaß: »Danket dem Herrn, denn er ist gütig, denn seine Huld währt ewig« (Ps 118,1).

Weil nun Jesus im Heiligen Land zur Welt kam, dort lebte, starb und auferstand, wurde dieser kleine Teil Westasiens Boden der Verheißung und Hoffnung für die gesamte Menschheit. Jesus kannte und liebte dieses Land, machte sich die Geschichte, die Nöte und Hoffnungen jenes Volkes zu eigen; er liebte die Menschen, übernahm die Traditionen und das jüdische Erbe. In frühester Zeit hat Gott bereits dieses Volk auserwählt und sich ihm zur Vorbereitung auf das Kommen des Erlösers offenbart. Als Verkünderin des Evangeliums und gestärkt durch die Macht des Heiligen Geistes zog die Kirche von diesem Land hinaus in alle Welt: »um alle Völker zu meinen Jüngern zu machen« (vgl. Mt Mt 28,19). Zusammen mit der überall verbreiteten kirchlichen Gemeinschaft wird die Kirche in Asien die Schwelle des dritten christlichen Jahrtausends überschreiten und voll Staunen auf das schauen, was Gott von Anfang an bis heute geschaffen hat, gestärkt durch das Bewußtsein, daß, »wie im ersten Jahrtausend das Kreuz auf dem Boden Europas gepflanzt wurde und im zweiten Jahrtausend auf dem Amerikas und Afrikas, wir beten [können], daß im dritten Jahrtausend eine große Glaubensernte auf diesem ausgedehnten und so lebendigen Kontinent reifen möge«.(1)

Die Vorbereitung der Sonderversammlung


2 Im Apostolischen Schreiben Tertio millennio adveniente habe ich im Hinblick auf das dritte christliche Jahrtausend ein auf die Herausforderungen der Neuevangelisierung konzentriertes Programm für die Kirche umrissen. Ein wesentliches Element dieses Plans war die Einberufung von Kontinentalsynoden, die den Bischöfen Gelegenheit geben sollten, die Frage der Evangelisierung entsprechend den jeweiligen lokalen Situationen und den Anforderungen jedes Erdteils zu erörtern. Diese durch das gemeinsame Thema der Evangelisierung verbundene Reihe von Synoden erwies sich als wichtiger Beitrag zur Vorbereitung der Kirche auf das Große Jubiläum des Jahres 2000.

Im Hinblick auf die Sonderversammlung der Bischofssynode für Asien betonte ich in dem gleichen Schreiben, daß in jenem Teil der Welt »die Frage der Begegnung des Christentums mit den ältesten Kulturen und Lokalreligionen am ausgeprägtesten ist. Das ist eine große Herausforderung für die Evangelisierung, daß religiöse Systeme wie der Buddhismus oder der Hinduismus mit einem klaren Erlösungscharakter auftreten« (2) Es ist wirklich merkwürdig, daß der in Asien geborene Erlöser der Welt bis heute den Menschen eben dieses Kontinents weitgehend unbekannt geblieben ist. Die Synode war eine willkommene Gelegenheit für die Kirche in Asien, um über dieses Rätsel nachzudenken und den Einsatz für ihre Sendung, Jesus Christus allen näherzubringen, erneut zu bekräftigen. Zwei Monate nach der Veröffentlichung von Tertio millennio adveniente erinnerte ich in meiner Ansprache an die sechste Vollversammlung der Föderation katholischer Bischofskonferenzen Asiens in Manila, auf den Philippinen, anläßlich des unvergeßlichen zehnten Weltjugendtags die Bischöfe daran: »Wenn die Kirche in Asien die ihr von der Vorsehung zugedachte Aufgabe er füllen soll, dann muß die Evangelisierung als freudige, geduldige und fortgesetzte Verkündigung des Erlösungswerks des Todes und der Auferstehung Jesu Christi eure absolute Priorität sein.« (3)

Während der Vorbereitungsphase zeigte sich die positive Einstellung der Bischöfe und Teilkirchen zum Vorschlag der Einberufung einer Sonderversammlung der Bischofssynode für Asien. In jeder Phase brachten sie in aller Offenheit und eingehender Kenntnis ihres Kontinents Wünsche und Ansichten zum Ausdruck im vollen Bewußtsein jener Bande der Einheit, die sie mit der Weltkirche verbinden. Dem anfänglichen Konzept der Tertio millennio adveniente und den Vorschlägen des vorsynodalen Rates entsprechend, der die Meinungen der Bischöfe und Teilkirchen des asiatischen Kontinents erwogen hatte, habe ich folgendes Thema für die Synode gewählt: Jesus Christus, der Erlöser, und seine Sendung der Liebe und des Dienstes in Asien: »damit sie das Leben haben und es in Fülle haben« (
Jn 10,10). Es war meine Hoffnung, daß durch diese besondere Formulierung des Themas die Synode »die Wahrheit über Christus als einzigen Mittler zwischen Gott und den Menschen und einzigen Erlöser der Welt erläutern und vertiefen würde, indem sie ihn klar von den Stiftern anderer großer Religionen unterscheidet«. (4) Während wir uns dem Großen Jubiläum nähern, muß die Kirche in Asien fähig sein, mit neuem Eifer zu sagen: Ecce natus est nobis Salvator mundi – »Der Erlöser der Welt wurde für uns – in Asien – geboren.«

Die Durchführung der Sonderversammlung


3 Mit Gottes Gnade tagte die Sonderversammlung der Bischofssynode für Asien vom 18.April bis zum 14. Mai 1998 im Vatikan, nach der Afrikasynode von 1994 und der Amerikasynode von 1997, aber vor der Sonderversammlung für Ozeanien, die Ende 1998 stattfand. Fast einen Monat lang waren die um den Nachfolger Petri versammelten und das Geschenk der hierarchischen Gemeinschaft teilenden Synodenväter und die anderen Synodenteilnehmer Stimme und Antlitz der Kirche in Asien. Wohl kaum kann bezweifelt werden, daß es eine Zeit der Gnade war! (5) Frühere Versammlungen der asiatischen Bischöfe hatten zur Vorbereitung der Synode beigetragen und ein Klima intensiver kirchlicher und brüderlicher Gemeinschaft geschaf fen. Diesem Zweck dienten vor allem frühere Vollversammlungen und die von der Föderation asiatischer katholischer Bischofskonferenzen und ihren Dienststellen geförderten Seminar veranstaltungen, die in regelmäßigen Abständen zahlreiche Bischöfe Asiens zur Festigung ihrer Bande und Beziehungen des Dienstes zusammenkommen ließen. Mit Freude habe ich an einigen dieser Treffen teilnehmen und gelegentlich auch bei den jeweiligen feierlichen Eröffnungs- und Abschlußmessen als Hauptzelebrant fungieren können. Bei diesen Gelegenheiten konnte ich die Begegnungen im Dialog zwischen den Hirten der verschiedenen Teilkirchen, einschließlich der orientalischen, miterleben. Diese und andere regionale Versammlungen der asiatischen Bischöfe waren ein willkommener Beitrag für die zukünftige Vorbereitung der Synodenversammlung

Der eigentliche Synodenprozeß bestätigte die Bedeutung des Dialogs als kennzeichnende Eigenschaft des kirchlichen Lebens in Asien. Ein aufrichtiges und ehrliches Teilen von Erfahrungen, Ideen und Vorschlägen erwies sich als ein Weg echter geistlicher Begegnung, als Weg zu jener Gemeinschaft des Geistes und des Herzens, die in der Liebe die Verschiedenheiten achtet und sie überwindet. Ganz besonders bewegend war die Begegnung zwischen den neuen und den alten Kirchen, deren Ursprung auf die Apostel zurückgeht. Mit unermeßlicher Freude sahen wir die Hirten der Teilkirchen in Myanmar, Vietnam, Laos, Kambodscha, in der Mongolei, in Sibirien und den neuen zentralasiatischen Republiken an der Seite ihrer Brüder, die seit langem die Begegnung und den Dialog mit ihnen suchten. Bedauerlich war jedoch die Tatsache, daß die Bischöfe der Volksrepublik China nicht anwesend sein konnten. Ihr Fehlen wurde zu einer ständigen Erinnerung an die heroischen Opfer und Leiden, welche die Kirche in vielen Teilen Asiens weiterhin auf sich nimmt.

Die Begegnung im Dialog zwischen den Bischöfen und dem Nachfolger Petri, dem die Aufgabe anvertraut ist, die Brüder zu stärken (vgl. Lk
Lc 22,32), dient dazu, sie im Glauben und in der Sendung zu festigen. Tag für Tag waren die Synodenaula und die Versammlungsräume erfüllt vom Zeugnis tiefen Glaubens, aufopfernder Liebe, unerschütterlicher Hoffnung, lang erprobter Einsatzbereitschaft, beharrlichen Mutes, barmherziger Vergebung. In den verschiedenen Beiträgen kam die Wahrheit der Worte Jesu deutlich zum Ausdruck: »Ich bin bei euch alle Tage« (Mt 28,20). Die Synode war eine Zeit der Gnade, eine Begegnung mit dem Erlöser, der immer gegenwärtig ist in seiner Kirche durch die Kraft des Heiligen Geistes, die wir im brüderlichen Dialog des Lebens, der Gemeinschaft und der Sendung erfahren.

Die Früchte der Sonderversammlung teilen


4 Durch dieses nachsynodale Schreiben möchte ich mit der in Asien und in der ganzen Welt gegenwärtigen Kirche die Früchte der Sonderversammlung teilen. Das Dokument will eine Darlegung der reichen Früchte der Synode sein, jenes großen geistlichen Ereignisses bischöflicher Gemeinschaft und Kollegialität zur Erinnerung an die Entstehung des Christentums in Asien. Die Synodenväter sprachen von der ersten christlichen Gemeinde, der Urkirche, der kleinen Herde Jesu auf diesem enormen Kontinent (vgl. Lk Lc 12,32). Sie erinnerten an das, was die Kirche von Anfang an empfangen und gehört hatte (vgl. Offb Ap 3,3) und priesen die nie versiegende »große Güte« Gottes (Ps 145,7). Die Synode war auch eine Gelegenheit zur Anerkennung alter religiöser Traditionen und Kulturen, der tiefgründigen Philosophien und Weisheiten, die das heutige Asien geformt haben. Vor allem wurde von den asiatischen Völkern selbst, dem wahren Reichtum des Kontinents und der Hoffnung für die Zukunft, gesprochen. Diejenigen unter uns, die an der Synode teilgenommen haben, waren Zeugen einer ausgesprochen fruchtbaren Begegnung zwischen alten und neuen Kulturen und Zivilisationen Asiens, wundervoll anzusehen in ihren Verschiedenheiten und Übereinstimmungen, insbesondere wenn Symbole, Gesang, Tanz und Farben in harmonischer Eintracht an der einen Mensa des Herrn bei der eucharistischen Eröffnungs- und Abschlußfeier zusammentrafen.

Die Synode war keineswegs ein von Stolz über erzielte menschlichen Erfolge motivierter Anlaß, sondern vielmehr ein Ereignis im Bewußtsein dessen, was der Allmächtige für die Kirche in Asien getan hat (vgl. Lk Lc 1,49). Die Erinnerung an die bescheidenen Umstände der katholischen Gemeinschaft und die Schwachheit ihrer Mitglieder ließ die Synode auch zu einem Ruf nach Erneuerung werden, damit die Kirche in Asien jener Gnaden stets würdiger werde, die Gott ihr immerfort schenkt.

Die Synode war nicht nur feierliches Ereignis und Erinnerung, sondern auch tiefe Zustimmung zum Glauben an Jesus Christus, den Erlöser. Als Ausdruck ihrer Dankbarkeit für das Geschenk des Glaubens gaben die Synodenväter diesem ihre unverkürzte Zustimmung und dachten über den Kontext nach, in dem er im heutigen Asien verkündet und bezeugt werden muß. Häufig betonten sie, daß trotz großer Schwierigkeiten der Glaube vielfach schon heute voll Zuversicht und Mut auf dem asiatischen Kontinent verkündet wird. Im Namen vieler Millionen Menschen in Asien, die nur ihm, dem Herrn, vertrauen, bekannten die Synodenväter: »Wir sind zum Glauben gekommen und haben erkannt: Du bist der Heilige Gottes« ( Joh Jn 6,69). Angesichts zahlreicher schmerzlicher, mit Leiden, Gewalt, Diskriminierung und Armut verbundener Situationen, von denen die Bevölkerung Asiens weitgehend betroffen ist, haben sie gebetet: »Ich glaube, hilf meinem Unglauben!« (Mc 9,24).

Im Jahre 1995 forderte ich die in Manila versammelten asiatischen Bischöfe auf, »die Türen und Tore Asiens weit für Christus zu öffnen«.(6) Im Vertrauen auf das Geheimnis der Gemeinschaft mit unzähligen, oft unbekannten Märtyrern des Glaubens in Asien und durch die immerwährende Präsenz des Heiligen Geistes in der Hoffnung bestärkt, richteten die Synodenväter einen mutigen Aufruf an die Jünger Christi in Asien und forderten sie zu neuem missionarischen Einsatz auf. Während der Synodenversammlung legten die Bischöfe ebenso wie andere Teilnehmer Zeugnis ab von jener prägenden Kraft, jenem geistlichen Feuer und Eifer, die Asien im kommenden Jahr tausend sicher zu einem Kontinent der überreichen Ernte machen werden.

KAPITEL I


DER ASIATISCHE KONTEXT


Asien, Geburtsort Christi und der Kirche


5 Die Menschwerdung des Gottessohnes, deren Gedächtnis die gesamte Kirche mit dem Großen Jubiläum des Jahres 2000 feiern wird, ereignete sich in einem bestimmten historischen und geographischen Kontext, der das Leben und die Sendung des menschgewordenen Erlösers wesentlich beeinflußt hat. »Gott hat in Jesus Christus die der menschlichen Natur eigenen Wesensmerkmale angenommen, die notwendige Zugehörigkeit des Menschen zu einem bestimmten Volk und einem bestimmten Land eingeschlossen. … Die physische Konkretheit des Landes und seine geographischen Koordinaten werden eins mit der Wahrheit des menschlichen Fleisches, das vom Wort angenommen wurde.« (7) Folglich ist die Kenntnis der Welt, in der der Erlöser »unter uns gewohnt hat« (vgl . Joh Jn 1,14), ein wichtiger Schlüssel für ein genaueres Verständnis des vom ewigen Vater entworfenen Planes und seiner grenzenlosen Liebe zu jedem seiner Geschöpfe: »Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat« (Jn 3,16).

Auf gleiche Art und Weise lebt und erfüllt die Kirche ihre Sendung in konkreten zeitlichen und räumlichen Situationen. Wenn das Volk Gottes in Asien durch die Neuevangelisierung dem göttlichen Willen ihm gegenüber entsprechen will, muß es sich der komplexen Wirklichkeit dieses Kontinents zutiefst bewußt sein. Die Synodenväter haben hervorgehoben, daß die Sendung der Liebe und des Dienstes der Kirche in Asien von zwei Faktoren bestimmt wird: einerseits das Bewußtsein ihrer Rolle als eine um die Hirten versammelte Gemeinschaft der Jünger Jesu Christi; andererseits die auf dem riesigen asiatischen Kontinent extrem unterschiedlichen gesellschaftlichen, politischen, religiösen, kulturellen und wirtschaftlichen Realitäten, (8) die im Verlauf der Synode eingehend von denen untersucht wurden, die täglich damit in Berührung kommen. Folgendes ist eine synthetische Darlegung der während der Synode herangereiften Ergebnisse.

Religiöse und kulturelle Realitäten


6 Asien ist der größte Kontinent der Erde, auf dem etwa zwei Drittel der Weltbevölkerung leben, während sich auf China und Indien allein fast die Hälfte der Gesamtbevölkerung konzentriert. Auffallend ist in Asien vor allem die Verschiedenartigkeit seiner Völker, »Erben alter Kulturen, Religionen und Traditionen«.(9) Aber auch die enorme zahlenmäßige Größe der Bevölkerung Asiens ist unweigerlich beeindruckend, ebenso das bunte Mosaik seiner vielen Kulturen, Sprachen, Überzeugungen und Traditionen – zweifellos ein wesentlicher Teil der Geschichte und des Erbgutes der menschlichen Familie.

Asien ist auch die Wiege der großen Weltreligionen wie Judentum, Christentum, Islam und Hinduismus. Hier entstanden viele weitere spirituelle Traditionen, wie Buddhismus, Taoismus, Konfuzianismus, Parsismus, Jainismus, Sikh und Shintoismus. Außerdem sind Millionen von Menschen Anhänger traditioneller oder Stammesreligionen auf unterschiedlicher Stufe, was Riten, Strukturen und formelle religiöse Unterweisung angeht. Die Kirche begegnet diesen Traditionen mit größter Hochachtung und bemüht sich um einen aufrichtigen Dialog mit deren Anhängern. Die von ihnen gelehrten religiösen Werte erwarten ihre Erfüllung in Jesus Christus.

Die Bevölkerung Asiens ist stolz auf ihre religiösen und charakteristischen kulturellen Werte, wie beispielsweise die Liebe zur Stille und Kontemplation, Einfachheit, Harmonie, Loslösung, Gewaltlosigkeit, der Sinn für harte Arbeit, Disziplin, Genügsamkeit, der Drang nach Wissen und philosophischer Erkenntnis.(10) Hochgeachtet sind Werte wie Achtung vor dem Leben, Mitgefühl für alle Lebewesen, Naturverbundenheit, respektvolle Haltung der Kinder gegenüber den Eltern, alten Menschen, den Vorfahren sowie ein ausgeprägter Gemeinschaftsgeist.(11) Insbesondere betrachtet man die Familie als unerläßliche Quelle der Kraft, als engverbundene, von starkem Solidaritätsgeist gekennzeichnete Gemeinschaft.(12) Die Völker Asiens sind bekannt für die religiöse Toleranz und den Geist friedlicher Koexistenz. Ohne Spannungen und harte Konflikte leugnen zu wollen, kann dennoch gesagt werden, daß Asien oft eine große Anpassungsfähigkeit und eine natürliche Offenheit für die gegenseitige Bereicherung der Völker in einer Vielfalt von Religionen und Kulturen bewiesen hat. Darüber hinaus zeigen die Religionen Asiens trotz der Beeinflussung durch Modernisierung und Verweltlichung eine große Vitalität und Erneuerungsfähigkeit, wie die Reformbewegungen innerhalb der verschiedenen Religionsgruppen beweisen. Viele, insbesondere unter den Jugendlichen, zeigen ein tiefes Verlangen nach spirituellen Werten, was das Aufkommen neuer religiöser Bewegungen deutlich macht.

All das ist Ausdruck einer das asiatische Wesen kennzeichnenden natürlichen spirituellen Eingebung und moralischen Weisheit, jener Kern, um den sich das wachsende Bewußtsein bildet, »Asiaten» zu sein. Dieses Bewußtsein läßt sich weniger durch Gegensätzlichkeit oder Opposition finden und festigen als vielmehr durch Komplimentarität und Harmonie. In einem solchen Rahmen der Komplimentarität und Harmonie kann die Kirche das Evangelium auf eine Art und Weise verkünden, die sowohl der ihr eigenen Tradition als auch dem asiatischen Wesen entspricht.

Wirtschaftliche und soziale Realitäten


7 Im Bereich der wirtschaftlichen Entwicklung sind die jeweiligen Bedingungen auf dem asiatischen Kontinent sehr unterschiedlich und entgehen jeder vereinfachenden Klassifizierung. Einige Länder sind hochentwickelt, andere fördern ihre Entwicklung durch angemessene wirtschaftspolitische Strategien, während wiederum andere noch immer in tiefster Armut leben und zweifellos zu den weltweit ärmsten Nationen gehören. Dieser Entwicklungsprozeß führt insbesondere in städtischen Gebieten zu Materialismus und Säkularisierung. Diese die traditionellen, gesellschaftlichen und religiösen Werte bedrohenden Ideologien können den asiatischen Kulturen unermeßlichen Schaden zufügen.

Die Synodenväter haben von dem raschen Wandel der asiatischen Gesellschaften und seinen positiven und negativen Aspekten gesprochen, wie beispielsweise über das Phänomen der Landflucht und das Heranwachsen riesiger Städte, oft mit ausgedehnten rückständigen Gebieten, wo organisiertes Bandentum, Terrorismus, Prostitution und die Ausbeutung der schwächsten gesellschaftlichen Gruppierungen dominieren. Auffallend ist auch ein weiteres soziales Phänomen, die Emigration, welche Millionen von Menschen in wirtschaftliche, kulturelle und moralische Schwierigkeiten bringt. Verantwortlich für die interne oder auch externe Emigration sind unter anderem Armut, Krieg, ethnische Konflikte, Verweigerung von Menschenrechten und Grundfreiheiten. Das Entstehen riesiger Industriekomplexe ist eine weitere Ursache der Migration, sowohl der Binnen- als auch der Auslandsmigration, mit verheerenden Auswirkungen auf das Familienleben und dessen grundlegende Werte. Erwähnt wurde auch der Bau von Atomkraftwerken, die insbesondere unter dem Aspekt von Kosten und Leistungsfähigkeit gesehen werden, denen aber im Hinblick auf Sicherheit und Umweltschutz nur wenig Aufmerksamkeit gewidmet wird.

Tourismus ist ein weiterer Bereich, der ganz besondere Beachtung erfordert. Obwohl es sich um einen durchaus legitimen Gewerbezweig mit eigenen kulturellen und bildungsmäßigen Werten handelt, hat der Tourismus in manchen Fällen einen in moralischer und physischer Hinsicht verheerenden Einfluß auf die Physiognomie zahlreicher asiatischer Länder, wie die Entwürdigung von jungen Frauen und auch von Kindern durch Prostitution beweist.(13) Die Seelsorge für Emigranten und Touristen ist eine schwierige und komplexe Aufgabe vor allem in Asien, wo es an geeigneten Strukturen für diesen Zweck fehlt. Auf allen Ebenen muß die pastorale Arbeit diese Realitäten berücksichtigen. Keineswegs dürfen wir die Emigranten der orientalischen katholischen Kirchen vergessen, die eine ihren eigenen Traditionen entsprechende Seelsorge benötigen.(14)

Verschiedene Länder Asiens haben mit Schwierigkeiten zu kämpfen, die mit dem raschen Bevölkerungswachstum verbunden sind, was »nicht lediglich ein demographisches oder wirtschaftliches, sondern vielmehr ein moralisches Problem ist«.(15) Zweifellos steht die Bevölkerungsfrage in unmittelbarem Zusammenhang mit der menschlichen Entwicklung, aber viele irrige Lösungen bedrohen die Würde und Unantastbarkeit des Lebens und sind somit eine ganz besondere Herausforderung für die Kirche in Asien. Erwähnenswert ist an dieser Stelle vielleicht der Beitrag der Kirche zur Verteidigung und Förderung des Lebens durch den Einsatz im Bereich des Gesundheitswesens, auf dem Sektor der sozialen Entwicklung, der Erziehung und Bildung, und ihre besondere Hinwendung zu den Armen. Wie angemessen war doch die hohe Wertschätzung für Mutter Therese von Kalkutta, »deren Namen und selbstloser Einsatz für die Ärmsten der Armen in der ganzen Welt berühmt war«.(16) Sie war und ist ein Vorbild für den Dienst am Leben, den die Kirche dem asiatischen Kontinent anbietet, in mutigem Gegensatz zu den zahlreichen zwielichtigen in der Gesellschaft wirkenden Kräften.

Verschiedene Synodenväter haben die von außen auf die asiatischen Kulturen einwirkenden Einflüsse hervorgehoben. Neue Verhaltensformen kommen auf, die auf den übertriebenen Gebrauch von Kommunikationsmitteln und ganz allgemein von Literatur, Musik und Film zurückzuführen sind, die sich überall auf dem Kontinent ausbreiten. Ohne die zweifellos positiven Aspekte der Massenkommunikationsmittel bestreiten zu wollen,(17) kann jedoch ihr oft negativer Einfluß nicht übersehen werden. Die positiven Auswirkungen werden zuweilen zunichte gemacht, wenn diese Mittel von denjenigen kontrolliert und eingesetzt werden, die zweifelhafte politische, wirtschaftliche und ideologische Interessen vertreten. In direkter Folge sind die negativen Aspekte der Medien- und Unterhaltungsindustrie eine Gefahr für die traditionellen Werte, insbesondere die Heiligkeit der Ehe und die Stabilität der Familie. Die Wirkung, die durch die Darstellung von Gewalt, Hedonismus, zügellosem Individualismus und Materialismus erzielt wird, »treffen das Herz der asiatischen Kulturen, den religiösen Charakter von Personen, Familien und ganzen Gesellschaften«.(18) Diese Situation ist eine große Herausforderung für die Kirche und die Verkündigung ihrer Botschaft.

Die anhaltende Realität der Armut und der Ausbeutung der Menschen ist ein drängendes und besorgniserregendes Problem. In Asien leben Millionen von Menschen in einem Zustand ständiger Unterdrückung; seit Jahrhunderten führen sie in wirtschaftlicher, kultureller und politischer Hinsicht ein Dasein am Rande der Gesellschaft.(19) Im Hinblick auf die Stellung der Frau in den asiatischen Gesellschaften stellten die Synodenväter fest, daß, »obwohl das zunehmende Bewußtsein der Frauen bezüglich ihrer Würde und Rechte eines der bedeutendsten Zeichen unserer Zeit ist, ihre Armut und ihre Ausnutzung in ganz Asien ein ernstes Problem bleibt«.(20) Analphabetentum ist unter Frauen wesentlich weiter verbreitet als unter Männern; Mädchen werden weitaus häufiger abgetrieben oder sofort nach der Geburt getötet. Ferner leben Millionen von Indigenen und Stammesvölkern in vollkommener gesellschaftlicher, kultureller und politischer Isolation gegenüber der dominierenden Bevölkerung.(21) Trostspendend war die Versicherung der bei der Synode anwesenden Bischöfe, daß in verschiedenen Fällen diesen Problemen auf nationaler, regionaler und internationaler Ebene wachsende Aufmerksamkeit geschenkt wird und die Kirche aktiv versucht, dieser ernsten Situation entgegenzuwirken.

Die Synodenväter betonten, daß die notwendigerweise knappe Reflexion über die Aspekte der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Realitäten Asiens ohne die Berücksichtigung des starken Wirtschaftswachstums zahlreicher asiatischer Gesellschaften in den vergangenen Jahrzehnten nicht vollständig sein könne: Tag für Tag wächst eine neue Generation von Facharbeitern, Wissenschaftlern und Technikern heran, deren große Anzahl vielversprechend ist für die Entwicklung Asiens. Dennoch ist nicht alles sicher und beständig in diesem Prozeß, was die jüngsten, umfangreichen Finanzkrisen deutlich gezeigt haben, von denen viele Länder des Kontinents betroffen waren. Die Zukunft Asiens liegt in der Kooperation, sowohl inner halb des Kontinents wie auch mit außerasiatischen Nationen, die jedoch stets auf dem aufbauen muß, was die Völker Asiens selbst für ihre eigene Entwicklung leisten.

Politische Realitäten


8 Stets braucht die Kirche eine genaue Vorstellung von der politischen Situation der verschiedenen Länder, in denen sie ihre Sendung versieht. Heute ist das politische Panorama in Asien von überaus komplexer Natur mit zahlreichen verschiedenen Ideologien, die Regierungsformen von der Demokratie bis zur Theokratie inspirieren. Bedauerlicherweise sind auch Militärdiktaturen und atheistische Ideologien vertreten. Einige Länder haben eine offizielle Staatsreligion, die Minderheiten und Anhängern anderer Religionen wenig oder überhaupt keine Religionsfreiheit einräumt. Andere, zwar nicht ausgesprochen theokratische Staaten, degradieren Minderheiten zu Bürgern zweiter Klasse in offener Mißachtung der Grundrechte des Menschen. Mancherorts werden Christen als Verräter des eigenen Landes angesehen,(22) werden verfolgt und haben keinen Anspruch auf ihren rechtmäßigen Platz in der Gesellschaft. Insbesondere erwähnten die Synodenväter das chinesische Volk und gaben dem innigen Wunsch Ausdruck, daß eines Tages alle Katholiken Chinas ihre Religion frei ausüben und offen ihre volle Gemeinschaft mit dem Hl. Stuhl bekennen können.(23)

Den Fortschritt vieler Länder Asiens verschiedener Regierungsformen durchaus anerkennend, machten die Synodenväter dennoch auch auf das verbreitete Phänomen der Korruption aufmerksam, das auf unterschiedlichen Ebenen sowohl in Regierungskreisen als auch in der Gesellschaft existiert.(24) Allzu oft scheinen die Menschen nicht in der Lage zu sein, sich gegen korrupte Politiker, Gerichts- oder Verwaltungsbeamte sowie Bürokraten zu verteidigen. Doch ist das wachsende Bewußtsein der asiatischen Bevölkerung hinsichtlich ihrer Fähigkeit, ungerechte Strukturen zu ändern, nicht zu übersehen. Erneut fordert man größere soziale Gerechtigkeit, größere Beteiligung an der Regierung und am Wirtschaftsleben, gleiche Ausbildungschancen und eine gerechtere Verteilung der Ressourcen des Landes. Die Bürger werden sich ihrer Würde und ihrer Rechte als Menschen in zunehmendem Maße bewußt und zeigen eine immer größere Entschlossenheit, sie zu verteidigen. Ethnische, soziale und kulturelle Minderheiten, die lange Zeit kein Lebenszeichen von sich gegeben hatten, suchen nun nach Wegen, um die eigene soziale Entwicklung zu fördern. Der Geist Gottes unterstützt und fördert die Bemühungen derer, die sich für die Erneuerung der Gesellschaft einsetzen, damit sich das Streben des Menschen nach dem Leben, dem Leben in Fülle, nach dem Willen Gottes verwirkliche (vgl. Joh
Jn 10,10).

Die Kirche in Asien: Vergangenheit und Gegenwart


9 Die Geschichte der Kirche in Asien ist so alt wie die Kirche selbst, denn in Asien hauchte Jesus seinen Jüngern den Heiligen Geist ein und sandte sie in alle Welt, um die Frohbotschaft zu verkünden und christliche Glaubensgemeinschaften zu gründen. »Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch« (Joh 20,21, vgl. Mt 28,18–20; Mk 16,15–18; Lc 24,47 Ac 1,8). Dem Auftrag des Herrn folgend, verkündeten sie das Evangelium und gründeten Kirchen. Es ist sicherlich nützlich, einige Elemente dieser faszinierenden und komplexen Geschichte auf asiatischem Boden in Erinnerung zu rufen.

Von Jerusalem aus verbreitete sich die Kirche in Antiochien, in Rom und darüber hinaus bis nach Äthiopien im Süden, nach Skytien im Norden und nach Indien im Osten, wo nach der Tradition der Apostel Thomas 52 n. Chr. im Süden des Landes Kirchen gründete. Ein außerordentlicher missionarischer Geist kennzeichnete im dritten und vierten Jahrhundert die ostsyrische Gemeinde mit ihrem Zentrum Edessa. Vom dritten Jahrhundert an waren die asketischen Gemeinden Syriens von grundlegender Bedeutung für die Evangelisierung Asiens und vermittelten besonders in Zeiten der Verfolgung die geistliche Kraft der Kirche. Armenien war zu Ende des dritten Jahrhunderts die erste Nation, die das Christentum annahm: Heute bereitet es sich auf den 1700. Jahrestag seiner Taufe vor. Gegen Ende des fünften Jahrhunderts war die christliche Botschaft bis zu den arabischen Reichen vorgedrungen, wo sie jedoch aus verschiedenen Gründen, einschließlich der Spaltungen unter den Christen, keine Wurzeln schlagen konnte.

Im fünften Jahrhundert brachten persische Händler die Frohbotschaft nach China, wo Anfang des siebten Jahrhunderts die erste christliche Kirchengemeinde errichtet wurde. Während der T’ang-Dynastie (618–907) erlebte die Kirche eine zweihundertjährige Blüte. Der Niedergang der lebendigen Kirche in China gegen Ende des ersten Jahrtausends gehört zu den traurigsten Kapiteln der Geschichte des Gottesvolkes auf dem asiatischen Kontinent.

Im dreizehnten Jahrhundert gab es Versuche, die Frohbotschaft den Mongolen, den Türken und auch wieder den Chinesen zu verkünden, aber aus vielerlei Gründen ging das Christentum fast völlig unter in diesen Gebieten: unter anderem durch das Aufkommen des Islam, die geographische Isolierung, das Fehlen einer entsprechenden Anpassung an die lokalen Kulturen und wohl vor allem aufgrund der mangelhaften Vorbereitung auf die Begegnung mit den großen Religionen Asiens. Gegen Ende des vierzehnten Jahrhunderts kam es zu einem dramatischen Rückgang der kirchlichen Präsenz in Asien, von der lediglich die isolierte Gemeinschaft in Südindien ausgenommen war. Die Kirche in Asien mußte auf eine neue Ära missionarischer Tätigkeit warten.

Das apostolische Bemühen des hl. Franz Xaver, die Gründung der Kongregation »Propaganda Fide« durch Papst Gregor XV. und die Weisungen an die Missionare, lokale Kulturen zu achten und zu schätzen, trugen im Lauf des sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderts dazu bei, positivere Resultate zu erzielen. Das neunzehnte Jahrhundert erlebte ein neues Erwachen der missionarischen Tätigkeit, und verschiedene Ordensgemeinschaften widmeten sich ausschließlich dieser Aufgabe. Die »Propaganda Fide« wurde neu organisiert; der Aufbau von Ortskirchen erhielt größere Bedeutung; erzieherische und karitative Initiativen kamen zusammen mit der Verkündigung des Evangeliums. Die Frohbotschaft erreichte somit eine stets größere Anzahl von Menschen, insbesondere unter den Armen und Benachteiligten, aber hier und da auch unter der gesellschaftlichen und intellektuellen Elite. Man unternahm neue Versuche zur Inkulturation der Frohbotschaft, die sich jedoch als vollkommen unzulänglich erwiesen. Trotz ihrer jahrhundertelangen Präsenz und ihres apostolischen Einsatzes war die Kirche in vielen Teilen Asiens noch immer fremd, und in der Mentalität des Volkes wurde sie tatsächlich oft mit den Kolonialmächten gleichgestellt.

Das war die Situation zu Beginn des II. Vatikanischen Konzils. Doch durch seine Impulse reifte in der Kirche ein neues Verständnis ihrer Sendung heran; es kam wieder Hoffnung auf. Die Universalität des göttlichen Heilsplanes, die missionarische Natur der Kirche und – in ihrem Inneren – die Verantwortung jedes einzelnen gegenüber den Aufgaben, die das Konzilsdekret über die Missionstätigkeit Ad gentes nachdrücklich bekräftigt, sind maßgebliche Anhaltspunkte zur Erneuerung unseres Einsatzes. Während der Synodenversammlung haben die Väter von dem erneuten Anwachsen der Kirchengemeinden unter vielen verschiedenen Völkern in mehreren Teilen des Kontinents berichtet und gleichzeitig zu neuen missionarischen Initiativen für die kommenden Jahre aufgerufen, vor allem in Anbetracht der Tatsache, daß sich in den Regionen Zentralasiens, wie beispielsweise in Sibirien oder in Ländern wie Kasachstan, Usbekistan, Kirgisistan, Tadschikistan und Turkmenistan, die erst vor kurzem unabhängig geworden sind, neue Wege der Verkündigung des Evangeliums auftun.(25)

Ein Überblick über die katholischen Gemeinden Asiens zeigt eine wunderbare Vielfalt bei der Betrachtung der Entstehung, der geschichtlichen Entwicklung wie auch der verschiedenen spirituellen und liturgischen Traditionen der jeweiligen Riten. Jedoch alle gemeinsam verkünden sie die Frohbotschaft Jesu Christi durch das christliche Zeugnis und Werke der Barmherzigkeit und menschlicher Solidarität. Während einige Teilkirchen ihren Auftrag in einem Klima des Friedens und der Freiheit erfüllen können, sind andere mit Gewalttätigkeit und Konflikten konfrontiert oder fühlen sich aus religiösen oder anderen Gründen von verschiedenen Gruppen bedroht. In der so unterschiedlichen kulturellen Welt Asiens steht die Kirche vor speziellen philosophischen, theologischen und pastoralen Problemen, und ihre Aufgabe wird durch ihre Stellung als Minderheit zusätzlich erschwert; einzige Ausnahme sind die Philippinen, wo die Katholiken die Mehrheit bilden.

Welche Umstände auch immer vorherrschen, ist die Kirche in Asien unter Menschen mit einem starken Verlangen nach Gott, und sie weiß, daß Jesus Christus, die Frohbotschaft Gottes für alle Nationen, diesem Verlangen voll und ganz entsprechen kann. Es ist ein ausdrückliches Anliegen der Synodenväter, daß das vorliegende Nachsynodale Apostolische Schreiben auf diesen Wunsch eingeht und die Kirche in Asien ermutigt möge, mit kraftvollen Worten und Taten Jesus Christus, den Erlöser, zu verkünden.

Der Geist Gottes, stets wirksam in der Geschichte der Kirche in Asien, wird diese auch weiterhin führen. Und zahlreiche positive, in den Ortskirchen vorhandene Elemente, die die Synode oft hervorgehoben hat, stärken die Hoffnung auf einen »neuen Frühling christlichen Lebens«.(26) Grund zur Hoffnung gibt die wachsende Zahl gut ausgebildeter, begeisterter und vom Heiligen Geist erfüllter Laien, die sich ihrer besonderen Berufung innerhalb der kirchlichen Gemeinschaft in zunehmendem Maße bewußt sind. Hier muß vor allem den Katechisten ein dankbares Lob ausgesprochen werden.(27) Auch die apostolischen und charismatischen Bewegungen sind eine Gabe des Heiligen Geistes, denn durch sie erhält die Bildung der Laien, der Familien und Jugendlichen neues Leben und Kraft.(28) Durch die kirchlichen Vereinigungen und Bewegungen, die sich für die Förderung der Menschenwürde und der Gerechtigkeit einsetzen, wird der universale Charakter der Botschaft des Evangeliums von unserer Gotteskindschaft schließlich verständlich und faßbar (vgl. Röm 8,15–16).

Gleichzeitig gibt es Kirchen, die unter schwierigsten Bedingungen leben und »deren Glaubenspraxis schweren Prüfungen unterliegt«. (29) Tiefbewegt waren die Synodenväter von den Berichten über das heroische Zeugnis, die unbeugsame Standhaftigkeit und das kontinuierliche Wachstum der katholischen Kirche in China, die Bemühungen der Kirche in Südkorea zur Unterstützung der nordkoreanischen Bevölkerung, die geduldige Beharrlichkeit der katholischen Gemeinde Vietnams, die Isolation der Christen in Laos und Myanmar, die problematische Koexistenz mit der Mehrheit in verschiedenen überwiegend islamischen Staaten.(30) Ganz besondere Aufmerksamkeit widmete die Synode der Kirche im Heiligen Land und in der Heiligen Stadt Jerusalem, »dem Herzen des Christentums«,(31) dieser allen Kindern Abrahams teuren Stadt. Die Synodenväter äußerten die Meinung, der Friede in der Region und selbst in der ganzen Welt hänge weitgehend von der Wiederversöhnung und dem Frieden ab, die Jerusalem seit langem fehlen. (32)

Dieser notwendigerweise unvollständige Überblick über die Situation der Kirche in Asien kann nicht abgeschlossen werden, ohne die Heiligen und Märtyrer Asiens zu erwähnen: die offiziell heiliggesprochenen und diejenigen, die allein Gott kennt. Ihr Beispiel ist eine Quelle »spirituellen Reichtums und ein wertvolles Instrument der Evangelisierung«.(33) Durch ihr Schweigen sprechen sie auf wirksame Art und Weise von der Heiligkeit des Lebens und von der Bereitschaft, das eigene Leben für das Evangelium hinzugeben. Sie sind die Lehrmeister und Beschützer, der Ruhm der Kirche Asiens und des Werkes ihrer Evangelisierung. Gemeinsam mit der ganzen Kirche bitte ich den Herrn, noch weiterhin Arbeiter für die schon große Ernte der Seelen auszusenden (vgl. Mt9,37–38). In dieser Hinsicht möchte ich daran erinnern, was ich schon in meiner EnzyklikaRedemptoris missio betonte: »Gott öffnet der Kirche die Horizonte einer Menschheit, die für den Samen des Wortes der Frohbotschaft leichter empfänglich ist.«(34) Neue und vielversprechende Horizonte öffnen sich in Asien, wo Jesus zur Welt kam und das Christentum seinen Anfang nahm.




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