Evangelium vitae DE 67


67 Ganz anders hingegen ist der Weg der Liebe und des echten Mitleids, den unser gemeinsames Menschsein vorschreibt und den der Glaube an Christus, den Erlöser, der gestorben und auferstanden ist, mit neuen Einsichten erhellt. Die Bitte, die bei der äußersten Konfrontation mit dem Leid und dem Tod besonders dann aus dem Herzen des Menschen kommt, wenn er versucht ist, sich in seine Verzweiflung zurückzuziehen und in ihr unterzugehen, ist vor allem Bitte um Begleitung, um Solidarität und um Beistand in der Prüfung. Sie ist flehentliche Bitte um Hilfe, um weiter hoffen zu können, wenn alle menschlichen Hoffnungen zerrinnen. Wie uns das II. Vatikanische Konzil zu bedenken gab, wird für den Menschen »angesichts des Todes das Rätsel des menschlichen Daseins am größten«; und trotzdem »urteilt er im Instinkt seines Herzens richtig, wenn er die völlige Zerstörung und den endgültigen Untergang seiner Person mit Entsetzen ablehnt. Der Keim der Ewigkeit im Menschen läßt sich nicht auf die bloße Materie zurückführen und wehrt sich gegen den Tod«. 86

Erhellt und zum Abschluß gebracht werden diese natürliche Abneigung gegen den Tod und diese keimhafte Hoffnung auf Unsterblichkeit durch den christlichen Glauben, der die Teilhabe am Sieg des auferstandenen Christus verheißt und anbietet: es ist der Sieg dessen, der durch seinen Erlösungstod den Menschen vom Tod, dem »Lohn der Sünde« (
Rm 6,23), befreit und ihm den Geist, das Unterpfand für Auferstehung und Leben, geschenkt hat (vgl. Rm 8,11). Die Gewißheit über die zukünftige Unsterblichkeit und die Hoffnung auf die verheißene Auferstehung werfen ein neues Licht auf das Geheimnis des Leidens und Sterbens und erfüllen den Gläubigen mit einer außerordentlichen Kraft, sich dem Plan Gottes anzuvertrauen.

Der Apostel Paulus hat dieses Neue in den Worten von einer völligen Zugehörigkeit zum Herrn, der den Menschen in jeder Lage umfängt, zum Ausdruck gebracht: »Keiner von uns lebt sich selber, und keiner stirbt sich selber: Leben wir, so leben wir dem Herrn, sterben wir, so sterben wir dem Herrn. Ob wir leben oder ob wir sterben, wir gehören dem Herrn« (Rm 14,7-8).Sterben für den Herrn heißt den eigenen Tod als letzten Gehorsamsakt gegenüber dem Vater erleben (vgl. Ph 2,8), indem wir die Begegnung mit dem Tod in der von Ihm gewollten und beschlossenen »Stunde« annehmen (vgl. Jn 13,1), der allein zu sagen vermag, wann unser irdischer Weg zu Ende ist. Leben für den Herrn heißt auch anerkennen, daß das Leid, auch wenn es an sich ein Übel und eine Prüfung bleibt, immer zu einer Quelle des Guten werden kann. Das ist der Fall, wenn es aus Liebe und mit Liebe, aus freiwilliger Hingabe an Gott und aus freier persönlicher Entscheidung in der Teilhabe am Leiden des gekreuzigten Christus selber gelebt wird. Auf diese Weise wird der, der sein Leiden im Herrn lebt, Ihm vollkommener ähnlich (vgl. Ph 3,10 1P 2,21) und hat zutiefst teil an seinem Erlösungswerk für die Kirche und die Menschheit 87 Das ist die Erfahrung des Apostels, die auch jeder leidende Mensch nachzuleben aufgerufen ist: »Jetzt freue ich mich in den Leiden, die ich für euch ertrage. Für den Leib Christi, die Kirche, ergänze ich in meinem irdischen Leben das, was an den Leiden Christi noch fehlt« (Col 1,24).

86) Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. GS 18.
87) Vgl. Johannes Paul II., Apostol. Schreiben Salvifici doloris (11. Februar 1984), Nr. 14-24: AAS 76 (1984), 214-234.



»Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen\i«

(Ac 5,29):

Staatliches Gesetz und Sittengesetz


68 Eines der Wesensmerkmale der — schon mehrmals erwähnten — derzeitigen Anschläge auf das menschliche Leben besteht in dem Bestreben, gesetzliche Legitimation für sie zu fordern, so als würde es sich um Rechte handeln, die der Staat, zumindest unter bestimmten Bedingungen, den Bürgern zuerkennen müsse, und demzufolge in dem Bestreben, die Umsetzung dieser Rechte mit dem sicheren und unentgeltlichen Beistand der Ärzte und des Pflegepersonals zu verlangen.

Nicht selten wird behauptet, das Leben eines ungeborenen oder eines sich in völliger Schwäche befindlichen Menschen sei nur ein relatives Gut: entsprechend einer Logik der Verhältnismäßigkeit oder des kalten Kalküls sollte es mit anderen Gü- tern verglichen und abgewogen werden. Und es wird auch behauptet, daß nur jemand, der sich in der konkreten Situation befindet und persönlich involviert ist, eine gerechte Abwägung der Güter vornehmen könne, um die es geht: infolgedessen könnte nur er über die Sittlichkeit seiner Entscheidung bestimmen. Der Staat sollte daher im Interesse des zivilen Zusammenlebens und der sozialen Eintracht diese Entscheidung respektieren und endlich auch Abtreibung und Euthanasie zulassen.

Bisweilen wird die Meinung vertreten, das staatliche Gesetz könne nicht verlangen, daß alle Bürger einem Sittlichkeitsgrad gemäß leben, der höher ist als jener, den sie selber anerkennen und teilen. Deshalb sollte das Gesetz immer Ausdruck der Meinung und des Willens der Mehrheit der Bürger sein und ihnen, wenigstens in bestimmten Extremfällen, auch das Recht auf Abtreibung und auf Euthanasie zuerkennen. Im übrigen würde das Verbot und die Bestrafung von Abtreibung und Euthanasie in diesen Fällen — so wird behauptet — unvermeidbar zu einer Zunahme illegaler Praktiken führen: diese wären allerdings nicht der notwendigen sozialen Kontrolle unterworfen und würden ohne die erforderliche ärztliche Sicherheit vorgenommen. Hier fragt man sich außerdem, ob das Festhalten an einem konkret nicht anwendbaren Gesetz nicht am Ende bedeute, daß auch die Glaubwürdigkeit jedes anderen Gesetzes untergraben werde.

Die radikalsten Meinungsäußerungen gehen schließlich soweit zu behaupten, in einer modernen und pluralistischen Gesellschaft müßte jedem Menschen volle Autonomie zuerkannt werden, über das eigene Leben und das Leben des ungeborenen Kindes zu verfügen: die Wahl und Entscheidung zwischen den verschiedenen Moralauffassungen wäre in der Tat nicht Sache des Gesetzes, und noch weniger könnte es sich die Auferlegung einer einzelnen dieser Auffassungen zum Nachteil der anderen anmaßen.



69 Auf jeden Fall ist in der demokratischen Kultur unserer Zeit die Meinung weit verbreitet, wonach sich die Rechtsordnung einer Gesellschaft darauf beschränken sollte, die Überzeugungen der Mehrheit zu verzeichnen und anzunehmen, und daher nur auf dem aufbauen, was die Mehrheit selber als moralisch anerkennt und lebt. Wenn dann sogar die Meinung vertreten wird, eine allgemeine und objektive Wahrheit sei de facto unannehmbar, würde es die Achtung vor der Freiheit der Bürger — die in einem demokratischen System als die eigentlichen Souveräne gelten — erfordern, daß man auf Gesetzgebungsebene die Autonomie der einzelnen Gewissen anerkennt und daher bei der Festlegung jener Normen, die auf jeden Fall für das soziale Zusammenleben notwendig sind, ausschließlich dem Willen der Mehrheit, welcher Art immer sie sein mag, gerecht wird. Auf diese Weise müßte jeder Politiker in seinem Tun den Bereich des privaten Gewissens klar von dem des öffentlichen Verhaltens trennen.

Es lassen sich infolgedessen zwei anscheinend diametral entgegengesetzte Tendenzen feststellen. Auf der einen Seite machen die einzelnen Individuen für sich die vollständigste sittliche Entscheidungsautonomie geltend und fordern, daß sich der Staat keine ethische Auffassung zu eigen macht und diese vorschreibt, sondern sich darauf beschränkt, der Freiheit jedes einzelnen weitestmöglichen Raum zu garantieren mit der einzigen äußeren Einschränkung, den Raum von Autonomie nicht zu verletzen, auf den auch jeder andere Bürger ein Recht hat. Auf der anderen Seite vertritt man die Meinung, daß bei der Ausübung der öffentlichen und beruflichen Aufgaben die Achtung vor der Entscheidungsfreiheit des anderen es einem jedem auferlege, von den eigenen Überzeugungen abzurücken, um sich in den Dienst jeder Forderung der Bürger zu stellen, die die Gesetze anerkennen und schützen, wobei als einziges sittliches Kriterium für die Ausübung der eigenen Funktionen akzeptiert wird, was eben von diesen Gesetzen festgelegt wurde. Auf diese Weise wird unter Verzicht auf das eigene sittliche Gewissen zumindest im Bereich des öffentlichen Wirkens die Verantwortlichkeit des Menschen dem staatlichen Gesetz überlassen.



70 Gemeinsame Wurzel all dieser Tendenzen ist der ethische Relativismus, der für weite Teile der modernen Kultur bezeichnend ist. Manche behaupten, dieser Relativismus sei eine Voraussetzung für die Demokratie, weil nur er Toleranz, gegenseitige Achtung der Menschen untereinander und Bindung an die Entscheidungen der Mehrheit gewährleisten würde, während die als objektiv und bindend angesehenen sittlichen Normen zu Autoritarismus und Intoleranz führen würden.

Doch gerade die Problematik der Achtung vor dem Leben zeigt, welche Mißverständnisse und Widersprüche, begleitet von entsetzlichen praktischen Folgen, sich hinter dieser Einstellung verbergen.

Es stimmt, daß die Geschichte Fälle kennt, in denen im Namen der »Wahrheit« Verbrechen begangen worden sind. Aber nicht minder schwere Verbrechen und radikale Leugnungen der Freiheit wurden und werden weiter auch im Namen des »ethischen Relativismus« begangen. Faßt eine parlamentarische oder gesellschaftliche Mehrheit, wenn sie die Rechtmäßigkeit der unter bestimmten Bedingungen vorgenommenen Tötung des ungeborenen menschlichen Lebens beschließt, nicht vielleicht einen »tyrannischen« Beschluß gegen das schwächste und wehrloseste menschliche Geschöpf? Das Weltgewissen reagiert mit Recht auf die Verbrechen gegen die Menschlichkeit, mit denen unser Jahrhundert so traurige Erfahrungen gemacht hat. Würden diese Untaten vielleicht nicht mehr länger Verbrechen sein, wenn sie, statt von skrupellosen Tyrannen begangen worden zu sein, durch des Volkes Zustimmung für rechtmäßig erklärt worden wären?

Tatsächlich darf die Demokratie nicht solange zum Mythos erhoben werden, bis sie zu einem Ersatzmittel für die Sittlichkeit oder einem Allheilmittel gegen die Unsittlichkeit gemacht wird. Sie ist ihrem Wesen nach eine »Ordnung« und als solche ein Werkzeug und nicht ein Ziel. Ihr »sittlicher« Charakter ist nicht automatisch gegeben, sondern hängt von der Übereinstimmung mit dem Sittengesetz ab, dem sie, wie jedes andere menschliche Verhalten, unterstehen muß: das heißt, er hängt von der Sittlichkeit der Ziele ab, die sie verfolgt, und der Mittel, deren sie sich bedient. Wenn heute ein beinahe weltweites Einvernehmen über den Wert der Demokratie festzustellen ist, wird das als ein positives »Zeichen der Zeit« angesehen, wie auch das Lehramt der Kirche wiederholt hervorgehoben hat. 88 Aber der Wert der Demokratie steht und fällt mit den Werten, die sie verkörpert und fördert: grundlegend und unumgänglich sind sicherlich die Würde jeder menschlichen Person, die Achtung ihrer unverletzlichen und unveräußerlichen Rechte sowie die Übernahme des »Gemeinwohls« als Ziel und regelndes Kriterium für das politische Leben.

Grundlage dieser Werte können nicht vorläufige und wechselnde Meinungs«mehrheiten« sein, sondern nur die Anerkennung eines objektiven Sittengesetzes, das als dem Menschen ins Herz geschriebene »Naturgesetz« normgebender Bezugspunkt eben dieses staatlichen Gesetzes ist. Wenn infolge einer tragischen kollektiven Trübung des Gewissens der Skeptizismus schließlich sogar die Grundsätze des Sittengesetzes in Zweifel zöge, würde selbst die demokratische Ordnung in ihren Fundamenten erschüttert, da sie zu einem bloßen Mechanismus empirischer Regelung der verschiedenen und gegensätzlichen Interessen verkäme. 89

Mancher könnte sich vorstellen, daß in Ermangelung eines Besseren auch eine solche Funktion um des sozialen Friedens willen anerkannt werden müsse. Selbst wenn man in einer solchen Einschätzung einen gewissen Wahrheitsaspekt anerkennt, muß man doch sehen, daß ohne eine objektive sittliche Verankerung auch die Demokratie keinen stabilen Frieden sicherstellen kann, um so mehr als der Friede, der nicht an den Werten der Würde jedes Menschen und der Solidarität unter allen Menschen gemessen wird, nicht selten eine illusorische Angelegenheit ist. Denn in den die demokratische Beteiligung einschließenden Regierungssystemen selbst erfolgt die Regelung der Interessen häufig zum Vorteil der Stärkeren, vermögen sie doch am besten nicht nur die Hebel der Macht, sondern auch das Zustandekommen des Konsenses zu steuern. In einer solchen Situation wird Demokratie leicht zu einem leeren Wort.

88) Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Centesimus annus (1. Mai 1991), Nr.
CA 46: AAS 83 (1991), 850; Pius XII., Weihnachtsbotschaft im Rundfunk (24. Dezember 1944): AAS 37 (1945), 10-20.
89) Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Veritatis splendor (6. August 1993), Nr. VS 97 u. VS 99: AAS 85 (1993), 1209-1211.


71 Im Hinblick auf die Zukunft der Gesellschaft und die Entwicklung einer gesunden Demokratie ist es daher dringend notwendig, das Vorhandensein wesentlicher, angestammter menschlicher und sittlicher Werte wiederzuentdecken, die der Wahrheit des menschlichen Seins selbst entspringen und die Würde der Person zum Ausdruck bringen und schützen: Werte also, die kein Individuum, keine Mehrheit und kein Staat je werden hervorbringen, verändern oder zerstören können, sondern die sie nur anerkennen, achten und fördern werden müssen.

In diesem Sinne muß man wieder die Grundzüge der Auffassung von den Beziehungen zwischen staatlichem Gesetz und Sittengesetz aufgreifen, die von der Kirche vorgelegt werden, die aber auch zum Erbe der großen Rechtstraditionen der Menschheit gehören.

Sicherlich ist die Aufgabe des staatlichen Gesetzes im Vergleich zu der des Sittengesetzes anders und von begrenzterem Umfang. Jedoch »kann in keinem Lebensbereich das staatliche Gesetz das Gewissen ersetzen, noch kann es Normen über das vorschreiben, was über seine Zuständigkeit hinausgeht«, 90 die darin besteht, das Gemeinwohl der Menschen durch die Anerkennung und den Schutz ihrer Grundrechte, durch die Förderung des Friedens und der öffentlichen Sittlichkeit sicherzustellen. 91 Denn die Aufgabe des staatlichen Gesetzes besteht darin, ein geordnetes soziales Zusammenleben in wahrer Gerechtigkeit zu gewährleisten, damit wir alle »in aller Frömmigkeit und Rechtschaffenheit ungestört und ruhig leben können« (
1Tm 2,2). Eben deshalb muß das staatliche Gesetz für alle Mitglieder der Gesellschaft die Achtung einiger Grundrechte sicherstellen, die dem Menschen als Person eigen sind und die jedes positive Gesetz anerkennen und garantieren muß. Erstes und grundlegendes aller Rechte ist das unverletzliche Recht auf Leben eines jeden unschuldigen Menschen. Auch wenn die öffentliche Autorität bisweilen auf die Unterdrückung von etwas verzichten kann, was im Fall des Verbots einen schwereren Schaden anrichten wür- de, 92 kann sie doch niemals zulassen, die Verletzung, die anderen Menschen durch die Nicht- Anerkennung eines ihrer Grundrechte wie das auf Leben zugefügt wird, als Recht der einzelnen zu legitimieren — selbst wenn diese die Mehrheit der Mitglieder der Gesellschaft ausmachen würden. Die gesetzliche Tolerierung von Abtreibung oder Euthanasie kann sich gerade deshalb keinesfalls auf die Respektierung des Gewissens der anderen berufen, weil die Gesellschaft das Recht und die Pflicht hat, sich vor den Mißbräuchen zu schützen, die im Namen des Gewissens und unter dem Vorwand der Freiheit zustande kommen können. 93

Papst Johannes XXIII. hatte diesbezüglich in der Enzyklika Pacem in terris festgestellt: »Da man in unserer Zeit annimmt, das Gemeinwohl bestehe vor allem in der Wahrung der Rechte und Pflichten der menschlichen Person, muß die Aufgabe der Staatslenker vor allem darin bestehen, daß einerseits die Rechte anerkannt, geachtet, untereinander in Einklang gebracht, verteidigt und gefördert werden, und andererseits jeder seine Pflichten leichter erfüllen kann. Denn 'die den Menschen eigenen unverletzlichen Rechte zu schützen und dafür zu sorgen, daß jeder seine Aufgaben leichter erfülle, das ist die vornehmliche Pflicht jeder öffentlichen Gewalt'. Wenn deshalb Behörden die Rechte des Menschen entweder nicht anerkennen oder verletzen, so weichen sie nicht nur selbst von ihrer Pflicht ab, sondern es entbehrt auch das, was von ihnen befohlen wurde, jeder Verbindlichkeit«. 94

90) Kongregation für die Glaubenslehre, Instruktion über die Achtung vor dem beginnenden menschlichen Leben und die Würde der Fortpflanzung Donum vitae (22. Februar 1987), III: AAS 80 (1988), 98.
91) Vgl. II. Vat. Konzil, Erklärung über die Religionsfreiheit Dignitatis humanae, Nr. DH 7.
92) Vgl. Hl. Thomas von Aquin, Summa Theologiae, I-II 96,2.
93) Vgl. II. Vat. Konzil, Erklärung über die Religionsfreiheit, Dignitatis humanae, Nr. DH 7.
94) Johannes XXIII., Enzyklika Pacem in terris (11. April 1963), II: AAS 55 (1963), PT 273-274; das darin enthaltene Zitat ist entnommen aus: Pius XII., Radiobotschaft zu Pfingsten 1941 (1. Juni 1941): AAS 33 (1941), 200. Zu diesem Argument nimmt die Enzyklika in der Fußnote Bezug auf: Pius XI., Enzyklika Mit brennender Sorge (14. März 1937): AAS 29 (1937), 159; Enzyklika Divini Redemptoris (19. März 1937), III: AAS 29 (1937), 79; Pius XII., Rundfunkbotschaft zu Weihnachten (24. Dezember 1942): AAS 35 (1943), 9-24.


72 In Kontinuität mit der gesamten Tradition der Kirche steht auch die Lehre über die notwendigeÜbereinstimmung des staatlichen Gesetzes mit dem Sittengesetz, wie sie gleichfalls aus der genannten Enzyklika Johannes' XXIII. hervorgeht: »Die Befehlsgewalt wird von der sittlichen Ordnung erfordert und geht von Gott aus. Falls daher Staatslenker entgegen dieser Ordnung und insofern entgegen dem Willen Gottes Gesetze erlassen oder etwas gebieten, dann können weder die erlassenen Gesetze noch die gewährten Vollmachten das Gewissen der Bürger verpflichten... Vielmehr bricht dann die Autorität selbst völlig zusammen, und es folgt scheußliches Unrecht«. 95 Das ist die klare Lehre des hl. Thomas von Aquin, der unter anderem schreibt: »Das menschliche Gesetz hat nur insoweit den Charakter eines Gesetzes, insoweit es der rechten Vernunft gemäß ist; und insofern ist es offensichtlich, daß es vom ewigen Gesetz her abgeleitet wird. Wenn es aber von der Vernunft abweicht, wird es ungerechtes Gesetz genannt und hat nicht den Charakter eines Gesetzes, sondern vielmehr den einer Gewalttätigkeit«. 96 Und weiter: »Jedes von Menschen erlassene Gesetz hat insoweit den Charakter eines Gesetzes, insoweit es vom Naturgesetz abgeleitet wird. Wenn es aber in irgend etwas von dem Naturgesetz abweicht, dann wird es nicht mehr Gesetz, sondern die Zersetzung des Gesetzes sein«. 97

Die erste und unmittelbarste Anwendung dieser Lehre betrifft das menschliche Gesetz, welches das jedem Menschen eigene fundamentale Grundrecht auf Leben nicht anerkennt. Auf diese Weise befinden sich die Gesetze, die in Form der Abtreibung und der Euthanasie die unmittelbare Tötung unschuldiger Menschen für rechtmäßig erklären, in totalem und unversöhnlichem Widerspruch zu dem allen Menschen eigenen unverletzlichen Recht auf Leben und leugnen somit die Gleichheit aller vor dem Gesetz. Man könnte einwenden, daß das auf die Euthanasie dann nicht zutreffe, wenn der betreffende Mensch bei vollem Bewußtsein um sie gebeten hat. Aber ein Staat, der ein derartiges Ersuchen legitimieren und seine Durchführung gestatten würde, würde gegen die Grundprinzipien der Unverfügbarkeit des Lebens und des Schutzes jedes menschlichen Lebens einen Selbstmord- bzw. Mordfall legalisieren. Auf diese Weise wird dem Nachlassen der Achtung vor dem Leben Vorschuß geleistet und Haltungen der Weg geebnet, die das Vertrauen in die sozialen Beziehungen zerstören.

Die Gesetze, die Abtreibung und Euthanasie zulassen und begünstigen, stellen sich also nicht nur radikal gegen das Gut des einzelnen, sondern auch gegen das Gemeinwohl und sind daher ganz und gar ohne glaubwürdige Rechtsgültigkeit. Tatsächlich ist es die Nicht-Anerkennung des Rechtes auf Leben, die sich, gerade weil sie zur Tötung des Menschen führt — in dessen Dienst zu stehen die Gesellschaft ja den Grund ihres Bestehens hat —, am frontalsten und irreparabel der Möglichkeit einer Verwirklichung des Gemeinwohls entgegenstellt. Daraus folgt, daß ein staatliches Gesetz, wenn es Abtreibung und Euthanasie billigt, eben darum kein wahres, sittlich verpflichtendes staatliches Gesetz mehr ist.

95) Johannes XXIII., Enzyklika Pacem in terris (11. April 1963), a.a.O.,
PT 271.
96) Summa Theologiae, I-II 93,3, ad 2.
97) Ebd., I-II 95,2. Der Aquinate zitiert den hl. Augustinus: "Non videtur esse lex, quae iusta non fuerit" ("Ein Gesetz, das nicht gerecht ist, wird nicht als Gesetz wahrgenommen werden"), De libero arbitrio, I, 5, 11: PL 32, 1227.


73 Abtreibung und Euthanasie sind also Verbrechen, die für rechtmäßig zu erklären sich kein menschliches Gesetz anmaßen kann. Gesetze dieser Art rufen nicht nur keine Verpflichtung für das Gewissen hervor, sondern erheben vielmehr die schwere und klare Verpflichtung, sich ihnen mit Hilfe des Einspruchs aus Gewissensgründen zu widersetzen. Seit den Anfangszeiten der Kirche hat die Verkündigung der Apostel den Christen die Verpflichtung zum Gehorsam gegenüber den rechtmäßig eingesetzten staatlichen Autoritäten eingeschärft (vgl. Rm 13,1-7 1P 2,13-14), sie aber gleichzeitg entschlossen ermahnt, daß »man Gott mehr gehorchen muß als den Menschen« (Ac 5,29). Schon im Alten Testament finden wir in bezug auf die Bedrohungen gegen das Leben ein gewichtiges Beispiel für den Widerstand gegen das ungerechte Gebot der staatlichen Autorität. Die hebräischen Hebammen widersetzten sich dem Pharao, der angeordnet hatte, jeden neugeborenen Knaben zu töten. Sie »taten nicht, was ihnen der König von Ägypten gesagt hatte, sondern liessen die Kinder am Leben« (Ex 1,17). Wichtig ist aber, auf den tieferen Grund dieses ihres Verhaltens hinzuweisen: »Die Hebammen fürchteten Gott« (ebd.). Aus dem Gehorsam gegenüber Gott — dem allein jene Furcht gebührt, die Anerkennung seiner absoluten Souveränität ist — erwachsen die Kraft und der Mut, den ungerechten Gesetzen der Menschen zu widerstehen. Die Kraft und der Mut dessen, der bereit ist, auch ins Gefängnis zu gehen oder durch das Schwert umzukommen in der Gewißheit, daß »sich hier die Standhaftigkeit und die Glaubenstreue der Heiligen bewähren« muß (Ap 13,10).

Es ist daher niemals erlaubt, sich einem in sich ungerechten Gesetz, wie jenem, das Abtreibung und Euthanasie zuläßt, anzupassen, »weder durch Beteiligung an einer Meinungskampagne für ein solches Gesetz noch dadurch, daß man bei der Abstimmung dafür stimmt«. 98

Ein besonderes Gewissensproblem könnte sich in den Fällen ergeben, in denen sich eine parlamentarische Abstimmung als entscheidend dafür herausstellen würde, in Alternative zu einem bereits geltenden oder zur Abstimmung gestellten ungleich freizügigeren Gesetz ein restriktiveres Gesetz zu begünstigen, das heißt ein Gesetz, das die Anzahl der erlaubten Abtreibungen begrenzt. Solche Fälle sind nicht selten. Man kann nämlich Folgendes feststellen: Während in manchen Teilen der Welt die nicht selten von mächtigen internationalen Organisationen unterstützten Kampagnen für die Einführung von Gesetzen zur Freigabe der Abtreibung weitergehen, werden dagegen in anderen Nationen — besonders in jenen, die bereits die bittere Erfahrung mit derartigen freizügigen Gesetzen hinter sich haben — Anzeichen eines Umdenkens sichtbar. In dem hypothetisch angenommenen Fall ist es einleuchtend, daß es einem Abgeordneten, dessen persönlicher absoluter Widerstand gegen die Abtreibung klargestellt und allen bekannt wäre, dann, wenn die Abwendung oder vollständige Aufhebung eines Abtreibungsgesetzes nicht möglich wäre, gestattet sein könnte, Gesetzesvorschläge zu unterstützen, die die Schadensbegrenzung eines solchen Gesetzes zum Ziel haben und die negativen Auswirkungen auf das Gebiet der Kultur und der öffentlichen Moral vermindern. Auf diese Weise ist nämlich nicht eine unerlaubte Mitwirkung an einem ungerechten Gesetz gegeben; vielmehr wird ein legitimer und gebührender Versuch unternommen, die ungerechten Aspekte zu begrenzen.

98) Kongregation für die Glaubenslehre, Erklärung zur vorsätzlichen Abtreibung (18. November 1974), Nr. 22: AAS 66 (1974), 744.


74 Die Einführung ungerechter Gesetzgebungen stellt moralisch korrekte Menschen oft vor schwierige Gewissensprobleme, was die Mitwirkung im Verhältnis zur gebührenden Geltendmachung des eigenen Rechtes betrifft, nicht zur Teilnahme an sittlich schlechten Handlungen gezwungen zu sein. Manchmal sind die Entscheidungen, die nötig erscheinen, schmerzlich und können sogar das Opfer einer renommierten beruflichen Stellung oder den Verzicht auf berechtigte Aufstiegs- und Karriereaussichten erfordern. In anderen Fällen kann sich herausstellen, daß die Durchführung von an sich indifferenten oder sogar positiven Handlungen, die in den Artikeln von insgesamt ungerechten Gesetzgebungen vorgesehen sind, den Schutz bedrohter Menschenleben erlaubt. Andererseits darf man jedoch mit Recht befürchten, daß die Bereitschaft zur Durchführung solcher Handlungen nicht nur zu einem Stein des Anstoßes wird und dem Nachlassen des notwendigen Widerstandes gegen Anschläge gegen das Leben Vorschuß leistet, sondern unmerklich dazu verleitet, immer mehr einer permissiven Logik nachzugeben.

Zur Erhellung dieses schwierigen sittlichen Problems muß an die allgemeinen Grundsätze über dieMitwirkung an schlechten Handlungen erinnert werden. Wie alle Menschen guten Willens sind die Christen aufgerufen, aus ernster Gewissenspflicht nicht an jenen Praktiken formell mitzuwirken, die, obgleich von der staatlichen Gesetzgebung zugelassen, im Gegensatz zum Gesetz Gottes stehen. Denn unter sittlichem Gesichtspunkt ist es niemals erlaubt, formell am Bösen mitzuwirken. Solcher Art ist die Mitwirkung dann, wenn die durchgeführte Handlung entweder auf Grund ihres Wesens oder wegen der Form, die sie in einem konkreten Rahmen annimmt, als direkte Beteiligung an einer gegen das unschuldige Menschenleben gerichteten Tat oder als Billigung der unmoralischen Absicht des Haupttäters bezeichnet werden muß. Diese Mitwirkung kann niemals gerechtfertigt werden, weder durch Berufung auf die Achtung der Freiheit des anderen, noch dadurch, daß man sich auf die Tatsache stützt, daß das staatliche Gesetz diese Mitwirkung vorsehe und fordere: denn für die Handlungen, die ein jeder persönlich vornimmt, gibt es eine sittliche Verantwortlichkeit, der sich niemand entziehen kann und nach der Gott selber einen jeden richten wird (vgl.
Rm 2,6 Rm 14,12).

Die Beteiligung am Begehen eines Unrechts zu verweigern, ist nicht nur eine moralische Verpflichtung, sondern auch ein menschliches Grundrecht. Wenn es nicht so wäre, würde der Mensch gezwungen sein, eine mit seiner Würde an sich unvereinbare Handlung durchzuführen, und auf diese Weise würde seine Freiheit, deren glaubwürdiger Sinn und deren Ziel auf der Hinordnung zum Wahren und Guten beruhen, radikal gefährdet sein. Es handelt sich also um ein wesentliches Recht, das eben als solches vom staatlichen Gesetz selbst vorgesehen und geschützt werden müßte. In diesem Sinne müßte für die Ärzte, das Pflegepersonal und die verantwortlichen Träger von Krankenhäusern, Kliniken und Pflegeheimen die Möglichkeit sichergestellt sein, die Beteiligung an der Phase der Beratung, Vorbereitung und Durchführung solcher Handlungen gegen das Leben zu verweigern. Wer zum Mittel des Einspruchs aus Gewissensgründen greift, muß nicht nur vor Strafmaßnahmen, sondern auch vor jeglichem Schaden auf gesetzlicher, disziplinarischer, wirtschaftlicher und beruflicher Ebene geschützt sein.




»Deinen Nächsten sollst du lieben wie dich selbst«

(Lc 10,27):

»fördere« das Leben


75 Die Gebote Gottes lehren uns den Weg des Lebens. Die negativen sittlichen Vorschriften,also jene, die die Wahl einer bestimmten Handlung für sittlich unannehmbar erklären, haben einen absoluten Wert für die menschliche Freiheit: sie gelten ausnahmslos immer und überall. Sie weisen darauf hin, daß die Wahl bestimmter Verhaltens- weisen mit der Liebe zu Gott und mit der Würde des nach seinem Bild geschaffenen Menschen radikal unvereinbar ist: eine solche Wahl kann daher keinesfalls durch die dahinterstehende gute Absicht und die sich ergebenden guten Folgen aufgewogen werden; sie steht in unversöhnlichem Gegensatz zu der Gemeinschaft zwischen den Menschen, sie widerspricht der Grundentscheidung, sein Leben auf Gott hinzuordnen. 99

Schon in diesem Sinne haben die negativen sittlichen Vorschriften eine äußerst wichtige positive Funktion: das »Nein«, das sie bedingungslos fordern, nennt die unüberschreitbare Grenze, unter die der freie Mensch nicht gehen darf, und zugleich gibt es das Minimum an, das er respektieren und von dem er ausgehen muß, um unzählige »Ja« auszusprechen, die in der Lage sind, immer mehr den Gesamthorizont des Guten zu erfassen (vgl.
Mt 5,48). Die Gebote, insbesondere die negativen sittlichen Vorschriften, sind der Anfang und die erste notwendige Etappe des Weges zur Freiheit: »Die erste Freiheit — schreibt der hl. Augustinus — besteht im Freisein von Verbrechen..., als da sind Mord, Ehebruch, Unzucht, Diebstahl, Betrug, Gotteslästerung usw. Wenn einer mit diesen Vergehen nichts zu tun hat (und kein Christ darf mit ihnen zu tun haben), beginnt er sein Haupt zur Freiheit zu erheben, aber das ist erst der Anfang der Freiheit, nicht die vollkommene Freiheit«. 100

99) Vgl. Katechismus der katholischen Kirche, Nr. CEC 1753-1755; Johannes Paul II., Enzyklika Veritatis splendor (6. August 1993), Nr. VS 81-82: AAS 85 (1993), 1198-1199.
100) In Iohannis Evangelium Tractatus, 41, 10: CCL 36, 363. Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Veritatis splendor (6. August 1993), Nr. VS 13: AAS 85 (1993), 1144.


76 Das Gebot »du sollst nicht töten« bestimmt also den Ausgangspunkt für einen Weg in wahrer Freiheit, der uns dahin führt, das Leben aktiv zu fördern und bestimmte Haltungen und Verhaltensweisen im Dienst am Leben zu entwickeln: dadurch erfüllen wir unsere Verantwortlichkeit gegenüber den Menschen, die sich uns anvertraut haben, und bringen in den Taten und in der Wahrheit Gott unsere Dankbarkeit für das große Geschenk des Lebens zum Ausdruck (vgl. Ps 139 Ps 1,13-14).

Der Schöpfer hat das Leben des Menschen seiner verantwortlichen Fürsorge anvertraut, nicht damit er willkürlich darüber verfüge, sondern damit er es mit Weisheit bewahre und in liebevoller Treue verwalte. Der Gott des Bundes hat entsprechend dem Gesetz der Gegenseitigkeit von Geben und Empfangen, von Selbsthingabe und Annahme des anderen das Leben eines jeden Menschen dem anderen Menschen, seinem Bruder, anvertraut. Als die Zeit erfüllt war, hat der Sohn Gottes dadurch, daß er Mensch wurde und sein Leben für den Menschen hingab, gezeigt, welche Höhe und Tiefe dieses Gesetz der Gegenseitigkeit erreichen kann. Durch das Geschenk seines Geistes verleiht Christus dem Gesetz der Gegenseitigkeit, dem Anvertrauen des Menschen an den Menschen neue Inhalte und Bedeutungen. Der Geist, der Baumeister von Gemeinschaft in Liebe ist, stellt zwischen den Menschen eine neue Brüderlichkeit und Solidarität her, einen echten Abglanz des der heiligsten Dreifaltigkeit eigenen Geheimnisses von gegenseitiger Hingabe und Annahme. Der Geist selbst wird zum neuen Gesetz, das den Gläubigen die Kraft gibt und ihre Verantwortlichkeit dazu anspornt, durch Teilhabe an der Liebe Jesu Christi selbst und nach ihrer Maßgabe gegenseitig die Selbsthingabe und die Annahme des anderen zu leben.



77 Von diesem neuen Gesetz wird auch das Gebot »du sollst nicht töten« beseelt und geformt. Für den Christen schließt es letzten Endes das Pflichtgebot ein, den Ansprüchen und Dimensionen der Liebe Gottes in Jesus Christus gemäß das Leben jedes Bruders zu achten, zu lieben und zu fördern. »Er hat sein Leben für uns hingegeben. So müssen auch wir für die Brüder das Leben hingeben« (1Jn 3,16).

Das Gebot »du sollst nicht töten« verpflichtet jeden Menschen auch in seinen positivsten Inhalten, nämlich Achtung, Liebe und Förderung des menschlichen Lebens. Es läßt sich in der Tat als ein ununterdrückbares Echo des ursprünglichen Bundes Gottes, des Schöpfers, mit dem Menschen im sittlichen Bewußtsein eines jeden Menschen vernehmen; es kann von allen im Licht der Vernunft erkannt und dank des geheimnisvollen Wirkens des Geistes wahrgenommen werden, der, da er weht, wo er will (vgl. Joh Jn 3,8), jeden in dieser Welt lebenden Menschen erreicht und miteinbezieht.

Es ist also ein Liebesdienst, den wir verpflichtet sind unserem Nächsten zu leisten, damit seinem Leben immer, vor allem aber, wenn es am schwächsten oder bedroht ist, Schutz und Förderung zuteil werde. Es ist nicht nur persönliche, sondern soziale Fürsorge, die wir alle dadurch ausüben müssen, daß wir die bedingungslose Achtung vor dem menschlichen Leben zum tragenden Fundament einer erneuerten Gesellschaft machen.

Es wird von uns verlangt, das Leben jedes Mannes und jeder Frau zu lieben und zu ehren und mit Standhaftigkeit und Mut daran zu arbeiten, daß in unserer Zeit, die allzu viele Zeichen des Todes aufweist, endlich eine neue Kultur des Lebens als Frucht der Kultur der Wahrheit und der Liebe entstehen möge.





Evangelium vitae DE 67