Evangelium vitae DE 13


13 Um die Verbreitung der Abtreibung zu erleichtern, wurden und werden weiterhin ungeheuere Summen investiert, die für die Abstimmung pharmazeutischer Präparate bestimmt sind, die die Tötung des Fötus im Mutterleib ermöglichen, ohne die Hilfe eines Arztes in Anspruch nehmen zu müssen. Die diesbezügliche wissenschaftliche Forschung scheint fast ausschließlich darum bemüht zu sein, zu immer einfacheren und wirksameren Produkten gegen das Leben zu gelangen, die zugleich die Abtreibung jeder Form sozialer Kontrolle und Verantwortung entziehen sollen.

Es wird häufig behauptet, die sichere und allen zugänglich gemachte Empfängnisverhütung sei das wirksamste Mittel gegen die Abtreibung. Sodann wird die katholische Kirche beschuldigt, de facto der Abtreibung Vorschuß zu leisten, weil sie weiter hartnäckig die moralische Unerlaubtheit der Empfängnisverhütung lehrt. Bei genauerer Betrachtung erweist sich der Einwand tatsächlich als trügerisch. Denn es mag sein, daß viele auch in der Absicht zu Verhütungsmitteln greifen, um in der Folge die Versuchung der Abtreibung zu vermeiden. Doch die der »Verhütungsmentalität« — die sehr wohl von der verantwortlichen, in Achtung vor der vollen Wahrheit des ehelichen Aktes ausgeübten Elternschaft zu unterscheiden ist — innewohnenden Pseudowerte verstärken nur noch diese Versuchung angesichts der möglichen Empfängnis eines unerwünschten Lebens. In der Tat hat sich die Abtreibungskultur gerade in Kreisen besonders entwickelt, die die Lehre der Kirche über die Empfängnisverhütung ablehnen. Sicherlich sind vom moralischen Gesichtspunkt her Empfängnisverhütung und Abtreibung ihrer Art nach verschiedene Übel: die eine widerspricht der vollständigen Wahrheit des Geschlechtsaktes als Ausdruck der ehelichen Liebe, die andere zerstört das Leben eines Menschen; die erste widersetzt sich der Tugend der ehelichen Keuschheit, die zweite widersetzt sich der Tugend der Gerechtigkeit und verletzt direkt das göttliche Gebot »du sollst nicht töten«.

Aber trotz dieses Unterschieds in ihrer Natur und moralischen Bedeutung stehen sie, als Früchte ein und derselben Pflanze, sehr oft in enger Beziehung zueinander. Sicherlich gibt es Fälle, in denen jemand unter dem Druck mannigfacher existentieller Schwierigkeiten zu Empfängnisverhütung und selbst zur Abtreibung schreitet; selbst solche Schwierigkeiten können jedoch niemals von der Bemühung entbinden, das Gesetz Gottes voll und ganz zu befolgen. Aber in sehr vielen anderen Fällen haben solche Praktiken ihre Wurzeln in einer Mentalität, die von Hedonismus und Ablehnung jeder Verantwortlichkeit gegenüber der Sexualität bestimmt wird, und unterstellen einen egoistischen Freiheitsbegriff, der in der Zeugung ein Hindernis für die Entfaltung der eigenen Persönlichkeit sieht. Das Leben, das aus der sexuellen Begegnung hervorgehen könnte, wird so zum Feind, das absolut vermieden werden muß, und die Abtreibung zur einzig möglichen Antwort und Lösung bei einer mißlungenen Empfängnisverhütung.

Leider tritt der enge Zusammenhang, der mentalitätsmäßig zwischen der Praxis der Empfängnisverhütung und jener der Abtreibung besteht, immer mehr zutage; das beweisen auf alarmierende Weise auch die Anwendung chemischer Präparate, das Anbringen mechanischer Empfängnishemmer in der Gebärmutter und der Einsatz von Impfstoffen, die ebenso leicht wie Verhütungsmittel verbreitet werden und in Wirklichkeit als Abtreibungsmittel im allerersten Entwicklungsstadium des neuen menschlichen Lebens wirken.



14 Auch die verschiedenen Techniken künstlicher Fortpflanzung, die sich anscheinend in den Dienst am Leben stellen und die auch nicht selten mit dieser Absicht gehandhabt werden, öffnen in Wirklichkeit neuen Anschlägen gegen das Leben Tür und Tor. Unabhängig von der Tatsache, daß sie vom moralischen Standpunkt aus unannehmbar sind, da sie die Zeugung von dem gesamtmenschlichen Zusammenhang des ehelichen Aktes trennen, 14 verzeichnen diese Techniken hohe Prozentsätze an Mißerfolgen: das betrifft nicht so sehr die Befruchtung als die nachfolgende Entwicklung des Embryos, der der Gefahr ausgesetzt ist, meist innerhalb kürzester Zeit zu sterben. Zudem werden mitunter Embryonen in größerer Zahl erzeugt, als für die Einpflanzung in den Schoß der Frau notwendig sind, und diese sogenannten »überzähligen Embryonen« werden dann umgebracht oder für Forschungszwecke verwendet, die unter dem Vorwand des wissenschaftlichen oder medizinischen Fortschritts in Wirklichkeit das menschliche Leben zum bloßen »biologischen Material« degradieren, über das man frei verfügen könne.

Die vorgeburtlichen Diagnosen, gegen die es keine moralischen Bedenken gibt, sofern sie vorgenommen werden, um eventuell notwendige Behandlungen an dem noch ungeborenen Kind fest- zustellen, werden allzu oft zum Anlaß, die Abtreibung anzuraten oder vorzunehmen. Die angebliche Rechtmäßigkeit der eugenischen Abtreibung entsteht in der öffentlichen Meinung aus einer Mentalität — sie wird zu Unrecht für kohärent mit den Ansprüchen der »Behandelbarkeit mit Aussicht auf Heilung« gehalten —, die das Leben nur unter bestimmten Bedingungen annimmt und Begrenztheit, Behinderung und Krankheit ablehnt.

Infolge eben dieser Logik ist man soweit gegangen, Kindern, die mit schweren Schäden oder Krankheiten geboren wurden, die elementarsten üblichen Behandlungen und sogar die Ernährung zu verweigern. Noch bestürzender wird das moderne Szenarium darüber hinaus durch da und dort auftauchende Vorschläge, auf derselben Linie wie das Recht auf Abtreibung sogar dieKindestötung für rechtmäßig zu erklären: damit würde man in ein Stadium der Barbarei zurückfallen, das man für immer überwunden zu haben hoffte.

14) Vgl. Kongregation für die Glaubenslehre, Instruktion über die Achtung vor dem beginnenden menschlichen Leben und die Würde der Fortpflanzung Donum Vitae: AAS 80 (1988), 70-102.


15 Nicht minder schwerwiegende Bedrohungen kommen auch auf die unheilbar Kranken und auf die Sterbenden in einem Sozial- und Kulturgefüge zu, das bei einer sich immer schwieriger gestaltenden Auseinandersetzung mit dem Leiden und seinem Ertragen die Versuchung verstärkt,das Problem des Leidens dadurch zu lösen, daß man es an der Wurzel ausreibt und den Tod in dem Augenblick vorwegnimmt, den man selbst für den geeignetsten hält.

In diese Entscheidung fließen oft verschiedene Elemente ein, die leider diesem schrecklichen Ausgang zustreben. Entscheidend mag beim Kranken Angstgefühl sowie das Gespür von Verbitterung, ja Verzweiflung sein, hervorgerufen durch die Erfahrung eines intensiven und langen Schmerzes. Dies stellt das manchmal ohnehin schon ins Wanken geratene Gleichgewicht des persönlichen und familiären Lebens auf eine harte Probe, so daß der Kranke einerseits trotz der immer wirksamer werdenden Mittel medizinischer und sozialer Assistenz Gefahr läuft, sich von der eigenen Gebrechlichkeit erdrückt zu fühlen; andererseits kann bei denen, die ihm liebevoll verbunden sind, ein Gefühl verständlichen, wenn auch mißverstandenen Mitleids wirksam sein. Dies alles wird von einem kulturellen Umfeld verschlimmert, das im Leid keinerlei Bedeutung oder Wert sieht; im Gegenteil, es betrachtet das Leid als das Übel schlechthin, das es um jeden Preis auszumerzen gilt; diese Haltung tritt vor allem dann ein, wenn man keine religiöse Einstellung hat, die helfen kann, das Geheimnis des Schmerzes positiv zu deuten.

Aber es wird nicht versäumt, dem kulturellen Gesamthorizont auch eine Art Prometheushaltung des Menschen einzuprägen, der sich derart der Illusion hingibt, Herr über Leben und Tod werden zu können, daß er über sie entscheidet, während er in Wirklichkeit von einem Tod überwunden und erdrückt wird, der sich jeder Sinnperspektive und jeder Hoffnung unrettbar verschließt. Einem tragischen Ausdruck von alledem begegnen wir in der Verbreitung der maskiert und schleichend oder offen durchgeführten und sogar legalisierten Euthanasie. Sie wird mit einem angeblichen Mitleid angesichts des Schmerzes des Patienten und darüber hinaus mit einem utilitaristischen Argument gerechtfertigt, nämlich um unproduktive Ausgaben zu vermeiden, die für die Gesellschaft zu belastend seien. So schlägt man die Beseitigung der mißgestalteten Neugeborenen, der geistig und körperlich Schwerstbehinderten, der Leistungsunfähigen, der Alten, vor allem wenn sie sich nicht mehr selbst versorgen können, und der Kranken vor, deren Leben zu Ende geht. Und auch angesichts anderer, heimlicherer, aber nicht minder schwerwiegender und realer Formen von Euthanasie dürfen wir nicht schweigen. Sie könnten sich zum Beispiel dann ereignen, wenn man, um mehr Organe für Transplantationen zur Verfügung zu haben, die Entnahme dieser Organe vornimmt, ohne die objektiven und angemessenen Kriterien für die Feststellung des Todes des Spenders zu respektieren.



16 Ein weiteres aktuelles Phänomen, mit dem häufig Bedrohungen und Angriffe gegen das Leben einhergehen, ist das Bevölkerungswachstum. Es stellt sich in den verschiedenen Teilen der Welt in unterschiedlicher Weise dar: in den reichen und entwickelten Ländern verzeichnet man einen besorgniserregenden Geburtenrückgang oder -einbruch; die armen Länder dagegen weisen im allgemeinen eine hohe Wachstumsrate der Bevölkerung auf, die auf dem Hintergrund geringer wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung oder gar schwerwiegender Unterentwicklung kaum tragbar ist. Angesichts der Überbevölkerung der armen Länder fehlt es auf internationaler Ebene an weltweiten Maßnahmen — eine ernsthafte Familien- und Sozialpolitik, Programme kultureller Entwicklung und einer gerechten Produktion und Verteilung der Ressourcen —, während weiter eine geburtenfeindliche Politik betrieben wird.

Empfängnisverhütung, Sterilisation und Abtreibung müssen gewiß zu den Ursachen gezählt werden, die zum Zustand des starken Geburtenrückganges beitragen und ihn wesentlich bestimmen. Die Versuchung, dieselben Methoden und Angriffe gegen das Leben auch in Situationen von »Bevölkerungsexplosion« anzuwenden, mag auf der Hand liegen.

Der alte Pharao, der die Anwesenheit der Söhne Israels und ihre Vermehrung als Alptraum empfand, setzte sie jeder nur möglichen Unterdrückung aus und befahl, jedes männliche Neugeborene der jüdischen Frauen zu töten (vgl. Ex
Ex 1,7-22). Genauso verhalten sich heutzutage viele Mächtige der Erde. Sie empfinden die derzeitige Bevölkerungsentwicklung als Alptraum und befürchten, daß die kinderreicheren und ärmeren Völker eine Bedrohung für den Wohlstand und die Sicherheit ihrer Länder darstellen. Statt diese schwerwiegenden Probleme aufzugreifen und sie unter Achtung der Würde der einzelnen und der Familien und des unantastbaren Rechtes jedes Menschen auf Leben zu lösen, fördern sie daher lieber eine massive Geburtenplanung und setzen sie mit jeglichem Mittel durch. Selbst die Wirtschaftshilfen, die zu leisten sie bereit wären, werden ungerechterweise von der Annahme einer geburtenfeindlichen Politik abhängig gemacht.



17 Die heutige Menschheit bietet uns ein wahrhaft alarmierendes Schauspiel, wenn wir nicht nur an die verschiedenen Bereiche denken, in denen die Angriffe auf das Leben ausbrechen, sondern auch an ihr einzigartiges Zahlenverhältnis sowie an die mannigfache und machtvolle Unterstützung, die ihnen durch das weitgehende Einverständnis der Gesellschaft, durch die häufige gesetzliche Anerkennung, durch die Einbeziehung eines Teils des im Gesundheitswesen tätigen Personals zuteil wird.

Wie ich anläßlich des VIII. Weltjugendtreffens in Denver mit allem Nachdruck sagen mußte, »nehmen die Bedrohungen des Lebens im Laufe der Zeit nicht ab. Im Gegenteil, sie nehmen immer größere Ausmaße an. Es handelt sich nicht nur um Bedrohungen des Lebens von außen, von den Kräften der Natur her oder von weiteren 'Kains?, die die 'Abels? töten«; nein, es handelt sich um wissenschaftlich und systematisch geplante Bedrohungen. Das 20. Jahrhundert wird als eine Epoche massiver Angriffe auf das Leben, als endlose Serie von Kriegen und andauernde Vernichtung unschuldiger Menschenleben gelten. Die falschen Propheten und Lehrer erfreuen sich des größtmöglichen Erfolges. 15 Jenseits der Absichten, die unterschiedlicher Art sein und möglicherweise sogar im Namen der Solidarität überzeugende Formen annehmen können, stehen wir tatsächlich einer objektiven »Verschwörung gegen das Leben« gegenüber, die auch internationale Institutionen einschließt, die mit großem Engagement regelrechte Kampagnen für die Verbreitung der Empfängnisverhütung, der Sterilisation und der Abtreibung anregen und planen. Schließlich läßt sich nicht leugnen, daß sich die Massenmedien häufig zu Komplizen dieser Verschwörung machen, indem sie jener Kultur, die die Anwendung der Empfängnisverhütung, der Sterilisation, der Abtreibung und selbst der Euthanasie als Zeichen des Fortschritts und als Errungenschaft der Freiheit hinstellt, in der öffentlichen Meinung Ansehen verschaffen, während sie Positionen, die bedingungslos für das Leben eintreten, als freiheits- und entwicklungsfeindlich beschreibt.

15) Ansprache während der Gebetswache zum VIII. Weltjugendtag (14. August 1993), II, 3: AAS 86 (1994), 419.



»Bin ich der Hüter meines Bruders?\i«

(Gn 4,9):

eine entartete Vorstellung von Freiheit


18 Das beschriebene Panorama macht erforderlich, daß es nicht nur in den Todeserscheinungen erkannt wird, die es kennzeichnen, sondern auch in den vielfältigen Ursachen, die es bestimmen. Die Frage des Herrn »Was hast du getan?« (Gn 4,10) scheint gleichsam eine Aufforderung an Kain zu sein, den materiellen Charakter seiner Mordtat hinter sich zu lassen und ihre ganze Schwere in den ihr zugrunde liegenden Motivationen und in den aus ihr erwachsenden Folgen zu erfassen.

Die Entscheidungen gegen das Leben entstehen bisweilen aus schwierigen oder geradezu dramatischen Situationen tiefen Leides, der Einsamkeit, des völligen Fehlens wirtschaftlicher Perspektiven, der Depression und Zukunftsangst. Solche Umstände können die subjektive Verantwortlichkeit und die daraus folgende Schuld derer vermindern, die diese in sich verbrecherischen Entscheidungen treffen. Trotzdem geht das Problem heute weit über die, wenn auch gebotene Anerkennung dieser persönlichen Situationen hinaus. Es stellt sich auch auf kultureller, sozialer und politischer Ebene, wo es sein subversivstes und verwirrendstes Gesicht in der immer weiter um sich greifenden Tendenz zeigt, die erwähnten Verbrechen gegen das Leben als legitime Äußerungen der individuellen Freiheit auszulegen, die als wahre und eigene Rechte anerkannt und geschützt werden müssen.

Auf diese Weise gelangt ein langer historischer Prozeß an einen Wendepunkt mit tragischen Folgen, ein Prozeß, der nach Entdeckung der Idee der »Menschenrechte« — als Rechte, die zu jeder Person gehören und jeder Verfassung und Gesetzgebung der Staaten vorausgehen — heute in einen überraschenden Widerspruch gerät: gerade in einer Zeit, in der man feierlich die unverletzlichen Rechte der Person verkündet und öffentlich den Wert des Lebens geltend macht, wird dasselbe Recht auf Leben, besonders in den sinnbildhaftesten Augenblicken des Daseins, wie es Geburt und Tod sind, praktisch verweigert und unterdrückt.

Auf der einen Seite sprechen die verschiedenen Menschenrechtserklärungen und die vielfältigen Initiativen, die von ihnen inspiriert werden, von der Durchsetzung einer moralischen Sensibilität auf Weltebene, die sorgfältiger darauf achtet, den Wert und die Würde jedes Menschen als solchen anzuerkennen, ohne jede Unterscheidung von Rasse, Nationalität, Religion, politischer Meinung und sozialem Stand.

Auf der anderen Seite setzt man diesen edlen Proklamationen leider in den Taten ihre tragische Verneinung entgegen. Diese ist noch bestürzender, ja skandalöser, weil sie sich in einer Gesellschaft abspielt, die die Durchsetzung und den Schutz der Menschenrechte zu ihrem Hauptziel und zugleich zu ihrem Ruhmesblatt macht. Wie lassen sich diese wiederholten Grundsatzbeteuerungen mit der ständigen Vermehrung und verbreiteten Legalisierung der Angriffe auf das menschliche Leben in Einklang bringen? Wie lassen sich diese Erklärungen in Einklang bringen mit der Ablehnung des Schwächsten, des Bedürftigsten, des Alten, des soeben im Mutterschoß Empfangenen? Diese Angriffe gehen in die genau entgegengesetzte Richtung wie die Achtung vor dem Leben und stellen eine frontale Bedrohung der gesamten Kultur der Menschenrechte dar. Eine Bedrohung, die letzten Endes imstande ist, selbst die Bedeutung des demokratischen Zusammenlebens aufs Spiel zu setzen: unsere Städte laufen Gefahr, aus einer Gesellschaft von »zusammenlebenden Menschen« zu einer Gesellschaft von Ausgeschlossenen, an den Rand Gedrängten, Beseitigten und Unterdrückten zu werden. Muß man, wenn sich der Blick dann auf einen Welthorizont ausweitet, nicht daran denken, daß selbst die Beteuerung der Rechte der Personen und der Völker, wie sie bei ranghohen internationalen Zusammenkünften erfolgt, zu fruchtloser rhetorischer Übung wird, wenn nicht der Egoismus der reichen Länder, die den armen Ländern den Zugang zur Entwicklung verschließen oder ihn an die Bedingung absurder Fortpflanzungsverbote knüpfen und so die Entwicklung gegen den Menschen richten, die Maske fallen läßt? Muß man vielleicht nicht selbst die Wirtschaftsmodelle in Frage stellen, die von den Staaten häufig auch für Druckmaßnahmen und Konditionierungen auf internationaler Ebene angewandt werden und die Unrechts– und Gewalt- situationen verursachen und fördern, in denen das menschliche Leben ganzer Völker erniedrigt und mit Füßen getreten wird?


19

Wo liegen die Wurzeln eines derart paradoxen Widerspruchs?

Wir können sie in kulturellen und moralischen Gesamtbewertungen feststellen, angefangen bei jener Mentalität, die unterVerschärfung und sogar Entstellung des Subjektivitätsbegriffs nur den als Inhaber von Rechten anerkennt, der mit voller oder zumindest mit ersten Anzeichen von Autonomie auftritt und den Zustand totaler Abhängigkeit von den anderen hinter sich läßt. Aber wie läßt sich dieser Ansatz mit der Verherrlichung des Menschen als »unverfügbares« Wesen in Einklang bringen? Die Theorie der Menschenrechte beruht gerade auf der Erwägung der Tatsache, daß der Mensch zum Unterschied von den Tieren und den Sachen nicht der Herrschaft von irgend jemandem unterworfen werden kann. Es muß auch auf jene Logik hingewiesen werden, die dazu neigt, die Personwürde mit der Fähigkeit zu verbaler, ausdrücklicher, auf alle Fälle erprobbarerKommunikation gleichzusetzen. Es ist klar, daß unter solchen Voraussetzungen in der Welt kein Raum für den ist, der, wie das ungeborene Kind oder der Sterbende, ein von seiner physischen Konstitution her schwaches Wesen ist, auf Gedeih und Verderb anderen Menschen ausgeliefert und radikal von ihnen abhängig ist und mit dem Kommunikation nur durch die stumme Sprache einer tiefen Symbiose liebender Zuneigung möglich ist. Damit wird die Stärke zum Entscheidungs– und Handlungskriterium in den zwischenmenschlichen Beziehungen und im sozialen Zusammenleben. Doch das ist das genaue Gegenteil von dem, was den Rechtsstaat historisch als Gemeinschaft bestätigt hat, in der an die Stelle des »Rechts der Stärke« die »Stärke des Rechts« tritt.

Auf einer anderen Ebene liegen die Wurzeln des Widerspruchs zwischen der feierlichen Bestätigung der Menschenrechte und ihrer tragischen Verweigerung in der Praxis in einerAuffassung von Freiheit, die das einzelne Individuum zum Absoluten erhebt und es nicht zur Solidarität, zur vollen Annahme des anderen und zum Dienst an ihm veranlaßt. Wenn es wahr ist, daß sich die Auslöschung des ungeborenen oder zu Ende gehenden Lebens mitunter auch den Anstrich eines mißverstandenen Gefühls von Altruismus und menschlichen Erbarmens gibt, so kann man nicht bestreiten, daß eine solche Kultur des Todes in ihrer Gesamtheit eine ganz individualistische Freiheitsauffassung enthüllt, die schließlich die Freiheit der »Stärkeren« gegen die zum Unterliegen bestimmten Schwachen ist.

Genau in diesem Sinn kann man die Antwort Kains auf die Frage des Herrn »Wo ist dein Bruder Abel?« auslegen: »Ich weiß es nicht. Bin ich der Hüter meines Bruders?« (Jn 4,9). Jawohl, jeder Mensch ist »Hüter seines Bruders», weil Gott den Menschen dem Menschen anvertraut. Und im Hinblick auf dieses Anvertrauen schenkt Gott auch jedem Menschen die Freiheit, die einewesentliche Beziehungsdimension besitzt. Sie ist ein großes Geschenk des Schöpfers, so sie in den Dienst der Person und ihrer Verwirklichung durch die Selbsthingabe und die Annahme des anderen gestellt wird; wenn die Freiheit jedoch in individualistischer Weise verabsolutiert wird, wird sie ihres ursprünglichen Inhalts entleert und steht im Widerspruch zu ihrer Berufung und Würde.

Noch einen tiefgehenderen Aspekt gilt es zu unterstreichen: die Freiheit verleugnet sich selber, zerstört sich selber und macht sich zur Vernichtung des anderen bereit, wenn sie ihregrundlegende Verbindung mit der Wahrheit nicht anerkennt und nicht mehr respektiert. Jedesmal, wenn die Freiheit sich von jeder Tradition und Autorität befreien will und sich den wesentlichen Klarheiten einer objektiven und gemeinsamen Wahrheit als dem Fundament für das persönliche und soziale Leben verschließt, hört der Mensch auf, als einzigen und unanfechtbaren Anhaltspunkt für seine Entscheidungen nicht mehr die Wahrheit über Gut und Böse anzunehmen, sondern nur noch seine subjektive und wandelbare Meinung oder gar sein egoistisches Interesse und seine Laune.



20 In dieser Auffassung von Freiheit wird das soziale Zusammenleben tiefgreifend entstellt.Wenn die Förderung des eigenen Ich als absolute Autonomie verstanden wird, gelangt man unvermeidlich zur Verneinung des anderen, der als Feind empfunden wird, gegen den man sich verteidigen muß. Auf diese Weise wird die Gesellschaft zu einer Gesamtheit von nebeneinanderstehenden Individuen, die aber keine gegenseitigen Beziehungen haben: ein jeder will sich unabhängig vom anderen behaupten, ja seinen eigenen Interessen Vorteil verschaffen. Angesichts gleichartiger In- teressen des anderen muß man jedoch nachgeben und eine Art Kompromiß suchen, wenn man in der Gesellschaft jedem die größtmögliche Freiheit garantieren will. So schwindet jeder Bezug zu gemeinsamen Werten und zu einer für alle geltenden absoluten Wahrheit: das gesellschaftliche Leben läuft Gefahr, in einen vollkommenen Relativismus abzudriften. Da läßt sich alles vereinbaren, über alles verhandeln: auch über das erste Grundrecht, das Recht auf Leben.

Das geschieht denn auch in der Tat im eigentlich politisch-staatlichen Bereich: das ursprüngliche, unveräußerliche Recht auf Leben wird auf Grund einer Parlamentsabstimmung oder des Willens eines — sei es auch mehrheitlichen — Teiles der Bevölkerung in Frage gestellt oder verneint. Es ist das unheilvolle Ergebnis eines unangefochten herrschenden Relativismus: das »Recht« hört auf Recht zu sein, weil es sich nicht mehr fest auf die unantastbare Würde der Person gründet, sondern dem Willen des Stärkeren unterworfen wird. Auf diese Weise beschreitet die Demokratie ungeachtet ihrer Regeln den Weg eines substantiellen Totalitarismus. Der Staat ist nicht mehr das »gemeinsame Haus«, in dem alle nach den Prinzipien wesentlicher Gleichheit leben können, sondern er verwandelt sich in einen tyrannischen Staat, der sich anmaßt, im Namen einer allgemeinen Nützlichkeit — die in Wirklichkeit nichts anderes als das Interesse einiger weniger ist — über das Leben der Schwächsten und Schutzlosesten, vom ungeborenen Kind bis zum alten Menschen, verfügen zu können.

Alles geschieht scheinbar ganz auf dem Boden der Legalität, zumindest wenn über die Gesetze zur Freigabe der Abtreibung und der Euthanasie nach den sogenannten demokratischen Regeln abgestimmt wird. In Wahrheit stehen wir lediglich einem tragischen Schein von Legalität gegenüber, und das demokratische Ideal, das es tatsächlich ist, wenn es denn die Würde jeder menschlichen Person anerkennt und schützt, wird in seinen Grundlagen selbst verraten: »Wie kann man noch von Würde jeder menschlichen Person reden, wenn die Tötung des schwächsten und unschuldigsten Menschen zugelassen wird? Im Namen welcher Gerechtigkeit begeht man unter den Menschen die ungerechteste aller Diskriminierungen, indem man einige von ihnen für würdig erklärt verteidigt zu werden, während anderen diese Würde abgesprochen wird?«. 16 Wenn diese Zustände eintreten, sind bereits jene Dynamismen ausgelöst, die zum Zerfall eines echten menschlichen Zusammenlebens und zur Zersetzung der staatlichen Realität führen.

Das Recht auf Abtreibung, Kindestötung und Euthanasie zu fordern und es gesetzlich anzuerkennen heißt der menschlichen Freiheit eine perverse, abscheuliche Bedeutungzuzuschreiben: nämlich die einer absoluten Macht über die anderen und gegen die anderen.Aber das ist der Tod der wahren Freiheit: »Amen, amen, das sage ich euch: Wer die Sünde tut, ist Sklave der Sünde« (
Jn 8,34).

16) Johannes Paul II., Ansprache an die Teilnehmer am Studienkongreß über "Das Recht auf Leben und Europa" (18. Dezember 1987): Insegnamenti X/3 (1987), 1446-1447.



»Ich muß mich vor deinem Angesicht verbergen«

(Gn 4,14):

die Verfinsterung des Sinnes für Gott und den Menschen


21 Auf der Suche nach den tiefsten Wurzeln des Kampfes zwischen der »Kultur des Lebens« und der »Kultur des Todes« dürfen wir nicht bei der oben erwähnten perversen Freiheitsvorstellung stehen bleiben. Wir müssen zum Herzen des Dramas vorstoßen, das der heutige Mensch erlebt: die Verfinsterung des Sinnes für Gott und den Menschen, wie sie für das vom Säkularismus beherrschte soziale und kulturelle Umfeld typisch ist, der mit seinen durchdringenden Fangarmen bisweilen sogar christliche Gemeinschaften auf die Probe stellt. Wer sich von dieser Atmosphäre anstecken läßt, gerät leicht in den Strudel eines furchtbaren Teufelskreises: wenn man den Sinn für Gott verliert, verliert man bald auch den Sinn für den Menschen, für seine Würde und für sein Leben; die systematische Verletzung des Moralgesetzes, besonders was die Achtung vor dem menschlichen Leben und seiner Würde betrifft, erzeugt ihrerseits eine Art fortschreitender Verdunkelung der Fähigkeit, die lebenspendende und rettende Gegenwart Gottes wahrzunehmen.

Und wieder können wir dem Bericht von der Ermordung Abels durch seinen Bruder folgen. Nach dem von Gott über ihn verhängten Fluch wendet sich Kain mit den Worten an den Herrn: »Zu groß ist meine Schuld, als daß ich sie tragen könnte! Du hast mich heute vom Ackerland verjagt, und ich muß mich vor deinem Angesicht verbergen; rastlos und ruhelos werde ich auf der Erde sein, und wer mich findet, wird mich erschlagen« (
Gn 4,13-14). Kain glaubt, daß seine Sünde beim Herrn keine Vergebung erfahren kann und daß es sein unvermeidliches Schicksal sein wird, »sich vor seinem Angesicht verbergen« zu müssen. Wenn es Kain fertigbringt zu bekennen, daß seine Schuld »zu groß« ist, dann deshalb, weil er weiß, daß er Gott und seinem gerechten Rich- terspruch gegenübersteht. Tatsächlich vermag der Mensch nur vor dem Herrn seine Sünde zu erkennen und ihre ganze Schwere zu erfassen. Das ist die Erfahrung Davids, der, nachdem er »gegen den Herrn gesündigt hat«, auf die Vorwürfe des Propheten Natan (vgl. 2S 11-12) ausruft: »Ich erkenne meine bösen Taten, meine Sünde steht mir immer vor Augen. Gegen dich allein habe ich gesündigt, ich habe getan, was dir mißfällt« (Ps 51 Ps 1,5-6).



22 Darum wird, wenn der Sinn für Gott schwindet, auch der Sinn für den Menschen bedroht und verdorben, wie das Zweite Vatikanische Konzil lapidar feststellt: »Denn das Geschöpf sinkt ohne den Schöpfer ins Nichts... Überdies wird das Geschöpf selbst durch das Vergessen Gottes unverständlich«. 17 Der Mensch vermag sich nicht mehr als »in geheimnisvoller Weise anders« als die verschiedenen irdischen Lebewesen wahrzunehmen; er sieht sich als eines der vielen Lebewesen, als einen Organismus, der bestenfalls eine sehr hohe Vollkommenheitsstufe erreicht hat. In den engen Horizont seiner Körperlichkeit eingeschlossen, wird er gewissermaßen zu »einer Sache« und beachtet nicht mehr den »trans- zendenten« Charakter seines »Existierens als Mensch«. Er sieht das Leben nicht mehr als ein großartiges Geschenk Gottes an, als eine »heilige« Wirklichkeit, die seiner Verantwortung und damit seiner liebevollen Obhut, seiner »Verehrung« anvertraut ist. Es wird einfach zu »einer Sache«, die er als sein ausschließliches, total beherrschbares und manipulierbares Eigentum beansprucht.

Er ist daher nicht mehr in der Lage, sich angesichts des Lebens, das geboren wird, und des Lebens, das stirbt, nach dem wahren Sinn seines Daseins fragen zu lassen, indem er diese entscheidenden Augenblicke des eigenen »Seins« in echter Freiheit annimmt. Er kümmert sich nur um das »Machen« und bemüht sich unter Zuhilfenahme jeder Art von Technologie um die Planung, Kontrolle und Beherrschung von Geburt und Tod. Aus ursprünglichen Erfahrungen, die »gelebt« werden sollen, werden Geburt und Tod zu Dingen, die man sich einfach zu »besitzen« oder »abzulehnen« anmaßt.

Wenn im übrigen einmal der Bezug zu Gott ausgeschlossen ist, überrascht es nicht, daß der Sinn aller Dinge tief entstellt zum Vorschein kommt, und die Natur selbst, nicht mehr »mater«, zu einem »Material« entwürdigt wird, das allen Manipulationen offensteht. Zu diesem Punkt scheint eine gewisse in der modernen Kultur vorherrschende technisch-wissenschaftliche Rationalität zu führen, die selbst die Vorstellung einer Wahrheit vom Schöpfer, der anzuerkennen ist, oder eines Planes Gottes vom Leben, das zu achten ist, leugnet. Und dies gilt genauso, wenn die Angst vor den Ergebnissen dieser »Freiheit ohne Gesetz« manche zur entgegengesetzten Vorstellung von einem »Gesetz ohne Freiheit« verleitet, wie es z.B. in den Ideologien der Fall ist, die die Rechtmäßigkeit eines jeden Eingriffes in die Natur gleichsam im Namen ihrer »Vergöttlichung« bestreiten; eine Vorstellung, die wiederum die Abhängigkeit vom Plan des Schöpfers mißachtet.

Wenn der Mensch wirklich lebt, »als ob es Gott nicht gäbe«, so kommt ihm nicht nur der Sinn für das Geheimnis Gottes, sondern auch für das Geheimnis der Welt und seines eigenen Seins abhanden.

17) Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr.
GS 36.


23 Die Verfinsterung des Sinnes für Gott und den Menschen führt unvermeidlich zumpraktischen Materialismus, in dem der Individualismus, der Utilitarismus und der Hedonismus gedeihen. Auch hier offenbart sich die ewige Gültigkeit dessen, was der Apostel schreibt: »Und da sie sich weigerten, Gott anzuerkennen, lieferte Gott sie einem verworfenen Denken aus, so daß sie tun, was sich nicht gehört« (Rm 1,28). Auf diese Weise werden die Werte des Seins durch jene des Habens ersetzt. Das einzige Ziel, auf das es ankommt, ist die Erlangung des eigenen materiellen Wohlergehens. Die sogenannte »Lebensqualität« wird vorwiegend oder ausschließlich als wirtschaftliche Leistung, hemmungsloser Konsumismus, Schönheit und Genuß des physischen Lebens ausgelegt, wobei die tiefer reichenden — beziehungsmäßigen, geistigen und religiösen — Dimensionen des Daseins in Vergessenheit geraten.

In einem solchen Gesamtrahmen wird das Leiden, eine unvermeidbare Belastung der menschlichen Existenz, aber auch ein Faktor möglichen personalen Wachstums, »beanstandet», als unnütz zurückgewiesen, ja als immer und auf jeden Fall zu vermeidendes Übel bekämpft. Kann man es nicht überwinden und schwindet die Aussicht wenigstens auf künftiges Wohlergehen, dann scheint das Leben jede Bedeutung verloren zu haben, und im Menschen wächst die Versuchung, das Recht zu seiner Beseitigung geltend zu machen.

Im selben kulturellen Umfeld wird der Körper nicht mehr als für die Person typische Wirklichkeit, nämlich als Zeichen und Ort der Beziehung zu den anderen, zu Gott und zur Welt, wahrge- nommen. Er ist auf einen rein materiellen Charakter verkürzt: er ist nur ein Komplex von Organen, Funktionen und Kräften, die nach reinen Kriterien von Genuß und Leistung zu gebrauchen sind. Infolgedessen wird auch die Sexualität entpersönlicht und instrumentalisiert: aus Zeichen, Ort und Sprache der Liebe, das heißt der Selbsthingabe und der Annahme des anderen, wie sie dem ganzen Reichtum der Person entspricht, wird sie immer mehr zu einer Gelegenheit und einem Werkzeug der Bestätigung des eigenen Ich und der egoistischen Befriedigung der eigenen Begierden und Instinkte. So wird der ursprüngliche Inhalt der menschlichen Sexualität entstellt und verfälscht, und die zwei Bedeutungen, die das Wesen des ehelichen Aktes ausmachen, nämlich Vereinigung und Zeugung, werden künstlich getrennt: auf diese Weise wird die Vereinigung verraten, und die Fruchtbarkeit wird der Willkür des Mannes und der Frau unterworfen. Da wird die Zeugung zum »Feind«, die es bei der Ausübung der Sexualität zu vermeiden gilt: wenn man sie zuläßt, dann nur deshalb, weil sie den eigenen Wunsch oder geradezu den eigenen Willen zum Ausdruck bringt, »um jeden Preis« ein Kind zu haben, jedoch nicht, weil sie totale Annahme des anderen und damit Offenheit für die Lebensfülle besagt, deren Träger das Kind ist.

In der bisher beschriebenen materialistischen Sicht erfahren die zwischenmenschlichen Beziehungen eine schwerwiegende Verarmung. Die Ersten, die unter den Schäden dieser Verarmung zu leiden haben, sind die Frau, das Kind, der kranke oder leidende und der alte Mensch. An die Stelle des eigentlichen Kriteriums der Personwürde — nämlich das der Achtung, der Unentgeltlichkeit und des Dienstes — tritt das Kriterium der Leistungsfähigkeit, der Zweckmäßigkeit und der Nützlichkeit: der andere wird nicht für das anerkannt und geschätzt, was er »ist«, sondern für das, was er »hat, tut und leistet«. Das ist die Herrschaft des Stärkeren über den Schwächeren.



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