Generalaudienz 2000 33

33 Die symbolische Geste des Anhauchens möchte an den Akt des Schöpfers erinnern: Nachdem er den Menschen mit Erde vom Ackerboden geformt hatte, »blies er in seine Nase«, um ihm einen »Lebensatem« zu geben (vgl. Gn 2,7). Der auferstandene Christus schenkt einen anderen Lebensatem, nämlich den Heiligen Geist. Die Erlösung ist eine neue Schöpfung, ein Werk Gottes, und die Kirche ist berufen, durch den Dienst der Versöhnung an diesem Werk mitzuarbeiten.

4. Der Apostel Paulus liefert uns keinen direkten Bericht über die Ausgießung des Geistes, aber er spricht von den Früchten dieser Ausgießung mit einer solchen Intensität, daß man fast von paulinischem Pfingsten sprechen könnte, das ebenfalls im Zeichen der Dreifaltigkeit steht. Gemäß zwei sich entsprechenden Stellen im Galater- und Römerbrief ist der Geist das Geschenk des Vaters, der uns zu Adoptivkindern macht und uns am Leben der Gottesfamilie selbst beteiligt. Paulus schreibt also: »Denn ihr habt nicht einen Geist empfangen, der euch zu Sklaven macht, so daß ihr euch immer noch fürchten müßtet, sondern ihr habt den Geist empfangen, der euch zu Söhnen macht, den Geist, in dem wir rufen: Abba, Vater! So bezeugt der Geist selber unserem Geist, daß wir Kinder Gottes sind. Sind wir aber Kinder, dann auch Erben; wir sind Erben Gottes und sind Miterben Christi« (Rm 8,15-17; vgl. Ga 4,6-7).

Mit dem Heiligen Geist im Herzen dürfen wir an Gott die familiäre Anrede »Abba« richten, die Jesus selbst seinem himmlischen Vater gegenüber verwendete (vgl. Mc 14,36). Wie er müssen auch wir - dem Geist gemäß - in tiefer innerlicher Freiheit leben: »Die Frucht des Geistes aber ist Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Selbstbeherrschung« (Ga 5,22).

Beschließen wir diese Betrachtung der Dreifaltigkeit im Pfingstgeschehen mit einer Anrufung der orientalischen Liturgie: »Kommt, Völker, laßt uns die Gottheit in drei Personen anbeten: den Vater im Sohn mit dem Heiligen Geist. Denn seit ewigen Zeiten zeugt der Vater einen Sohn, der so ewig ist wie er und mit ihm herrscht, und der Heilige Geist ist im Vater, mit dem Sohn ver - herrlicht - eine Macht, eine Substanz, eine Gottheit … Heilige Dreifaltigkeit, Ehre sei dir!« (vgl. Pfingstvesper).

Pfingsten ist in Sicht. Der Heilige Geist, eine der drei göttlichen Personen, offenbart sich. Christus, der Herr, spendet den Geist in Überfülle. Seit Pfingsten steht das von Christus angekündigte Reich allen offen, die an ihn glauben. In allen Sprachen wird das Evangelium verkündet. Durch das Kommen des Heiligen Geistes bricht die Zeit der Kirche in der Geschichte an. Das Reich Gottes ist schon da, aber in seiner Fülle noch nicht vollendet.

Das bevorstehende Pfingstfest lädt uns ein, den Heiligen Geist zu feiern und seine Gaben zu empfangen.
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Mit diesen Gedanken grüße ich die zahlreichen Pilger und Besucher, die aus den Ländern deutscher Sprache nach Rom gekommen sind. Besonders heiße ich die Wallfahrer der Erzdiözese München und Freising unter Leitung von Weihbischof Franz Xaver Schwarzenböck willkommen. Außerdem grüße die Behinderten aus Brilon. Euch, Euren lieben Angehörigen daheim und allen, die mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbunden sind, erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen.



Juni 2000


Mittwoch, 7. Juni 2000

Die Herrlichkeit der Dreifaltigkeit im lebendigen Menschen

34 Liebe Schwestern und Brüder!

1. In diesem Jubiläumsjahr konzentriert sich unsere Katechese vorzugsweise auf das Thema der Verherrlichung der Dreifaltigkeit. Nachdem wir die Herrlichkeit der drei göttlichen Personen in der Schöpfung, in der Geschichte und im Geheimnis Christi betrachtet haben, wenden wir unseren Blick nun auf den Menschen, um in ihm den leuchtenden Widerschein des Wirkens Gottes zu erkennen.

»In seiner Hand ruht die Seele allen Lebens und jeden Menschenleibes Geist« (
Jb 12,10). Dieser eindrucksvolle Satz Ijobs offenbart die grundlegende Beziehung zwischen den Menschen und dem »Herrn und Freund des Lebens« (vgl. Sg 11,26). Der vernunftbegabten Kreatur ist ein inniges Verhältnis zum Schöpfer eingeprägt, eine tiefe Verbindung, die in erster Linie aus dem Geschenk des Lebens besteht. Dieses Geschenk wird von der Dreifaltigkeit selbst gespendet und besitzt zwei hauptsächliche Dimensionen, die wir nun im Licht des Wortes Gottes zu erläutern versuchen.

2. Die erste, grundsätzliche Dimension des uns geschenkten Lebens ist die leibliche und geschichtliche, jene »Seele« (nefesh) und jener »Geist« (ruah), von denen Ijob spricht. Der Vater tritt schon zu Beginn der Schöpfung als Urheber dieses Geschenks auf, wenn er feierlich verkündet: »Laßt uns Menschen machen als unser Abbild, uns ähnlich […] Gott schuf also den Menschen als sein Abbild; als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie« (Gn 1,26-27). Mit dem Katechismus der Katholischen Kirche können wir diesen Schluß ziehen: »Das Bild Gottes ist in jedem Menschen gegenwärtig. Es wird in der Gemeinschaft der Menschen, die der Einheit der göttlichen Personen gleicht, sichtbar« (CEC 1702). Ja, in der Liebesgemeinschaft und Zeugungsfähigkeit des menschlichen Paares liegt ein Abglanz des Schöpfers. In der Ehe setzen Mann und Frau das Schöpfungswerk Gottes fort, sie haben Anteil an seiner höchsten Vaterschaft in dem Geheimnis, das Paulus uns zu betrachten einlädt, wenn er sagt: »Ein Gott und Vater aller, der über allem und durch alle und in allem ist« (Ep 4,6).

Die wirksame Gegenwart Gottes, den der Christ als »Vater« anruft, offenbart sich schon am Anfang des Lebens jedes Menschen, um sich dann auf alle seine Tage auszudehnen. Das bezeugt eine Strophe von außerordentlicher Schönheit des Psalms 139, die man, dem Original näherkommend, etwa folgenderweise wiedergeben kann: »Denn du hast mein Inneres geschaffen, mich gewoben im Schoß meiner Mutter […] Als ich geformt wurde im Dunkeln, kunstvoll gewirkt in den Tiefen der Erde, war mein Skelett dir nicht verborgen. Auch als Embryo [golmî] sahen mich deine Augen, in deinem Buch war schon alles verzeichnet; meine Tage waren schon gebildet, als noch keiner von ihnen da war« (vgl. Ps 139,13 Ps 139, .

3. Auch der Sohn ist bei unserer Entstehung an der Seite des Vaters gegenwärtig; hat er doch unser Fleisch angenommen (vgl. Jn 1,14), so daß er von unseren Händen angefaßt, von unseren Ohren gehört und von unseren Augen gesehen und betrachtet werden kann (vgl. 1Jn 1,1). Paulus erinnert uns daran, daß wir »nur einen Gott [haben], den Vater. Von ihm stammt alles, und wir leben auf ihn hin. Und einer ist der Herr: Jesus Christus. Durch ihn ist alles, und wir sind durch ihn« (1Co 8,6). Jedes Lebewesen ist darüber hinaus auch dem Hauch des Geistes Gottes anvertraut, wie der Psalmist singt: »Sendest du deinen Geist aus, so werden sie alle erschaffen« (Ps 104,30). Im Licht des Neuen Testaments kann man diese Worte als eine Vorankündigung der Dritten Person der Heiligsten Dreifaltigkeit deuten. Am Ursprung unseres Leben steht also ein trinitarisches Wirken der Liebe und des Segens.

4. Wie ich schon erwähnt habe, gibt es noch eine andere Dimension in dem Leben, das dem menschlichen Geschöpf geboten wird. Diese Dimension können wir durch drei neutestamentliche theologische Kategorien zum Ausdruck bringen. Da gibt es zuerst das »zoê aiônios«, also das »ewige Leben«, von dem Johannes spricht (vgl. Jn 3,15-16 Jn 17,2-3) und das als Beteiligung am »göttlichen Leben« verstanden werden will. Dann gibt es die paulinische »kainé ktisis«, die »neue Schöpfung« (vgl. 2Co 5,17 Ga 6,15), die vom Geist hervorgebracht wird, der in die menschliche Kreatürlichkeit einbricht, sie verwandelt und ihr ein »neues Leben« verleiht (vgl. Rm 6,4 Col 3,9-10 Ep 4,22-24). Dieses ist das österliche Leben: »Denn wie in Adam alle sterben, so werden in Christus alle lebendig gemacht werden« (1Co 15,22). Schließlich gibt es noch das Leben als Kinder Gottes, die »hyiothesía« (vgl .Rm 8,15 Ga 4,5), die unsere Liebesgemeinschaft mit dem Vater in der Nachfolge Christi und in der Kraft des Heiligen Geistes zum Ausdruck bringt: »Weil ihr aber Söhne seid, sandte Gott den Geist seines Sohnes in unser Herz, den Geist, der ruft: Abba, Vater. Daher bist du nicht mehr Sklave, sondern Sohn; bist du aber Sohn, dann auch Erbe« (Ga 4,6-7).

5. Dieses transzendente Leben, das uns durch die Gnade eingegeben wird, öffnet uns für die Zukunft über die Grenzen unserer geschöpflichen Hinfälligkeit hinaus. Das bekräftigt Paulus im Rö - merbrief, wo er noch einmal auf die Dreifaltigkeit als Quelle dieses österlichen Lebens hinweist: »Wenn der Geist dessen in euch wohnt, der Jesus von den Toten auferweckt hat [d.h. der Vater], dann wird er, der Christus Jesus von den Toten auferweckt hat, auch euren sterblichen Leib lebendig machen, durch seinen Geist, der ihn euch wohnt« (Rm 8,11).

»Das ewige Leben ist also das Leben Gottes selbst und zugleich das Leben der Kinder Gottes. Immer neues Staunen und grenzenlose Dankbarkeit müssen den Gläubigen angesichts dieser unerwarteten und unaussprechlichen Wahrheit erfassen, die uns von Gott in Christus zuteil wird (vgl. 1Jn 3,12) […] So erreicht die christliche Wahrheit über das Leben ihren Höhepunkt. Die Würde dieses Lebens hängt nicht nur von seinem Ursprung, von seiner Herkunft von Gott ab, sondern auch von seinem Endziel, von seiner Bestimmung als Gemeinschaft mit Gott im Erkennen und in der Liebe zu ihm. Im Lichte dieser Wahrheit präzisiert und vervollständigt der hl. Irenäus seine Lobpreisung des Menschen: ›Herrlichkeit Gottes‹ ist ›der lebendige Mensch‹, aber ›das Leben des Menschen besteht in der Schau Gottes‹« (Evangelium Vitae EV 38 vgl. Irenäus, Adversus haereses, IV, 20,7).

Beschließen wir unsere Überlegungen mit dem Gebet eines Weisen des Alten Testaments zum lebendigen Gott, dem Freund des Lebens: »Du liebst alles, was ist, und verabscheust nichts von allem, was du gemacht hast; denn hättest du etwas gehaßt, so hättest du es nicht geschaffen. Wie könnte etwas ohne deinen Willen Bestand haben, oder wie könnte etwas erhalten bleiben, das nicht von dir ins Dasein gerufen wäre? Du schonst alles, weil es dein Eigentum ist, Her r, du Freund des Lebens. Denn in allem ist dein unvergänglicher Geist« (Weish 11,24-12,1).

Die Thematik über die Herrlichkeit der Dreifaltigkeit führt uns heute zur Gegenwart und zum Handeln Gottes im Menschen. Der Mensch empfängt das Leben von Gott. So zeichnet er sich aus durch eine innige Beziehung zu seinem Schöpfer. Dabei sind zwei Gesichtspunkte zu unterscheiden: die menschlich-geschichtliche Seite sowie die Teilhabe am ewigen-göttlichen Leben.

35 Gott Vater hat den Menschen nach seinem Bild geschaffen. Gott Sohn ist Mensch geworden und hat sich in Fülle mitgeteilt. Gott Heiliger Geist ist es, der das Leben erneuert. Dies ist der sichtbare Ausdruck der dreifaltigen Liebe gegenüber dem Menschen in seiner Geschichtlichkeit.

Als Söhne und Töchter Gottes sind wir auch seine Erben. Auf diese Weise haben wir Anteil am göttlichen Leben. Der Mensch ist also nicht irdisch verhaftet und auf seine jeweilige Geschichte fixiert. Vielmehr ist er auf Zukunft hin offen: auf das ewige Leben und die Gemeinschaft mit Gott.
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Liebe Pilger und Besucher aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Ich heiße Euch alle herzlich willkommen und wünsche Euch ein gesegnetes Pfingstfest. Der Heilige Geist sei in allen Lebenslagen Eure Kraft und Freude. Gerne erteile ich Euch und allen, die mit uns über Radio Vatikan oder das Fernsehen verbunden sind, den Apostolischen Segen.





Mittwoch, 14. Juni 2000

Die Herrlichkeit der Dreifaltigkeit im Leben der Kirche

Liebe Schwestern und Brüder!

1. Auf ihrem Pilgerweg zur vollen Liebesgemeinschaft mit Gott stellt die Kirche sich dar als »das von der Einheit des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes her geeinte Volk«. Diese wunderbare Definition des hl. Cyprian (De Orat. Dom., 23; vgl. Lumen gentium LG 4) führt uns in das Mysterium der Kirche ein, die durch die Gegenwart des dreifaltigen Gottes zur Gemeinschaft des Heiles wird. Wie das altehrwürdige Volk Gottes, so wird auch die Kirche auf ihrem neuen Exodus bei Tag von der Wolkensäule und bei Nacht von der Feuersäule geleitet, als Symbole der ständigen Anwesenheit Gottes. Vor diesem Horizont möchten wir die Herrlichkeit der Dreifaltigkeit betrachten, die die Kirche eine, heilig, katholisch und apostolisch macht.

2. Die Kirche ist in erster Linie eine, denn kraft des Heiligen Geistes sind die Getauften auf geheimnisvolle Weise mit Christus vereint und bilden seinen mystischen Leib. Das II. Vatikanische Konzil betont: »Höchstes Vorbild und Urbild dieses Geheimnisses ist die Einheit des einen Gottes, des Vaters und des Sohnes im Heiligen Geist in der Dreiheit der Personen« (Unitatis redintegratio UR 2). Auch wenn diese Einheit im Laufe der Geschichte die schmerzhafte Prüfung vieler Spaltungen erfahren hat, drängt ihre unerschöpfliche, trinitarische Quelle die Kirche dazu, jene »koinonia« oder Gemeinschaft, die in der ersten Jerusalemer Gemeinschaft strahlte, immer tiefer zu leben (vgl. Ac 2,42 Ac 4,32).

Aus dieser Perspektive bezieht auch der ökumenische Dialog sein Licht, da sich alle Christen der trinitarischen Grundlage ihrer Gemeinschaft bewußt sind: »Die ›koinonia‹ ist das Werk Gottes und besitzt einen ausgeprägt trinitarischen Charakter. In der Taufe findet sich der Anfangspunkt der Initiation der trinitarischen ›koinonia‹ mit Hilfe des Glaubens, durch Christus, im Heiligen Geist. […] Die Mittel, die der Geist zur Förderung der ›koinonia‹ gegeben hat, sind Wort, Amt, Sakramente und Charismen« (vgl. Bericht der 3. Fünfjahresperiode 1985-1989 über den Dialog zwischen Katholiken und Pfingstlern, Nr. 31). In diesem Zusammenhang erinnert das Konzil alle Gläubigen daran, daß »je inniger die Gemeinschaft ist, die sie mit dem Vater, dem Wort und dem Geist vereint, um so inniger und leichter werden sie imstande sein, die gegenseitige Brüderlichkeit zu vertiefen« (Unitatis redintegratio UR 7).

3. Die Kirche ist auch heilig. In der Sprache der Bibel verweist der Begriff »heilig« - noch bevor er zum Ausdruck der moralischen und existentiellen Heiligkeit des Gläubigen wird - auf die von Gott gewirkte Segnung durch die Auserwählung und Gnade, die er seinem Volk angeboten hat. Es ist also die Gegenwart Gottes, die die Gemeinschaft der Gläubigen »in der Wahrheit heiligt« (vgl. Jn 17,17 Jn 17,19).

36 Das erhabenste Zeichen dieser Gegenwart ist die Liturgie, denn sie ist das Sichtbarwerden der Weihe des Gottesvolkes. Darin findet sich die eucharistische Präsenz des Leibes und Blutes des Herrn, aber auch »unsere ›Eucharistia‹, unser Dank und Lobpreis dafür, daß er uns durch seinen Tod erlöst und durch seine Auferstehung an seinem unsterblichen Leben Anteil gegeben hat. Eine solche Verehrung, die sich auf die Heiligste Dreifaltigkeit, den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist, bezieht, begleitet und durchdringt mehr als alles andere die Feier der eucharistischen Liturgie. Sie soll aber auch unsere Kirchen« und das Leben der Kirche erfüllen (Dominicae Cenae, 3). Denn wir alle »entsprechen der innersten Berufung der Kirche und bekommen im voraus Anteil an der Liturgie der vollendeten Herrlichkeit, wofern wir in gegenseitiger Liebe und in dem einen Lob der Heiligsten Dreifaltigkeit miteinander Gemeinschaft haben« (Lumen gentium LG 51).

4. Die Kirche ist katholisch und zur Verkündigung Christi an die Welt gesandt, in der Hoffnung daß alle Fürsten der Völker sich mit dem Volk des Gottes Abrahams versammeln (vgl. Ps 47,10 Mt 28,19). Das II. Vatikanische Konzil hat erklärt: »Die pilgernde Kirche ist ihrem Wesen nach missionarisch, da sie selbst ihren Ursprung aus der Sendung des Sohnes und der Sendung des Heiligen Geistes herleitet gemäß dem Plan Gottes, des Vaters. Dieser Plan entspringt der ›quellhaften Liebe‹, dem Liebeswollen Gottes, des Vaters. Er, der ursprungslose Ursprung, aus dem der Sohn gezeugt wird und der Heilige Geist durch den Sohn hervorgeht, hat uns in seiner übergroßen Barmherzigkeit und Güte aus freien Stücken geschaffen und überdies gnadenweise gerufen, Gemeinschaft zu haben mit ihm in Leben und Herrlichkeit. Er hat die göttliche Güte freigebig ausgegossen und gießt sie immerfort aus, so daß er, der Schöpfer von allem, endlich ›alles in allem‹ (1Co 15,28) sein wird, indem er zugleich seine Herrlichkeit und unsere Seligkeit bewirkt« (Ad gentes AGD 2).

5. Schließlich ist die Kirche apostolisch. Nach Christi Auftrag sollen die Apostel zu allen Völkern gehen und alle Menschen zu seinen Jüngern machen, sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes taufen und sie lehren, alles zu befolgen, was er ihnen geboten hat (Mt 28,19-20). Dieser Auftrag erstreckt sich auf die ganze Kirche. Durch das Wort, vom Heiligen Geist und durch die Sakramente belebt, leuchtend und wirksam gemacht, »erfüllt sie den Plan Gottes, dem Christus gehorsam und liebend gedient hat zur Herrlichkeit des Vaters, der ihn dazu gesandt hat, daß das ganze Menschengeschlecht ein Volk Gottes bilde, in den einen Leib Christi zusammenwachse und zu dem einen Tempel des Heiligen Geistes aufgebaut werde« (Ad gentes AGD 7).

Die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche ist Volk Gottes, Leib Christi und Tempel des Heiligen Geistes. Diese drei Bilder aus der Bibel veranschaulichen die trinitarische Dimension der Kirche auf eindeutige Weise. In dieser Dimension können sich alle Jünger Christi wiederfinden, und sie sind aufgerufen, sie immer tiefer und mit einer immer lebendigeren Gemeinschaft zu leben. Dieser Ökumenismus findet im Bezug auf die Dreifaltigkeit seine solide Grundlage, denn der Geist vereint die Gläubigen mit Christus, dem Mittler aller Heilsgaben, und gewährt - durch ihn - Zugang zum Vater, den sie in diesem Geist »Abba«, Vater, nennen können (vgl. Gemeinsame Römisch-Katholische Evangelisch-Lutherische Kommission, Kirche und Rechtfertigung, 64). In der Kirche entdecken wir also eine großartige Erscheinung der dreifaltigen Herrlichkeit. Folgen wir also der Einladung, die der hl. Ambrosius an uns richtet: Erhebe dich, der du vorher schlafend lagst … Erhebe dich und eile zur Kirche: Hier ist der Vater, hier der Sohn und hier der Heilige Geist (vgl. In Lucam, VII).


INTERNATIONALER TAG DER FLÜCHTLINGE

Am kommenden 16. Juni begehen verschiedene Nicht-Regierungs-Organisationen, die für Flüchtlinge tätig sind, den »Internationalen Tag der Flüchtlinge«; während am 20. Juni der jährliche »Tag der Afrikanischen Flüchtlinge«, ausgerufen von der Organisation der Afrikanischen Einheit (OAU), stattfindet.

Im Geist des kürzlich gefeierten Jubiläums der Migranten und Menschen unterwegs möchte ich allen danken, die sich zu Gunsten der Millionen von Menschen, die zur Migration gezwungen sind, einsetzten: für die Flüchtlinge und Asylanten. An die Länder, die noch angemessene Gesetze zum Schutz dieser Menschen erlassen müssen, richte ich einen inständigen Aufruf in diesem Jubiläumsjahr, daß sie mit Eile dafür sorgen.
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Wenn der christliche Glaube Schlagzeilen macht, dann geht es meistens um die Kirche. Dabei wird eines leider oft vergessen: Wer über die Kirche spricht, muß auch von Gott reden. Die Kirche ist kein menschlicher Verein, sie ist die Gemeinschaft der Freunde Gottes, das "von der Einheit des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes her geeinte Volk" (Lumen gentium LG 4).

Die Kirche ist also nicht nur vom Menschen her zu denken, sondern vom dreifaltigen Gott. Im Horizont der Dreifaltigkeit rücken die Worte des Credo ins rechte Licht: Wir glauben die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche.

Der dreifaltige Gott gibt auch den ökumenischen Bemühungen neuen Schwung. Auch wenn bis heute Trennung und Spaltung zu beklagen sind, ist doch der Anfang der einen Gemeinschaft unversehrt geblieben. In der Taufe haben die Christen ein gemeinsames Fundament.

Der Weg zu Gott ist die Kirche, eine großartige Epiphanie der dreifaltigen Herrlichkeit. So rufe ich Euch die pfingstliche Einladung zu: Brecht auf zur Kirche! Dort findet ihr den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist.
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Mit diesem Wunsch begrüße ich die Pilger und Besucher aus den Ländern deutscher Sprache. Eure Wallfahrt nach Rom möge Eure Liebe zur Kirche neu entfachen! Gern erteile ich Euch, Euren Lieben daheim und allen, die mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbunden sind, den Apostolischen Segen.


Mittwoch, 21. Juni 2000

37


Liebe Schwestern und Brüder!

1. »Jesus Christus, einziger Erlöser der Welt. Brot für das neue Leben«: Das ist das Thema des 47. Eucharistischen Weltkongresses, der am vergangenen Sonntag begonnen hat und am kommenden Sonntag mit der »Statio Orbis« auf dem Petersplatz enden wird.

Der Kongreß stellt die Eucharistie in den Mittelpunkt des Jubiläumsjahrs der Menschwerdung und verdeutlicht deren ganze spirituelle, kirchliche und missionarische Tiefe. Aus der Eucharistie schöpft nämlich sowohl die Kirche als auch jeder Gläubige die Kraft, die zum Verkünden und Bezeugen des Evangeliums vom Heil vor allen Menschen unentbehrlich ist. Die Feier der Eucharistie, als Sakrament des Ostergeschehens des Herrn, ist schon in sich selbst ein missionarisches Ereignis, das den fruchtbaren Samen des neuen Lebens in die Welt bringt.

Dieser missionarische Wesenszug der Eucharistie wird von Paulus im 1. Brief an die Korinther ausdrücklich erwähnt: »Denn sooft ihr von diesem Brot eßt und aus diesem Kelch trinkt, verkündet ihr den Tod des Herrn, bis er kommt« (
1Co 11,26).

2. In der Doxologie nach der Konsekration nimmt die Kirche die Worte des hl. Paulus wieder auf. Die Eucharistie ist ein »missionarisches« Sakrament nicht nur deshalb, weil daraus die Gnade zur Mission hervorgeht, sondern auch weil sie den Ursprung und die ewige Quelle des Heils für alle Menschen in sich selbst enthält. Die Feier des eucharistischen Opfers ist daher das wirksamste missionarische Handeln, das die kirchliche Gemeinschaft in die Geschichte der Welt einbringen kann.

Jede Messe endet mit dem missionarischen Auftrag: »Gehet!« Er fordert die Gläubigen auf, die Verkündigung des auferstandenen Herrn in die Familien, an den Arbeitsplatz und in die Gesellschaft, ja in die ganze Welt zu tragen. Aus diesem Grunde habe ich die Gläubigen in meinem Schreiben Dies Domini eingeladen, dem Vorbild der Emmaus-Jünger zu folgen: Nachdem sie den auferstandenen Christus am Brechen des Brotes erkannt hatten (vgl. Lc 24,30-32), empfanden sie das Bedürfnis, die Freude der Begegnung mit ihm sofort mit allen Brüdern zu teilen (vgl. Nr. 45). Das »gebrochene Brot« öf fnet das Leben des Christen und der gesamten Gemeinschaft zum Teilen und zur Selbsthingabe für das Leben der Welt (vgl. Jn 6,51). Eine Eigenschaft der Eucharistie ist, diese untrennbare Verbindung zwischen Gemeinschaft und Sendung herzustellen, welche die Kirche zum Sakrament der Einheit des ganzen Menschengeschlechts macht (vgl. Lumen gentium LG 1).

3. Heute ist es besonders nötig, daß jede christliche Gemeinschaft aus der Feier der Eucharistie die innere Überzeugung und die geistige Kraft schöpft, um aus sich selbst herauszugehen und sich anderen, ärmeren Gemeinschaften zu öffnen, die der Unterstützung im Bereich der Evangelisierung und der missionarischen Zusammenarbeit bedürfen. Auf diese Weise wird ein fruchtbarer Gabenaustausch gefördert, der die ganze Kirche bereichert.

Sehr wichtig ist auch das Erkennen - von der Eucharistie ausgehend - der Berufungen und der missionarischen Dienste. Nach dem Beispiel der ersten Gemeinschaft von Antiochia, die sich zum »Gottesdienst-Feiern« versammelte, ist jede Christengemeinde aufgerufen, auf den Geist zu hören und seinen Einladungen zu folgen, indem sie die besten Kräfte ihrer Söhne und Töchter der Weltmission zur Verfügung stellt, sie mit Freude in die Welt hinausschickt und sie dabei mit ihrem Gebet und der nötigen spirituellen und materiellen Unterstützung begleitet (vgl. Ac 13,1-3).

Die Eucharistie ist außerdem eine stete Schule der Nächstenliebe, der Gerechtigkeit und des Friedens, um die Umwelt in Christus zu erneuern. In der Gegenwart des Auferstandenen finden die Gläubigen den Mut, Solidarität und Erneuerung zu bewirken und sich für die Abkehr von den Strukturen der Sünde einzusetzen, in denen einzelne, Gemeinschaften und manchmal sogar ganze Völker gefangen sind (vgl. Dies Domini, 73).

38 4. In diesen Überlegungen über Bedeutung und missionarischen Gehalt der Eucharistie durfte schließlich die Bezugnahme auf jene einzigartigen »Missionare« und Zeugen des Glaubens und der Liebe Christi, nämlich die Märtyrer, nicht fehlen. Die Reliquien der Märtyrer, seit der Antike unter dem Altar aufbewahrt, wo das »Opfer unserer Versöhnung« (Drittes Hochgebet)gefeiert wird, sind ein deutliches Zeichen für die aus dem Opfer Christi hervorgehende Kraft. Diese geistliche Energie führt die, die sich durch den Leib des Herrn stärken, dazu, ihr Leben für ihn und für die Brüder hinzugeben - durch ein vollkommenes Sich-Hinschenken, wenn nötig bis zum Blutvergießen.

Möge der Eucharistische Weltkongreß durch die Fürsprache Marias, Mutter des für uns geopferten Christus, in den Gläubigen das Bewußtsein für den missionarischen Einsatz beleben, der aus der Teilnahme an der Eucharistie hervorgeht. Der hingegebene Leib und das vergossene Blut (vgl.
Lc 22,19-20) sind das höhere Kriterium, auf das sie sich in ihrem Hinschenken für das Heil der Welt jetzt und auch in Zukunft immer beziehen müssen.

Diese Woche feiern wir in Rom den Eucharistischen Weltkongreß. Im Herzen dieser Feier eingebettet liegt Fronleichnam. Morgen abend tragen wir das heilige Brot, Christus selbst, durch diese Stadt. Die heilige Eucharistie ist die Mitte nicht nur in diesen Tagen, sondern für unser ganzes Leben auf dieser Erde. Aus der Teilhabe an diesem Sakrament nehmen wir Christen die Kraft zur Mission, zur Verkündigung der Botschaft vom Heil. Und diese Feierlichkeiten, die wie eine Monstanz die heilige Eucharistie umgeben, sind nicht ohne missionarische Auswirkung. Dadurch werden in die Welt fruchtbare Keime des neuen Lebens eingepflanzt.

Feiern wir also mit ganzer Überzeugung und aus tiefem Glauben diese Tage des Eucharistischen Weltkongresses! Mit dem Brot des Lebens in unserer Mitte können wir Christen uns sehen lassen!
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Mit diesen Gedanken grüße ich die zahlreichen Pilger und Besucher, die aus den Ländern deutscher Sprache nach Rom gekommen sind. Euch, Euren lieben Angehörigen daheim und allen, die mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbunden sind, erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen.


Mittwoch, 28. Juni 2000

Die Herrlichkeit der Dreifaltigkeit im himmlischen Jerusalem

39
Liebe Schwestern und Brüder!

1. »Solange aber die Kirche hier auf Erden in Pilgerschaft fern vom Herrn lebt, weiß sie sich in der Fremde, so daß sie sucht und sinnt nach dem, was oben ist, wo Christus zur Rechten des Vaters sitzt, wo das Leben der Kirche mit Christus in Gott verborgen ist, bis sie mit ihrem Bräutigam vereint in Herrlichkeit erscheint« (Lumen gentium
LG 6). Diese Worte des II. Vatikanischen Konzils verdeutlichen den Weg der Kirche; sie weiß, daß sie hier auf Erden keine Stadt hat, »die bestehen bleibt«, sondern daß sie »die künftige« sucht (vgl. He 13,14), nämlich das himmlische Jerusalem, die »Stadt des lebendigen Gottes« (ebd., 12,22).

2. An diesem endgültigen Ziel der Geschichte angelangt, werden wir nicht mehr - wie uns Paulus ankündigt - »in einen Spiegel schauen und nur rätselhafte Umrisse sehen, denn dann schauen wir von Angesicht zu Angesicht […] Dann werde ich durch und durch erkennen, so wie ich auch durch und durch erkannt worden bin« (vgl. 1Co 13,12). Und Johannes wiederholt: »Wir wissen, daß wir ihm ähnlich sein werden, wenn er offenbar wird; denn wir werden ihn sehen, wie er ist« (1Jn 3,2).

Jenseits der Grenzen der Geschichte erwartet uns also die strahlende und volle Epiphanie der Dreifaltigkeit. In der neuen Schöpfung wird uns Gott die vollkommene und innigste Verbindung mit Ihm zum Geschenk machen; das vierte Evangelium nennt dies »das ewige Leben«, Quelle einer »Kenntnis«, die in der Sprache der Bibel für die Liebesgemeinschaft steht: »Das ist das ewige Leben: dich, den einzigen wahren Gott, zu erkennen und Jesus Christus, den du gesandt hast« (Jn 17,3).

3. Die Auferstehung Christi offenbart diesen Horizont des Lichts, den schon das Erste Testament als Reich des Friedens und der Freude besingt und in dem Gott, der Herr, »den Tod für immer beseitigt und die Tränen von jedem Gesicht abwischt« (vgl .Is 25,8). Dann endlich »begegnen einander Huld und Treue; Gerechtigkeit und Friede küssen sich« (Ps 85,11). Es sind aber vor allem die letzten Seiten der Bibel, d.h. die glorreiche, abschließende Vision der Apokalypse, in der uns jene Stadt offenbart wird, die das letztendliche Ziel unserer Pilgerreise ist: das himmlische Jerusalem.

Dort werden wir vor allem dem Vater begegnen, »das Alpha und das Omega, der Anfang und das Ende« (Ap 21,6). Er wird sich in Fülle als Emmanuel zeigen, als Gott, der mit der Menschheit wohnt, der Tränen und Trauer wegwischt und alles neu macht (vgl. Ap 21,3-5). Im Mittelpunkt jener Stadt wird sich aber auch das Lamm erheben: Christus, mit dem die Kirche mit ehelichem Band vereint ist. Von ihm empfängt sie das Licht der Herrlichkeit, mit ihm ist sie innigst verbunden, nicht mehr durch einen Tempel, sondern direkt und vollkommen (vgl. Ap 21,9 Ap 21,22 Ap 21,23). Zu dieser Stadt drängt uns der Heilige Geist. Er fördert den Dialog der Liebe zwischen den Auserwählten und Christus: »Der Geist und die Braut aber sagen: Komm!« (Ap 22,17).

4. Auf diese vollständige Offenbarung der Herrlichkeit der Dreifaltigkeit richten wir unseren Blick; wir gehen dabei über die Grenzen unseres Zustands als Menschen hinaus und über die Last des Elends und der Schuld, die unser irdisches Dasein prägen. Für diese Begegnung erflehen wir jeden Tag die Gnade einer ständigen Läuterung in dem Bewußtsein, daß in das himmlische Jerusalem »nichts Unreines hineinkommen [wird], keiner, der Greuel verübt und lügt. Nur die, die im Lebensbuch des Lammes eingetragen sind, werden eingelassen« (Ap 21,27). Wie das II. Vatikanische Konzil lehrt, ist die Liturgie, die wir im Verlauf unserer Tage feiern, sozusagen ein »Vorgeschmack« auf jenes Licht, jene Anschauung, jene vollkommene Liebe: »In der irdischen Liturgie nehmen wir vorauskostend an jener himmlischen Liturgie teil, die in der heiligen Stadt Jerusalem gefeiert wird, zu der wir pilgernd unterwegs sind, wo Christus sitzt zur Rechten Gottes, der Diener des Heiligtums und des wahren Zeltes« (Sacrosanctum Concilium SC 8).

Deshalb wenden wir uns schon jetzt an Christus, damit er uns durch den Heiligen Geist helfe, rein vor den Vater hinzutreten. Dazu lädt uns auch Symeon Metaphrastes in einem Gebet der Liturgie der Ostkirche ein: »Du hast deine heiligen Jünger durch die Herabkunft des Tröstergeists zu heiligen Gefäßen gemacht; mach aus mir eine Wohnung, die deines Kommens würdig ist. Du wirst erneut kommen, das Universum in vollkommener Gerechtigkeit zu richten; erlaube auch mir, mit allen deinen Heiligen vor dich, meinen Richter und Schöpfer, zu treten, um dich ewig zu loben und zu preisen, zusammen mit deinem ewigen Vater und mit deinem heiligsten, guten und lebenspendenden Geist, jetzt und in alle Ewigkeit« (Gebete zur Kommunion).

5. Gemeinsam mit uns wartet »die ganze Schöpfung sehnsüchtig auf das Offenbarwerden der Söhne Gottes [… in der] Hoffnung: Auch die Schöpfung soll von der Sklaverei und Verlorenheit befreit werden zur Freiheit und Herrlichkeit der Kinder Gottes« (Rm 8,19-21). Das Buch der Offenbarung verkündet uns »einen neuen Himmel und eine neue Erde«, denn der erste Himmel und die erste Erde werden vergehen (vgl. Ap 21,1). Und in seinem Zweiten Brief bedient sich Petrus traditioneller apokalyptischer Bilder, um diese Auffassung zu betonen: »An jenem Tag wird sich der Himmel in Feuer auflösen, und die Elemente werden in Brand zerschmelzen. Dann erwarten wir, seiner Verheißung gemäß, einen neuen Himmel und eine neue Erde, in denen die Gerechtigkeit wohnt« (2P 3,12-13).

In Erwartung der vollständigen Harmonie und des vollständigen Lobes muß die gesamte Schöpfung schon jetzt mit dem Menschen einen Gesang der Freude und Hoffnung anstimmen. Laßt auch uns das tun mit den Worten einer Hymne aus dem 3. Jahrhundert, die in Ägypten entdeckt wurde: »Alle wunderbaren Geschöpfe Gottes dürfen weder morgens noch abends schweigen! Noch dürfen die leuchtenden Sterne, die hohen Berge, die Abgründe der Meere und die Quellen der schnellen Flüsse schweigen, solange wir in unseren Liedern den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist besingen. Alle Engel der Himmel sollen antworten: Amen! Amen! Amen!« (Text veröffentlicht von A. Gastoné, in: La Tribune de saint Gervais, September - Oktober 1922).

Appell zur Einstellung der Gewalttätigkeiten gegen die Christen in Indien und Indonesien:

Die Unruhewelle mit ethnisch-religiösem Hintergrund, die seit Januar 1999 den indonesischen Archipel der Molukken erschüttert, zeigt keine Anzeichen von Beruhigung. Die wiederholten, blutigen und bewaffneten Angriffe muslimischer Extremisten gegen christliche Dörfer verursachen zahllose Opfer und nicht meßbare Zerstörungen.

Ebenso beunruhigende Nachrichten erreichen uns aus Indien, wo in letzter Zeit zahlreiche Übergriffe gegen die christlichen Gemeinschaften und andere Minderheitsgruppen zu verzeichnen waren; »die schwersten - so sagten die Landesbischöfe - seit der Unabhängigkeit des Landes«. Ich erneuere meinen dringenden Aufruf zur Einstellung dieser abscheulichen Gewalttaten.

Ich wage zu hoffen, daß diejenigen, die sie verüben oder dazu anstacheln, verstehen, daß man im Namen der Religion weder morden noch zerstören darf und daß die Religion nicht nach den eigenen Interessen manipuliert werden kann. Die Vertreter der Behörden bitte ich, sich entschlossen um eine Verbesserung des gegenwärtigen Zustands zu bemühen; an alle geht meine Bitte, den Haß beiseitezuschieben und unermüdlich für die Wiederherstellung des Verständnisses zwischen den Religionen in gegenseitiger Achtung und Liebe zu arbeiten. An euch, die ihr hier anwesend seid, richte ich die Aufforderung, gläubig für diese Anliegen zu beten.

40 Durch seinen Tod und seine Auferstehung hat Jesus Christus das Tor zum Himmel geöffnet. Die Kirche und mit ihr alle ihre Kinder sind seitdem auf dem Weg zum himmlischen Jerusalem. Dort werden wir Gott schauen wie er ist.

Jenseits der Grenzen der Geschichte erwartet uns die lichtvolle Erscheinung der Heiligsten Dreifaltigkeit. Im neuen Jerusalem werden wir Gott als Vater begegnen, der uns in Liebe aufnehmen wird. In ihrer Mitte steht Christus, das Lamm und der Bräutigam der Kirche. Der Heilige Geist ist es, der uns in der neuen Stadt zur Gemeinschaft der Liebe versammeln wird.

Jesus Christus hat uns einen Vorgeschmack dieser Wirklichkeit hinterlassen. In der Feier der Liturgie auf Erden nehmen wir bereits Anteil an der immerwährenden Liturgie des Himmels.
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Liebe Pilger und Besucher aus den Ländern deutscher Sprache! Ich heiße Euch herzlich willkommen und wünsche Euch einen schönen Aufenthalt in Rom. Gerne erteile ich Euch und allen, die mit uns über Radio Vatikan oder das Fernsehen verbunden sind, den Apostolischen Segen.





Generalaudienz 2000 33