Generalaudienz 2000 54

54 Wir denken an den Vater, der uns geschaffen und ins Leben gerufen hat. Mit starkem Arm und zärtlichen Händen begleitet er unsere Wege. Wir schauen auf Jesus Christus: Durch ihn, mit ihm und in ihm haben wir Zugang zum Vater. Wir werden zu "Söhnen im Sohn" adoptiert. So kommt der Heilige Geist in den Blick, der uns in Beziehung bringt zum Vater und zum Sohn. Ja, der Heilige Geist als Person ist selbst die Beziehung, das ewige Geschenk des Himmels an uns Menschen auf Erden.

Machen wir unser Herz weit, damit eine lebendige Gottesbeziehung wachsen kann! Die heilige Theresia von Lisieux gebraucht ein schönes Bild: Sie vergleicht den Menschen mit einem kleinen Vogel, der zur Sonne fliegen will. Alles, was er tun kann, ist: seine Flügel öffnen und heben. Wenn der Mensch sich Gott überläßt, bekommt er gleichsam Flügel. Er fühlt sein Leben getragen.
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Mit diesen Gedanken grüße ich alle Pilger und Besucher deutscher Sprache. Besonders heiße ich die Wallfahrer aus der Diözese Augsburg willkommen, begleitet von ihrem Bischof Viktor Josef Dammertz und dessen Weihbischof Josef Grünwald. Die Zeit in Rom möge für euch zu Tagen des Heiles werden. Der Gang durch die Heilige Pforte gebe euch Kraft, als Zeugen des Glaubens in eurer Heimat über die Schwelle des dritten Jahrtausends zu treten. Dazu erteile ich euch, euren Lieben daheim und allen, die mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbunden sind, den Apostolischen Segen.


Mittwoch, 27. September 2000

Die Eucharistie als höchste irdische Feier der »Herrlichkeit«

Liebe Schwestern und Brüder!

1. Entsprechend den in Tertio millennio adveniente dargelegten Grundsätzen soll dieses Jubiläumsjahr als feierliches Gedenken der Menschwerdung ein »intensiv eucharistisches« Jahr sein (TMA 55). Nachdem wir zuvor unseren Blick auf die Herrlichkeit der Dreifaltigkeit gerichtet hatten, die über dem Weg des Menschen erstrahlt, beginnen wir nun mit einer Katechese über jene großartige und zugleich bescheidene Feier der göttlichen Herrlichkeit, nämlich die Eucharistie. Großartig deswegen, weil sie der wichtigste Ausdruck der Gegenwart Christi unter uns »alle Tage bis zum Ende der Welt« (Mt 28,20) ist, und bescheiden, weil sie den einfachen und alltäglichen Zeichen von Brot und Wein, gewöhnliche Nahrung und Trank des Landes Jesu und vieler anderer Gegenden, überantwortet ist. In diese Alltäglichkeit unserer Nahrung bringt die Eucharistie nicht nur die Verheißung, sondern sogar das »Unterpfand« der künftigen Herrlichkeit ein: »futurae gloriae nobis pignus datur« (hl. Thomas von Aquin, Officium de festo corporis Christi). Um die Größe des eucharistischen Mysteriums zu erfassen, möchten wir heute über das Thema der göttlichen Herrlichkeit und das Wirken Gottes in der Welt nachdenken: einmal tritt es in großen Heilsereignissen zutage, dann ist es unter bescheidenen Zeichen verborgen, die nur das Auge des Glaubens zu erkennen vermag.

2. Im Alten Testament wird die Offenbarung der göttlichen Herrlichkeit und die Gegenwart Gottes in der Geschichte und Schöpfung mit dem hebräischen Wort kabód bezeichnet. Die Herrlichkeit des Herrn erstrahlt auf dem Gipfel des Sinai, am Ort der Offenbarung des Wortes Gottes (vgl. Ex 24,16). Sie ist über dem heiligen Zelt und in der Liturgie des durch die Wüste pilgernden Gottesvolkes gegenwärtig (vgl. Lev Lv 9,23). Sie herrscht im Tempel, in jener Stätte, wo - wie der Psalmist sagt - »deine Herrlichkeit wohnt« (Ps 26,8). Sie umgibt das gesamte auserwählte Volk wie ein Mantel aus Licht (vgl. Is 60,1); selbst Paulus ist sich bewußt, daß die Israeliten »die Sohnschaft [haben], die Herrlichkeit, die Bundesordnungen …« (Rm 9,4).

3. Diese göttliche Herrlichkeit, die sich dem Volk Israel auf ganz besondere Weise offenbart, ist überall im Universum zugegen, wie der Prophet Jesaja bei seiner Berufung die Seraphim ausrufen hörte: »Heilig, heilig, heilig ist der Herr der Heere. Von seiner Herrlichkeit ist die ganze Erde erfüllt« (Is 6,3). Ja, der Herr enthüllt seine Herrlichkeit allen Völkern, wie im Psalter zu lesen ist: »Seine Herrlichkeit schauen alle Völker« (Ps 97,6). Das Entzünden des Lichtes der Herrlichkeit ist also universal, und daher kann die gesamte Menschheit die Gegenwart Gottes im Kosmos entdecken.

Diese Offenbarung vollzieht sich vor allem in Christus, denn er ist »der Abglanz seiner [Gottes] Herrlichkeit« (He 1,3). Das ist er auch durch seine Werke, wie der Evangelist Johannes angesichts des Zeichens von Kana bezeugt: Christus »offenbarte seine Herrlichkeit, und seine Jünger glaubten an ihn« (Jn 2,11). Er strahlt die göttliche Herrlichkeit ebenso durch sein Wort aus, das Gotteswort ist: »Ich habe ihnen dein Wort gegeben «, sagt Jesus zum Vater; »ich habe ihnen die Herrlichkeit gegeben, die du mir gegeben hast« (Jn 17,14 Jn 17,22). Auf radikalere Weise offenbart Christus die göttliche Herrlichkeit durch seine Menschennatur, die er bei der Menschwerdung angenommen hat: »Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt, und wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit« (Jn 1,14).

55 4. Die Offenbarung der Herrlichkeit Gottes auf Erden erreicht ihren Höhepunkt im Ostergeschehen, das besonders in den johanneischen und paulinischen Schriften als Verherrlichung Christi zur Rechten des Vaters dargestellt ist (vgl. Jn 12,23 Jn 13,31 Jn 17,1 Ph 2,6-11 Col 3,1 1Tm 3,16). Das Ostergeheimnis, als Ausdruck des Werkes, »in dem Gott vollkommen verherrlicht wird« (Sacrosanctum Concilium SC 5), dauert seinerseits fort im eucharistischen Opfer als Gedächtnisfeier des Todes und der Auferstehung, das Christus der Kirche, seiner geliebten Braut, anvertraut hat (vgl. SC SC 47). Mit dem Gebot »Tut dies zu meinem Gedächtnis!« (Lc 22,19) gewährleistet Jesus die ständige Gegenwart der österlichen Herrlichkeit durch alle Eucharistiefeiern hindurch, die den Verlauf der Menschheitsgeschichte begleiten werden: »Durch die heilige Eucharistie breitet sich das Ereignis des Leidens und Sterbens Christi über die ganze Kirche aus […] Durch die Gemeinschaft mit dem Leib und Blut Christi wachsen die Gläubigen in jene geheimnisvolle Vergöttlichung hinein, die sie durch den Heiligen Geist im Sohn zu Kindern des Vaters macht« (Johannes Paul II. und Moran Mar Ignatius Zakka I. Iwas, Gemeinsame Erklärung, 23.6.1984, 6; EV 9,74).

5. Es steht außer Zweifel, daß die Liturgie heute die höchste Feier der Herrlichkeit Gottes ist. »Da der Tod Christi am Kreuze und seine Auferstehung den Inhalt des täglichen Lebens der Kirche und das Unterpfand ihres ewigen Ostern bilden, hat die Liturgie als erste Aufgabe, uns unermüdlich auf den österlichen Weg zu führen, den uns Christus eröffnet hat und auf dem man es annimmt zu sterben, um in das Leben einzugehen « (Apostolisches Schreiben Vicesimus quintus annus, 6). Diese Aufgabe erfüllt man in erster Linie durch die Feier der Eucharistie, die das Ostergeschehen Christi vergegenwärtigt und den Gläubigen seine Dynamik vermittelt. So ist der christliche Gottesdienst der lebendigste Ausdruck der Begegnung zwischen der Herrlichkeit Gottes und der Verherrlichung, die sich aus Mund und Herzen des Menschen erhebt. Der »Herrlichkeit des Herrn«, die die Wohnstätte des Tempels mit ihrer strahlenden Gegenwart erfüllt (vgl. Ex 40,34), muß unsere »freigebige Ehrung des Herrn« entsprechen (vgl. Sir Si 35,10).

6. Paulus erinnert uns daran, daß wir Gott auch in unserem Leib, das heißt in unserem ganzen Dasein, verherrlichen müssen, denn unser Leib ist der Tempel des Geistes, der in uns wohnt (vgl. 1Co 6,19 1Co 6,20). Vor diesem Hintergrund kann man auch von einer kosmischen Feier der göttlichen Herrlichkeit sprechen. Die geschaffene Welt, »so häufig von Egoismus und Gier entstellt«, besitzt in sich eine »eucharistische Wirkkraft«: »Sie ist dazu bestimmt, aufgenommen zu werden in die Eucharistie des Herrn, in sein Pascha, das im Opfer am Altar gegenwärtig ist« (Orientale Lumen, 11). Auf das Wehen der Herrlichkeit des Herrn, die »die Himmel überragt« (Ps 113,4) und auf das Universum ausstrahlt, wird dann - in harmonischem Kontrapunkt - der einstimmige Lobpreis der Schöpfung antworten: »So wird in allem Gott verherrlicht durch Jesus Christus. Sein ist die Herrlichkeit und die Macht in alle Ewigkeit. Amen« (1P 4,11).

Das Heilige Jahr, das wir als das Große Jubiläum des Jahres 2000 seit der Menschwerdung Gottes begehen, ist zugleich ein intensives „eucharistisches Jahr“. In der Feier der Eucharistie finden wir den höchsten Ausdruck sowohl der Gegenwart Jesu Christi in unserer Mitte als auch der Verherrlichung des dreifaltigen Gottes durch die Menschen auf Erden. In Jesus schenkt sich Gott, den wir wiederum in Jesus Christus anbeten.

Allerdings vollzieht sich dieser höchste Akt in ganz bescheidener Weise: durch einfache und alltägliche Zeichen wie Brot und Wein, die zum Geheimnis der Eucharistie gewandelt werden. Darin verdichtet sich das gesamte Heilswirken Gottes in Geschichte und Gegenwart, und besonderes Jesu Erlösungstat in seinem Kreuz und seiner Auferstehung.

Die Gläubigen nehmen daran teil durch die Mitfeier der Liturgie und den Empfang des Leibes und Blutes Christi. Das Wirken des Heiligen Geistes macht sie zu Kindern Gottes.
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Indem ich Euch, liebe deutschsprachige Pilger und Besucher, zur häufigen Teilnahme an der heiligen Messe einlade, heiße ich alle herzlich willkommen. Besonders grüße ich die große Pilgergruppe aus dem Bistum Innsbruck in Begleitung ihres Bischofs Alois Kothgasser. Mein Willkommensgruß ergeht auch an die Teilnehmer der Pilgerfahrt „Rom im Rollstuhl“ sowie an den Deutschen Jugendverband der Diözesen Deutschlands. Gerne erteile ich Euch und allen, die mit uns über Radio Vatikan oder das Fernsehen verbunden sind, den Apostolischen Segen.



Oktober 2000

Mittwoch, 4. Oktober 2000

Die Eucharistie - wirksames Gedächtnis der großen Taten Gottes

56 Liebe Schwestern und Brüder!

1. Unter den vielfachen Aspekten der Eucharistie tritt jener des »Gedächtnisses« hervor, der im Zusammenhang mit einem biblischen Thema von erstrangiger Bedeutung steht. Wir lesen beispielsweise im Buch Exodus: »Gott gedachte seines Bundes mit Abraham, Isaak und Jakob« (
Ex 2,24). Im Deuteronomium hingegen heißt es: »Denk […] an den Herrn, deinen Gott« (8,18). »Du sollst an das denken, was der Herr, dein Gott, mit […] Ägypten gemacht hat« (7,18). Das Gedenken Gottes und das Gedenken des Menschen verflechten sich in der Bibel und bilden eine grundlegende Komponente des Lebens des Gottesvolkes. Es handelt sich jedoch nicht um ein bloßes Sich-Erinnern an eine nicht mehr vorhandene Vergangenheit, sondern um ein »zikkarôn«, nämlich ein »Gedächtnis«. Dieses ist »nicht nur ein Sich-Erinnern an Ereignisse der Vergangenheit, sondern die Verkündigung der großen Taten, die Gott für die Menschen getan hat. In der liturgischen Feier dieser Ereignisse werden sie gegenwärtig und wieder lebendig« (CEC 1363). Das Gedächtnis ruft einen Bund in Erinnerung, der niemals gebrochen wird: »Der Herr denkt an uns, er wird uns segnen« (Ps 115,12).

Der biblische Glaube impliziert also das wirksame Gedenken an die wunderbaren Taten des Heils. Sie werden verkündet im »großen Hallel«, dem Psalm 136, der Gott für die Schöpfung und die Errettung Israels im Exodus preist und dann mit den Worten schließt: »Der an uns dachte in unserer Erniedrigung, denn seine Huld währt ewig, und uns den Feinden entriß […], der allen Geschöpfen Nahrung gibt, denn seine Huld währt ewig« (Ps 136,23-25). Ähnlichen Worten begegnen wir im Evangelium auf den Lippen von Maria und Zacharias: »Er nimmt sich seines Knechtes Israel an und denkt an sein Erbarmen - er hat […] an seinen heiligen Bund gedacht« (Lc 1,54 Lc 1,72).

2. Im Alten Testament war das »Gedächtnis« par excellence des Wirkens Gottes in der Geschichte die Liturgie des Pascha des Exodus: Jedesmal wenn das Volk Israel Pascha feierte, bot Gott ihm auf wirksame Weise das Geschenk der Freiheit und Errettung. Im Ritus des Pascha verflicht sich daher das beiderseitige Gedenken, nämlich das von Gott und das vom Menschen ausgehende: rettende Gnade und dankbarer Glaube: »Diesen Tag sollt ihr als Gedenktag begehen. Feiert ihn als Fest zur Ehre des Herrn! […] Es sei dir ein Zeichen an der Hand und ein Erinnerungsmal an der Stirn, damit das Gesetz des Herrn in deinem Mund sei. Denn mit starker Hand hat dich der Herr aus Ägypten herausgeführt« (Ex 12,14 Ex 13,9). Aufgrund dieses Ereignisses bleibt Israel für alle Zeit, wie ein jüdischer Philosoph gesagt hat, eine auf die Erinnerung gegründete Gemeinschaft (vgl. M. Buber).

3. Die Verflechtung des Gedenkens Gottes und des Gedenkens des Menschen steht auch im Mittelpunkt der Eucharistie, die das »Gedächtnis« par excellence des christlichen Pascha ist. Die »Anamnese«, der Akt des Gedenkens, ist in der Tat der Kern der Feier: Das Opfer Christi, das »ef’hapax« - »ein für allemal« (He 7,27 He 9,12 He 10,2 vgl. He 9,26) vollbrachte, einmalige Geschehen, breitet seine heilswirksame Gegenwart in den Raum und die Zeit der menschlichen Geschichte aus. Das ist im abschließenden Gebot ausgedrückt, das Lukas und Paulus im Bericht des Letzten Abendmahls anführen: »Das ist mein Leib für euch. Tut dies zu meinem Gedächtnis! […] Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut. Tut dies, sooft ihr daraus trinkt, zu meinem Gedächtnis!« (1Co 11,24-25; vgl. Lc 22,19). Die Vergangenheit des am Kreuz »für uns hingegebenen Leibes« wird lebendig im Heute gegenwärtig und öffnet sich auf die Zukunft der endzeitlichen Erlösung, wie Paulus erklärt: »Denn sooft ihr von diesem Brot eßt und aus dem Kelch trinkt, verkündet ihr den Tod des Herrn, bis er kommt« (1Co 11,26). Die Eucharistie ist also Gedächtnis des Todes Christi, aber sie ist auch Gegenwart seines Opfers und Vorwegnahme seiner Wiederkunft in Herrlichkeit. Sie ist das Sakrament der fortgesetzten heilswirksamen Nähe des auferstandenen Herrn in der Geschichte. Daraus wird die Ermahnung des Paulus an Timotheus verständlich: »Denk daran, daß Jesus Christus, der Nachkomme Davids, von den Toten auferstanden ist« (2Tm 2,8). Dieses Gedenken ist in besonderer Weise in der Eucharistie lebendig und wirksam.

4. Der Evangelist Johannes erklärt uns den tiefen Sinn des Sich-Erinnerns an die Worte und Begebenheiten Christi. Angesichts der Geste Jesu, der die Händler aus dem Tempel vertreibt und ankündigt, daß dieser zerstört und in drei Tagen wieder aufgerichtet werden soll, bemerkt er: »Als er von den Toten auferstanden war, erinnerten sich seine Jünger, daß er dies gesagt hatte, und sie glaubten der Schrift und dem Wort, das Jesus gesprochen hatte« (Jn 2,22). Dieses Sich-Erinnern, das den Glauben hervorruft und nährt, ist Werk des Heiligen Geistes, »den der Vater in« Christi »Namen senden wird«: Er »wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe« (Jn 14,26). Es gibt also »ein« wirksames Gedenken: das sich erinnernde, das zum Verständnis des Wortes Gottes führt, und das sakramentale, das sich in der Eucharistie verwirklicht. Das sind die zwei Heilswirklichkeiten, die Lukas in der wunderbaren Begebenheit der Jünger von Emmaus zusammenfaßt: die Erklärung der Schrift und das »Brechen des Brotes« (vgl. Lc 24,13-35).

5. Sich »erinnern« bedeutet folglich, sich im Gedächtnis und im Gefühl »zu Herzen bringen«, aber es bedeutet auch, eine Präsenz feiern. »Die Eucharistie, wahres Gedächtnis des Paschamysteriums Christi, vermag die Erinnerung an seine Liebe in uns wachzuhalten. Sie ist folglich das Geheimnis der Wachsamkeit der Kirche: Allzuleicht könnte diese sonst - ohne die göttliche Wirksamkeit dieses ständigen und innigen Rufes, ohne die durchdringende Kraft dieses fest auf sie gerichteten Blicks ihres Bräutigams - der Vergessenheit, Gefühllosigkeit und Untreue verfallen« (vgl. Apostolisches Schreiben Patres Ecclesiae, III: Ench. Vat., 7, 33). Dieser Ruf zur Wachsamkeit macht unsere Eucharistiefeiern offen für die vollkommene Ankunft des Herrn beim Erscheinen des himmlischen Jerusalem. In der Eucharistie nährt der Christ die Hoffnung der endgültigen Begegnung mit seinem Herrn.

Appell zu einigen dramatischen Situationen in Afrika

Seit mehreren Wochen kommen besorgniserregende Nachrichten aus Guinea von blutigen
Angriffen auf die lokale Bevölkerung und auf die Flüchtlinge aus Liberia und Sierra Leone. Ich
fordere im Namen Gottes, von solcher Gewalt abzulassen und die Rechte aller zu respektieren,
57 insbesondere der Flüchtlinge, die bereits in beschwerlichen Umständen leben.

Ferner spreche ich einen besorgten Appell aus, die beiden Xaverianer-Priester, P. Franco
Manganello und P. Victor Mosele, freizulassen, die am vergangenen 6. September aus der
Mission Pamalap in der Region Forecariah [in Guinea, an der Grenze zu Sierra Leone] entführt
wurden.

Schließlich möchte ich meinen Schmerz und mein Gebet für zwei in den letzten Tagen brutal
ermordete Arbeiter des Evangeliums zum Ausdruck bringen: P. Raffaele Di Bari, Comboni-
Missionar, in Uganda, und Hr. Antonio Bargiggia, Laienmissionar von den Brüdern der Armen,
in Burundi. Möge der Herr diese seine treuen Diener in seinem Frieden aufnehmen, die bei der
Erfüllung des »größten Gebotes« gefallen sind: des Gebotes der Liebe.

Das Mysterium der Eucharistie kennt viele Aspekte. Darunter ragt das des “Gedächtnisses” hervor. In den Schriften der Bibel lesen wir wie das Gedächtnis Gottes mit dem Gedächtnis des Menschen im Leben des Gottesvolkes zusammenkommen. Dabei ist dieses Gedächtnis nicht nur ein Sich-Erinnern an Ereignisse der Vergangenheit, sondern die Verkündigung der großen Taten, die Gott für die Menschen getan hat. In der liturgischen Feier dieser Ereignisse werden sie gegenwärtig und wieder lebendig.” (
CEC 1363)

58 Die Eucharistie ist ein wahrhaftiges Gedächtnis des Kreuzesopfers, das in der Meßfeier Gegenwart wird. Die Erlösungstat Christi ist nicht nur ein Teil der Geschichte, sondern auch eine lebendige Kraft für uns Gläubige.
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Mit diesen Gedanken grüße ich die Pilger und Besucher, die aus den Ländern deutscher Sprache nach Rom gekommen sind. Besonders grüße ich die Delegation des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Technologie. Desweiteren heiße ich die Gruppe der Katholischen Frauengemeinschaft aus dem Diözesanverband Paderborn sowie die zahlreichen Musikanten und Sänger willkommen. Euch, Euren lieben Angehörigen daheim und allen, die mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbunden sind, erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen.


Mittwoch, 11. Oktober 2000

Die Eucharistie - »sacrificium laudis«

Liebe Schwestern und Brüder!

1. »Durch ihn und mit ihm und in ihm ist dir, Gott, allmächtiger Vater, in der Einheit des Heiligen Geistes alle Herrlichkeit und Ehre jetzt und in Ewigkeit.« Dieser Ausruf trinitarischen Lobes beschließt in jeder Eucharistiefeier das Hochgebet. Die Eucharistie ist das vollkommene »Opfer des Lobes«, die höchste Verherrlichung, die von der Erde zum Himmel aufsteigt, »Quelle und […] Höhepunkt des ganzen christlichen Lebens, [worin die Kinder Gottes] das göttliche Opferlamm Gott darbringen und sich selbst mit ihm« (Lumen gentium LG 11). Im Neuen Testament lehrt uns der Hebräerbrief, daß die christliche Liturgie dargebracht wird von einem Hohenpriester, »… der heilig ist, unschuldig, makellos, abgesondert von den Sündern und erhöht über die Himmel «; er hat ein für allemal ein einzigartiges Opfer vollzogen, »als er sich selbst dargebracht hat« (He 7,26-27). »Durch ihn also - so heißt es im Brief - laßt uns Gott allezeit das Opfer des Lobes darbringen« (He 13,15). Wir wollen heute kurz auf die beiden Themen des Opfers und des Lobes eingehen, die sich in der Eucharistie, dem »sacrificium laudis«, begegnen.

2. In der Eucharistie vergegenwärtigt sich in erster Linie das Opfer Christi. Unter den Gestalten von Brot und Wein ist Jesus wirklich anwesend, wie er selbst uns zusichert: »Das ist mein Leib […] das ist mein Blut« (Mt 26,26 Mt 26,28). Doch der in der Eucharistie gegenwärtige Christus ist der nunmehr verherrlichte Christus, der sich am Karfreitag am Kreuz hingegeben hat. Das unterstreichen die Worte, die er über dem Kelch mit Wein sprach: »Das ist mein Blut […] des Bundes, das für viele vergossen wird« (Mt 26,28 vgl. Mc 14,24 Lc 22,20). Wenn man diese Worte im Lichte ihres biblischen Hintergrundes untersucht, so lassen sich zwei bedeutsame Bezüge erkennen. Der erste betrifft die Worte »vergossenes Blut«, die - wie der biblische Sprachgebrauch belegt (vgl. Gn 9,6) - für einen gewaltsamen Tod stehen. Der zweite besteht in der genaueren Angabe »für viele«, womit jene gemeint sind, für die dieses vergossene Blut bestimmt ist. Diese Andeutung verweist uns auf einen grundlegenden Text für eine christliche Auslegung der Schrift, nämlich das vierte Lied Jesaja: Durch sein Opfer, »weil er sein Leben dem Tod preisgab«, trug der Gottesknecht »die Sünden von vielen« (Is 53,12 vgl. He 9,28 1P 2,24).

3. Die gleiche Dimension der Eucharistie als Opfer und Erlösung kommt in den Worten zum Ausdruck, die Jesus beim Letzten Abendmahl über das Brot spricht, so wie sie uns in den Überlieferungen von Lukas und Paulus berichtet werden: »Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird« (Lc 22,19 vgl. 1Co 11,24). Auch in diesem Falle finden wir einen Bezug zum opferbereiten Sich-Schenken des Gottesknechts in dem vorhin genannten Vers aus dem Buch Jesaja (53,12): »Er [gab] sein Leben dem Tod preis […] er trug die Sünden von vielen und trat für die Schuldigen ein.« »Die Eucharistie ist vor allem ein Opfer: Opfer unserer Erlösung und zugleich Opfer des Neuen Bundes, wie unser Glaube sagt und die Ostkirchen klar bekennen: ›das heutige Opfer - so hat vor Jahrhunderten die griechische Kirche erklärt - ist jenem gleich, das einmal der Eingeborene, das menschgewordene Wort, dargebracht hat; es wird von ihm (heute wie damals) dargebracht, da es das eine identische ist‹ (Synode von Konstantinopel gegen Sotericus - Januar 1156 und Mai 1157)« (Apostolisches Schreiben Dominicae Cenae, 9).

4. Die Eucharistie, als Opfer des neuen Bundes, ist die Entwicklung und Erfüllung des auf dem Sinai geschlossenen Bundes, als Mose mit der Hälfte des Blutes der Opfertiere den Altar, das Symbol Gottes, besprengte und mit der anderen Hälfte das Volk Israel (vgl. Ex 24,5-8). Dieses »Blut des Bundes« vereinte Gott und den Menschen ganz eng durch ein Band der Solidarität. Durch die Eucharistie wird diese innige Gemeinschaft vollkommen, die Umarmung zwischen Gott und Mensch erreicht ihren Höhepunkt. Es ist die Erfüllung jenes »neuen Bundes«, den der Prophet Jeremia vorausgesagt hatte (vgl. 31,31-34): ein Bund im Geist und im Herzen, der im Hebräerbrief
- eben von dieser Weissagung des Propheten ausgehend - verherrlicht wird, indem er ihn in Zusammenhang bringt mit dem einzigartigen und endgültigen Opfer Christi (vgl. He 10,14-17).

59 5. An diesem Punkt angelangt, können wir auch die andere Aussage veranschaulichen: Die Eucharistie ist ein Opfer des Lobes. Das eucharistische Opfer ist im wesentlichen auf die volle Gemeinschaft zwischen Gott und Mensch ausgerichtet und daher »Quelle und Gipfel des gesamten Gottesdienstes der Kirche und des ganzen christlichen Lebens. An diesem Opfer der Danksagung, der Versöhnung, der Bitte und des Lobes nehmen die Gläubigen in vollerem Maße teil, wenn sie nicht nur mit dem Priester aus ganzem Herzen die heilige Opfergabe und in ihr sich selber dem Vater darbringen, sondern auch diese selbe Opfergabe im Sakramente empfangen« (Kongregation der Riten, Eucharisticum Mysterium, 25.5.67, 3e).

Wie der Begriff in seiner griechischen Etymologie zum Ausdruck bringt, ist die Eucharistie eine »Danksagung«. In ihr vereint der Sohn Gottes die erlöste Menschheit mit sich selbst in einem Dank- und Lobgesang. Erinnern wir uns daran, daß das hebräische Wort todah, das mit »Lob« übersetzt wird, auch »Dank« bedeutet. Das Lobopfer war ein Opfer der Danksagung (vgl.
Ps 50,14 Ps 50,23). Um die Eucharistie einzusetzen, sagte Jesus beim Letzten Abendmahl seinem Vater Dank (vgl. Mt 26,26-27 und ähnliche Stellen). Hierin liegt der Ursprung des Namens dieses Sakraments.

6. »Im eucharistischen Opfer wird die ganze, von Gott geliebte Schöpfung durch den Tod und die Auferstehung Christi dem Vater dargebracht« (CEC 1359). Indem sie sich dem Opfer Christi anschließt, verleiht die Kirche in der Eucharistie dem Lob der ganzen Schöpfung Ausdruck. Dem muß der Einsatz jedes Gläubigen entsprechen, sein Dasein, sein »Selbst« - wie der hl. Paulus schreibt - »als lebendiges und heiliges Opfer darzubringen, das Gott gefällt« (Rm 12,1), in voller Gemeinschaft mit Christus. Auf diese Weise verbindet ein einziges Leben Gott und den Menschen, d.h. den für alle gestorbenen und auferstandenen Christus und den Jünger, der dazu berufen ist, sich Ihm ganz hinzuschenken.

Diese tiefinnerliche Liebesgemeinschaft wurde von dem französischen Dichter Paul Claudel besungen, der Christus diese Worte in den Mund legt: Komm mit mir dorthin, wo ich bin, in dir selbst, und ich werde dir den Schlüssel zum Dasein geben. Wo ich bin, ist auf ewig das Geheimnis deiner Herkunft… […] Wo sind deine Hände, die nicht auch die meinen wären? Und deine Füße, die nicht an dasselbe Kreuz genagelt wären? Ich bin gestorben und ein für allemal auferstanden! Wir sind einander ganz nah […]. Wie solltest du dich von mir trennen, ohne mein Herz zu zerreißen? (vgl. La Messe là-bas).

Appell des Papstes für den Frieden im Nahen Osten:

Mit großer Besorgnis verfolgen wir die schwerwiegenden Spannungen im Nahen Osten, der erneut von Ereignissen getroffen wurde, die zahlreiche Opfer forderten und nicht einmal vor den Heiligen Stätten Halt machten. Angesichts dieser dramatischen Lage kann ich nicht umhin, alle zu ermahnen, dieser Spirale der Gewalt unverzüglich ein Ende zu bereiten. Alle Gläubigen lade ich ein, Gott darum zu bitten, es möge den Völkern der Region und ihren Verantwortlichen gelingen, den Weg des Dialogs wiederaufzunehmen. Sie mögen die Freude wiederfinden, sich als Kinder Gottes, ihres gemeinsamen Vaters, zu fühlen.



Die Eucharistie ist das vollkommene „Opfer des Lobes“, die höchste Verherrlichung, die von der Erde zum Himmel aufsteigt. Sie ist Quelle und Höhepunkt des gesamten christlichen Lebens.

In der Feier der heiligen Messe wird das Opfer Christi Gegenwart. Jesus Christus ist wirklich unter den Gestalten von Brot und Wein anwesend.

Durch die Hingabe seines Leibes und Blutes hat der Sohn Gottes den neuen Bund besiegelt: Gott und Mensch wurden für immer auf wunderbare Weise vereint.

Daher ist die Eucharistie auch Opfer der Danksagung an den dreifaltigen Gott und Opfer des Lobes, durch das die Kirche im Namen der ganzen Schöpfung Gott verherrlicht.
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60 Liebe deutschsprachige Pilger und Besucher, ich begrüße Euch sehr herzlich. Mit großer Freude heiße ich insbesondere die neugeweihten Alumnen aus dem Collegium Germanicum-Hungaricum sowie ihre Angehörigen und Freunde willkommen. Liebe Neupriester! Ihr seid gestern mit einem großen Geschenk und einem tiefen Geheimnis betraut worden. Feiert mit wahrer Ehrfurcht und echter Freude täglich das „Opfer des Lobes“. Bereitet den suchenden und hungrigen Menschen immer wieder das eucharistische Mahl, das sie auf einzigartige Weise mit Gott verbindet und ihnen das Leben in Fülle schenkt. Gerne erteile ich Euch und allen, die mit uns über Radio Vatikan oder das Fernsehen verbunden sind, den Apostolischen Segen.




Mittwoch, 18. Oktober 2000

Die Eucharistie - Mahl der Gemeinschaft mit Gott

Liebe Schwestern und Brüder!

1. »Christus sind wir geworden. Denn wenn jener das Haupt ist, wir die Glieder, dann ist der ganze Mensch er und wir« (Augustinus, Tractatus in Johannis, 21,8; in: CEC 759). Diese kühnen Worte des hl. Augustinus rühmen die innige Gemeinschaft, die im Mysterium der Kirche zwischen Gott und dem Menschen entsteht, eine Gemeinschaft, die auf unserem Weg durch die Geschichte ihr höchstes Zeichen in der Eucharistie findet. Die Weisungen: »Nehmt und eßt … Trinkt …« (Mt 26,26-27), die Jesus in jenem Saal im Obergeschoß eines Jerusalemer Hauses am letzten Abend seines Erdenlebens (vgl. Mc 14,15) an seine Jünger richtet, sind außerordentlich bedeutungsvoll. Schon der universale symbolische Wert des mit Brot und Wein begangenen Gastmahls (vgl. Jes Is 25,6) weist auf Gemeinschaft und Vertrautheit hin. Weitere, deutlichere Elemente verherrlichen die Eucharistie als Festmahl der Freundschaft und des Bundes mit Gott. Der Katechismus der Katholischen Kirche erinnert uns daran, daß sie »zugleich und untrennbar das Opfergedächtnis, in welchem das Kreuzesopfer für immer fortlebt, und das heilige Mahl der Kommunion mit dem Leib und dem Blut des Herrn« ist (CEC 1382).

2. So wie im Alten Testament das Wanderheiligtum in der Wüste »Zelt des Begegnung«, d.h. der Begegnung zwischen Gott und seinem Volk sowie der Glaubensbrüder untereinander, genannt wurde, so bezeichnete die frühe christliche Überlieferung die Feier der Eucharistie als synaxis, d.h. Versammlung. Hierin »offenbart sich das tiefe Wesen der Kirche als Gemeinschaft derer, die zusammengerufen sind, um die Hingabe dessen zu feiern, der Spender und Opfergabe zugleich ist: durch die Teilnahme an den heiligen Geheimnissen werden sie zu ›Blutsverwandten‹ Christi und nehmen so in dem nunmehr untrennbaren Band, das in Christus Gottes- und Menschennatur verbindet, die Erfahrung der Vergöttlichung vorweg« (Orientale Lumen, 10).

Wenn wir den wahren Sinn dieses Geheimnisses der Gemeinschaft zwischen Gott und den Gläubigen vertiefen wollen, müssen wir auf die Worte Jesu beim Letzten Abendmahl zurückkommen. Sie verweisen auf die biblische Kategorie des »Bundes«, der uns an den Zusammenhang denken läßt, der zwischen dem Blut Christi und dem auf dem Sinai vergossenen Opferblut besteht: »Das ist mein Blut, das Blut des Bundes« (Mc 14,24). Mose hatte verkündet: »Das ist das Blut des Bundes« (Ex 24,8). Der Bund, der das Volk Israel am Sinai durch ein Band des Blutes mit dem Herrn vereinte, kündigte den neuen Bund an, aus dem sich - um einen Ausdruck der griechischen Väter zu verwenden - eine Art »Blutsverwandtschaft« zwischen Christus und dem Gläubigen ergibt (vgl. Kyrill von Alexandrien, In Johannis Evangelium, XI; Johannes Chrysostomus, In Matthaeum hom., LXXXII, 5).

3. Die Gemeinschaft des Gläubigen mit Christus in der Eucharistie wird vor allem in der johanneischen und paulinischen Theologie gepriesen. Während seiner Rede in der Synagoge von Kafarnaum sagte Jesus audrücklich: »Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist. Wer von diesem Brot ißt, wird in Ewigkeit leben« (Jn 6,51). Der gesamte Text dieser Rede zielt darauf ab, die lebendige Gemeinschaft hervorzuheben, die sich zwischen Christus, dem Lebensbrot, und demjenigen, der davon ißt, im Glauben herausbildet. Außerdem kommt jenes für das vierte Evangelium typische griechische Verb vor, um auf die mystische Vertrautheit zwischen Christus und seinem Jünger hinzuweisen: ménein, »bleiben, wohnen«: »Wer mein Fleisch ißt und mein Blut trinkt, der bleibt in mir, und ich bleibe in ihm« (Jn 6,56 vgl. 15,4-9).

4. Das griechische Wort für »Gemeinschaft«, nämlich »koinonìa«, findet sich zudem in den Überlegungen des 1. Korintherbriefs. Dort spricht Paulus vom Götzenopfermahl, das als »Tisch der Dämonen« (10,21) bezeichnet wird, und er äußert einen Grundsatz, der für alle Opfer gilt: »Haben die, welche von den Opfern essen, nicht teil am Altar?« (10,18). Der Apostel legt eine positive und erhellende Anwendung dieses Grundsatzes hinsichtlich der Eucharistie dar: »Ist der Kelch des Segens, über den wir den Segen sprechen, nicht Teilhabe (»koinonìa«) am Blut Christi? Ist das Brot, das wir brechen, nicht Teilhabe (»koinonìa«) am Leib Christi? […] denn wir alle haben teil an dem einen Brot« (10,16-17). »Die Teilnahme an der Eucharistie, dem Sakrament des Neuen Bundes, ist der Höhepunkt der Angleichung an Christus, Quelle des ›ewigen Lebens‹, Ursprung und Kraft der totalen Selbsthingabe« (Veritatis splendor VS 21).

5. Diese Gemeinschaft mit Christus führt also zu einer tiefinnerlichen Verwandlung des Gläubigen. Der hl. Kyrill von Alexandrien beschreibt dieses Ereignis mit eindrucksvollen Worten und zeigt dessen Widerhall im Dasein und in der Geschichte auf: Christus formt uns als sein Abbild solcherart, daß die Züge seines göttlichen Wesens durch Heiligkeit, Gerechtigkeit und ein gutes und tugendhaftes Leben erstrahlen. Die Schönheit dieses Abbilds erstrahlt in uns, die wir in Christus sind, wenn wir uns in unseren Werken als gute Menschen erweisen (vgl. Tractatus ad Tiberium Diaconum sociosque, II, Responsiones ad Tiberium Diaconum sociosque). »Denn durch die Teilnahme am Kreuzesopfer hat der Christ Gemeinschaft mit der Opferliebe Christi und wird dazu befähigt und verpflichtet, dieselbe Liebe in allen seinen Lebenshaltungen und Verhaltensweisen zu leben. In der sittlichen Existenz offenbart und verwirklicht sich auch der königliche Dienst des Christen« (Veritatis splendor VS 107). Dieser königliche Dienst hat seine Wurzeln in der Taufe und seine Blüte in der eucharistischen Gemeinschaft. Der Weg der Heiligkeit, der Liebe und der Wahrheit ist also die Offenbarung unserer Vertrautheit mit Gott vor der Welt; sie findet ihre Verwirklichung im eucharistischen Mahl.

Geben wir unserem Wunsch nach dem in Christus geschenkten göttlichen Leben mit den empfindsamen Worten Gregors von Narek (10. Jh.), eines großen Theologen der armenischen Kirche, Ausdruck: Nicht nach seinen Gaben, sondern nach dem Geber sehne ich mich immer. Nicht nach Herrlichkeit strebe ich, sondern den Verherrlichten will ich umarmen […] Nicht nach Ruhe suche ich, sondern um das Antlitz des Ruhegebenden bitte ich flehentlich. Nicht wegen dem Hochzeitsmahl, sondern wegen der Sehnsucht nach dem Bräutigam schmachte ich (vgl. 12. Gebet).


Generalaudienz 2000 54