Generalaudienz 2001 48

Mittwoch, 5. September 2001

,,Gott, der König aller Völker"

(Lesung: aus dem Psalm 47,1)

1. »Der Herr, der Höchste, [ist] ein großer König über die ganze Erde.« Diese einleitende Akklamation wird auf verschiedene Weise auch an anderen Stellen des Psalms 47, den wir soeben gehört haben, wiederholt. Er stellt sich dar als Hymnus an den Herrn und Herrscher über das Universum und die Geschichte: »Gott ist König der ganzen Erde […] Gott wurde König über alle Völker« (V. 8 - 9).

Ebenso wie auch andere ähnliche Texte des Psalters (vgl. Ps 93 Ps 96 - Ps 99) setzt dieser Lobgesang auf den Herrn als König der Welt und der Menschheit eine feierliche liturgische Atmosphäre voraus. Wir befinden uns also im geistigen Herzen des Lobes Israels, das sich vom Tempel aus, also von dem Ort, an dem der unendliche und ewige Gott sich offenbart und seinem Volk begegnet, zum Himmel erhebt.

2. Wir werden nun die Hauptaspekte dieses Gesangs freudigen Lobs betrachten; diese ähneln zwei Wellen, die sich zum Meeresufer hin bewegen. Sie unterscheiden sich in ihrer Deutung des Verhältnisses zwischen dem Volk Israel und den Nationen. Im ersten Teil des Psalms handelt es sich um ein Herrschaftsverhältnis: »Er unterwirft uns Völker und zwingt Nationen unter unsre Füße« (V. 4); im zweiten Teil hingegen wird ein Verhältnis der Gemeinschaft dargestellt: »Die Fürsten der Völker sind versammelt als Volk des Gottes Abrahams« (V. 10). Man stellt also einen bemerkenswerten Fortschritt fest.

Im ersten Teil (vgl. V. 2 - 6) steht: »Ihr Völker alle, klatscht in die Hände; jauchzt Gott zu mit lautem Jubel!« Im Mittelpunkt dieses freudigen Jubels steht die überragende Gestalt des höchsten Herrs, dem drei ehrenvolle Titel gegeben werden: »furchtgebietend«, »groß«, »Höchster« (vgl. V. 3). Sie verherrlichen die göttliche Transzendenz, den absoluten Primat über alles Seiende, die Allmacht. Auch der auferstandene Christus wird ausrufen: »Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf der Erde« (Mt 28,18).

49 3. Im Rahmen der universalen Herrschaft Gottes über alle Völker der Erde (vgl. V. 4) betont der Betende seine besondere Gegenwart im Volk Israel, dem Volk der göttlichen Erwählung, dem »auserwählten« Volk, dem wertvollsten und liebsten Erbe des Herrn (vgl. V. 5). Israel fühlt sich daher als Objekt einer besonderen Liebe Gottes, die sich durch den Sieg über die feindlichen Nationen offenbart hat. Im Kampf gewährleistete die Anwesenheit der Bundeslade bei den jüdischen Truppen diesen den Beistand Gottes; nach dem Sieg wurde die Lade auf den Berg Zion zurückgebracht (vgl. Ps 68,19), und alle riefen gemeinsam aus: »Gott stieg empor unter Jubel, der Herr beim Schall der Hörner« (Ps 47,6).

4. Der zweite Abschnitt des Psalms (vgl. V. 7 - 10) wird von einer weiteren Welle des Lobes und des freudigen Gesangs eröffnet: »Singt unserem Gott, ja singt ihm! Spielt unserem König, spielt ihm! […] Spielt ihm ein Psalmenlied!« (V. 7 - 8). Auch hier wird der in der Fülle seines Königtums auf dem Thron sitzende Herr gepriesen (vgl. V. 9). Dieser königliche Sitz wird als »heilig« bezeichnet, weil er für den begrenzten und sündigen Menschen unnahbar ist. Ein himmlischer Thron ist allerdings auch die Bundeslade, die sich im heiligsten Bereich des Tempels von Zion befand. Auf diese Weise nähert sich der entfernte und transzendente, heilige und unendliche Gott seinen Geschöpfen und paßt sich Raum und Zeit an (vgl. 1R 8,27 1R 8,30).

5. Der Psalm endet mit einer wegen ihrer universalistischen Offenheit erstaunlichen Anmerkung: »Die Fürsten der Völker sind versammelt als Volk des Gottes Abrahams« (V. 10). Man geht zu Abraham zurück, dem Patriarchen, der die Wurzel nicht nur des Volkes Israel, sondern auch anderer Nationen ist. Dem von ihm abstammenden, auserwählten Volk wird der Auftrag anvertraut, alle Völker und Kulturen um den Herrn zusammenzuführen, denn Er ist der Gott der ganzen Menschheit. Aus Ost und West werden sie sich dann in Zion versammeln, um diesem König des Friedens und der Liebe, der Einheit und Brüderlichkeit zu begegnen (vgl. Mt 8,11). Wie schon der Prophet Jesaja gehofft hatte, werden untereinander verfeindete Völker die Einladung erhalten, ihre Waffen zu Boden zu werfen und unter der einzigen Herrschaft Gottes, unter einer auf Gerechtigkeit und Frieden gründenden Regierung zusammenzuleben (vgl. Is 2,2 - 5). Die Augen aller Menschen werden auf das neue Jerusalem gerichtet sein, in das der Herr »hinaufsteigt«, um sich in der Herrlichkeit seiner Göttlichkeit zu offenbaren. Dort wird sein: »…eine große Schar aus allen Nationen und Stämmen, Völkern und Sprachen; niemand konnte sie zählen. […] Sie riefen mit lauter Stimme: Die Rettung kommt von unserem Gott, der auf dem Thron sitzt, und von dem Lamm« (Ap 7,9 - 10).

6. Der Epheserbrief sieht die Verwirklichung dieses prophetischen Worts im Mysterium des Erlösers Christus, wenn er, an die nicht dem Judentum entstammenden Christen gewandt, hervorhebt: »Erinnert euch also, daß ihr einst Heiden wart. […] Damals wart ihr von Christus getrennt, der Gemeinde Israels fremd und von dem Bund der Verheißung ausgeschlossen; ihr hattet keine Hoffnung und lebtet ohne Gott in der Welt. Jetzt aber seid ihr, die ihr einst in der Ferne wart, durch Christus Jesus, nämlich durch sein Blut, in die Nähe gekommen. Denn er ist unser Friede. Er vereinigte die beiden Teile (Juden und Heiden) und riß durch sein Sterben die trennende Wand der Feindschaft nieder« (Ep 2,11 - 14).

In Christus hat sich also das in unserem Psalm besungene Königtum Gottes über alle Völkern der Erde verwirklicht. Eine anonyme Predigt aus dem 8. Jahrhundert gibt zu diesem Geheimnis folgenden Kommentar: »Bis zum Kommen des Messias, der Hoffnung der Nationen, haben die heidnischen Völker Gott nicht angebetet, und sie wußten nicht, wer Er ist. Und solange der Messias sie nicht freigekauft hat, hat Gott nicht durch ihren Gehorsam und ihren Kult über die Nationen geherrscht. Jetzt aber herrscht Gott über sie mit seinem Wort und seinem Geist, denn er hat sie aus der Täuschung errettet und sie zu seinen Freunden gemacht« (vgl. anonymer Verfasser aus Palästina, Arabisch-christliche Predigt aus dem 8. Jahrhundert , Rom Rm 1994, S. 100).

Liebe Schwestern und Brüder!

Ein fröhliches Fest feiern, das tut jeder gern. Mit einer Einladung zur Freude beginnt auch unser heutiger Psalm: "Ihr Völker alle, klatscht in die Hände; jauchzt Gott zu mit lautem Jubel".

Wer sich als Beter auf die Woge dieses Freudenpsalmes legt, wird gleichsam in eine geistliche Strömung hineingenommen: Zuerst ist die Rede von tobenden Völkern und wankenden Reichen, doch dann werden die Töne friedlicher und leiser. Schließlich sind die Fürsten der Völker in Eintracht versammelt als das eine Volk des Gottes Abrahams. Gott ist kein Parteigänger für einige Auserwählte; Er möchte alle Völker um seinen heiligen Thron versammeln.

So gewährt dieser Psalm einen prophetischen Ausblick: Es wird eine Zeit kommen, da alle Trennung und Feindschaft überwunden ist. Das Reich des Friedens und der Gerechtigkeit bricht an. Im Kommen Jesu Christi haben wir schon einen Vorgeschmack darauf erhalten. Wenn er wiederkommt am Ende der Zeiten, das wird ein Fest sein: "Singt unserm Gott, ja singt ihm! Spielt unserm Gott, spielt ihm!"
*****


Einen freudigen Gruß richte ich an die Pilger und Besucher aus den Ländern deutscher Sprache. Besonders heiße ich die Direktoren und das Personal verschiedener Seniorenheime aus Vallendar willkommen. Ebenso freue ich mich, daß so viele Schüler- und Ministrantengruppen unter uns sind. Gerade die Jugend ist zur Freude berufen! Mit diesem Wunsch erteile ich euch, euren Lieben daheim und allen, die mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbunden sind, gern den Apostolischen Segen.




50

Mittwoch, 12. September 2001

Ich kann diese Audienz nicht beginnen, ohne meinen tiefen Schmerz zum Ausdruck zu bringen über die Terroranschläge, die gestern Leid und Zerstörung über Amerika gebracht und Tausende von Todesopfern und zahllose Verletzte gefordert haben. Dem Präsidenten der Vereinigten Staaten und allen amerikanischen Bürgern spreche ich mein tief empfundenes Beileid aus. Angesichts eines solch unaussprechlichen Schreckens können wir alle nur zutiefst beunruhigt sein. Ich vereine meine Stimme mit all den Stimmen, die in diesen Stunden ihre Empörung und Verurteilung äußern, und ich betone erneut, daß die Wege der Gewalt niemals zu wirklichen Lösungen der Menschheitsprobleme führen werden.


Gestern war ein dunkler Tag in der Geschichte der Menschheit, es ereignete sich ein schrecklicher Angriff auf die Würde des Menschen. Seit dem Moment, als ich die Nachricht erhielt, habe ich die Entwicklung der Lage mit großer Sorge weiterverfolgt, und ich habe mein inniges Gebet zum Herrn erhoben. Wie ist es nur möglich, daß solche Taten bestialischer Grausamkeit geschehen können? Das menschliche Herz hat Abgründe, die gelegentlich Pläne unerhörter Ruchlosigkeit hervorbringen können. Diese führen dann dazu, in wenigen Augenblicken das friedliche Alltagsleben eines Volkes zu zerstören. Wenn in solchen Momenten jedes Wort unangemessen scheint, kommt uns der Glaube zu Hilfe. Allein das Wort Christi kann uns helfen, eine Antwort auf die Fragen zu geben, die unser Gemüt quälen. Alle, die an Gott glauben, wissen, daß auch dann das Böse und der Tod nicht das letzte Wort haben, wenn die Mächte der Finsternis zu triumphieren scheinen. Auf dieser Wahrheit gründet die christliche Hoffnung; in diesen Stunden bezieht unser im Gebet verankertes Vertrauen daraus seine Kraft.

Mit tief empfundener Anteilnahme wende ich mich in diesem Augenblick der Angst und Fassungslosigkeit, in dem die Tapferkeit so vieler Männer und Frauen guten Willens auf eine harte Probe gestellt wird, an das geliebte Volk der Vereinigten Staaten. In ganz besonderer Weise umarme ich die Angehörigen der Toten und der Verletzten und versichere sie meiner geistlichen Nähe. Die wehrlosen Opfer dieser Tragödie, für deren ewige Ruhe ich heute morgen die heilige Messe gefeiert habe, vertraue ich der Barmherzigkeit des Allerhöchsten an. Möge Gott den Überlebenden Kraft schenken. Er komme den Rettungskräften und den vielen Freiwilligen zu Hilfe, die in diesen Stunden all ihre Kräfte einsetzen, um mit dieser dramatischen Notsituation fertig zu werden. Ich bitte euch, liebe Brüder und Schwestern, schließt euch meinem Gebet an.

Laßt uns Gott bitten, daß die Spirale von Haß und Gewalt nicht die Oberhand gewinnt. Möge die allerseligste Jungfrau, die Mutter der Barmherzigkeit, die Herzen aller mit Gedanken der Weisheit und dem Streben nach Frieden erfüllen.
* * * * *


An die englischsprachigen Teilnehmer der Generalaudienz wandte sich der Papst mit folgenden Worten:

Heute gilt meine tief empfundene Anteilnahme dem amerikanischen Volk, das gestern von unmenschlichen Terroranschlägen getroffen wurde, die das Leben Tausender unschuldiger Menschen gefordert und die Herzen aller Männer und Frauen guten Willens mit unaussprechlichem Leid erfüllt haben. Gestern war in der Tat ein dunkler Tag in unserer Geschichte, ein schrecklicher Angriff auf den Frieden, ein furchtbarer Anschlag auf die Menschenwürde.

Ich lade euch alle ein, mit mir zusammen die Opfer dieser erschütternden Tragödie der ewigen Liebe des allmächtigen Gottes anzuempfehlen. Laßt uns seinen Trost erflehen für die Verletzten, für die betroffenen Familien und für alle, die ihr Äußerstes tun, um die Überlebenden zu bergen und den Betroffenen zu helfen. Ich bitte Gott, dem amerikanischen Volk die Kraft und Mut zu schenken, die es in dieser Zeit des Leids und der Prüfung braucht.

An die Angehörigen des Karmelordens aus aller Welt richtete Johannes Paul II. folgende Grußworte:

Besonders herzlich begrüße ich die Familie der Karmeliten, die anläßlich der Gedenkversammlung zum 750. Jahrestag der Übergabe des Skapuliers mit einer großen Gruppe von Pilgern aus verschiedenen Ländern hier zusammengekommen ist. Meine Lieben! Dieser freudige Anlaß betrifft nicht nur die Verehrer der Muttergottes vom Berg Karmel, sondern die gesamte Kirche, denn das reiche marianische Erbe der Karmeliten wurde im Laufe der Zeit, auch dank der sich immer mehr ausbreitenden Verehrung des hl. Skapuliers, zu einem Schatz für das ganze Gottesvolk. Schöpft ständig aus diesem wundervollen spirituellen Erbe, um Tag für Tag glaubhafte Zeugen Christi und seines Evangeliums zu sein.

51 Zu dieser besonderen Aufgabe habe ich euch in einem eigenen Schreiben aufgefordert, das ich am vergangenen 25. März an die Generaloberen des Ordens der Karmeliten und des Ordens der Unbeschuhten Karmeliten richtete. Darin schrieb ich unter anderem, daß das Skapulier im wesentlichen ein Gewand ist: Es erinnert einerseits an den steten Schutz der Jungfrau Maria in diesem Leben und im Übergang zur Fülle der ewigen Herrlichkeit. Andererseits weckt es in uns das Bewußtsein, daß die Verehrung Mariens eine Art »Uniform«, also ein christlicher Lebensstil, sein muß, erfüllt von Gebet und innerlichem Leben. Ich wünsche euch, daß dieser Jahrestag für jeden von euch eine Gelegenheit zu persönlicher Umkehr und gemeinschaftlicher Erneuerung sei. Gebt hierbei stets Antwort auf die Gnade Gottes, die uns auf dem Weg zur Heiligkeit Kraft verleiht.



FÜRBITTEN


Der Heilige Vater:

Brüder und Schwestern,
angesichts der entsetzlichen, zerstörerischen Gewalt wenden wir uns mit großer Bestürzung, aber von jenem Glauben gestärkt, der seit jeher unsere Väter geleitet hat, an den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, den Retter seines Volkes, und flehen ihn mit kindlichem Vertrauen an, uns in diesen Tagen der Trauer und des unverschuldeten Leids zu Hilfe zu kommen.

Vorsänger: Dominum deprecemur: Te rogamus, audi nos.

1. Für die Kirchen des Ostens und Westens, und insbesondere für die Kirche in den Vereinigten Staaten von Amerika, daß sie, obwohl sie gegenwärtig von Trauer und Ohnmacht gebeugt ist, sich auf die Mutter des Herrn besinnt, die sich beim Kreuz des Sohnes als starke Frau erwies. Möge sie dadurch in den Herzen den Wunsch nach Versöhnung und Frieden nähren und sich für den Aufbau der Zivilisation der Liebe einsetzen.

2. Für alle, die den Namen Christen tragen, daß sie in den traurigen Ereignissen einer Menschheit voller Unverständnis und Haß weiterhin Zeugen der Gegenwart Gottes in der Geschichte und des Sieges Christi über den Tod bleiben.

3. Für die Verantwortlichen der Nationen, daß sie sich nicht von Haß und Vergeltung leiten lassen. Mögen sie alles unternehmen, um zu verhindern, daß Vernichtungswaffen erneut Haß und Vergeltung säen können. Ihr Bemühen gehe dahin, der Dunkelheit der menschlichen Wechselfälle
mit Werken des Friedens zu begegnen.

4. Für die Menschen, die wegen des gewaltsamen Verlusts von Verwandten und Freunden weinen und leiden. Mögen sie sich in dieser leidvollen Stunde nicht von Schmerz, Verzweiflung und Rache überwältigen lassen, sondern auch in Zukunft an den Sieg des Guten über das Böse, des Lebens über den Tod glauben und sich für den Aufbau einer besseren Welt einsetzen.

5. Für alle, die bei diesen sinnlosen Terroranschlägen verletzt und in tiefes Leid gestürzt worden sind, damit sie bald ihr inneres Gleichgewicht und ihre Gesundheit wiedererlangen. Mögen sie, frei von nachtragenden und rachsüchtigen Gefühlen, in Dankbarkeit gegenüber dem Geschenk des Lebens in ihren Herzen den Wunsch nach Aufbau, Zusammenarbeit und Dienst für jede Lebensform nähren und zu Erbauern der Gerechtigkeit und des Friedens werden.

52 6. Für die Brüder und Schwestern, die im Wahn der Gewalt den Tod gefunden haben. Mögen sie im Frieden des Herrn ihre sichere Freude und das Leben ohne Ende finden. Ihr Sterben sei nicht umsonst gewesen, sondern es werde zum Sauerteig für eine neue Zeit der Brüderlichkeit und Zusammenarbeit zwischen den Völkern.

Der Heilige Vater:

O Herr Jesus, gedenke bei deinem Vater unserer verstorbenen Brüder und Schwestern und all jener, die leiden. Denke auch an uns, und laß uns mit deinen Worten beten:

Pater noster …

Allmächtiger und barmherziger Gott, wer Zwietracht sät, kann dich nicht verstehen, wer Gewalt liebt, kann dich nicht aufnehmen: Schau auf unseren leidvollen Zustand als Menschen, von grausamen Todes- und Terroranschlägen geprüft, tröste deine Kinder, und öffne unsere Herzen für die Hoffnung, damit unser Zeitalter wieder Tage der Ruhe und des Friedens erleben kann. Durch Christus, unseren Herrn.

Amen.



Mittwoch, 19. September 2001

,,Morgengebet in der Not"

(Lesung: aus dem Psalm 57)

1. Es ist eine finstere Nacht, in der man gefräßige Tiere umherschleichen hört. Der Betende wartet auf den Sonnenaufgang, damit das Licht die Finsternis und die Ängste überwinde. Dies ist der Hintergrund des Psalms 57, der uns heute zur Betrachtung vorgeschlagen wird: ein nächtlicher Gesang, der den Betenden auf das Licht der Morgenröte vorbereitet, das er sehnlichst erwartet, um den Herrn freudig loben zu können (vgl. V. 9 - 12). In der Tat geht der Psalm von einer dramatischen, an Gott gerichteten Klage in zuversichtliche Hoffnung und freudigen Dank über; letzterer wird mit den Worten geäußert, die nochmals an anderer Stelle, in einem anderen Psalm , erklingen werden (vgl. Ps 108,2 - 6).

Wir erleben also gewissermaßen eine Wandlung von der Angst zur Freude, von der Nacht zum Tag, vom Alptraum zur Zuversicht, vom Flehen zum Lob. Diese Erfahrung wird im Psalter oft dargestellt: »Da hast du mein Klagen in Tanzen verwandelt, hast mir das Trauergewand ausgezogen und mich mit Freude umgürtet. Darum singt dir mein Herz und will nicht verstummen. Herr, mein Gott, ich will dir danken in Ewigkeit« (Ps 30,2 - 13).

53 2. Unsere Betrachtungen konzentrieren sich auf zwei Aspekte des Psalms 57. Der erste betrifft die Erfahrung der Angst angesichts der Offensive durch das Böse, das den Gerechten zu treffen versucht (vgl. V. 2 -7). Im Mittelpunkt dieser Szene stehen Löwen in Angriffsstellung. Schon bald wird dieses Bild in ein Kriegssymbol verwandelt, mit Spießen, Pfeilen und Schwertern umschrieben. Der Betende fühlt sich von einer Art »Todesschwadron« überfallen. Um ihn kreist eine Jägerbande, die Fallen stellt und Gruben gräbt, um ihre Beute zu fangen. Diese gespannte Atmosphäre wird aber unmittelbar darauf gelöst, denn schon am Anfang (vgl. V. 2) erscheint das schützende Symbol der Flügel Gottes, die konkret auf die Bundeslade mit den geflügelten Cherubim verweisen, also auf die Gegenwart Gottes an der Seite der Gläubigen im heiligen Tempel von Zion.

3. Der Betende bittet flehentlich, Gott möge vom Himmel seine Boten senden, denen er die vielsagenden Namen »Huld« und »Treue« (V. 4) gibt, als besondere Eigenschaften der heilsbringenden Liebe Gottes. Auch wenn er also vor dem grauenerregenden Brüllen der Raubtiere und der Heimtücke seiner Verfolger erschaudert, bleibt der Gläubige in seinem Innersten zuversichtlich und ruhig, wie Daniel in der Löwengrube (vgl. Dan
Da 6,7 - 25).

Die Gegenwart des Herrn läßt nicht lange auf eine Lösung warten, und zwar durch die Selbstbestrafung der Gegner: Sie stürzen in die Grube, die sie dem Gerechten gegraben hatten (vgl. V. 7). Dieses Vertrauen in die göttliche Gerechtigkeit, die im Psalter stets lebendig ist, bewahrt vor Entmutigung und Kapitulation vor der Arroganz des Bösen. Früher oder später stellt Gott sich auf die Seite des Gläubigen; er bringt die Ränkespiele der Frevler durcheinander und läßt sie über ihre eigenen bösen Vorhaben stolpern.

4. Wir kommen so zum zweiten Aspekt des Psalms, den des Dankes (vgl. V. 8 - 12). Ein Abschnitt fällt wegen seiner Intensität und Schönheit ganz besonders auf: »Mein Herz ist bereit, o Gott, mein Herz ist bereit, ich will dir singen und spielen. Wach auf, meine Seele! Wacht auf, Harfe und Saitenspiel! Ich will das Morgenrot wecken« (V. 8 - 9). Die Finsternis ist gewichen: Die Morgenröte des Heils wird durch den Gesang des Betenden herbeigeholt.

Indem er dieses Bild auf sich bezieht, überträgt der Psalmist wahrscheinlich den Brauch der ägyptischen oder phönizischen Priester in Begriffe der biblischen, also streng monotheistischen Religiosität:Diese Priester waren nämlich beauftragt, »die Morgenröte zu wecken«, das heißt die Sonne, die als gute Gottheit betrachtet wurde, aufs neue scheinen zu lassen. Der Psalmist spielt auch auf den Brauch an, in Zeiten der Trauer und Prüfung die Musikinstrumente aufzuhängen und zu verschleiern (vgl. Ps 37,2) und sie in Zeiten der Befreiung und Freude wieder zum festlichen Klang »aufzuwecken«. Die Liturgie läßt also die Hoffnung aufkeimen: Sie wendet sich an Gott mit der Einladung, sich erneut seinem Volk zu nähern und sein Flehen zu erhören. Im Psalter ist der Sonnenaufgang oft der Augenblick der göttlichen Erhörung nach einer Nacht des Gebets.

5. Der Psalm schließt mit einem Lobgesang an den Herrn, der am Wirken ist mit seinen heilsbringenden Eigenschaften, die unter anderen Bezeichnungen schon im ersten Teil der Anrufung erwähnt worden waren (vgl. V. 4). Jetzt ist - fast personifiziert - von göttlicher Güte und Treue die Rede. Sie überfluten die Himmel mit ihrer Gegenwart und sind wie das Licht, das in der Finsternis der Prüfungen und Verfolgungen strahlt (vgl. V. ). Aus diesem Grund hat sich der Psalm 57 in der christlichen Überlieferung zu einem Gesang des Erwachens zum Licht und zur Osterfreude verwandelt; diese breitet sich im Gläubigen aus, vertreibt die Angst vor dem Tod und eröffnet den Horizont der himmlischen Herrlichkeit.

6. Gregor von Nyssa entdeckt in den Worten unseres Psalms gleichsam eine typische Beschreibung dessen, was sich in jeder menschlichen Erfahrung, die gegenüber der Erkenntnis der göttlichen Weisheit aufgeschlossen ist, vollzieht. »Er rettete mich nämlich« - so ruft er aus -, »nachdem er mich mit der Wolke seines Geistes überschattet hatte;diejenigen, die mich getreten hatten, sind gedemütigt worden« (vgl. In psalmorum inscriptiones).

Und in bezug auf die Schlußformeln des Psalms, in denen gesagt wird: »Erheb dich über die Himmel, o Gott; deine Herrlichkeit erscheine über der ganzen Erde«, schreibt er: »In dem Maße, wie die Herrlichkeit Gottes sich auf der Erde ausbreitet und vom Glauben der Geretteten vermehrt wird, preisen die himmlischen Mächte Gott und jubeln über unsere Rettung« (vgl. ebd.).

Liebe Schwestern und Brüder!

Psalm 57 ist ein Gebet in einer bedrohlichen und leidvollen Lebenssituation, die mit dem Dunkel der Nacht und deren Gefahren verglichen wird. Der Beter hofft auf das Morgenrot, auf das neue anbrechende Licht, das die Dunkelheit und die Angst überwindet.

Von einer dramatischen Wehklage an Gott geht der Psalm über in eine hoffnungsvolle Heiterkeit und einen freudigen Dank. Wir erleben hier den Übergang von der Angst zur Freude, von der Nacht zum Tag, vom Alptraum zur Seelenruhe, von der Klage zum Lobpreis. Diese menschliche Erfahrung finden wir des öfteren im Buch der Psalmen beschrieben: "Du hast mein Klagen in Tanzen verwandelt, hast mir das Trauergewand ausgezogen und mich mit Freude umgürtet. Darum singt dir mein Herz und will nicht verstummen. Herr, mein Gott, ich will dir danken in Ewigkeit" (Ps 30,12-13).

54 Herzlich begrüße ich alle Pilger und Besucher aus den Ländern deutscher Sprache. Besonders willkommen heiße ich die Armen Schulschwestern von Unserer Lieben Frau aus Regensburg. Vertraut auch ihr auf den Herrn und überwindet mit eurem Glauben die dunklen Nächte eures Lebens, damit ihr voller Hoffnung und Freude Gott für seinen Beistand danken könnt. Gerne erteile ich euch allen und euren Lieben daheim den Apostolischen Segen.



Oktober 2001

Mittwoch, 3. Oktober 2001


Liebe Brüder und Schwestern!

1. Ich danke dem Herrn, der es mir ermöglicht hat, in den vergangenen Tagen eine so gelungene Apostolische Reise nach Kasachstan und Armenien zu unternehmen. Diese Erfahrung hat in meinem Herzen höchst lebendige Eindrücke und Empfindungen hinterlassen.

Die Reise hatte einen zweifachen Charakter: In Kasachstan handelte es sich um einen Pastoralbesuch bei der katholischen Gemeinschaft; sie lebt in einem Land mit überwiegend muslimischer Bevölkerung, das sich vor zehn Jahren von dem harten und unterdrückerischen sowjetischen Regime befreit hat. Nach Armenien bin ich als Pilger gekommen, um einer Kirche mit sehr weit zurückreichenden Ursprüngen die Ehre zu erweisen: Das armenische Volk feiert nämlich seine offizielle Bekehrung zum Christentum vor 1700 Jahren. Diese Identität konnte es um den Preis des Martyriums bis heute bewahren.

Den Präsidenten der Republiken Kasachstan und Armenien, die mir durch ihre Einladungen die Tore zu ihren edlen Ländern öffneten, erneuere ich meinen Dank. Ich bin ihnen zutiefst verbunden für die Höflichkeit und Freundlichkeit, mit denen sie mich aufgenommen haben.

Meinen dankbaren und herzlichen Gruß richte ich an die Bischöfe und die Apostolischen Administratoren, an die Priester und die katholischen Gemeinschaften. Mein aufrichtiges Dankeschön gilt allen, die zum Erfolg dieser Apostolischen Reise beigetragen haben, die ich so lange herbeisehnte und im Gebet vorbereitete.

2. In Kasachstan war das Thema des Pastoralbesuchs das Gebot Christi: »Liebt einander.« Es war von besonderer Bedeutung, diese Botschaft in jenes Land zu tragen, wo über hundert verschiedene ethnische Gruppen zusammenleben und zusammenarbeiten, um eine bessere Zukunft zu schaffen. Die Stadt Astana, in die mich mein Besuch führte, ist vor weniger als vier Jahren Hauptstadt geworden und kann als Symbol für den Wiederaufbau des Landes angesehen werden.

Bei meinen Treffen mit den führenden Persönlichkeiten und den einfachen Leuten habe ich sehr deutlich den Willen erkannt, eine harte und von der Unterdrückung der Menschenwürde und der Menschenrechte geprägte Vergangenheit hinter sich zu lassen. Denn wer kann vergessen, daß in Kasachstan Hunderttausende von Menschen deportiert wurden? Wer sollte sich nicht daran erinnern, daß seine Steppen für Versuche mit Nuklearsprengkörpern verwendet wurden? Deshalb wollte ich sofort nach meiner Ankunft das Denkmal für die Opfer des totalitären Regimes besuchen, gewissermaßen um den Blickpunkt aufzuzeigen, von dem aus man nach vorne schauen soll. Kasachstan, eine multiethnische Gesellschaft, hat die atomare Rüstung abgelehnt und möchte sich für den Aufbau einer solidarischen und friedlichen Gemeinschaft einsetzen. An dieses Bestreben erinnert symbolisch das große Monument für das Mutterland, das den Hintergrund zur heiligen Messe am 23. September bildete.

Die Kirche blüht Gott sei Dank wieder auf, auch aufgrund einer neuen territorialen Struktur. Ich wollte jener Gemeinschaft und ihren Hirten, die in einem hochherzigen und schwierigen Missionierungswerk engagiert sind, meine Nähe zum Ausdruck bringen. Mit innerer Ergriffenheit habe ich, zusammen mit ihnen, das Andenken an jene Menschen geehrt, die ihr Leben unter Mühen und Verfolgungen hingaben, um Christus zu den dortigen Völkern zu bringen.

55 Mit den Ordinarien der Länder Zentralasiens, mit den Priestern, den Ordensleuten, den Seminaristen und den Gläubigen, die auch aus den Nachbarstaaten angereist waren, habe ich in der Kathedrale von Astana die kasachische Nation der allerseligsten Jungfrau Maria anvertraut, der Friedenskönigin, wie der Titel lautet, unter dem sie im Nationalheiligtum verehrt wird.

3. »Liebt einander!« Diese Worte Christi gelten in erster Linie den Christen. Ich habe sie zunächst an die Katholiken gerichtet und sie zur Gemeinschaft untereinander und mit ihren zahlreichen orthodoxen Brüdern aufgefordert. Außerdem habe ich sie zur Zusammenarbeit mit den Muslimen ermutigt, um den echten Fortschritt der Gesellschaft zu fördern. Von diesem Land aus, in dem Anhänger unterschiedlicher Religionen friedlich zusammenleben, habe ich nachdrücklich bekräftigt, daß die Religion nie als Vorwand für Konflikte benutzt werden darf. Christen und Muslime sind - zusammen mit den Gläubigen aller Religionen - dazu aufgerufen, Gewalt entschlossen abzulehnen, um eine Menschheit zu schaffen, die das Leben liebt und sich in Gerechtigkeit und Solidarität entwickelt.

An die jungen Kasachen habe ich eine Botschaft der Hoffnung gerichtet und sie daran erinnert, daß Gott sie persönlich liebt. Zu meiner großen Freude konnte ich einen starken und lebendigen Widerhall dieser grundlegenden Wahrheit in ihren Herzen spüren. Die Begegnung mit ihnen fand in der Universität statt, einer Umgebung, an der ich seit jeher sehr hänge und in der sich die Kultur eines Volkes entwickelt. Mit den Vertretern der Welt der Kultur, Kunst und Wissenschaft hatte ich dann auch Gelegenheit, auf die religiöse Grundlage der menschlichen Freiheit und die Gegenseitigkeit von Glauben und Vernunft hinzuweisen mit der Aufforderung, die spirituellen Werte Kasachstans zu bewahren.

4. Nach meiner Abreise aus diesem großen zentralasiatischen Land begab ich mich als Pilger nach Armenien, um einem Volk die Ehre zu erweisen, das seit 17 Jahrhunderten seine Geschichte an das Christentum geknüpft hat. Zum ersten Mal ist ein Bischof von Rom auf dem Boden dieses geliebten Landes gestanden, das laut Überlieferung von den Aposteln Bartholomäus und Thaddäus evangelisiert und durch das Wirken des hl. Gregorios des Erleuchters im Jahr 301 offiziell christlich wurde.

Auf das Jahr 303 geht die Kathedrale von Etschmiadzin, der Apostolische Sitz der Armenischen Kirche, zurück. Gemäß dem Brauch der Pilger habe ich mich bei meiner Ankunft und vor meiner Abreise dorthin begeben, um an den Gräbern der Katholikos aller Armenier zu beten, darunter Vazken I. und Karekin I., die Begründer der gegenwärtigen herzlichen Beziehungen zwischen der armenischen und der katholischen Kirche. Im Namen dieser brüderlichen Freundschaft hat Seine Heiligkeit Karekin II. mich mit besonderer Zuvorkommenheit in seiner Residenz beherbergt und mich auf meiner ganzen Pilgerreise begleitet.

5. In seiner langen Geschichte hat das armenische Volk einen hohen Preis für die Treue zu seiner Identität bezahlt. Man denke nur an die schreckliche Massenvernichtung zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Zum Andenken an die Opfer - etwa anderthalb Millionen in drei Jahren - ragt in der Nähe der Hauptstadt Eriwan eine würdevolle Gedenkstätte empor, wo wir zusammen mit dem Katholikos aller Armenier ein inniges Gebet für alle Toten und den Frieden in der Welt gesprochen haben.

In der neuen apostolischen Kathedrale von Eriwan, die dem hl. Gregorios dem Erleuchter gewidmet ist und erst vor kurzem eingeweiht wurde, fand der feierliche ökumenische Gottesdienst statt mit der Verehrung einer Reliquie des Heiligen, die ich letztes Jahr Karekin II. anläßlich seines Besuchs in Rom übergeben hatte. Zusammen mit der gemeinsamen Erklärung hat dieser heilige Ritus die Bande der Nächstenliebe zwischen der katholischen und der armenischen Kirche auf bedeutsame Weise besiegelt. In einer von Konflikten und Gewalt zerrissenen Welt ist es nötiger denn je, daß die Christen Zeugen der Einheit und Urheber von Versöhnung und Frieden sind.

Die heilige Messe am neuen »Großen Altar« unter freiem Himmel im Garten des Apostolischen Sitzes von Etschmiadzin folgte zwar dem lateinischen Ritus, sie wurde aber »mit zwei Lungenflügeln« gefeiert, nämlich auch mit Lesungen, Gebeten und Gesängen in armenischer Sprache und in Anwesenheit des Katholikos aller Armenier. Es fehlen mir die Worte, um die tiefe Freude jener Augenblicke zum Ausdruck zu bringen; man spürte dabei die geistige Gegenwart der vielen Märtyrer und Bekenner des Glaubens, die mit ihrem Leben für das Evangelium Zeugnis gaben. Ihr Andenken soll gebührend geehrt werden:Wir müssen Christus, der von seinen Jüngern fordert, eins zu sein, mit vollkommener Hingabe gehorsam sein.

Das letzte Ziel meiner Apostolischen Reise war das Kloster von Khor Virab, was »tiefer Brunnen« bedeutet, denn dort befindet sich laut Überlieferung der 40 Meter tiefe Brunnen, in dem König Tiridates III. den hl. Gregorios den Erleuchter wegen seines Glaubens an Christus gefangen hielt, bis der Heilige mit seinen Gebeten beim König eine wundersame Heilung erwirkte, dieser sich bekehrte und sich mit seiner Familie und dem ganzen Volk taufen ließ. Dort wurde mir als Symbol des Glaubens, mit dem Gregorios die Armenier erleuchtete, eine Fackel überreicht, die ich feierlich in der neuen, beim Saal der Bischofssynode eingeweihten Kapelle aufgestellt habe. Dieses Licht brennt seit 17 Jahrhunderten! Es brennt in der Welt seit 2000 Jahren! Liebe Brüder und Schwestern, von uns Christen wird gefordert, es nicht zu verstecken, sondern es zu nähren, damit es den Fortgang der Menschheit auf den Pfaden der Wahrheit, der Liebe und des Friedens leite!

Liebe Schwestern und Brüder!

Dem Herrn sei Dank für das Geschenk der Reise, die mich in der vergangenen Woche nach Kasachstan und Armenien geführt hat.

56 In Kasachstan stand vor allem die pastorale Zielsetzung im Mittelpunkt. Ich wollte der katholischen Gemeinschaft einen Seelsorgsbesuch abstatten in einem Land, das vorwiegend von Moslems bewohnt wird. Zudem bietet Kasachstan das bunte Bild von mehr als hundert Volksgruppen. Kann es ein schöneres Motto für den Pastoralbesuch geben als die Bitte Jesu: Liebt einander als Vertreter unterschiedlicher ethnischer Guppen, als Glieder der einen Menschheitsfamilie, als Christen!

In Armenien war ich in erster Linie als Pilger unterwegs. Mit großer Hochachtung und Wertschätzung schaue ich auf die erhabene, uralte christliche Tradition, die dieses Land bis heute prägt. Bei den Gottesdiensten durfte ich spüren, daß die Kirche wirklich mit zwei Lungen atmet. Dankbar habe ich meinen Blick auf ein Land gerichtet, das vom Blut der Märtyrer und Glaubenszeugen durchtränkt und gerade dadurch fruchtbar ist für den christlichen Glauben.

Als Geschenk durfte ich eine Fackel mitnehmen als Zeichen des Glaubens, mit dem Gregor der Erleuchter die Herzen der Armenier entzündet hat. Ich habe diese Fackel in die neue Kapelle der Synodenaula gestellt. So spannt sich der Bogen zu heute: Gott erleuchte die Herzen der Bischöfe, die gerade zur Synode versammelt sind. Gott erleuchte auch uns, damit wir den Weg gehen zur Wahrheit, zur Liebe und zum Frieden!
*****


Mit diesen Gedanken grüße ich die vielen Pilger und Besucher deutscher Sprache: die Pfarrgruppen, die Ministranten und Schüler, die Chöre und auch die ökumenischen Pilgergruppen. Gern erteile ich euch, euren Lieben daheim und allen, die mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbunden sind, den Apostolischen Segen.




Generalaudienz 2001 48