Generalaudienz 1997 13


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Mittwoch, 25. Juni 1997


Liebe Schwestern und Brüder!

Heute richten wir unsere Gedanken auf das Ende des irdischen Lebens der Gottesmutter. Das Zweite Vatikanische Konzil knüpft an die Worte der Dogmatischen Definition meines Vorgängers Pius XII. an und stellt fest: "Schließlich wurde die unbefleckte Jungfrau, von jedem Makel der Erbsünde unversehrt bewahrt, nach Vollendung des irdischen Lebenslaufs mit Leib und Seele in die himmlische Herrlichkeit aufgenommen" (Lumen Gentium LG 59).

Diese Glaubenswahrheit hat eine lange Tradition. Obwohl es Theologen gab, die behaupteten, die Jungfrau sei vom Tod ausgenommen worden, entspricht es der allgemeinen Überlieferung der Kirchenväter, daß Maria gerade mit ihrem Tod in die himmlische Herrlichkeit eingegangen ist. Denn die Mutter steht nicht über dem Sohn, der den Tod auf sich nahm und ihm dadurch eine neue Bedeutung gab. Wie Jesu Tod zu einem Mittel der Erlösung wurde, so hat auch Maria - in analoger Weise - im Hinblick auf die Erlösung der Menschheit den Tod geteilt, der zum Tor des ewigen Lebens wurde.

Marias Tod hat nichts Schmerzliches mehr an sich. Für Franz von Sales kommt darin die Liebesbeziehung zwischen ihr und ihrem göttlichen Sohn zum Ausdruck. Maria starb "in Liebe, aus Liebe und um der Liebe willen". Ihr Hinscheiden aus dieser Welt war eine "dormitio", ein Entschlafen, um das ewige Leben mit ihrem Sohn in der anderen Welt zu teilen. So ist sie besonders denen eine geistliche Mutter, die sich auf die "Stunde des Todes" vorbereiten.
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Mit dieser Betrachtung grüße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher sehr herzlich. Besonders heiße ich die ökumenische Gruppe von katholischen Priestern und evangelischen Pastoren willkommen. Ihr seid nach Rom gepilgert, um an den Gräbern der Apostelfürsten die gemeinsamen Wurzeln des Glaubens zu entdecken und Euren Gemeinden weiterzugeben. Einen herzlichen Gruß richte ich auch an die Schüler- und Jugendgruppen, die in so großer Zahl gekommen sind, um dem Nachfolger Petri zu begegnen. Euch allen und Euren Angehörigen zu Hause sowie den über Radio Vatikan und das Fernsehen mit uns verbundenen Gläubigen erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen.



Juli 1997


Mittwoch, 2. Juli 1997


Liebe Schwestern und Brüder!

Indem sich das Zweite Vatikanische Konzil auf die Bulle meines Vorgängers Pius des XII. Munificentissimus Deus bezieht, bekräftigt es, daß die unbefleckte Jungfrau Maria "nach Vollendung des irdischen Lebenslaufs mit Leib und Seele in die himmlische Herrlichkeit aufgenommen" wurde (LG 59).

14 Das Dogma der Aufnahme Mariens in den Himmel will bedeuten, daß die Gottesmutter nach ihrem Tod verherrlicht worden ist. Tatsächlich ist es so, daß für die übrigen Menschen die Auferstehung erst am Jüngsten Tag stattfinden wird. Maria aber ist ihre Verherrlichung durch ein einzigartiges Privileg zuteil geworden. Denn als Mutter ist sie vollkommen vereint mit dem Leben und dem Werk ihres Sohnes Jesus Christus. Deshalb teilt sie mit ihm auch die Bestimmung von Leib und Seele nach dem Tod. Das ist übrigens eine tausendjährige Glaubensüberzeugung, die auch in der Kunst ihren Ausdruck gefunden hat.
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Indem ich Euch dem mütterlichen Beistand der Jungfrau Maria empfehle, heiße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher herzlich willkommen. Ich begrüße besonders die ökumenische Gruppe von katholischen Priestern und evangelischen Pastoren. Ihr seid nach Rom gekommen, um die gemeinsamen Wurzeln des Glaubens zu entdecken und Euren Gemeinden weiterzugeben. Einen herzlichen Gruß richte ich an alle Schüler und Schülerinnen und wünsche Euch schöne Sommerferien. Euch allen und Euren Lieben daheim sowie den über Radio Vatikan und das Fernsehen mit uns verbundenen Gläubigen erteile ich gerne den Apostolischen Segen.



Mittwoch, 9. Juli 1997


Liebe Schwestern und Brüder!

Die kirchliche Tradition hat die Aufnahme Mariens in den Himmel von Anfang an mit der Überzeugung verbunden, daß die Gottesmutter in besonderer Weise an der Sendung ihres göttlichen Sohnes teilhat.

In einem Text, der reich an Poesie ist, beschreibt der heilige Germanus von Konstantinopel, wie Jesus seine Mutter zu sich in seine Herrlichkeit holt. Dabei legt der Theologe Jesus folgende Worte in den Mund: "Wo ich bin, dort sollst auch du sein, Mutter! Du bist untrennbar mit deinem Sohn verbunden."

Maria ist das erste menschliche Geschöpf, an dem die Auferstehung der Toten Wirklichkeit wird. Daß Jesus diese endzeitliche Verheißung zuerst an einer Frau einlöst, deutet darauf hin, daß sich dahinter der göttliche Wille verbirgt, das weibliche Geschlecht aufzuwerten. In der himmlischen Herrlichkeit steht neben dem auferstandenen Christus die mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommene Maria. An der Seite des neuen Adam steht die neue Eva.

In einer Zeit, in der die Frau und besonders der weibliche Körper oft entwürdigt werden, kündet die Aufnahme Mariens in den Himmel davon, daß die Bestimmung eines jeden Menschen darin liegt, mit Leib und Seele in der Gemeinschaft mit Gott leben zu dürfen.
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Mit diesen Gedanken grüße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher sehr herzlich. Besonders heiße ich die Lehrkräfte des Werner-von-Siemens-Gymnasiums aus Regensburg willkommen. Einen herzlichen Gruß richte ich auch an die zahlreichen Schüler- und Jugendgruppen. Wie der Papst heute in die Berge geht, so wünsche ich auch Euch erholsame Sommerferien in Gottes schöner Natur und bei der Bewunderung der kulturellen Reichtümer. Euch allen und Euren Angehörigen zu Hause sowie den über Radio Vatikan und das Fernsehen mit uns verbundenen Gläubigen erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen.



15

Mittwoch, 30. Juli 1997


Liebe Schwestern und Brüder!

In Fortsetzung unserer Betrachtungen über Maria möchte ich heute über die Mutter Gottes als Glied der Kirche sprechen. Sie wird zwar von einigen nicht als Glied betrachtet, vielmehr stehe sie außerhalb der Kirche, da ihr viele Privilegien zuteil wurden, so die unbefleckte Empfängnis, die göttliche Mutterschaft und die einzigartige Mitwirkung am Heilswerk. Dadurch sei sie der Gemeinschaft der Gläubigen überlegen.

Nach dem II. Vatikanischen Konzil jedoch ist Maria ein Glied der Gemeinschaft der Gläubigen, und zwar "als überragendes und völlig einzigartiges Glied der Kirche" (LG 53): sie ist das Modell und die Mutter der Kirche. Sie ist - wegen der außerordentlichen Gaben des Herrn - von allen anderen Gläubigen verschieden, aber dennoch gehört sie zur Kirche und ist deren Glied im wahrsten Sinne des Wortes.
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Indem ich Euch der Fürsprache der Jungfrau Maria empfehle, heiße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher herzlich willkommen. Mein besonderer Gruß gilt den anwesenden Jugendlichen. Euch allen und Euren Lieben daheim sowie den über Radio Vatikan und das Fernsehen mit uns verbundenen Gläubigen erteile ich gerne den Apostolischen Segen.



August 1997

Mittwoch, 6. August 1997


Liebe Schwestern und Brüder!

Wie uns das Zweite Vatikanische Konzil lehrt, ist Maria "Typus und klarstes Urbild" der Kirche (LG 53). Sie ist Typus, und zwar nicht im Sinne des alttestamentlichen Vorbildes, das "nur ein Schatten von dem ist, was kommen wird" (Col 2,17), ein "Abbild und Schatten der himmlischen Dinge" (He 8,5); vielmehr ist sie ein Typus, der nicht auf die Zukunft hinweist, sondern schon gegenwärtig ist. Denn in ihr erfüllt sich die geistliche Wirklichkeit, die im Alten Testament vorausverkündet und dargestellt wurde.

Allerdings dürfen wir nicht vergessen, daß das erste Urbild der Kirche Christus selbst ist. Aber es gibt eine Art innere Wegweiser, die dem Christen helfen, eine echte Beziehung zu Christus aufzubauen. Indem der Gläubige den Blick auf Maria richtet, lernt er, in tieferer Gemeinschaft mit Christus zu leben, ihm in lebendigem Glauben anzugehören, sein Vertrauen und seine Hoffnung auf ihn zu setzen und ihn mit seinem ganzen Wesen zu lieben.
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Mit diesen Gedanken heiße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher herzlich willkommen. Mein besonderer Gruß gilt den anwesenden Ministranten und Jugendlichen. Euch allen und Euren Lieben daheim sowie den über Radio Vatikan und das Fernsehen mit uns verbundenen Gläubigen erteile ich gerne den Apostolischen Segen.



Mittwoch, 13. August 1997

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Liebe Schwestern und Brüder!

Maria und die Kirche - beide sind Mütter. Beide gehören wesentlich zur christlichen Existenz. Dabei kommt der Mutterschaft Mariens eine besondere Bedeutung zu: Bevor sie ihre mütterliche Funktion gegenüber den Menschen ausübt, ist sie die Mutter des eingeborenen Sohnes Gottes, der Mensch geworden ist. Die Kirche hingegen ist insofern Mutter, als sie auf geistliche Weise Christus in den Gläubigen gebiert. Auf diese Weise stellt die Jungfrau Maria ein Modell für die Mutter Kirche dar.

Die Mutter Maria verleiht der Kirche ein mütterliches Antlitz. Die Mütterlichkeit der Kirche soll sich in jedem Glied des mystischen Leibes zeigen. Die Frömmigkeit der Gläubigen weist darauf hin, wie tief die geistlichen Bande sind, die zwischen der Gottesmutter und dem Leben der Kirche bestehen: die zahlreichen Formen der Marienverehrung und die Wallfahrten zu den verschiedenen Marienheiligtümern erinnern an die Großtaten, die Gott, der Vater, durch die Mutter seines Sohnes wirkt.

Mutter Gottes und Mutter Kirche: Beide gehören also untrennbar zusammen. Beide zeugen von derselben göttlichen Liebe, die sich den Menschen mitteilen will.
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Mit diesen Gedanken grüße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher sehr herzlich. Einen besonderen Gruß richte ich an die Jugendlichen, die heute dem Nachfolger des Petrus begegnen wollen. Ich erneuere meine Einladung zum Jugendtreffen, das in wenigen Tagen junge Menschen aus der ganzen Welt in Paris zusammenführen wird. Euch allen und Euren Angehörigen zu Hause sowie den über Radio Vatikan und das Fernsehen mit uns verbundenen Gläubigen erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen.



Mittwoch, 20. August 1997


Liebe Schwestern und Brüder!

Die Kirche ist Mutter und Jungfrau. Mutter, weil sie ihre Kinder zum neuen und unsterblichen Leben gebiert, und Jungfrau, da sie das Treueversprechen, das sie dem Bräutigam gegeben hat, unversehrt und rein bewahrt. Die Kirche ist auch jungfräulich, im geistlichen Sinn der Unversehrtheit des Glaubens, der festen Hoffnung und der aufrichtigen Liebe. So ist Maria das Modell sowohl der Mütterlichkeit als auch der Jungfräulichkeit der Kirche (vgl. LG 64).

17 Wie Maria körperlich Jungfrau war, so ist sie es auch im Herzen. Sie ermutigt alle Christen, je nach ihrem Lebensstand ihre Reinheit zu bewahren. Dadurch hilft sie uns, unseren Körper als Tempel des Heiligen Geistes zu entdecken.

Das Konzil ermutigt die Gläubigen, zu Maria aufzuschauen, um ihren "jungfräulichen und unversehrten" Glauben, ihre Hoffnung und ihre Liebe nachzuahmen.
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Mit diesen Gedanken heiße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher herzlich willkommen. Mein besonderer Gruß gilt den anwesenden Ministranten, Jugendlichen, und Chorgemeinschaften. Euch allen und Euren Lieben daheim sowie den über Radio Vatikan und das Fernsehen mit uns verbundenen Gläubigen erteile ich gerne den Apostolischen Segen.



                                                                            September 1997

Mittwoch, 3. September 1997


Liebe Schwestern und Brüder!

Das Zweite Vatikanische Konzil bezieht sich in der Dogmatischen Konstitution Lumen Gentium auf die Worte des Apostels Paulus im Epheserbrief und stellt fest: "Während aber die Kirche in der seligsten Jungfrau schon zur Vollkommenheit gelangt ist, … bemühen sich die Christgläubigen noch, die Sünde zu besiegen und in der Heiligkeit zu wachsen (LG 65).

So wird der bestehende Unterschied zwischen den Gläubigen und Maria bekräftigt. Den Gläubigen wird die Heiligkeit durch die Taufe zuteil, Maria aber ist von Anfang an von der Erbsünde bewahrt worden.

In Maria ist der Kirche ein erhabenes Beispiel des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe geschenkt worden.
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18 Mit diesen Gedanken heiße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher herzlich willkommen. Mein besonderer Gruß gilt den zahlreichen Pilgern aus der Erzdiözese München und Freising unter der Leitung des Herrn Erzbischofs Friedrich Kardinal Wetter und des Herrn Weihbischofs Franz Schwarzenböck. Desweiteren begrüße ich die Stipendiaten des Katholischen Akademischen Ausländer-Dienstes sowie die Familienmütter der Schönstatt-Bewegung, die Jugendkantorei des Eichstätter Domchores und die Pilgergruppe evangelisch-lutherischer Christen aus verschiedenen Teilen Deutschlands.

Euch allen und Euren Lieben daheim sowie den mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbundenen Gläubigen erteile ich gerne den Apostolischen Segen.



Mittwoch, 10. September 1997


Liebe Schwestern und Brüder!

In seinem Apostolischen Schreiben Marialis cultus stellt Papst Paul VI. die Jungfrau Maria als Vorbild der Kirche bei der Feier des Gottesdienstes dar. Diejenige, die bei der Verkündigung durch den Engel sich voll und ganz dem Heilsplan Gottes unterwirft und anvertraut, wird so für alle Gläubigen zum erlesenen Beispiel des Hörens auf das Wort Gottes und der Gefügsamkeit diesem Wort gegenüber.

Mit dieser Haltung, die ihr gesamtes Dasein prägt, zeigt uns die Jungfrau Maria wie wir bei der Feier des Gottesdienstes das Wort Gottes hören und aufnehmen sollen. Ihr Beispiel macht deutlich, daß der Kult der Kirche nicht darin besteht, in erster Linie die Gedanken und Regungen des Menschen zum Ausdruck zu bringen, sondern im Hinhören auf das göttliche Wort, um es zu verstehen, sich zu eigen zu machen und im Alltag umzusetzen.
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Mit dieser kurzen Betrachtung begrüße ich Euch, liebe Pilger und Besucher aus den Ländern deutscher Sprache, die Ihr nach Rom gekommen seid, um die Gräber der Märtyrer und der Heiligen zu besuchen, die nach dem Vorbild Mariens wahrhaftige Hörer des Wortes gewesen sind. Insbesondere heiße ich die Teilnehmer an der Diözesanwallfahrt der Kirchenchöre im Bistum Passau sowie die anderen Chöre willkommen. Euch allen und Euren Angehörigen in der Heimat sowie den mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbundenen Gläubigen erteile ich gerne den Apostolischen Segen.



Mittwoch, 17. September 1997


Liebe Schwestern und Brüder!

Das Zweite Vatikanische Konzil nennt Maria "einzigartiges Glied", "Typus" und "klarstes Urbild" der Kirche und stellt fest: "die katholische Kirche verehrt sie, vom Heiligen Geist belehrt, in kindlicher Liebe als geliebte Mutter" (LG 53).

19 Gerade in jüngster Zeit wird Maria sowohl vom Lehramt als auch von der Volksfrömmigkeit gern "Mutter der Kirche" genannt. Doch steht hinter dieser Bezeichnung eine alte ehrwürdige Tradition. Die Christen sehen in Maria nicht nur die Mutter Jesu, sondern auch die Mutter aller Gläubigen. Diejenige, die als Mutter des Heils, Mutter des Lebens und der Gnaden, als Mutter der Erlösten und der Lebenden verehrt wird, kann mit gutem Recht "Mutter der Kirche" genannt werden.
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Mit diesen Gedanken heiße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher herzlich willkommen. Mein besonderer Gruß gilt den zahlreichen Schülerinnen, Schülern und Lehrkräften aus verschiedenen Orten Deutschlands, aus der Schweiz und aus Österreich. Euch allen und Euren Lieben daheim sowie den mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbundenen Gläubigen erteile ich gerne den Apostolischen Segen.



Mittwoch, 24. September 1997


Liebe Schwestern und Brüder!

Die Jungfrau Maria ist auf Grund der empfangenen Gnaden nicht nur Mutter des Erlösers, sondern sie ist auch zur Mutter der Menschheit geworden. Deshalb hat sie auf ihre Weise Anteil an der Erlösung der Menschen durch ihren Sohn Jesus Christus. Das II. Vatikanische Konzil sagt in Lumen Gentium 61: "Die selige Jungfrau ... war nach dem Ratschluß der göttlichen Vorsehung hier auf Erden die erhabene Mutter des göttlichen Erlösers, in einzigartiger Weise vor anderen seine großmütige Gefährtin und die demütige Magd des Herrn".

Während ihres irdischen Daseins hat Maria ihre geistliche Mutterschaft gegenüber der Kirche nur für kurze Zeit ausgeübt. Doch ist diese ihre Berufung gerade nach ihrer Himmelfahrt voll und ganz zur Geltung gekommen, indem sie unaufhörlich fortdauert und sie durch ihre vielfältige Fürbitte fortfährt, uns die Gaben des ewigen Heiles zu erwirken (vgl. LG LG 62).
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Mit dieser kurzen Betrachtung begrüße ich Euch, liebe Pilger und Besucher aus den Ländern deutscher Sprache. Mein besonderer Gruß gilt den Sportfunktionären, den Sportlern und den Sportjournalisten aus Oberösterreich, die in Begleitung des Herrn Bischofs Kurt Krenn nach Rom gekommen sind. Desweiteren begrüße ich besonders herzlich die zahlreichen Schülerinnen, Schüler und Lehrkräften. Euch allen und Euren Lieben daheim sowie den mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbundenen Gläubigen erteile ich gerne den Apostolischen Segen.



                                                                                  Oktober 1997

Mittwoch, 1. Oktober 1997


20 Liebe Schwestern und Brüder!

Unter den Titeln, mit denen die Kirche Maria verehrt, zählt das Zweite Vatikanische Konzil auch die "Mittlerin" auf. Obwohl einige Konzilsväter diese Entscheidung nicht voll teilen konnten, wurde die Anrede "Mittlerin" in die dogmatische Konstitution Lumen Gentium aufgenommen. Denn das Wort "Mittlerin" birgt eine tiefe Wahrheit in sich.

Wenn von Maria als Mittlerin die Rede ist, dann müssen wir im gleichen Atemzug von Maria als unserer Mutter sprechen. Maria als Mutter in der Gnadenordnung trägt zusammen mit Christus zur geistlichen Neugeburt der Menschheit bei. So ist Maria insofern Mittlerin, als sie unsere Mutter ist.

Trotzdem bleibt unbestritten, daß Marias mütterlicher Mittlerdienst in keiner Weise die einzige Mittlerschaft schmälert, die Jesus Christus zukommt. Marias Mitarbeit an der Erlösung verringert also nicht im geringsten die unmittelbare Verbindung der Gläubigen mit Christus. Im Gegenteil: Maria erleichtert es uns, eine innige Verbindung zu unserem Mittler und Erlöser aufzubauen, der Jesus Christus heißt. Wir wollen Gott dafür danken, daß er der Kirche in Maria eine Mutter schenkt, die die Gläubigen zu ihrem Sohn führt.
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Unter allen deutschsprachigen Pilgern und Besuchern grüße ich besonders die Teilnehmer an der Pilgerfahrt "Rom im Rollstuhl". Ich wünsche Euch, daß Ihr aus diesen Tagen in der Ewigen Stadt mit ihren vielfältigen Eindrücken, den Gottesdiensten und Begegnungen Kraft für Euren Alltag schöpfen könnt. Ebenso herzlich begrüße ich die Pilger aus der Erzdiözese Bamberg, die im Rahmen einer Leserreise der Kirchenzeitung "Heinrichsblatt" nach Rom gekommen sind. Euch allen und Euren Angehörigen zuhause sowie den über Radio Vatikan und das Fernsehen mit uns verbundenen Gläubigen erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen.



Mittwoch, 8. Oktober 1997


Liebe Schwestern und Brüder!

Am Wochenende habe ich in Brasilien an den Feierlichkeiten des zweiten Welttreffens der Familien teilgenommen. Dabei konnte ich an grundlegende Werte und Wahrheiten über die Familie erinnern.

Die Massenkommunikationsmittel haben in unserer Welt Ideen verbreitet, die im klaren Gegensatz zum göttlichen Plan des Menschen und der Familie stehen. Im Namen einer Freiheit, die nicht auf der objektiven Wahrheit begründet ist, werden Gebote und Verbote in Frage gestellt. Stattdessen wird empfohlen, den breiten und angenehmen Weg der subjektiven Entscheidungen zu gehen.

Die Familie ist und bleibt jedoch die Liebesgemeinschaft von Mann und Frau, die Hauskirche eines göttlichen und menschlichen Bauplans, der die harmonische Entfaltung eines jeden Neugeborenen auf der Erde fördern soll. Die Familie ist und bleibt also der erste Ort der persönlichen und gemeinschaftlichen Entwicklung. Wer der Familie dient, dient dem Menschen. Wer sie angreift, greift den Menschen an.

21 Das Treffen in Rio de Janeiro ist zu einer "Epiphanie" der Familie geworden, eine gute Nachricht der Hoffnung, daß die Familie eine Zukunft hat.
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Mit diesen Gedanken heiße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher herzlich willkommen. Mein besonderer Gruß gilt den zahlreichen Jugendlichen aus verschiedenen Gegenden Deutschlands und aus Österreich. Aus Münster ist die große Schulfamilie des Bischöflichen Gymnasiums Sankt Mauritz anläßlich der Feier seines 100-jährigen Bestehens gekommen. Ebenso herzlich begrüße ich die Angehörigen und Freunde der sieben Diakone aus dem "Collegium Germanicum et Hungaricum", die übermorgen zu Priestern geweiht werden. Euch allen und Euren Lieben daheim sowie den mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbundenen Gläubigen erteile ich gerne den Apostolischen Segen.



Mittwoch, 15. Oktober 1997


Liebe Schwestern und Brüder!

"Als die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau" (Ga 4,4). Die Verehrung der seligen Jungfrau Maria liegt also in dem göttlichen Ratschluß begründet, die menschliche Identität des Sohnes Gottes an eine Frau zu binden: an Maria aus Nazareth.

Diese Heilswahrheit ist der rote Faden der Marienverehrung bis heute. So hat das Zweite Vatikanische Konzil formuliert: "Maria wird (...), da sie ja die heilige Mutter Gottes ist und in die Mysterien Christi einbezogen war, von der Kirche in einem Kult eigener Art geehrt" (Lumen gentium LG 66).

Was Maria im Magnificat von ihrer Erwählung besingt, das durchzieht die Frömmigkeit der Kirche durch alle Jahrhunderte: "Von nun an preisen mich selig alle Geschlechter" (Lc 1,48). Nicht nur die Lehre der Kirche, sondern auch ihre Ordnung von Gebet und Liturgie sowie die christliche Ikonographie zeugen davon, wie eng Maria mit dem Heilsmysterium ihres Sohnes Jesus Christus verbunden ist.

Das Zweite Vatikanische Konzil hat die Grundlage dafür gelegt, daß sich die Marienverehrung in Verbindung zum Mysterium der Kirche entwickeln kann.
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Herzlich begrüße ich die Pilger und Besucher aus den Ländern des deutschen Sprachraumes. Mein besonderer Willkommensgruß gilt den Teilnehmern der Diözesanwallfahrten aus dem Erzbistum Paderborn und dem Bistum Münster. Außerdem sind zahlreiche Chorgemeinschaften unter uns, die zur größeren Ehre Gottes ihre Stimmen erklingen lassen. Ich freue mich auch, daß eine Gruppe evangelischer Pfarrer, Mitglieder des Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem sowie zahlreiche Schüler- und Jugendgruppen zu dieser Audienz gekommen sind. Euch allen und Euren Lieben daheim sowie den mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbundenen Gläubigen erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen.



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Mittwoch, 22. Oktober 1997


Liebe Schwestern und Brüder!

Das Zweite Vatikanische Konzil sagt über die Verehrung der seligen Jungfrau Maria: "Dieser Kult, wie er immer in der Kirche bestand, ist zwar durchaus einzigartig, unterscheidet sich aber wesentlich vom Kult der Anbetung, der dem menschgewordenen Wort gleich wie dem Vater und dem Heiligen Geist dargebracht wird, und er fördert diesen gar sehr" (LG 66).

Die Verehrung Mariens durch die Gläubigen steht zwar über dem Kult der übrigen Heiligen, aber sie steht unter dem einzig und allein Gott zustehenden Kult der Anbetung. Die Liebe der Gläubigen gegenüber Maria unterscheidet sich von derjenigen, die sie Gott schulden. Denn Gott muß vor allem mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzem Sinn geliebt werden (vgl. Mt 22,37). Die Beziehung der Gläubigen zu Maria drückt jedoch auf spiritueller Ebene die Zuneigung der Kinder gegenüber der Mutter aus.

Dennoch besteht ein Zusammenhang zwischen der Verehrung Mariens und dem Kult, der Gott allein gebührt: Die Verehrung, die Maria zuteil wird, ist darauf ausgerichtet, daß sie letztlich zur Anbetung der Heiligsten Dreifaltigkeit führt.
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Mit großer Freude begrüße ich die zahlreichen Pilger und Besucher aus dem deutschen Sprachraum. Insbesondere heiße ich die vielen Pfarreien, Chorgemeinschaften und Schulen willkommen, die die Herbstferien nutzen, um Rom zu besuchen. Ich grüße sehr herzlich die Lehrer, die Schülerinnen und Schüler des Bischöflichen Cusanus-Gymnasiums und der Bischöflichen Realschule in Koblenz. Euch allen und Euren Angehörigen daheim sowie den mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbundenen Gläubigen erteile ich gerne den Apostolischen Segen.



Mittwoch, 29. Oktober 1997


Liebe Schwestern und Brüder!

Das Zweite Vatikanische Konzil ermahnt die Theologen und Prediger eindringlich, "sich ebenso jeder falschen Übertreibung wie zu großer Geistesenge bei der Betrachtung der einzigartigen Würde der Gottesmutter sorgfältig zu enthalten" (Lumen Gentium LG 67). Damit ist eine Richtschnur gegeben, die auch für die Bilder, Ikonen und Statuen der Gottesmutter gilt.

Besonders erhellend ist dabei die Lehre des Zweiten Konzils von Nizäa, das bereits im Jahre 787 folgende Aussage gemacht hat: "Die Verehrung des Bildes geht über auf das Urbild, und wer das Bild verehrt, verehrt in ihm die Person des darin Abgebildeten" (DS 601). Wer auf diese Weise im Bild Christi die Person des menschgewordenen Wortes ehrt, der betet Gott in rechter Weise an und ist weit entfernt von Idolatrie und Götzendienst. Auf Maria übertragen, bedeutet dies: Wer eine Mariendarstellung verehrt, möchte letztlich der Person der Gottesmutter selbst die Ehre erweisen. Ihre Bilder und Statuen erinnern die Gläubigen daran, sich an ihrem Beispiel zu orientieren und eine innige Beziehung zu ihr aufzubauen.
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23 Mit diesen Gedanken grüße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher sehr herzlich. Mein besonderer Gruß gilt den zahlreichen Chor- und Musikgruppen, die ihre Stimmen zur größeren Ehre Gottes erklingen lassen. Ebenso freue ich mich, daß wieder so viele Schüler, Jugend- und Ministrantengruppen nach Rom gepilgert sind. Nicht vergessen möchte ich die Ärztegruppe der Missionsärztlichen Klinik Würzburg. Euch allen und Euren Angehörigen zuhause sowie den über Radio Vatikan und das Fernsehen mit uns verbundenen Gläubigen erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen.



November 1997


Mittwoch, 5. November 1997


Liebe Schwestern und Brüder!

Mit diesen Gedanken zur Marienverehrung grüße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher sehr herzlich. Unter Euch heiße ich die Pilgergruppe aus Peuerbach anlässlich ihres 25-jährigen Romfahrtjubiläums willkommen sowie die Gruppe der Mesner aus der Region Kempten im Allgäu. Euch allen und Euren Angehörigen zu Hause sowie den mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbundenen Gläubigen erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen.



Mittwoch, 12. November 1997


Liebe Schwestern und Brüder!

Die Gestalt der Jungfrau und Gottesmutter Maria ist nicht nur ein ökumenisches Streitobjekt.

Darauf weisen die Schriften der ersten Reformatoren hin. So war Martin Luther von einer tiefen Marienverehrung erfüllt: Er hielt an der besonderen Heiligkeit der Gottesmutter fest, er sprach bisweilen von ihrer unbefleckten Empfängnis und teilte mit anderen Reformatoren den Glauben an die bleibende Jungfräulichkeit Marias.

Was für die Reformatoren gilt, trifft noch mehr für die Kirchen des Ostens zu. Wenn auch manche Unterschiede in den Formulierungen noch nicht ganz behoben sind, so gehört doch die Marienverehrung zu den festen Bindegliedern, auf denen die Gemeinschaft zwischen katholischen und orthodoxen Christen gründet.

Schon der heilige Augustinus hat Maria die "Mutter der Einheit" genannt. Im Abendmahlssaal war sie es, um die sich die Apostel versammelten, um zu beten und die Einheit der Herzen sichtbar zu machen. Heute wenden wir uns an Maria, die "Mutter der Einheit", um in ihre geistliche Schule zu gehen und ihrer Fürsprache unsere Bitten anzuvertrauen. Sie helfe den Gläubigen und der ganzen Kirche, daß sie in dieser Welt wahre Propheten jener Hoffnung sind, die nicht enttäuscht.
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24 Einen herzlichen Willkommensgruß richte ich an alle deutsch-sprachigen Pilger und Besucher, die zu dieser Audienz gekommen sind. Besonders grüße ich die Ritter vom Heiligen Grab der Komturei Bozen und die Mitarbeiter des Rupertusblattes aus Salzburg. Euch allen und Euren Angehörigen zuhause sowie den über Radio Vatikan und das Fernsehen mit uns verbundenen Gläubigen erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen.



Mittwoch, 19. November 1997


Liebe Schwestern und Brüder!

Das Jahr 2000 ist nahe. Deshalb halte ich es für nötig, die Katechesen am Mittwoch Themen zu widmen, die uns helfen können, zum tieferen Sinn des Großen Jubiläums vorzudringen.

Wir leben in der Zeit zwischen dem ersten Kommen des Erlösers im Fleisch und seiner Wiederkunft in Herrlichkeit. Diese Periode stellt grundlegende Fragen: Was ist die Zeit? Wo liegt ihr Ursprung? Was ist ihr Ziel?

Im Blick auf den Anfang der Welt können wir sagen: Als Gott das Universum geschaffen hat, hat er auch die Zeit erschaffen. Die Zeit ist also ein Geschenk Gottes. Jeder Tag ist für uns ein Geschenk seiner Liebe. Aber nicht nur als Schöpfer der Welt ist Gott der Herr der Zeit, sondern auch dadurch, daß er die neue Schöpfung ins Leben gerufen hat - in Christus. Gott hat sein Versprechen, die Menschheit zu heilen und zu erneuern, dadurch eingelöst, daß er vor 2000 Jahren seinen Sohn in die Welt gesandt hat. Von daher bekommt das Große Jubiläum seine besondere Perspektive. Es soll ein Fest der Erneuerung der Menschheit und der Welt sein. Trotz der Schwierigkeiten und Leiden waren die 2000 Jahre, die hinter uns liegen, in erster Linie eine Zeit der Gnade.

Auch die Zukunft liegt in Gottes Hand. Denn die Zukunft des Menschen ist vor allem die Zukunft Gottes. Wir dürfen an dieser Zukunft mitbauen. Aber Gott ist und bleibt der Herr der Zeit. So sind wir gemeinsam unterwegs zum Großen Jubiläum - auf dem Weg der Hoffnung.
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Einen herzlichen Willkommensgruß richte ich an alle deutschsprachigen Pilger und Besucher, die zu dieser Audienz gekommen sind. Besonders begrüße ich die Gruppe von Matrosen des Segelschulschiffes "Gorch Fock", das in diesen Tagen bei Civitavecchia vor Anker liegt. Euch allen und Euren Angehörigen zuhause sowie den über Radio Vatikan und das Fernsehen mit uns verbundenen Gläubigen erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen.



Mittwoch, 26. November 1997


Liebe Schwestern und Brüder!

25 Die Feier des Großen Jubiläums des Jahres 2000 stellt uns Christus dar als Endpunkt der ihm vorausgehenden Zeit und gleichzeitig als Ausgangspunkt der Zeit, die ihm folgt. Denn er hat eine neue Geschichte eröffnet nicht nur für diejenigen, die an ihn glauben, sondern für die gesamte Menschheit. Seitdem weist die ganze Geschichte des Menschengeschlechtes Früchte seiner Erlösungstat auf, die sich auf geheimnisvolle Weise ausbreiten. Mit Christus hat die Ewigkeit Einzug in die Zeit gehalten.

Das Werk Jesu Christi kennt zwei untrennbare Aspekte: Es ist eine erlösende Tat, die die Menschheit von der Macht des Bösen befreit, und es ist eine neue Schöpfung, die den Menschen die Teilnahme am göttlichen Leben ermöglicht.

Die neue Schöpfung kann deshalb nur von demjenigen herkommen, der allmächtig ist. Denn Gott ist es, der sein Leben der menschlichen Existenz weiterschenkt.

Gehen wir auf das Große Jubiläum zu, indem wir immer fester unseren Glauben an Christus bekennen, der "Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott" ist.
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Liebe deutschsprachige Pilger und Besucher! Ich wünsche Euch allen einen besinnlichen Advent und eine gute Vorbereitung auf das Kommen dessen, der uns erlöst hat. Euch allen und Euren Lieben daheim sowie den mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbundenen Gläubigen erteile ich gerne den Apostolischen Segen.



                                                                                Dezember 1997

Generalaudienz 1997 13