Generalaudienz 1998 30


Mittwoch, 25. November 1998


Liebe Schwestern und Brüder!

Heute wollen wir jene Zeichen der Hoffnung betrachten, die in der Kirche anzutreffen sind. Dabei wünsche ich mir, daß die christlichen Gemeinschaften diese Zeichen erkennen, annehmen und sie zu bewerten wissen. Denn diese Zeichen stammen vom Heiligen Geist: ”Durch die Kraft des Evangeliums läßt er die Kirche allezeit sich verjüngen, erneut sie immerfort und geleitet sie zur vollkommenen Vereinigung mit ihrem Bräutigam” (LG 4).

Zu den großen Zeichen der Hoffnung unserer Zeit zählt zweifellos das Zweite Vatikanische Konzil, das zu einem neuen Pfingsten der Kirche geworden ist. Ein weiteres Zeichen ist die große Zahl der Charismen. Diese manifestieren sich in besonderer Weise durch das Aufblühen der kirchlichen Bewegungen wie auch durch die Hochschätzung der Sendung und des Dienstes der Laien in der Kirche.

Zu den Hoffnungen unserer Zeit gehören auch die ökumenische Bewegung sowie der Dialog mit den anderen Religionen und mit der zeitgenössischen Kultur.
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Mit dieser unvollständigen Aufzählung grüße ich alle Pilger und Besucher aus den Ländern deutscher Sprache. Möge Euch Maria, die ganz vom Heiligen Geist durchdrungen ist, auf Eurem Lebens- und Glaubens-weg beschützen und begleiten. Euch allen und Euren Angehörigen daheim sowie den über Radio Vatikan und das Fernsehen mit uns verbundenen Gläubigen erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen.



                                                                                Dezember 1998



31

Mittwoch, 2. Dezember 1998


Liebe Schwestern und Brüder!

Der Heilige Geist ist die Quelle einer Hoffnung, die nicht täuscht. Im Advent sind wir eingeladen, die Bedeutung dieser Hoffnung für uns zu bedenken.

Dabei stehen wir in einer gewissen Spannung: Einerseits bereiten wir uns auf das Kommen des Reiches Gottes am Ende der Zeiten vor. Andererseits ist in Jesus Christus das Reich Gottes schon mitten unter uns. In Jesus Christus, seiner Menschwerdung, seinem Leiden und Sterben und in seiner Auferstehung ist der Himmel gleichsam auf die Erde gekommen, und die Erde ist in den Himmel erhöht.

Das höchste sakramentale Zeichen dafür ist die Eucharistie. Die sichtbaren Wirklichkeiten von Brot und Wein werden durch die Anrufung des Heiligen Geistes in den Leib und das Blut Jesu Christi gewandelt. Diese Feier ist nicht nur ein liturgischer Ritus. Sie ist auch ein sozialer Appell. Durch die Eucharistie wird die Kirche zum Brot, das für die Welt gebrochen ist.

Deshalb kann die Spiritualität des Christen weder Flucht aus der Welt sein noch Aktivismus, der jeder Mode nachläuft. Vom Heiligen Geist durchdrungen, möchte sie die Welt verwandeln. Denn sie hofft darauf: Das Reich Gottes ist im Kommen.
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Mit dem Wunsch für einen segensreichen Advent grüße ich die Pilger und Besucher aus den Ländern deutscher Sprache. Euch allen, Euren Lieben daheim und den über Radio Vatikan und das Fernsehen mit uns verbundenen Gläubigen erteile ich gern den Apostolischen Segen.



Mittwoch, 9. Dezember 1998


Liebe Schwestern und Brüder!

Am Ende unserer Katechesen über das Wirken des Heiligen Geistes erheben wir unsere Augen zu Maria, der Mutter Gottes. Ihre Zustimmung bei der Verkündigung vor zweitausend Jahren bildet den Ausgangspunkt einer neuen Epoche der Menschheit.

32 Maria ist in allen ihren Lebenssituationen, von der Verkündigung über die Geburt Jesu bis hin zum Kalvarienberg, dem Heiligen Geist stets gehorsam. Sie hört auf seine Eingebungen und fügt sich seinen Plänen.

Auch heute erfüllt der Heilige Geist Maria ganz und gar, um ihr die nötigen Gaben und Charismen mitzuteilen für ihre geistliche Mutterschaft, die ihr der Sohn anvertraut hat. Diese mütterliche Sendung der demütigen Magd des Herrn steht keineswegs in Konkurrenz zum Wirken des Heiligen Geistes: Sie wird ja von ihm gerufen, um mit ihm zusammenzuarbeiten. So macht jede Vertiefung der Beziehung zu Maria das Wirken des Heiligen Geistes im Leben der Kirche noch fruchtbarer.
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Mit dieser kurzen Betrachtung grüße ich alle Pilger und Besucher aus den Ländern deutscher Sprache. Euch allen und Euren Angehörigen daheim sowie den über Radio Vatikan und das Fernsehen mit uns verbundenen Gläubigen erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen.





Mittwoch, 16. Dezember 1998


Liebe Schwestern und Brüder!

1. »Vom Vater bin ich ausgegangen und in die Welt gekommen; ich verlasse die Welt wieder und gehe zum Vater« (Jn 16,28).

Mit diesen Worten Jesu beginnen wir heute einen neuen Katechesezyklus, in dessen Mittelpunkt die Gestalt Gottvaters steht, den Themenvorgaben folgend, die das Schreiben Tertio millennio adveniente zur Vorbereitung des Großen Jubiläums des Jahres 2000 bietet.

Im Zyklus des ersten Jahres haben wir über Jesus Christus, den einzigen Retter, nachgedacht. In der Tat hat das Jubiläum als Feier des Kommens des Gottessohnes in die Menschheitsgeschichte einen stark christologischen Gehalt. Wir haben über die Bedeutung der Zeit meditiert, die mit der Geburt des Erlösers vor zweitausend Jahren ihren Höhepunkt erreicht hat. Dieses Ereignis, das die christliche Ära einleitet, eröffnet zugleich auch eine neue Phase der Erneuerung der Menschheit und des Universums in der Erwartung des endzeitlichen Kommens Christi.

In den Katechesen des zweiten Vorbereitungsjahres für die Feier des Jubiläums haben wir unsere Aufmerksamkeit dann auf den Heiligen Geist, den Jesus vom Vater gesandt hat, gerichtet. Wir haben ihn betrachtet, wie er in der Schöpfung und der Geschichte am Werk ist als Person seiende Liebe und Gabe. Wir haben seine Kraft unterstrichen, die aus dem Chaos einen an Ordnung und Schönheit reichen Kosmos hervorgehen läßt. In Ihm wird göttliches Leben mitgeteilt, in Ihm wird die Geschichte Weg zum Heil.

Jetzt wollen wir das dritte Jahr der Vorbereitung auf das unmittelbar bevorstehende Jubiläum als eine Pilgerfahrt zum Haus des Vaters leben. Wir begeben uns also auf den Weg, der, vom Vater ausgehend, die Geschöpfe zum Vater zurückführt nach dem Liebesplan, der in Christus voll offenbart wurde. Der Weg zum Jubiläum soll in einen großen Lobpreis an den Vater einmünden (vgl. TMA TMA 49), so daß in Ihm die ganze Dreifaltigkeit verherrlicht sei.

33 2. Ausgangspunkt für unsere Reflexion sind die Worte des Evangeliums, die uns Jesus als den Sohn und Offenbarer des Vaters zeigen. Seine Lehre, sein Dienst, seine Lebensweise selbst - alles an ihm verweist auf den Vater (vgl. Jn 5,19 Jn 5,36 Jn 8,28 Jn 14,10 Jn 17,6). Der Vater ist der Mittelpunkt des Lebens Jesu, und Jesus ist seinerseits der einzige Weg, um zum Vater zu gelangen. »Niemand kommt zum Vater außer durch mich« (Jn 14,6). Jesus ist der Begegnungspunkt der Menschen mit dem Vater, der sich in ihm sichtbar gemacht hat: »Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen. Wie kannst du sagen: Zeig uns den Vater? Glaubst du nicht, daß ich im Vater bin und daß der Vater in mir ist?« (Jn 14,9-10).

Das ausdrucksvollste Zeichen dieser Beziehung Jesu zum Vater haben wir in seiner Befindlichkeit als Auferstandener, Höhepunkt seiner Sendung und Grundlage neuen und ewigen Lebens für alle, die an ihn glauben. Doch die Einheit zwischen dem Sohn und dem Vater wie auch die zwischen dem Sohn und den Glaubenden geht hindurch durch das Geheimnis der »Erhöhung« Jesu entsprechend einem typischen Ausdruck des Johannesevangeliums. Mit dem Begriff »Erhöhung« bezeichnet der Evangelist sowohl die Kreuzigung als auch die Verherrlichung Jesu; beide wirken sich auf den Glaubenden aus: »… so muß der Menschensohn erhöht werden, damit jeder, der (an ihn) glaubt, in ihm das ewige Leben hat. Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat« (Jn 3,14-16).

Dieses »ewige Leben« ist nichts anderes als die Teilhabe der Glaubenden am Leben des auferstandenen Jesus selbst und besteht im Eingebunden-Sein in jenen Kreislauf der Liebe, der den Vater und den Sohn, die eins sind (vgl. Jn 10,30 Jn 17,21-22), verbindet.

3. Die tiefe Gemeinschaft, in der der Vater, der Sohn und die Glaubenden sich begegnen, schließt den Heiligen Geist ein. Er ist nämlich das ewige Band, das den Vater und den Sohn eint und in dieses unausspr echliche Geheimnis der Liebe die Menschen mit einbezieht. Als »Beistand« gegeben, »wohnt« der Geist in den Jüngern Christi (vgl. Jn 14,16-17), die Dreifaltigkeit gegenwärtig machend.

Nach dem Evangelisten Johannes sagt Jesus gerade im Kontext der Verheißung des Parakleten: »An jenem Tag werdet ihr erkennen: Ich bin in meinem Vater, ihr seid in mir und ich bin ich euch« (Jn 14,20).

Der Heilige Geist ist derjenige, der den Menschen in das Geheimnis des dreifaltigen Lebens einführt. Als »Geist der Wahrheit« (Jn 15,26 Jn 16,13) wirkt er im Innersten der Glaubenden, um die Wahrheit, die Christus ist, in ihrem Herzen leuchten zu lassen.

4. Auch Paulus hebt dieses unser Ausgerichtet-Sein auf den Vater durch den Geist Christi, der in uns wohnt, hervor. Für den Apostel handelt es sich um eine wirkliche Sohnschaft, die es uns erlaubt, Gottvater mit demselben vertraulichen Namen, den Jesus gebraucht hat: »Abba« (vgl. Rm 8,15), anzurufen.

In diese neue Dimension unserer Beziehung zu Gott mit einbezogen ist die ganze Schöpfung, die »sehnsüchtig auf das Offenbarwerden der Söhne Gottes [wartet]« (Rm 8,19). Ja, die Schöpfung »seufzt [bis zum heutigen Tag] und [liegt] in Geburtswehen« (Rm 8,22) in Erwartung der vollkommenen Erlösung, welche die Harmonie des Kosmos in Christus wiederherstellen und vollenden wird.

In der Beschreibung dieses Geheimnisses, das die Menschen und die gesamte Schöpfung mit dem Vater vereint, bringt der Apostel die Funktion Christi und das Wirken des Geistes zum Ausdruck. Durch Christus, »das Ebenbild des unsichtbaren Gottes« (Col 1,15), ist in der Tat alles geschaffen.

Er ist »der Ursprung, der Erstgeborene der Toten« (Col 1,18). In ihm wird alles »vereint«, alles im Himmel und auf Erden (vgl. Ep 1,10), ihm kommt es zu, es dem Vater zu übergeben (vgl. 1Co 15,24), damit Gott herrscht »über alles und in allem« (1Co 15,28). Der Weg des Menschen und der Welt zum Vater ist von der Kraft des Heiligen Geistes getragen, der sich unserer Schwachheit annimmt und »für uns ein[tritt] mit Seufzen, das wir nicht in Worte fassen können« (Rm 8,26).

Das Neue Testament führt uns so mit großer Klarheit in diese Bewegung ein, die vom Vater zum Vater geht. Sie wollen wir mit besonderer Aufmerksamkeit betrachten in diesem letzten Vorbereitungsjahr für das Große Jubiläum.

34 Mit diesen Worten Jesu beginnen wir heute einen neuen Zyklus der Katechese am Mittwoch. Darin konzentrieren wir unser Interesse auf Gott den Vater. Wir befinden uns ja im dritten Jahr der Vorbereitung auf das große Jubiläum des Jahres Zweitausend.

1999, unmittelbar vor der Schwelle des dritten Jahrtausends, “hat die Aufgabe, den Horizont des Gläubigen selbst zu erweitern: gemäß der Sichtweite des Vaters im Himmel (vgl.
Mt 5,45), von dem er gesandt worden und zu dem er zurückgekehrt ist (vgl. Jn 16,28)” (TMA 49).

“Das ganze christliche Leben ist wie eine große Pilgerschaft zum Haus des Vaters, dessen unbedingte Liebe zu jedem menschlichen Geschöpf man jeden Tag wiederentdeckt. Diese Pilgerschaft ergreift das Innerste der Person, und erweitert sich dann auf die gläubige Gemeinschaft, um schließlich die ganze Menschheit zu erreichen.” (TMA 49)
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Mit diesen Gedanken grüße ich die Pilger und Besucher, die aus den Ländern deutscher Sprache nach Rom gekommen sind. Unter ihnen heiße ich die Pilgergruppe der Hausmusik der Pfarrei Sankt Margareth aus Altkirchen besonders willkommen. Euch allen, Euren lieben Angehörigen daheim und allen, die mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbunden sind, erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen.



Mittwoch, 23. Dezember 1998


Liebe Schwestern und Brüder!

1. »Immanuel, du unser König und Richter, Sehnsucht der Völker und ihr Erlöser: Komm und rette uns, Herr, unser Gott

So lädt die Liturgie uns ein, den Herrn anzurufen heute, am Vortag der Vigil von Weihnachten, während der Advent sich bereits dem Ende zuneigt.

Wir haben in diesen Wochen die Erwartung Israels neu erlebt, wie sie in so vielen Schriften der Propheten bezeugt ist: »Das Volk, das im Dunkel lebt, sieht ein helles Licht; über denen, die im Land der Finsternis wohnen, strahlt ein Licht auf« (Is 9,1-2). Durch die Fleischwerdung des Wortes hat der Schöpfer den Pakt eines ewigen Bundes mit den Menschen besiegelt: »Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat« (Jn 3,16).

Wie sollte man nicht Dankbarkeit empfinden gegenüber dem Vater, der seinen eigenen Sohn hingibt, den geliebten, an dem er Gefallen findet (vgl. Mt 3,17), und ihn, den das ganze All nicht fassen kann, in den engen Schoß eines Geschöpfes legt?

35 2. In der Stille der Heiligen Nacht enthüllt das Geheimnis der Gottesmutterschaft Marias das lichtvolle und freundliche Antlitz des Vaters. Seine Züge zärtlicher Sorge für die Armen und Sünder treten bereits in dem wehrlosen Kind zutage, das in der Grotte im Arm der Jungfrau liegt.

Liebe Brüder und Schwestern, ich spreche jedem von euch sowie euren Lieben die innigsten Wünsche für ein glückliches und gnadenreiches Weihnachtsfest aus. Möge das Licht des Erlösers, der kommt, um uns das zärtliche und barmherzige Antlitz des Vaters zu offenbaren, im Leben aller Glaubenden erstrahlen und der Welt das Geschenk göttlichen Friedens bringen.

"O Gott mit uns, Immanuel.
Du Fürst des Hauses Israel,
o Hoffnung aller Völker du:
komm, führ uns deinem Frieden zu".

Mit diesen Worten erbittet die Kirche heute die Ankunft des Herrn. Wir stimmen in dieses Gebet ein und erflehen das Kommen des Friedensfürsten. Von Herzen wünsche ich Euch ein friedvolles Weihnachtsfest im Kreise Eurer Lieben. Der Segen, der von der Krippe ausgeht, möge hinüberstrahlen ins Neue Jahr. Dazu erteile ich Euch und allen, die über Radio und Fernsehen mit uns verbunden sind, den Apostolischen Segen.







Generalaudienz 1998 30