Predigten 1978-2005 40


PASTORALBESUCH IN ÖSTERREICH

HL. MESSE IM STEPHANSDOM


Wien - Montag, 12. September 1983

1. Gelobt sei Jesus Christus!


41 Ich grüße Euch im Namen Jesu Christi; denn »in keinem anderen ist Heil zu finden! Es ist uns Menschen kein anderer Name unter dem Himmel gegeben, durch den wir gerettet werden sollen«.

Ich grüße Euch im Namen Marias, den das heutige Festevangelium so herausstellt und dessen liturgische Feier vor dreihundert Jahren von dieser Stadt ihren Ausgang nahm.

Ich grüße Euch alle, die Ihr in diesem ehrwürdigen, dem heiligen Stephanus geweihten Dom versammelt seid. Er ist einst als gemeinsames Werk der Stände in jahrzehntelangem Einsatz entstanden und nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges durch gemeinsame Opfer der Bürger und Länder Österreichs neu errichtet worden. Wie ehedem bildet er als Zeugnis des christlichen Glaubens den weithin ragenden Mittelpunkt dieser Stadt Wien und des Erzbistums.

Heute ist in dieser festlichen Kathedrale das gesamte Laienapostolat Österreichs in seinen Vertretern zugegen, um zusammen mit dem Herrn Kardinal, mit Bischöfen, Priestern und Diakonen und mit dem Nachfolger des heiligen Petrus das Opfer Christi zu feiern.

Uns alle verbindet eine gemeinsame christliche Vergangenheit, in der auch die Geschichte der Erlösung Eures Vaterlandes enthalten ist. Zugleich verbindet uns eine gemeinsame Sendung: die Sendung, in unserer Zeit das Heil zu verkünden.

2. Liebe Brüder und Schwestern! »Der Engel Gabriel wurde von Gott ... zu einer Jungfrau gesandt ... Der Name der Jungfrau war Maria«.

Die Darstellung der Verkündigung beim Evangelisten Lukas spricht von der Sendung Gabriels zu Maria, der Jungfrau von Nazaret. Zugleich aber offenbart dieser Text die Sendung des Sohnes Gottes: Gott der Vater sendet ihn in die Welt und gibt ihm eine irdische Mutter. Die Sendung des Sohnes Gottes verwirklicht sich in der Menschwerdung. Das Ewige Wort, eines Wesens mit dem Vater, nimmt Fleisch an; im Schoß der Jungfrau wird es Mensch durch die Kraft des Heiligen Geistes. Im Glauben nimmt Maria die Verkündigung des Engels entgegen und spricht ihr »Fiat«, ihr Ja: so wird sie Mutter Christi.

In diesem Geschehen erreicht die Heilsgeschichte ihren Höhepunkt; es beginnt die messianische Sendung Christi unter den Menschen. »Er wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden... und seine Herrschaft wird kein Ende haben«.

3. Die Sendung Christi, die durch das Kreuz auf Calvaria vollbracht und durch die Auferstehung vom Vater bestätigt wurde, hat ihre Fortsetzung. Der auferstandene Herr wird den Aposteln sagen: »Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch« Er sendet sie aus als Zeugen des Evangeliums, als Zeugen des Kreuzes und der Auferstehung. Er sendet sie als Boten des Reiches Gottes. Er sendet sie, damit er von jetzt an durch ihren Mund, durch ihre Hände, durch ihr Herz wirken könne. In der Kraft des Heiligen Geistes hat der Sohn Gottes seine irdische Sendung übernommen und verwirklicht; in der Kraft desselben Geistes sollen nun die Apostel die Sendung erfüllen, die er an sie weitergegeben hat.

Die zweite Lesung der heutigen Liturgie stellt uns die Apostel vor Augen, wie sie in der Erwartung des Heiligen Geistes versammelt sind »zusammen mit den Frauen und mit Maria, der Mutter Jesu, und mit seinen Brüdern«. »Sie alle verharrten einmütig im Gebet«, im Gebet um den Heiligen Geist.

Ist dieser erste Kern der Urkirche nicht bereits ein Abbild des Volkes Gottes, wie es sich heute aufbaut aus den Bischöfen als den Nachfolgern der Apostel und aus den Laienchristen, Frauen und Männern? In Treue zum geoffenbarten Willen Gottes und seiner amtlichen Auslegung in der Geschichte kennt die Kirche tatsächlich zwei Dimensionen ihres Apostolates: das Apostolat des Amtes aus der apostolischen Sukzession der Bischöfe und das Apostolat der Laien aus der allgemeinen Berufung eines jeden Christen.

42 Das Zweite Vatikanische Konzil hat beide Dimensionen in ihrem eigenständigen Wert, aber auch in ihrer gegenseitigen Bezogenheit vorbildlich herausgestellt. Dort finden wir das bleibende theologische Fundament für jede konkrete Verwirklichung dieser beiden Apostolatsformen in unseren Tagen. Das Apostolat des Amtes und das Apostolat der Laien stehen nicht im Gegensatz zueinander, sondern sind zuinnerst aufeinander verwiesen. In der Urgemeinde von Jerusalem gab es keine »Kirche von oben« und keine »Kirche von unten«: »Zusammen mit den Frauen und mit Maria, der Mutter Jesu, und mit seinen Brüdern verharrten alle Apostel dort einmütig im Gebet«.

4. Brüder und Schwestern! Diese Kathedrale, in der die Geschichte und der stete Glaube Eurer Heimat spürbar sind, erinnert uns daran, wie einst mutige Männer und Frauen die Botschaft von Jesus Christus in dieses Land gebracht haben. Neben Bischöfen, Priestern, Mönchen und Nonnen haben ungezählte Laien aus allen Berufen und in allen Lebensumständen das Evangelium hierhergetragen, eingepflanzt, gefördert und zur Blüte gebracht. Nur Gott kennt das Maß von Glaube, Hoffnung und Liebe, das von diesen Menschen gelebt und geweckt wurde.

Auch heute wird die Kirche nicht müde, die Gnadengaben Gottes auszusäen. Gleichzeitig wird sie nicht müde, daran zu arbeiten, daß steinige Böden sich in fruchtbares Ackerland verwandeln. Dazu könnt gerade Ihr beitragen in Eurer spezifischen Sendung als Laien. Der Laie ist zugleich Zeichen des Heils in der Welt und Brücke zwischen Welt und Kirche. Sehr oft steht Ihr tiefer als die Priester-und Ordensleute inmitten der Lebensbedingungen, der Nöte, Hoffnungen und geistigen Auseinandersetzungen unserer Zeit. Nur mit dem hochherzigen, dem Hirtenamt der Kirche verbundenen, von der sakramentalen Gnade belebten Apostolat der Laien ist die Kirche wirklich Kirche.

So möchte ich Euch als Nachfolger des heiligen Petrus in dieser Stunde ausdrücklich danken für Euren Dienst an jener Sendung, die der Sohn des Vaters an seine Kirche gegeben hat. In vielfältiger Weise dient Ihr dem Evangelium: jeder an seinem Ort und entsprechend seiner persönlichen Berufung — doch alles aufs engste miteinander verbunden. Ihr habt Euch einmal selbst für diese Berufe und Aufgaben entschieden. Zugleich aber sind sie Erwählung und Gnade Gottes.

5. Seid davon überzeugt, daß all Euer Wirken im Laienapostolat letztlich im Dienst der Verkündigung der Frohen Botschaft Jesu Christi steht. Dies trifft in einer besonderen Weise für diejenigen zu, die unmittelbar im Dienst der Glaubensvermittlung stehen. Ich denke dabei an den Religionsunterricht in der Schule und auch an alle anderen Arten von Glaubensunterweisung, besonders in der Vorbereitung auf Taufe und Firmung, auf Buße und Kommunion und auf die Ehe.

Mit dem Evangelisten Johannes bekennen wir, daß in Jesus von Nazaret das göttliche Wort Mensch geworden ist. Gott ist Wahrheit; und es ist uns geschenkt, diese Wahrheit mitten in unserem Menschsein zu vernehmen, sie nachzusprechen, sie zu verkündigen, und dies in unseren Sprachen, mit unseren menschlichen Worten und Sätzen. Daraus leitet die Kirche die Verpflichtung ab, den Glauben auch in klaren Glaubenssätzen auszusprechen und weiterzugeben. Dies entspricht auch der Natur des Menschen, der die königliche Gabe seines Verstandes besitzt, um zu hören, zu bedenken und anzunehmen. Viele geistige Strömungen fordern die katechetische Unterweisung heraus: »Wir wollen uns, von der Liebe geleitet, an die Wahrheit halten«, antworten wir mit dem Apostel Paulus. Werdet also nicht müde, Diener und Lehrer der Wahrheit zu sein, damit »euch die Wahrheit des Evangeliums erhalten bleibe«. Die Heilige Schrift nennt den Widersacher Gottes »Vater der Lüge«; unseren Beistand aber nennt sie den »Geist der Wahrheit«.

Ich weiß, wie dornenreich Euer Dienst in der Katechese sein kann. Aber vertrauen wir darauf, daß der Geist Gottes mit seiner Wahrheit in der Kirche lebt, und stoßen wir nicht die uns Anvertrauten in die Verlassenheit einer bloß subjektiven Auslegung des Glaubens. Benützen wir alle guten Methoden, damit Wahrheit als verdauliche Speise gereicht werden kann. Zugleich aber gilt die Mahnung des Apostels: »Verkünde das Wort, tritt dafür ein, ob man es hören will oder nicht« .

Jene Evangelisierung, die den Laien anvertraut ist, geschieht aber vor allem im jeweiligen Lebensmilieu. Mit Recht sagen wir, daß die Eltern die ersten Katecheten ihrer Kinder, daß die Arbeiter die ersten Apostel der Arbeiter sind, daß Jugendliche ihre Freunde oft besser anzusprechen wissen als Erwachsene. W? immer Ihr als gläubige Katholiken lebt, berufen durch Taufe und Firmung, dort seid Ihr wahre und echte Glaubensboten, bestellt zur Befreiung der Menschen durch die Wahrheit."

Es wird oft hilfreich sein, sich dafür in Gemeinschaften zusammenzuschließen. Immer hat die Kirche ihre unerschöpfliche Lebenskraft bewiesen, wenn durch die vielen Jahrhunderte ihres Bestehens Gemeinschaften des geistlichen Lebens und des Apostolates entstanden sind. Manche sind zeitbedingt; manche bleiben durch viele Jahrhunderte lebendig.

Ich grüße alle diese Gemeinschaften! Ich weiß um Euren Beitrag zum Aufbau des kirchlichen und gesellschaftlichen Lebens, den Ihr bisher geleistet habt und der auch heute von Euch erwartet wird. Bemüht Euch dabei um eine ständige Erneuerung aus den Quellen, die uns die Lehre der Kirche und das Vorbild heiligmäßiger Menschen anbieten. Die Feier der Geheimnisse Christi, zumal die Eucharistie, muß die unverrückbare Mitte bilden, aus der Ihr Eure apostolische Kraft bezieht. Seit langem gibt es auch in Eurem Lande zahlreiche Menschen, die bereit sind, die Bischöfe und Priester in ihrer Seelsorge unmittelbar zu unterstützen. Vor allem die Seelsorgshelferinnen haben Pionierarbeit geleistet für einen Dienst, der heute in den Gemeinden immer bekannter wird im Beruf des Pastoralassistenten. Dankbar denke ich auch an viele andere Männer und Frauen, die hauptamtlich dem Reich Gottes in der Kirche dienen: Sakristane und Organisten, Juristen und Fachleute der Verwaltung. Besonders intensiv stellen die Mitarbeiter der katholischen Caritas und alle, die in christlicher Gesinnung sich den vielfältigen Werken der Barmherzigkeit widmen, das liebevolle Antlitz und die helfenden Hände Christi dar. Ihr werdet durch Euer ganzes Tun zum Zeichen für das Erbarmen Gottes mit dem bedrängten Menschen. Das Mitleiden im Namen Jesu sollte die personale Wurzel jeglicher Sozialarbeit der Kirche sein.

Zur sinnvollen Koordinierung all dieser Dienste im kirchlichen Bereich bestehen auch bei Euch Pfarrgemeinderäte und ähnliche Gremien auf höherer Ebene. Sie alle machen die Wirklichkeit des ganzen Volkes Gottes deutlich. Sie tragen dazu bei, daß Priester und Laien gemeinsam Wege der Evangelisierung suchen können; sie helfen, daß die Kirche auch in der öffentlichen Meinung Eures Landes ihre Stimme besser zur Geltung bringt.

43 Schließlich möchte ich noch jene nennen, die oft Dienste im Verborgenen leisten. Es ist nicht gleichgültig, ob das Gebäude einer Kirche mit Liebe gepflegt und geschmückt wird; es ist nicht gleichgültig, wer die Pfarrhöfe betreut; es hat seine Bedeutung, mit welchem Geist die vielfachen kleinen Verrichtungen in einer Gemeinde getan werden, die in den Augen Gottes groß sein können. Auch sie brechen dem Evangelium Bahn, wenn sie aus überzeugtem Herzen getan werden.

6. Liebe Brüder und Schwestern! Damit Eure Arbeit in den verschiedenen Bereichen des Laienapostolates zur vollen Wirkung gelangen kann, müßt Ihr selbst vom Geiste Christi zutiefst beseelt und durchdrungen sein. Deshalb rufe ich Euch auf, Euer eigenes Leben zu heiligen. In Eurem Land haben Heilige gelebt und gewirkt, deren Andenken unvergessen ist. Hier in Wien gedenken wir besonders des hl. Klemens Maria Hofbauer. Es waren Priester und Laien, Männer und Frauen, Ordensmänner und Ordensfrauen. Und auch in jüngster Zeit gab es bei Euch Menschen, auf die wir, wenn sie auch nicht oder noch nicht zur Ehre der Altäre erhoben wurden, mit Dankbarkeit und Hoffnung blicken.

Ein Heiliger ist in seinem Leben und Sterben eine Übersetzung des Evangeliums für sein Land und seine Zeit. Christus zögert nicht, seine Jünger zur Nachfolge, ja zur Vollkommenheit aufzufordern." Die Bergpredigt ist eine einzige Schule, um heilig zu werden. Habt keine Angst vor diesem Wort und habe keine Angst vor der Wirklichkeit eines heiligen Lebens! Sicher bedarf die Kirche ihrer großen Einrichtungen, ihrer Strukturen, auch ihrer finanziellen Mittel. Die Quelle ihres Lebens aber ist der Geist Gottes, der sich in den Menschen ganz konkret ausprägen möchte.

Pflegt also das Gebet, besonders auch das persönliche Gebet. Viele Eurer Kirchen sind hervorragende Kunstwerke, sie dürfen jedoch nicht zu Museen werden. Die beständige Treue des stillen Gebetes vieler Menschen vor dem Tabernakel trägt dazu bei, diesen Kirchen ihre wahre Bestimmung und Würde zu erhalten.

Belebt in Euren Gemeinden wieder die Gesinnung und das Sakrament der Buße. Im Gleichnis vom Pharisäer und Zöllner spricht der Herr deutlich aus, mit welcher Gesinnung jemand den Raum und ebenso das geistige Gebäude der Kirche betreten soll. Ohne Buße wächst Anklage gegen Anklage, und aus diesen Anklagen wachsen Feindschaft, Unfrieden, ja Krieg. Unsere Buße vor Gott dient nicht allein der eigenen Heiligung, sondern sie ist ebenso eine Heilung Eurer Umwelt. So werden wir zu lebendigen Zeichen der Hoffnung inmitten von Menschen, die ihre Schuld verdrängen oder von ihr erdrückt werden.

Bittet Gott um die Gnade, Euer Kreuz tragen zu können. Vielfach ist unser Leben gefährdet, und viele Pläne scheitern. Es gibt nicht wenige Menschen — auch in Eurem Land — die dann keinen Sinn mehr in ihrem Leben finden. Gebt Ihr ihnen durch Eure demütige Kraft neuen Mut, ihr Kreuz zu tragen. Ihr seid dann für sie ein befreiendes Beispiel; in Euch sehen sie den Weg, um zusammen mit unserem Erlöser zu Ölberg und Auferstehung gelangen zu können.

Und schließlich: Lebt mutig Euer ganz persönliches Leben, auch wenn es Euch unbedeutend erscheint. Die große Lehrmeisterin des kleinen Lebens, Theresia von Lisieux, hat uns in ihren kurzen Lebensjahren die Einsicht eröffnet, wie groß die kleinen, normalen Tätigkeiten vor Gott sein können. Auch Charles de Foucauld ist hier zu nennen, der das verborgene Leben Jesu in Nazaret als großes Vorbild erkannt hat. Es gibt die aufsehenerregende Heiligkeit einiger Menschen; es gibt ebenso auch die unbekannte Heiligkeit des täglichen Lebens.

In all dem ist Maria Euch Vorbild. »Der Engel trat bei ihr ein« und grüßte sie als die Begnadete. »Ave Maria, gratia plena«, so grüßt sie die Kirche über die Jahrhunderte hin. Der Herr ist mit ihr. Ja, der Herr sei auch mit Euch in der Heiligung Eures Lebens und in Eurem apostolischen Dienst. Das ist der Wunsch des Papstes, und das ist der priesterliche Dienst Eurer Bischöfe, Priester und Diakone an Eurer Berufung.

7. Zum Abschluß möchte ich noch einmal auf die Worte der heutigen Liturgie zurückkommen. Die erste Lesung aus dem Buch Jesus Sirach spricht von der Weisheit, die »aus dem Mund des Höchsten hervorging«.

Liebe Brüder und Schwestern! Wir wollen diese Weisheit lieben! Dann werden wir unsere Freude finden an einem Apostolat, das im Dienst dieser göttlichen Weisheit steht.

Durch diesen Dienst von vielen Generationen hat die Weisheit »bei einem ruhmreichen Volk Wurzeln gefaßt«, im »Anteil des Herrn«, in seinem »Erbbesitz«. Durch den gleichen Dienst der gegenwärtigen Generation von Boten der göttlichen Weisheit möchte diese in der heutigen Welt Wurzeln fassen.

44 Laßt uns diesem ewigen Wunsch der göttlichen Weisheit nachkommen. Öffnen wir ihr unser Herz.Bringen wir sie den Menschen und den Dingen in unserer Umgebung nahe. Erschließen wir ihr den Zugang zu Moral und Kultur, zum sozialen, politischen und wirtschaftlichen Leben.

Die göttliche Weisheit ist das Licht, das die ganze Schöpfung durchdringt.

Sie umfaßt in ihrer Liebe den Schöpfer und die Schöpfung, Gott und die Menschheit.

Brüder und Schwestern! Gehen wir die Wege dieser Weisheit! Werden wir ihre Boten! Dienen wir dem Heil, das Gott selbst der Menschheit in Jesus Christus anbietet. Amen.



PASTORALBESUCH IN ÖSTERREICH

EUCHARISTIEFEIER ZUM ABSCHLUSS DES KATHOLIKENTAGES


Donaupark - Wien

Sonntag, 11. September 1983



Liebe Brüder und Schwestern!

1. »Ich will aufbrechen und zu meinem Vater gehen!«

Aus der Mitte des heutigen Evangeliums treffen uns diese Worte. Sie bekommen eine besondere Bedeutung beim Abschluß dieses Katholikentages, dessen Thema »Hoffnung leben - Hoffnung geben« die Perspektiven unserer Hoffnung eröffnet. Ja, jene Worte aus dem Evangelium enthalten tatsächlich die Perspektive der Hoffnung, die Jesus Christus uns offenbart hat, als er mit seiner Frohen Botschaft das ganze Leben des Menschen in ein neues Licht stellte.

Die heutige festliche Abschlußmesse gibt mir die Gelegenheit, im Geiste gemeinsamer christlicher ??ffnung alle Teilnehmer an dieser Eucharistiefeier sowie am gesamten Katholikentag aufs herzlichste zu begrüßen.

Ich grüße die Gläubigen aus den verschiedenen Diözesen Österreichs. Mein Besuch hier in Wien gilt zugleich allen Orten ihrer nahen oder fernen Heimat. Meinen mitbrüderlichen Gruß richte ich sodann an die hier anwesenden Kardinäle und Bischöfe, an ihrer Spitze den verehrten Herrn Kardinal König, an die Priester und Diakone wie auch an die Vertreter der christlichen Bruderkirchen und anderer Glaubensgemeinschaften. Ebenso aufrichtig begrüße ich die hohen Persönlichkeiten aus Staat und Gesellschaft, die an diesem festlichen Abschlußgottesdienst teilnehmen. Schließlich grüße ich mit Freude die zahlreichen Gäste, die aus vielen anderen Ländern, auch aus dem Osten, zu dieser Eucharistiefeier gekommen sind.

45 2. Ihr, liebe Österreicher, habt Euren Katholikentag unter das Thema der Hoffnung gestellt. Ihr wißt aus eigener Erfahrung, daß heute viele Menschen, junge und alte, die Hoffnung verloren haben. Aber ohne Hoffnung kann man auf Dauer nicht leben! Wie also finden wir wieder Hoffnung? Wie können wir anderen den Weg zur Hoffnung weisen?

Das Gleichnis, das wir soeben im Evangelium behört haben, spricht von einem jungen Mann, der stolz und selbstbewußt sein Vaterhaus verließ und in die Ferne zog, weil er dort mehr Freiheit und Glück erhoffte. Als aber sein Vermögen dahin war und er in ganz neue, menschenunwürdige Abhängigkeiten geriet, schwand all seine Hoffnung. Bis er schließlich seine eigene Schuld eingestand, sich seines Vaters wieder erinnerte und sich aufmachte, um ins Vaterhaus zurückzukehren. Voller Hoffnung - gegen alle Hoffnung!

3. Genau an dieser Stelle des Evangeliums werden die Worte gesprochen: »Ich will aufbrechen und zu meinem Vater gehen«. In jenem tiefen Gleichnis Christi ist eigentlich das ganze ewige Drama des Menschen enthalten: das Drama der Freiheit, das Drama einer schlecht genutzten Freiheit.

Von seinem Schöpfer hat der Mensch die Gabe der Freiheit erhalten. In seiner Freiheit kann er diese Erde ordnen und gestalten, kann er die wunderbaren Werke menschlichen Geistes schaffen, von denen dieses Land und die Welt voll ist: Wissenschaft und Kunst, Wirtschaft und Technik, die gesamte Kultur. Die Freiheit befähigt den Menschen zu jener einmaligen Gestalt der menschlichen Liebe, die nicht bloß Folge natürlicher Anziehung ist, sondern eine freie Tat des Herzens. Die Freiheit befähigt ihn - als höchste Tat menschlicher Würde -, Gott zu lieben und anzubeten.

Die Freiheit hat aber ihren Preis. Alle, die frei sind, sollten sich fragen: Haben wir in der Freiheit unsere Würde bewahrt? Freiheit bedeutet nicht Willkür. Der Mensch darf nicht alles tun, was er kann oder was ihm beliebt. Es gibt keine Freiheit ohne Bindung. Der Mensch ist verantwortlich für sich selbst, für die Mitmenschen und für die Welt. Er ist verantwortlich vor Gott. Eine Gesellschaft, die Verantwortung, Gesetz und Gewissen bagatellisiert, bringt die Fundamente des menschlichen Lebens ins Wanken. Der Mensch ohne Verantwortung wird sich in die Genüsse dieses Lebens stürzen und wie der verlorene Sohn in Abhängigkeiten geraten und seine Heimat und Freiheit verlieren. Er wird in rücksichtslosem Egoismus seine Mitmenschen mißbrauchen oder unersättlich materielle Güter an sich reißen. W? die Bindung an die letzten Werte nicht anerkannt wird, zerfallen Ehe und Familie, wird das Leben des anderen, besonders des ungeborenen, des alten und kranken Menschen, gering geachtet. Aus der Anbetung Gottes wird die Anbetung des Geldes, des Prestiges oder der Macht.

Ist nicht die ganze Geschichte der Menschheit auch eine Geschichte der mißbrauchten Freiheit? Gehen nicht auch heute viele den Weg des verlorenen Sohnes? Sie stehen vor einem zerbrochenen Leben, vor verratener Liebe, in selbstverschuldeter Not, voll Angst und Verzweiflung. »Sie haben gesündigt und die Herrlichkeit Gottes verloren«? Sie fragen sich: Wohin bin ich geraten? Wo zeigt sich ein Ausweg?

4. Der verlorene Sohn im Gleichnis Christi ist der Mensch, der seine Freiheit schlecht genutzt hat. In diesem Gleichnis können wir die Folgen des Mißbrauchs der Freiheit - das heißt, der Sünde - sehen: jene Folgen, die auf dem Gewissen des einzelnen lasten, wie auch jene, die zu Lasten des Lebens der verschiedenen mensch­lichen Gemeinschaften und ihrer Umwelt gehen, ja sogar zu Lasten der Völker und der ganzen Menschheit. Sünde bedeutet eine Herabminderung des Menschen: sie widerspricht seiner wahren Würde und hinterläßt zugleich eine Wunde im sozialen Leben. Sünde hat von sich aus eine persönliche und eine soziale Dimension. Beide verdunkeln den Blick auf das Gute und nehmen dem menschlichen Leben das Licht der Hoffnung.

Das Gleichnis Christi läßt uns jedoch nicht stehen vor der traurigen Situation des in Sünde gefallenen Menschen mit all seiner Erniedrigung. Die Worte »Ich will aufbrechen und zu meinem Vater gehen« lassen uns im Herzen des verlorenen Sohnes die Sehnsucht nach dem Guten und das Licht untrüglicher Hoffnung erkennen. In diesen Worten eröffnet sich ihm die Perspektive der Hoffnung. Eine solche Aussicht ist uns immer gegeben, weil jeder Mensch und die ganze Menschheit zusammen aufbrechen können, um zum Vater zu gehen. Das ist die Wahrheit, die im Kern der Frohen Botschaft steht.

Die Worte »Ich will aufbrechen und zu meinem Vater gehen« bestätigen die innere Umkehr. Denn der verlorene Sohn fährt fort: »Ich will zu ihm sagen: Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt« Im Zentrum der Frohen Botschaft steht die Wahrheit von der metánoia, der Umkehr: Umkehr ist möglich, und Umkehr ist nötig!

5. Und warum ist das so? Well sich hier zeigt, was in der innersten Seele eines jeden Menschen liegt und dort trotz der Sünde und sogar durch die Sünde hindurch lebt und wirkt: Jener unstillbare Hunger nach Wahrheit und Liebe, der uns bezeugt, wie sich der Geist des Menschen über alles Geschaffene hinaus zu Gott hin ausstreckt. Auf der Seite des Menschen ist dies der Ausgangspunkt der Bekehrung.

Ihm entspricht der Ausgangspunkt auf der Seite Gottes. Im Gleichnis wird dieser göttliche Ausgangspunkt mit eindrucksvoller Schlichtheit und zugleich mit überzeugender Kraft dargestellt. Der Vater wartet. Er wartet auf die Rückkehr des verlorenen Sohnes, als wenn es bereits sicher wäre, daß er zurückkehren wird. Der Vater geht auf die Straßen, auf denen der Sohn heimkehren könnte. Er will ihm begegnen.

46 In diesem Erbarmen bekundet sich jene Liebe, mit der Gott den Menschen in seinem Ewigen Sohn von Anfang an geliebt hat. Es ist die Liebe, die, von Ewigkeit her im Herzen des Vaters verborgen, durch Jesus Christus in unserer Zeit offenbart worden ist. Kreuz und Auferstehung bilden den Höhepunkt dieser Offenbarung.

So war es sehr sinnvoll, daß wir gestern während der Europavesper das Kreuz Christi als Zeichen der Hoffnung verehrt haben: denn hieraus bezieht der Österreichische Katholikentag 1983 - zusammen mit der ganzen Kirche - seine Lebenskraft. Im Zeichen des Kreuzes bleibt der göttliche Ausgangspunkt einer jeden Bekehrung in der Geschichte des Menschen und der ganzen Menschheit stets gegenwärtig. Denn im Kreuz ist die Liebe des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes ein für allemal zur Menschheit herabgestiegen, eine Liebe, die sich niemals erschöpft. Sich bekehren heißt, dieser Liebe begegnen und sie im eigenen Herzen aufnehmen; heißt, auf dieser Liebe das weitere Verhalten aufbauen.

Genau das hat sich im Leben des verlorenen Sohnes ereignet, als er beschloß: »Ich will aufbrechen und zu meinem Vater gehen«. Zugleich aber war er sich klar bewußt, daß er bei der Rückkehr zum Vater seine Schuld bekennen mußte: »Vater, ich habe mich versündigt«. Bekehrung ist Aussöhnung. Aussöhnung aber kommt nur zustande, wenn man seine Sünden bekennt. Seine Sünden bekennen bedeutet, die Wahrheit bezeugen, daß Gott Vater ist, ein Vater, der verzeiht. Wer in seinem Bekenntnis diese Wahrheit bezeugt, den nimmt der Vater wieder als seinen Sohn auf. Der verlorene Sohn ist sich bewußt, daß nur Gottes Vaterliebe ihm die Sünden vergeben kann.

Liebe ist stärker als Schuld!

6. Liebe Brüder und Schwestern! Ihr habt in den Mittelpunkt dieses Katholikentages die Perspektive der Hoffnung gestellt: vertieft Euch gut in das Gleichnis Christi vom verlorenen Sohn. Es ist durch und durch realistisch. Die Perspektive der Hoffnung ist dort eng mit dem Weg der Umkehr verbunden. Meditiert über alles, was zu diesem Weg gehört: die Erforschung des Gewissens - die Reue mit dem festen Vorsatz, sich zu ändern - das Bekenntis mit der Buße. Erneuert in Euch die Wertschätzung für dieses Sakrament, das ja auch »Sakrament der Versöhnung« genannt wird. Es ist eng mit dem Sakrament der Eucharistie, dem Sakrament der Liebe, verbunden: Die Beichte befreit uns vom Bösen; die Eucharistie schenkt uns Gemeinschaft mit dem höchsten Gut.

Nehmt die verpflichtende Einladung der Kirche ernst, jeden Sonntag die heilige Messe mitzufeiern. Hier dürft Ihr inmitten der Gemeinde immer wieder dem Vater begegnen und das Geschenk seiner Liebe empfangen, die heilige Kommunion, das Brot unserer Hoffnung. Gestaltet den ganzen Sonntag aus diesem Kraftquell als einen Tag, der dem Herrn geweiht ist. Denn ihm gehört unser Leben; ihm gebührt unsere Anbetung. So kann auch im Alltag Eure Gottverbundenheit lebendig bleiben und all Euer Tun zum christlichen Zeugnis werden.

Das alles ist die Bedeutung der Worte: »Ich will aufbrechen und zu meinem Vater gehen«. Ein Programm unserer Hoffnung, wie es sich tiefer und zugleich einfacher nicht denken läßt!

7. Von diesem geistlichen Programm her möchte ich nun zusammen mit Euch einiges zur Umkehr im Bereich von Familie und Gesellschaft bedenken.

Ehe und Familie sind heute in Gefahr. Darunter leiden so viele Menschen: die Ehepartner und noch mehr ihre Kinder, letztlich aber die ganze Gesellschaft. Vor zwei Jahren habe ich aus der Erfahrung der Bischöfe der ganzen Welt die Krise der heutigen Familie so charakterisiert: Es gibt »Anzeichen einer besorgniserregenden Verkümmerung fundamentaler Werte: eine irrige... Auffassung von der gegenseitigen Unabhängigkeit der Eheleute; die schwerwiegenden Mißverständnisse hinsichtlich der Autoritätsbeziehungen zwischen Eltern und Kindern; die häufigen konkreten Schwierigkeiten der Familie in der Vermittlung der Werte; die steigende Zahl der Ehescheidungen; das weitverbreitete Übel der Abtreibung!« Ein Übel, zu dessen Eindämmung wir noch nicht den rechten Weg gefunden haben und das in seiner Schrecklichkeit noch viel zu wenig Menschen bewußt ist.

Die Wurzel dieser Krise scheint vor allem in einem falschen Begriff von Freiheit zu liegen. Eine Freiheit, »die nicht als die Fähigkeit aufgefaßt wird, den Plan Gottes für Ehe und Familie zu verwirklichen, sondern vielmehr als autonome Kraft der Selbstbehauptung für das eigene, egoistisch verstandene Wohlergehen und nicht selten gegen die Mitmenschen«. Diese negativen Entwicklungen werden noch gefördert durch eine öffentliche Meinung, die die Institution Ehe der Familie in Frage stellt und andere Formen des Zusammenlebens zu rechtfertigen sucht. Trotz der Beteuerung vieler, die Familie sei so wichtig für die Gesellschaft, wird doch noch viel zu wenig unternommen, um sie wirklich zu schützen. Ich glaube aber, daß der entscheidende Grund für diese Krise tiefer liegt. Ehe und Familie sind in Gefahr, weil oft der Glaube und der religiöse Sinn in ihnen erstorben sind. Weil Ehepartner selbst und damit auch ihre Kinder Gott gegenüber gleichgültig geworden sind.

Liebe Mütter und Väter, liebe Familien! Macht auch Ihr Euch auf und kehrt zurück zum Vater! Nur in Verantwortung vor Gott könnt Ihr die ganze Tiefe des Reichtums in Ehe und Familie erkennen und leben. Ich weiß, daß in Österreich viele Priester und Laien in den vergangenen Jahren versucht haben, Ehe und Familie aus christlichem Geist heraus zu erneuern. Ich weiß um Euer Bemühen, den Ehegatten zu helfen, in echter Partnerschaft zu leben; um Euer Bemühen, der Frau in Ehe und Familie, ?n Gesellschaft und Kirche einen ihrer Würde und Eigenart entsprechenden Platz zu geben. Ihr habt erkannt, daß d?e Kleinfamilie sich öffnen muß für andere, um ihnen aus der selbstgelebten Liebe spirituelle und materielle Hilfe anbieten zu können. Immer mehr Familien werden sich bewußt, daß sie Kirche im Kleinen, gleichsam Hauskirche sind. Arbeitet weiter in dieser Richtung!

47 Sucht aber mit gleichem Ernst nach Wegen, um eine vor Gott verantwortete Elternschaft zu leben, die objektiven Kriterien entspricht, wie sie das kirchliche Lehramt in Gemeinschaft mit dem Nachfolger Petri weltweit vorlegt. Ich erinnere dabei besonders an das kürzliche Apostolische Schreiben »Familiaris Consortio«, das die Weisung der Enzyklika »Humanae Vitae« bekräftigt.

Christliche Familie! Werde wieder eine betende Familie! Eine Familie, die aus dem Glauben lebt! In der die Eltern erste Katecheten ihrer Kinder sind. W? der Geist Gottes, der die Liebe ist, erlebt werden kann. Lernt vom barmherzigen Vater, einander immer wieder zu vergeben. Eltern, lernt auch von ihm, Eure Kinder in Freiheit entlassen zu können und doch allezeit für sie bereitzustehen. Schöpft aus unserem Gleichnis die Hoffnung, daß gerade der verlorene Sohn seinen Vater schließlich in einer Weise wiedergefunden hat, wie er ihn vorher nicht gekannt hatte.

8. »Ich will aufbrechen und zu meinem Vater gehen«. Diese Worte haben uns den Weg der Hoffnung für die Familien gezeigt. Die Familie gehört aber zu einer bestimmten Gesellschaft, zu einem Volk und im weitesten Sinne zur ganzen Menschheitsfamilie. So ist sie mitbetroffen von vielen Vorgängen in der heutigen Zivilisation.

Hören wir nicht auch in all diesen Vorgängen und Entwicklungen den Notschrei jenes Sohnes aus dem Gleichnis Jesu? Oder wenigstens ein schwaches Echo dieses Schreies?

Der Sohn in seinem ungestümen Freiheitsdrang scheint mir ein Gleichnis zu sein für den Menschen in der Gesellschaft der hochentwickelten Staaten. Ein rascher Fortschritt in Technik und Wirtschaft, ein schnell gestiegener Lebensstandard haben grundlegende Veränderungen in diese Gesellschaft gebracht. Eine Euphorie erfaßte viele, als ob der Mensch nun endlich imstande sei, die Welt in den Griff zu bekommen und sie für alle Zukunft zu gestalten. In d?esem stolzen Selbstbewußtsein verließen nicht wenige ihre angestammte Weltanschauung, in der Gott Ursprung und Ziel allen Seins war. Nun schien Gott entbehrlich geworden zu sein.

Aber diesem selbstbewußten Auszug, weg von Gott, ist alsbald eine große Ernüchterung gefolgt, gepaart mit Angst: Angst vor der Zukunft, Angst vor den Möglichkeiten, die der Mensch nun in Händen hält. Angst also vor dem Menschen selbst. Auch Österreich im Herzen Europas ist von solchen Entwicklungen nicht verschont geblieben. Nun sucht Ihr neue Wege, Antworten auf die Probleme dieser Zeit.

Besinnt Euch wieder Eurer geistigen Herkunft! Kehrt um, wendet Euch Gott wieder zu und gestaltet das Leben Eurer Gesellschaft nach seinen Gesetzen! Die Kirche will Euch mit ihrem Hirten- und Lehramt dabei eine Hilfe sein. Mit der Pastoralkonstitution des Konzils wird sie immer wieder die wesentlichen Fragen vorlegen: »Was ist der Mensch? Was ist der Sinn des Schmerzes, des Bösen, des Todes? ... Was kann der Mensch der Gesellschaft geben, was von ihr erwarten? Was kommt nach diesem irdischen Leben?«.

9. Liebe Brüder und Schwestern! Diese Grundfragen des II. Vatikanischen Konzils berühren den Kern des Problems, dem die Arbeiten des Katholikentages 1983 gewidmet sind. Antwort auf diese Fragen gibt das Evangelium. In dieser Antwort eröffnet sich dem Menschen die Perspektive der Hoffnung. Ohne diese Antwort gibt es keine Aussicht auf Hoffnung.

Folgt daraus nicht, daß wir die Frohe Botschaft neu annehmen müssen? Daß wir sie annehmen müssen als eine Botschaft, die für den Menschen unserer Tage ebenso lebensentscheidend ist, wie sie das für den Menschen vor 2000 Jahren war? Daß wir sie annehmen müssen mit innerer Überzeugung und Entschlossenheit zur Umkehr?

Ja, wir müssen eine neue Verkündigung beginnen. Die Verkündigung von der Umkehr und Heimkehr des Menschen zum Vater.

Der Vater wartet auf uns.

48 Der Vater geht uns entgegen.

Der Vater möchte jeden Menschen wieder als Sohn oder Tochter aufnehmen.

Laßt uns aufbrechen und zu Ihr gehen! Das ist unsere Hoffnung! Amen.

Predigten 1978-2005 40