Predigten 1978-2005 345

HEILIGJAHRFEIER DER IM SHOWGESCHÄFT TÄTIGEN

Sonntag, 17. Dezember 2000

346
1.»Freut euch! […] Der Herr ist nahe« (
Ph 4,4 Ph 4,5).

Der heutige dritte Adventssonntag ist von der Freude gekennzeichnet: Von der Freude der Menschen, die auf denjenigen warten, der »nahe ist«, den Gott-mit-uns, den die Propheten angekündigt hatten. Es ist die »große Freude« des Weihnachtsfestes, die wir heute vorauskosten. Eine Freude, die »dem ganzen Volk zuteil wird«, denn der Erlöser ist gekommen, und er wird wiederkommen und uns besuchen als aufstrahlendes Licht aus der Höhe (vgl. Lc 1,78).

Es ist die Freude der in der Welt pilgernden Christen: Sie erwarten hoffnungsvoll die glorreiche Wiederkunft dessen, der sich seiner göttlichen Herrlichkeit entäußerte, um uns zu Hilfe zu kommen. Es ist die Freude dieses Heiligen Jahres, das uns an die zwei Jahrtausende erinnert, seitdem der Sohn Gottes, Licht vom Licht, mit dem Glanz seiner Gegenwart die Menschheitsgeschichte erleuchtete.

Vor diesem Hintergrund nehmen die Worte des Propheten Zefanja, die wir in der ersten Lesung gehört haben, eine besondere Aussagekraft an: »Juble, Tochter Zion! Jauchze, Israel! Freu dich, und frohlocke von ganzem Herzen, Tochter Jerusalem! Der Herr hat das Urteil gegen dich aufgehoben und deine Feinde zur Umkehr gezwungen« (): Das ist das »Gnadenjahr des Herrn«, das uns von der Sünde und ihren Verletzungen heilt!

2. Die trostreiche Botschaft des Propheten klingt mit großer Intensität in unsere Versammlung hinein: »Der Herr, dein Gott, ist in deiner Mitte, der Held, der Rettung bringt. Er freut sich und jubelt über dich, er erneuert seine Liebe zu dir« (So 3,17).

Er ist gekommen, und Ihn erwarten wir. Das Jubiläumsjahr fordert uns insbesondere in dieser Adventszeit des Jahres 2000 auf, unseren Blick auf Ihn gerichtet zu halten. Der »Held, der Rettung bringt«, wird auch euch vor Augen gestellt, liebe Brüder und Schwestern, die ihr in verschiedener Weise im Showgeschäft tätig seid. In seinem Namen empfange und begrüße ich euch herzlich. Aufrichtig danke ich für die freundlichen Worte, die Erzbischof John Patrick Foley, Präsident des Päpstlichen Rats für die sozialen Kommunikationsmittel, und zwei eurer Vertreter an mich gerichtet haben. Ich weite meinen Gruß aus auf eure Kollegen und Freunde, die heute nicht anwesend sein konnten.

3. Das Lukasevangelium hat uns am vergangenen Sonntag Johannes den Täufer vorgestellt, der am Jordanufer das bevorstehende Kommen des Messias verkündete. Heute hören wir in der Liturgie die Fortsetzung dieses Abschnitts aus dem Evangelium: Der Täufer erklärt der Menge, wie man ganz konkret dem Herrn den Weg bereiten kann. Den verschiedenen Personen, die ihn fragen: »Was sollen wir tun?« (Lc 3,10 Lc 3,12 Lc 3,14), zeigt er auf, was getan werden muß, um sich auf die Aufnahme des Messias vorzubereiten.

Dieser Text des Evangeliums läßt uns gleichsam an die Treffen während des Heiligen Jahres für die verschiedenen sozialen und beruflichen Gruppen denken. Er läßt auch an euch denken, liebe Brüder und Schwestern: Anläßlich eurer Heiligjahrwallfahrt seid auch ihr zusammengekommen, um zu fragen: »Was sollen wir tun?« Die erste Antwort, die euch das Wort Gottes gibt, besteht in der Einladung, die Freude wiederzufinden. Fordert uns das Jubiläumsjahr – ein Begriff, der mit dem Wort »Jubel« in Zusammenhang steht – etwa nicht dazu auf, voller Freude zu sein, weil der Herr gekommen ist, um unter uns zu wohnen, und weil er uns seine Liebe geschenkt hat?

Diese Freude, die aus der Gnade Gottes hervorgeht, ist allerdings keine oberflächliche und vergängliche Fröhlichkeit. Es ist eine tiefe, im Herzen verwurzelte Freude, die das ganze Dasein des Glaubenden zu durchdringen vermag. Eine Freude, die Schwierigkeiten, Prüfungen, ja sogar Schmerz und Tod – so paradox dies auch scheinen mag – standzuhalten vermag. Es ist die Freude von Weihnachten und Ostern, ein Geschenk des menschgewordenen, gestorbenen und auferstandenen Gottessohnes. Diese Freude kann niemand all jenen nehmen, die im Glauben und in den Werken mit Ihm verbunden sind (vgl. ).

Viele von euch, meine Lieben, arbeiten im Bereich der Unterhaltung des Publikums und in der Planung und Durchführung von Darbietungen, die Gelegenheit zu gesunder Erholung und Vergnügung bieten wollen. Obwohl die christliche Freude im eigentlichen Sinne eher im Bereich der Spiritualität liegt, schließt sie doch auch eine gesunde Unterhaltung nicht aus, die sowohl dem Körper als auch dem Geist gut tut. Die Gesellschaft muß also den Produzenten und Gestaltern von intelligenten und entspannenden Programmen dankbar sein, die unterhalten, ohne entfremdend zu sein, und humorvoll sind, ohne ins Vulgäre abzugleiten. Die Verbreitung echter Fröhlichkeit kann eine gesunde Form sozialer Nächstenliebe sein.

4. Die Kirche wendet sich heute – ebenso wie Johannes der Täufer – mit einer besonderen Botschaft an euch, ihr Lieben, die ihr im Showgeschäft tätig seid. Diese Botschaft könnte man folgendermaßen formulieren: Ihr solltet euch immer die Adressaten eurer Arbeit persönlich vergegenwärtigen, ihre Rechte und ihre berechtigten Erwartungen, umsomehr wenn es sich um Menschen handelt, die noch herangebildet werden müssen. Laßt euch nicht von rein wirtschaftlichen oder ideologischen Interessen leiten. Dies ist das Grundprinzip der Ethik der sozialen Kommunikation, das jeder von euch in seinem Tätigkeitsbereich anwenden sollte. Hierzu hat der Päpstliche Rat für die sozialen Kommunikationsmittel im vergangenen Juni ein eigenes Dokument mit dem Titel »Ethik in der sozialen Kommunikation« veröffentlicht. Ich lade euch zu einem Nachdenken über dieses Dokument ein.

Vor allem diejenigen unter euch, die dem Publikum am besten bekannt sind, müssen sich ihrer Verantwortung stets bewußt sein. Liebe Freunde! Die Menschen schauen auf euch mit Sympathie und Interesse. Seid ihnen immer positive und konsequente Vorbilder, die Vertrauen, Optimismus und Hoffnung einflößen können.

Um euren anspruchsvollen Auftrag erfüllen zu können, kommt euch der Herr zu Hilfe, an den ihr euch durch das Hören seines Wortes und im Gebet wenden könnt. Ja, meine Lieben, ihr arbeitet mit Bildern, Gesten, Klängen – mit anderen Worten: Ihr arbeitet mit Äußerlichem. Gerade deshalb müßt ihr jedoch Männer und Frauen mit einer starken Innerlichkeit sein, die fähig zu innerer Sammlung sind. In uns wohnt Gott, er ist uns näher als wir selbst, wie der hl. Augustinus hervorhob. Wenn ihr es versteht, mit Ihm zu sprechen, könnt ihr auch mit dem Nächsten besser kommunizieren. Wenn ihr eine lebhafte Sensibilität für das Gute, Wahre und Schöne entwickelt, werden die Ergebnisse eurer Kreativität – auch die einfachsten – von guter ästhetischer und sittlicher Qualität sein.

5. Die Kirche ist euch nahe und zählt auf euch! Sie erwartet, daß ihr ins Kino, ins Fernsehen und Radio, ins Theater, in den Zirkus und in jede Form von Unterhaltung jenen »Sauerteig« des Evangeliums einbringt, durch den jede menschliche Wirklichkeit ihr positives Potential am besten entfalten kann.

Eine Neuevangelisierung, die eure Welt, die des Showgeschäfts, außer acht lassen würde, ist nicht denkbar, da diese Welt so wichtig ist für die Heranbildung der Mentalitäten und Verhaltensweisen. Ich denke in diesem Zusammenhang an die zahlreichen Initiativen, die die biblische Botschaft und das äußerst reiche Erbe der christlichen Tradition in der Sprache der Formen, der Klänge und der Bilder durch Theater, Kino und Fernsehen vorstellen. Ich denke auch an die nicht ausdrücklich religiösen Werke und Programme, denen es jedoch gelingt, die Herzen der Menschen anzusprechen und in ihnen Staunen, Fragen und Überlegungen zu wecken.

6. Liebe Brüder und Schwestern! Die Vorsehung wollte es, daß eure Heiligjahrfeier wenige Tage vor Weihnachten stattfinden sollte, dem Fest, das in eurem Arbeitsbereich zweifellos am häufigsten dargestellt wird – auf allen Ebenen, von den Massenmedien bis hin zu den Krippenspielen. Das heutige Treffen hilft uns somit, uns auf den echten weihnachtlichen Geist einzustimmen, der so ganz verschieden ist von jener Oberflächlichkeit, die Weihnachten zu einer kommerziellen Angelegenheit machen will.

347 Laßt euch auf dem Weg der Vorbereitung auf dieses Fest von Maria, der Mutter des menschgewordenen Wortes, leiten. Sie wartet in der Stille auf die Erfüllung der Verheißungen Gottes und lehrt uns, daß man, um der Welt Frieden und Freude zu bringen, zuerst den Friedensfürsten und die Quelle der Hoffnung, Jesus Christus, im Herzen aufnehmen muß. Damit dies geschehen kann, ist es nötig, sich zu seiner Liebe zu bekehren und bereit zu sein, seinen Willen zu tun.

Mein Wunsch ist, daß auch ihr, liebe Freunde aus der Welt des Showgeschäfts, diese tröstende Erfahrung machen könnt. Dann werdet ihr mit den unterschiedlichsten Ausdrucksformen zu Freudenboten werden, zu Boten jener Freude, die Christus im Weihnachtsfest der ganzen Menschheit schenkt.



CHRISTMETTE


24. Dezember 2000




1. "Heute ist uns der Heiland geboren" (Antwortgesang).

In dieser Nacht erklingt die alte und doch immer neue Botschaft von der Geburt des Herrn. Sie erklingt für alle, die Wache halten wie die Hirten in Betlehem vor zweitausend Jahren. Sie erklingt für alle, die dem Adventsruf folgten und nun in wachsamer Erwartung bereit sind, die frohe Botschaft zu empfangen, die zum Gesang der Liturgie wird: "Heute ist uns der Heiland geboren."

Das christliche Volk wacht. Die ganze Welt wacht in dieser Weihnachtsnacht, die an die denkwürdige Nacht vor einem Jahr anknüpft, als die Heilige Pforte des Großen Jubiläums geöffnet wurde und sich die Pforte der Gnade für alle aufgetan hat.

2. Es scheint, als habe die Kirche das ganze Jubeljahr hindurch wiederholt: "Heute ist uns der Heiland geboren." Diese Botschaft enthält eine unerschöpfliche Kraft der Erneuerung und erklingt in dieser Heiligen Nacht mit besonderer Eindringlichkeit: Es ist das Weihnachten des Großen Jubiläums, das lebendige Gedächtnis der zweitausend Jahre seit der wunderbaren Geburt Christi, mit der die Geschichte einen neuen Anfang genommen hat. Heute "ist das Wort Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt" (Jn 1,14).

"Heute". In dieser Nacht öffnet sich die Zeit dem Ewigen, weil du, Christus, aus der Höhe herabstiegst und unter uns geboren wurdest. Du bist zur Welt gekommen aus dem Schoß einer Frau, die mehr gesegnet ist als alle anderen, du, der "Sohn des Allerhöchsten". Seine Heiligkeit hat ein für allemal unsere Zeit geheiligt: die Tage, die Jahrhunderte, die Jahrtausende. Durch deine Geburt hast du die Zeit zum "Heute" des Heils gemacht.

3. "Heute ist uns der Heiland geboren."

Wir feiern in dieser Nacht das Geheimnis von Betlehem, das Geheimnis einer einzigartigen Nacht, die in gewissem Sinn in der Zeit liegt, sie aber auch überschreitet. Im Schoß der Jungfrau ist ein Kind geboren; eine Krippe war die Wiege des unsterblichen Lebens.

Weihnachten ist das Fest des Lebens. Denn du, Jesus, bist für jeden von uns zur Welt gekommen und hast die Geburtsstunde geheiligt: eine Stunde, die zum Symbol wird für das Geheimnis des menschlichen Daseins. Diese Stunde vereint die Wehen mit der Hoffnung und den Schmerz mit der Freude. Das alles geschah in Betlehem: eine Mutter hat entbunden. "Ein Mensch ist zur Welt gekommen" (Jn 16,21), der Menschensohn. Darin liegt das Geheimnis von Betlehem!

348 4. Voll innerer Bewegung gedenke ich der Tage meiner Jubiläumswallfahrt ins Heilige Land. Im Geist kehre ich zur Grotte zurück, wo es mir vergönnt war, im Gebet zu verweilen. Im Geist küsse ich den geheiligten Boden, auf dem die immerwährende Freude für die Welt aufgegangen ist.

Ich denke voll Besorgnis an die Heiligen Stätten und besonders an die Stadt Betlehem, wo auf Grund der schwierigen politischen Lage die Weihnachtsgottesdienste nicht mit der gewohnten Feierlichkeit stattfinden können. Ich möchte die christlichen Gemeinschaften dort in dieser Nacht die volle Solidarität der ganzen Kirche fühlen lassen.

Liebe Brüder und Schwestern, wir sind mit euch im Gebet besonders tief verbunden. Wir teilen eure Sorge um das Schicksal des ganzen Gebietes im mittleren Osten. Der Herr erhöre unsere Bitte! Von diesem Platz aus, dem Mittelpunkt der katholischen Welt, ertöne wieder mit neuer Kraft die Botschaft der Engel an die Hirten: "Verherrlicht ist Gott in der Höhe, und auf Erden ist Friede bei den Menschen seiner Gnade" (
Lc 2,14).

Wir dürfen die Hoffnung nicht verlieren und ebensowenig unser Staunen darüber, was wir als Gedächtnis feiern. Denn heute ist Er geboren, der der Welt den Frieden schenkt.

5. "Heute ist uns der Heiland geboren."

Gottes Wort weint in der Krippe. Sein Name ist Jesus, das heißt: "Gott rettet", denn "er wird sein Volk von seinen Sünden erlösen" (Mt 1,21).

Der Erlöser, der dazu bestimmt ist, das ewige und allumfassende Reich zu gründen, wird nicht in einem Königspalast geboren, sondern in einem Stall. Als er zu uns kommt, entzündet er in der Welt das Feuer der Liebe Gottes (vgl. Lc 12,49). Dieses Feuer wird nie mehr erlöschen.

Möge dieses Feuer in den Menschenherzen als Flamme der tätigen Nächstenliebe entbrennen, die zur Aufnahme und Stütze wird für viele bedürftige und leidende Brüder und Schwestern!

6. Herr Jesus, wir sehen dich in der Armut von Betlehem. Mach uns zu Zeugen deiner Liebe - jener Liebe, die dich drängte, dich deiner göttlichen Herrlichkeit zu entäußern, um unter uns Menschen geboren zu werden und für uns zu sterben.

Das Große Jubiläum geht zu Ende. Gieße jetzt deinen Geist in uns ein, damit die Gnade der Menschwerdung in jedem Gläubigen das Streben wecke, in dem neuen Leben zu wandeln, das die Taufe schenkt.

Gib, daß das Licht dieser Nacht, die heller als der Tag ist, in die Zukunft weise und die Schritte der Menschheit auf den Weg des Friedens lenke.

349 Du, Friedensfürst, du, Heiland, der uns heute geboren ist, begleite deine Kirche auf ihrem Weg durch das neue Jahrtausend!


                                                                   2001



HEILIGE MESSE AM HOCHFEST DER GOTTESMUTTER MARIA - XXXIV. WELTFRIEDENSTAG PREDIGT VON JOHANNES PAUL II.


1. Januar 2001


1. »So eilten [die Hirten] hin und fanden Maria und Josef und das Kind, das in der Krippe lag« (Lc 2,16).

Heute, in der Weihnachtsoktav, fordert uns die Liturgie mit diesen Worten auf, mit neuem und entschlossenem Eifer nach Betlehem zu ziehen, um das göttliche Kind anzubeten, das für uns geboren wurde. Sie lädt uns ein, den Schritten der Hirten zu folgen, die sich in die Grotte begeben und in jenem kleinen Menschenwesen, »geboren von einer Frau und dem Gesetz unterstellt« (Ga 4,4), den Allmächtigen erkennen, der zu einem von uns geworden ist. Neben ihm sind Josef und Maria stille Zeugen des Weihnachtswunders. Das ist das Geheimnis, das auch wir heute staunend betrachten: Der Herr ist für uns zur Welt gekommen. Maria hat »den König geboren, der in Ewigkeit herrscht über Himmel und Erde« (vgl. Sedulius).

Verzückt stehen wir vor der Szene, die der Evangelist uns erzählt. Halten wir nun ein wenig inne, um die Hirten zu betrachten. Sie bringen auf einfache und freudvolle Weise das menschliche Suchen zum Ausdruck und stellen – insbesondere im Rahmen des Großen Jubiläumsjahres – die inneren Voraussetzungen zur Begegnung mit Jesus heraus.

Die entwaffnende Zartheit des Kindes, die überraschende Armut, in der es sich befindet, die demütige Bescheidenheit von Maria und Josef verwandeln das Leben der Hirten: Sie werden somit zu Heilsboten, zu Evangelisten ante litteram. Der hl. Lukas schreibt: »Die Hirten kehrten zurück, rühmten Gott und priesen ihn für das, was sie gehört und gesehen hatten; denn alles war so gewesen, wie es ihnen gesagt worden war« (Lc 2,20). Sie verließen das Kind voll Freude und bereichert von einem Ereignis, das ihre Existenz verändert hatte. In ihren Worten hallt eine innere Freude wider, die zum Lied wird: »Sie kehrten zurück, rühmten Gott und priesen ihn.«

2. Auch wir haben uns in diesem Jubiläumsjahr auf den Weg gemacht, um Christus, dem Erlöser des Menschen, zu begegnen. Beim Gang durch die Heilige Pforte haben wir seine geheimnisvolle Gegenwart gespürt, durch die dem Menschen die Möglichkeit gegeben ist, von der Sünde zur Gnade und vom Tod zum Leben zu gelangen. Der Gottessohn, der für uns Fleisch geworden ist, hat uns den eindringlichen Aufruf zur Bekehrung und Liebe vernehmen lassen.

Wie viele Gnadengaben, wie viele außerordentliche Gelegenheiten hat das Große Jubiläumsjahr den Gläubigen geboten! Durch die Erfahrung der empfangenen und geschenkten Vergebung, im Gedenken an die Märtyrer, im Hören des Aufschreies der Armen dieser Welt und in den Glaubenszeugnissen, die uns die gläubigen Brüder aller Zeiten hinterlassen haben, konnten auch wir die heilbringende Gegenwart Gottes in der Geschichte erkennen. Wir haben seine Liebe, die das Antlitz der Erde erneuert, gewissermaßen am eigenen Leibe erfahren. Diese besondere Zeit der Gnade wird nun in wenigen Tagen zu Ende gehen. Ebenso wie von den Hirten, die herbeieilten, um ihn anzubeten, fordert Christus auch von den Gläubigen, denen er die Freude der Begegnung mit ihm geschenkt hat, eine mutige Bereitschaft zum Wiederaufbruch, um sein so altes und doch immer neues Evangelium zu verkünden. Er sendet sie aus, um die Geschichte und die Kulturen der Menschen mit seiner heilbringenden Botschaft zu beleben.

3. »Die Hirten kehrten zurück, rühmten Gott und priesen ihn« (Lc 2,20). Von der Gnade des Heiligen Jahres ermutigt und bereichert, beginnen auch wir dieses neue Jahr, das der Herr uns schenkt. Es mögen uns dabei die Worte aus der ersten Lesung stärken, die den Segen des Schöpfers erneuern: »Der Herr segne dich und behüte dich. Der Herr lasse sein Angesicht über dir leuchten und sei dir gnädig. Der Herr wende sein Angesicht dir zu und schenke dir Heil« (). Der Herr schenke uns seinen Frieden, der nicht das Ergebnis menschlicher Kompromisse, sondern die überraschende Wirkung seines wohlwollendes Blickes auf uns ist. Dies ist der Friede, um den wir heute bitten, wenn wir den 34. Weltfriedenstag feiern.

Mit großer Herzlichkeit begrüße ich die Botschafter des beim Hl. Stuhl akkreditierten Diplomatischen Korps, die an dieser feierlichen Liturgie teilnehmen. Besonders begrüße ich den lieben Msgr. François Xavier Nguyên Van Thuân, Präsident des Päpstlichen Rats für Gerechtigkeit und Frieden, und mit ihm die Mitarbeiter des Dikasteriums, das mit der besonderen Aufgabe betraut ist, die Bemühungen des Papstes und des Apostolischen Stuhls für die Förderung einer gerechteren und geeinteren Welt zum Ausdruck zu bringen. Ich begrüße die Vertreter des öffentlichen Lebens und alle, die an dieser Begegnung des Gebetes für den Frieden teilnehmen. Ihnen allen möchte ich im Geiste noch einmal die Botschaft zum diesjährigen Weltfriedenstag übergeben; darin habe ich mich mit einem besonders aktuellen Thema auseinandergesetzt, nämlich dem »Dialog zwischen den Kulturen für eine Zivilisation der Liebe und des Friedens«.

350 4. In diesem eindrucksvollen liturgischen Rahmen erneuere ich heute gegenüber jedem Menschen guten Willens die nachdrückliche Einladung, den privilegierten Weg des Dialogs vertrauensvoll und beharrlich zu gehen. Nur so werden die besonderen Reichtümer, die die Geschichte und das Leben der Menschen und Völker prägen, nicht verlorengehen, sondern können im Gegenteil zum Aufbau eines neuen Zeitalters brüderlicher Solidarität beitragen. Alle sollen um die Förderung einer echten Kultur der Solidarität und Gerechtigkeit bemüht sein; sie »ist eng mit dem Wert des Friedens verbunden, dem vorrangigen Ziel jeder Gesellschaft und des Zusammenlebens auf nationaler und internationaler Ebene« (Botschaft zum Weltfriedenstag,18).

Dies ist überaus notwendig in der jetzigen Situation der Welt, die durch die zunehmende Mobilität der Menschen, durch die globale Kommunikation und die nicht immer einfache Begegnung zwischen verschiedenen Kulturen noch komplexer geworden ist. Zugleich muß die Dringlichkeit der Verteidigung des Lebens mit Nachdruck betont werden. Das Leben ist ein fundamentales Gut der Menschheit, denn »man kann nicht den Frieden fordern und das Leben mißachten« (ebd. 19).

Bitten wir den Herrn, daß die Achtung dieser Grundwerte, die zum Bestand jeder Kultur gehören, zum Aufbau der ersehnten Zivilisation der Liebe und des Friedens beitragen möge. Dies erwirke uns Christus, der Friedensfürst, den wir in der Armut der Krippe betrachten.

5. »Maria aber bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen und dachte darüber nach« (
Lc 2,19).

Heute feiert die Kirche das Hochfest der Gottesmutter Maria. Nachdem der Evangelist sie als diejenige dargestellt hat, die den suchenden Hirten das Kind zeigt, schenkt er uns ein weiteres, einfaches und zugleich majestätisches Bild Mariens. Maria ist die Frau des Glaubens, die in ihrem Herzen, in ihren Plänen, in ihrem Leib, in ihrer Erfahrung als Braut und Mutter für Gott Raum schuf. Sie ist die Glaubende, die in der ungewöhnlichen Lebensgeschichte des Sohnes das Kommen jener »Fülle der Zeit«(vgl. Ga 4,4) zu erahnen vermochte. In ihr wollte Gott, indem er die einfachen Wege der menschlichen Existenz wählte, sich persönlich in das Heilswerk einbringen.

Der Glaube führt die heilige Jungfrau dazu, unbekannte und unvorhersehbare Wege zu gehen; dabei bewahrt sie alles in ihrem Herzen, das heißt in der Tiefe ihres Geistes, um Gott und seinem Liebesplan mit erneuerter Treue Antwort zu geben.

6. An sie richten wir zu Beginn dieses neuen Jahres unser Gebet.

Hilf auch uns, o Maria, unser Dasein immer im Geiste des Glaubens zu überdenken. Hilf uns, im hektischen täglichen Leben Zeiten der Stille und Betrachtung zu bewahren. Mach, daß wir immer nach den Bedürfnissen des wahren Friedens streben, der ein Geschenk der Geburt Christi ist.

Dir empfehlen wir an diesem ersten Tag des Jahres 2001 die Erwartungen und Hoffnungen der ganzen Menschheit: »Unter deinen Schutz und Schirm fliehen wir, heilige Gottesgebärerin; verschmähe nicht unser Gebet in unsern Nöten, sondern erlöse uns jederzeit von allen Gefahren, o du glorreiche und gebenedeite Jungfrau« (Aus dem Stundenbuch).

Jungfrau und Gottesmutter, sei unsere Fürsprecherin bei deinem Sohn, damit sein Antlitz über dem Weg des neuen Jahrtausends leuchte und damit jeder Mensch in Gerechtigkeit und Frieden leben kann!

Amen!



SCHLIEßUNG DER HEILIGEN PFORTE


351
6. Januar 2001

1."Huldigen werden dir, Herr, alle Völker der Erde!". Diese Anrufung, die wir soeben im Antwortpsalm wiederholt haben, drückt sehr schön den Sinn des Hochfestes der Erscheinung des Herrn aus, das wir heute feiern. Gleichzeitig wirft sie auch Licht auf den heutigen Ritus der Schließung der Heiligen Pforte.

"Huldigen werden dir, Herr, ...": Das ist eine Vision, die uns von der Zukunft erzählt. Sie läßt uns weit blicken. Es klingt die alte messianische Prophezeiung auf, die sich in Fülle verwirklichen wird, wenn unser Herr Jesus Christus am Ende der Geschichte in Herrlichkeit wiederkommen wird. Das messianische Wort kennt jedoch schon eine erste Verwirklichung, die in die Geschichte eingeflochten und zugleich prophetisch ist: Die Magier kamen nach Betlehem und brachten ihre Geschenke dar. Das war der Anfang der Offenbarung Jesu Christi - seine "Epiphanie" vor den Vertretern der Völker der Erde.

Es handelt sich um eine Prophetie, die sich Schritt um Schritt im Laufe der Zeit verwirklicht. Es geschieht nach und nach, indem die Botschaft des Evangeliums sich in den Herzen der Menschen ausbreitet und in allen Gebieten der Erde Wurzeln schlägt. War nicht das Große Jubiläum eine Art "Epiphanie"? Unzählige Menschen sind hierher nach Rom gekommen oder haben auch anderswo eine Wallfahrt zu den vielen Jubiläumskirchen unternommen. Dadurch sind sie in gewisser Weise in die Fußstapfen der Magier getreten und haben sich auf die Suche nach Jesus Christus begeben. Die Heilige Pforte ist nur ein Symbol für diese Begegnung mit Ihm. Christus ist die wahre "Heilige Pforte", die uns den Zugang eröffnet zum Haus des Vaters und uns einführt in die Vertrautheit des göttlichen Lebens.

2. "Huldigen werden dir, Herr, alle Völker der Erde!". Vor allem hier im Zentrum der katholischen Welt hat der beeindruckende Zustrom von Pilgern, die aus allen Kontinenten kamen, in diesem Jahr ein sprechendes Bild für den Weg abgegeben, den die Völker auf Christus hin gehen. Es handelte sich um Personen unterschiedlichster Art, die bei ihrem Kommen der Wunsch erfüllte, das Antlitz Christi zu betrachten und davon Barmherzigkeit zu erlangen.

"Christus, gestern und heute / Anfang und Ende / Alpha und Omega. / Sein ist die Zeit / und die Ewigkeit. / Sein ist die Macht und die Herrlichkeit / in alle Ewigkeit" (Liturgie der Osternacht). Ja, das ist der Lobpreis, den das Jubiläum im beeindruckenden Horizont des Übergangs in ein neues Jahrtausend an Christus richten wollte, den Herrn der Geschichte, zweitausend Jahre nach seiner Geburt. Heute findet dieses außerordentliche Jahr seinen offiziellen Abschluß. Doch es bleiben die geistlichen Gaben, die in diesem Jahr ausgegossen wurden. Das große "Gnadenjahr", das Christus in der Synagoge von Nazaret eröffnet hat (vgl.
Lc 4,18-19), geht weiter; es dauert fort bis ans Ende der Zeiten.

Während sich heute mit der Heiligen Pforte ein "Symbol" für Jesus Christus schließt, steht das Herz Jesu mehr denn je offen. Jesus Christus spricht auch weiterhin zur Menschheit, die nach Hoffnung und Sinn lechzt: "Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde euch Ruhe verschaffen" (Mt 11,28). Über die zahlreichen Feiern und Initiativen, die das Jubiläum auszeichneten, ist die lebendige und trostvolle Erfahrung der "Begegnung mit Christus" das große Erbe, das es uns hinterläßt.

3. Am heutigen Tag wollen wir uns zur Stimme der ganzen Kirche machen, die Lob und Dank sagt. Deshalb werden wir am Ende dieser Feier ein festliches Te Deum des Dankes singen. Der Herr hat Wundertaten für uns vollbracht, er hat uns sein reiches Erbarmen geschenkt. Heute müssen wir uns die Freude zu eigen machen, die die Magier auf dem Weg zu Christus empfunden haben: "Als sie den Stern sahen, wurden sie von sehr großer Freude erfüllt". Vor allem aber müssen wir sie nachahmen, wenn sie zu Füßen des göttlichen Kindes nicht nur ihre Geschenke, sondern ihr Leben darbringen.

In diesem Jubeljahr hat die Kirche mit noch größerem Einsatz versucht, für ihre Söhne und Töchter sowie für die Menschheit die Aufgabe des Sterns zu übernehmen, der die Schritte der Magier lenkte. Die Kirche möchte der "Stern" sein, der als Bezugspunkt dienen und helfen will, den Weg zu Christus zu finden.

In der Theologie der Kirchenväter sprach man gern von der Kirche als dem "mysterium lunae", dem Geheimnis des Mondes. Damit wollte man unterstreichen, daß die Kirche - wie der Mond - nicht vom eigenen Licht her strahlt, sondern Christus widerspiegelt, der ihre Sonne ist. Gern rufe ich in Erinnerung, daß das Zweite Vatikanische Konzil seine Dogmatische Konstitution über die Kirche gerade mit diesem Gedanken eröffnete: "Christus ist das Licht der Völker", "lumen gentium"! Und die Konzilsväter fuhren fort, indem sie ihrem brennenden Wunsch Ausdruck verliehen, "alle Menschen durch das Licht Christi, das auf dem Antlitz der Kirche widerscheint, zu erleuchten" (LG 1).

Mysterium lunae, Geheimnis des Mondes: Das Große Jubiläum hat die Kirche eine tiefe Erfahrung ihrer Berufung erleben lassen. In diesem Jahr der Gnade hat sie auf Christus gezeigt und noch einmal die Worte des Petrus aufklingen lassen: "Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens!" (Jn 6,68).

352 4. "Huldigen werden dir, Herr, alle Völker der Erde!". In diesem Jahr hat sich höchst augenfällig gezeigt, daß der an die Völker ergangene Ruf zu Christus allumfassend ist. Menschen aus allen Kontinenten und jeder Sprache sind auf diesem Platz zusammengekommen. So viele Stimmen haben sich zum Gesang erhoben, wie zu einer Symphonie des Lobes und zu einer Botschaft der Brüderlichkeit.

An dieser Stelle kann ich natürlich nicht alle verschiedenen Begegnungen erwähnen, die wir erlebt haben. Mir kommen die Kinder in den Sinn, die das Jubiläum mit ihrer unbändigen Fröhlichkeit eingeläutet haben. Dann denke ich an die Jugendlichen, die Rom eroberten mit ihrer Begeisterung und der Heiterkeit ihres Zeugnisses. Meine Gedanken gehen zu den Familien, die eine Botschaft der Treue und Gemeinschaft vorlegten, die unsere Welt so dringend braucht. Erwähnt seien auch die alten, kranken und behinderten Menschen, die es vermochten, ein sprechendes Zeugnis der christlichen Hoffnung darzubieten. Vor meinen Augen habe ich die Jubelfeier jener, die in der Welt von Kultur und Wissenschaft sich täglich mit Aufmerksamkeit auf die Suche nach der Wahrheit machen.

Die Pilgerreise, die vor zweitausend Jahren die Magier aus dem Osten nach Betlehem führte, um den soeben geborenen Christus zu suchen, hat sich in diesem Jahr wiederholt: Abermillionen von Jüngern Christi sind hierher gekommen. Sie brachten nicht “Gold, Weihrauch und Myrrhe” dar, sondern ihr eigenes Herz, das so reich ist an Glauben und so sehr des Erbarmens bedarf.

5. Deshalb freut sich heute die Kirche und bebt vor dem Ruf des Jesaja: “Auf, werde Licht, denn es kommt dein Licht. (...) Völker wandern zu deinem Licht” (
Is 60,1 Is 60,3). In diesem Gefühl der Freude liegt kein leerer Triumphalismus. Wie könnten wir in eine solche Versuchung fallen, gerade am Ende eines Jahres, das so tief von der Buße geprägt war? Die Vorsehung hat uns im Großen Jubiläum eine Gelegenheit geboten, unser Gedächtnis zu reinigen und Gott um Verzeihung für die Treulosigkeiten zu bitten, die in diesen zweitausend Jahren von Söhnen und Töchtern der Kirche begangen wurden.

Vor dem gekreuzigten Christus haben wir uns daran erinnert, daß wir - angesichts der überreichen Gnade, die die Kirche “heilig” macht - in breitem Maß von der Sünde gezeichnet sind und auf das Antlitz der Braut Christi Schatten werfen: keine Selbsterhöhung also, sondern das volle Bewußtsein unserer Grenzen und unserer Schwächen. Dennoch sollen wir jubeln vor Freude - jener inneren Freude, zu der der Prophet uns einlädt. Diese Freude ist reich an Dankbarkeit und Lobpreis, denn sie gründet auf dem Bewußtsein der empfangenen Gaben und auf der Gewißheit, daß Christus uns ewig liebt.

6. Nun ist es an der Zeit, nach vorn zu schauen. Die Erzählung der Magier kann uns in gewisser Weise einen geistlichen Weg weisen. Sie sagen uns vor allem, daß man in der Christusbegegnung innehalten und die Freude über die Vertrautheit mit Ihm tief erleben muß. “Sie gingen in das Haus und sahen das Kind und Maria, seine Mutter; da fielen sie nieder und huldigten ihm”. Nun war ihr Leben für immer diesem göttlichen Kind übereignet, für das sie die Strapazen der Reise und die Tücken der Menschen auf sich genommen hatten. Aus dieser Betrachtung der Herrlichkeit Gottes, die auf dem Antlitz Christi erstrahlt, ist das Christentum entstanden. Daraus erneuert es sich stetig.

Ein Antlitz, das es zu betrachten gilt: Es scheint, als könnte man in seinen Augen die “Gesichtszüge” des Vaters sehen; man hat den Eindruck, es sei umhüllt von der Liebe des Geistes. Der große Pilgerweg des Jubiläums hat uns an diese grundlegende dreifaltige Dimension des christlichen Lebens erinnert: In Christus begegnen wir auch dem Vater und dem Geist. Die Dreifaltigkeit ist der Ursprung und die Erfüllung. Alles kommt aus der Trinität, und alles kehrt in die Trinität zurück.

Doch wie bei den Magiern, so hindert die Betrachtung des Geheimnisses auch uns nicht, uns auf den Weg zu machen. Mehr noch: Die Betrachtung verpflichtet uns, neu aufzubrechen für einen neuen Wegabschnitt, bei dem wir zu Botschaftern und Zeugen werden. “Sie zogen auf einem anderen Weg heim in ihr Land”. Die Magier waren gleichsam die ersten Missionare. Die Begegnung mit Christus hielt sie nicht in Betlehem fest, sondern drängte sie erneut auf die Straßen der Welt. Man muß wieder neu von Christus anfangen, und gerade deshalb von der Trinität.

7. Genau das wird von uns, liebe Brüder und Schwestern, verlangt als Frucht des Jubiläums, das heute beschlossen wird.

Im Hinblick auf diesen Auftrag, der auf uns wartet, werde ich in Kürze das Apostolische Schreiben “Novo millennio ineunte” unterzeichnen. Darin zeige ich einige Linien zur Überlegung auf, die der ganzen christlichen Gemeinschaft helfen können, nach dem Einsatz für das Jubiläum mit neuem Eifer “neu anzufangen”. Dabei handelt es sich gewiß nicht darum, in kurzer Zeit weitere Initiativen großen Ausmaßes auf die Beine zu stellen. Es geht um die Rückkehr zum “normalen” Einsatz, was aber alles andere ist als Erholung. Vielmehr muß man aus der Erfahrung des Jubiläums die Lehren ziehen, die dazu dienen können, dem neuen Tun eine wirksame geistliche Richtung zu verleihen.

8. Ich übergebe diese Gedankenzüge den Teilkirchen, die sie - als eine Art “Erbe” des Großen Jubiläums - in ihre pastorale Planung mit Wertschätzung einbringen sollen. Besonders dringend ist es geboten, sich als Schatz den Anstoß zur Betrachtung Christi zu bewahren, wozu uns die Erfahrung dieses Jahres angeregt hat. Im menschlichen Antlitz des Sohnes Mariens erkennen wir das fleischgewordene Wort in der Fülle seiner Gottheit und Menschheit. Die herausragendsten Künstler im Osten und im Westen haben versucht, das Geheimnis dieses Antlitzes darzustellen. Doch es ist vor allem das Antlitz, das der Heilige Geist, der göttliche “Ikonenmaler”, in den Herzen jener zeichnet, die es betrachten und lieben. Man muß “neu von Christus her anfangen”, mit pfingstlichem Eifer und mit neuer Begeisterung. Neu bei Ihm anfangen in erster Linie beim alltäglichen Mühen um Heiligkeit: im Gebet und im Hören auf sein Wort. Neu bei Ihm anfangen, um von seiner göttlichen Liebe Kunde zu geben durch ein praktiziertes christliches Leben, das sich auszeichnet durch Gemeinschaft, Nächstenliebe und Zeugnis in der Welt. Darin liegt das Programm, das ich im vorliegenden Apostolischen Schreiben übergebe. Man könnte es auf ein Wort hin zuspitzen: “Jesus Christus!”.

353 Am Anfang meines Pontifikates und später noch einige Male habe ich den Söhnen und Töchtern der Kirche und der Welt zugerufen: “Öffnet, ja reißt die Türen weit auf für Christus”. Am Ende dieses Jubiläums möchte ich es wieder ausrufen - am Anfang dieses neuen Jahrtausends.

9. “Huldigen werden dir, Herr, alle Völker der Erde!”. Dieses prophetische Wort ist schon verwirklicht im himmlischen Jerusalem, wo alle Gerechten der Welt und besonders so viele Zeugen des Glaubens auf geheimnisvolle Weise in jener heiligen Stadt versammelt sind, wo es keine Sonne mehr gibt, da das Lamm ihre Sonne ist. Dort oben vereinen Engel und Heilige ihre Stimmen, um Gott ihr Lob zu singen.

Die Kirche auf ihrem irdischem Pilgerweg wird in ihrer Liturgie, in der Verkündigung des Evangeliums und in ihrem Zeugnis jeden Tag zum Widerhall dieses himmlischen Gesangs. Möge die Kirche im neuen Jahrtausend immer mehr in der Heiligkeit wachsen, um in der Geschichte eine wahre “Epiphanie” des barmherzigen und glorreichen Antlitzes unseres Herrn Jesus Christus zu sein. So sei es!





Predigten 1978-2005 345