Predigten 1978-2005 108


PASTORALBESUCH IN ÖSTERREICH

MARIANISCHE FEIER IN DER BASILIKA VON WILTEN


Innsbruck - Montag, 27. Juni 1988

109
Liebe Brüder und Schwestern!


Die Kirche beendet in ihrem Stundengebet jeden Tag mit einem Gruß an die Gottesmutter. So möchte ich nun auch meinen Pastoralbesuch in Österreich, gerade in diesem Marianischen Jahr, mit einem Gruß an Maria in eurer Gebetsgemeinschaft beschließen. Dazu haben wir uns vor dem ehrwürdigen Gnadenbild, ”Maria unter den vier Säulen“ hier in Wilten versammelt. Die Verehrung der Gottesmutter steht nicht am Rande unseres Glaubens, sondern gehört zum Herzen der Erlösungsbotschaft.

In Maria leuchtet die Sonne des Heils auf, das uns in Christus geschenkt ist. Betrachten wir nun gemeinsam den großen Reichtum dieses Heiles!


1. IN MARIA IST DAS WUNDER DER WUNDER GESCHEHEN,

DIE MENSCHWERDUNG GOTTES

”Und das Wort ist Fleisch geworden, und hat unter uns gewohnt“. Diese entscheidende Botschaft des christlichen Glaubens ist von Maria nicht zu trennen. In ihr hat das Heil auf dieser Erde seinen Anfang genommen. Und so verweist Maria auf den Sohn Gottes, der ihr Kind und unser Bruder wurde, in dem allein unsere Hoffnung und unser Trost liegen.

Dieser Hinweis auf die Mitte des Glaubens, den uns Maria ständig gibt, ist stets zeitgemäß. Immer mehr Menschen suchen wieder nach der Mitte ihres Daseins. Dieses Suchen mag manchmal auf Irrwege geraten; aber es will ernstgenommen werden. Viele fragen neu nach den Wahrheiten des Glaubens. Ja, gerade junge Leute geben sich nicht zufrieden mit vordergründigen Auskünften. Vielmehr fragen sie hartnäckig nach Gott, nach Christus und dem Geheimnis der Kirche. Und damit fragen sie nach der Wahrheit ihres Lebens. Sprechen nicht gerade die Wallfahrten immer mehr Menschen an? Wallfahrten sind aber ein Teil der Pilgerschaft des Volkes Gottes. Sie sind eine betende Wanderung zur Mitte hin, zum Wesentlichen unseres Lebens.

Bitten wir die Mutter Gottes, die uns in ihrem Sohn diese Heimat, diese Mitte geschenkt hat, daß alle Glieder der Kirche von der Sehnsucht danach erfaßt werden und wir uns nicht in Nebensächlichkeiten verlieren. Diesem Ziel müßten alle unsere Einrichtungen, besonders jene der Katechese und der Bildung, dienen. Bitten wir auch die Mutter Gottes, daß die Kirche in der weiten Welt wie in Österreich und in Tirol die rechte Sprache im wahren Glauben finde, damit sie die Menschen tiefer hineinzuführen vermag in die Fülle der christlichen Botschaft von der Wahrheit, die frei macht. Marias letztes Wort im Evangelium stellt ein Vermächtnis für uns dar: ”Was er euch sagt, das tut!“.


2. IN MARIA SEHEN WIR DIE MACHT DER GNADE

Die Jungfrau und Mutter von Nazaret ist jener Mensch, in dem sich der Himmel auf die Erde neigt. Wie eine geöffnete Schale hat sich Maria der verschenkenden Liebe des Allmächtigen dargeboten. Aber was Maria tut, das tut sie bereits aus Gnade. Sie schenkt auch uns die Gewißheit, daß Gott uns liebt und beschenkt. Er ist der Erste, und wir empfangen. Er spricht zuerst, und wir hören. Er ist das Wort, und wir sind die Antwort. Darum sagt der Engel zu ihr: ”Du bist der Gnade“. Diese wunderbare Erinnerung, ein wesentlicher Teil unseres Glaubens, hat ebenso hohe Bedeutung für die Gegenwart.

Noch nie in seiner Geschichte hat der Mensch die Gestaltung der Erde so sehr in die Hand nehmen können wie heute. Noch nie war seine Macht so groß und erfolgreich. Noch nie aber war ihm die Versuchung so nahe, alles machen zu wollen, was er kann, ohne zu fragen, ob wir es auch dürfen. Die uralte Stimme des Verführers von Anbeginn ”Ihr werdet wie Gott“ ist keineswegs verstummt.

Doch gerade am Ende dieses Jahrhunderts ahnen wir, daß unsere Fähigkeit zu großen Taten der Wissenschaft und Technik ebenso die Bereitschaft braucht, sich von Gott beschenken zu lassen. Sonst wird unser Können wegführen vom Menschen, ja ihn zerstören, weil wir unser Maß verlieren, das Urmaß, das wir nur in Gott, dem Schöpfer finden können.

Bitten wir deshalb in dieser Stunde, daß wir dankbar die Gaben annehmen, die Gott uns schenkt: das Vertrauen auf ihn, die geduldige Treue in Ehe und Familie, die Tapferkeit, ein Kreuz zu tragen, die Bereitschaft, das Herz für andere einzusetzen. Wie sehr ist doch dafür die Jungfrau Maria ein leuchtendes Vorbild! Sie hat die Liebe Gottes angenommen, und so wurde ihr Leben fruchtbar für das Heil der Welt.

Wer die Macht der schenkenden Gnade erfaßt hat, wird sich den Sinn für das Gebet bewahren. Wer nichts annehmen will, wird meinen, das Gebet sei überflüssig. Bei Maria, die schweigt, betet und alle Worte Gottes im Herzen erwägt, können wir heutige Menschen in die Schule des Gebetes gehen; dann wird sich auch in unserem Leben die Macht, die Größe und die Liebe Gottes entfalten.


3. MARIA LEHRT UNS DIE FREIHEIT UND WÜRDE DES DIENENS

110 ”Siehe, ich bin die Magd des Herrn, mir geschehe nach deinem Wort“. In dieser Antwort Marias ist wohl das Schönste gesagt, was ein Geschöpf zu seinem Schöpfer sagen kann. Sie ist voll hellhöriger Liebe, die auf das eingeht, was der Herr will. Sie steht in äußerstem Gegensatz zu jener stolzen Stimme des gefallenen Engels, der sein rebellisches ”Ich will nicht dienen“ gegen Gott geschleudert hat. Maria dagegen hat mit ihrer Antwort den Gläubigen aller Zeiten das Tor zur wahren Freiheit und Würde geöffnet.

So viele Güter der Erde und des Lebens stehen uns zur Verfügung. Wirklich notwendig ist uns aber eine Zivilisation der Liebe, eine neue Kultur menschlicher Gemeinschaft. Sonst wird diese Welt nie wohnlich und menschenwürdig werden.

Maria hat ihrem Kinde mit der Hilfe Josefs Wohnung und Schutz gegeben. Die ganze Kirche kann sich darin am Haus von Nazaret orientieren. In ihm herrscht Bereitschaft zum Dienen: Maria nannte sich eine ”Magd“, und ihr göttlicher Sohn hat den Seinen die Füße gewaschen. ”Wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein“. Und Josef hat durch seine Arbeit das tägliche Brot für sich und die anderen verschafft. In der Atmosphäre gegenseitiger Hilfe ist Jesus als Kind aufgewachsen, und diesen Einsatz hat er fortgeführt bis zur letzten und größten Hingabe in seinem Tod am Kreuz.

Der ganze Mensch wird gesund, wenn er den rechten Geist des Dienens entwickelt. Er atmet die große innere Freiheit, die ein Zeichen seiner unauslöschlichen Würde ist.

Maria hat ein verborgenes, bescheidenes Leben geführt. Damit sie gerade den Menschen im Schatten, den Menschen ohne zählbaren Erfolg, den unauffälligen Menschen ihre wahre Größe vorgezeichnet.

4. So schauen wir mit Dankbarkeit auf das liebliche Bild unserer Mutter, der Jungfrau Maria. Wir wissen um die Macht ihren Fürsprache. Sie nimmt alles, was uns bewegt und bedrückt, in ihre gütigen Hände und trägt es zu ihrem Sohn, so wie sie bei seinem ersten Wunder zur Dolmetscherin kleiner und großer menschlicher Sorgen wurde: ”Sie haben keinen Wein mehr“. So spricht sie zu ihm auch heute, wenn uns der Mut, die Treue, die Hoffnung verloren gehen.

Nun muß ich mich von euch verabschieden, und ich bin dankbar, daß ich es zunächst hier an diesem geheiligten Ort tun kann. Ich weiß eure Sorgen und Anliegen und auch meine eigenen Bitten in den Händen der Gottesmutter gut aufgehoben. So empfehlen wir uns alle ihrer Fürbitte und der machtvollen Gnade ihres Sohnes Jesus Christus. Sein Name sei gelobt! Amen.
: 1990

BESUCH IM PÄPSTLICHEN TEUTONISCHEN INSTITUT

"SANTA MARIA DELL’ANIMA"

Kirche "Santa Maria dell’Anima" - Sonntag, 24. Juni 1990




Liebe Brüder im Bischofs- und Priesteramt!
Liebe Schwestern und Brüder!

111 Mit großer Freude habe ich die Einladung angenommen, das Priesterkolleg Santa Maria dell’Anima sowie die Pfarrgemeinde deutschsprachiger Katholiken in Rom zu besuchen und mit Euch allen das Hochfest der Geburt Johannes des Täufers zu begehen.

Mein herzlicher Gruß gilt den Vertretern der Deutschen und der österreichischen Bischofskonferenz, dem Herrn Rektor und den Priestern des Kollegs sowie den Repräsentanten der Länder, deren Katholiken hier ihre geistliche Heimat finden; ferner den Mitgliedern des Verwaltungsrates der Anima-Stiftung und allen Gläubigen der deutschsprachigen Gemeinde mit ihrem Herrn Kuraten.

Das heutige Fest stellt uns die überragende Gestalt Johannes des Täufers vor Augen, den Gott berufen hat, Christus den Weg zu bereiten. Mit seinem Wirken sollte die Zeit des Heils, die Zukunft Gottes anbrechen.

Unser Blick geht zum Bild des Giulio Romano über dem Hochaltar dieser Kirche: es stellt die heilige Familie dar, dazu den noch kleinen Johannes den Täufer, den Apostel Jakobus und den Evangelisten Markus, diese aber als erwachsene Männer.

Johannes der Täufer weist mit seiner linken Hand lebhaft auf das Jesuskind hin, das in seiner kindlichen Schwäche dargestellt ist. Auf die Frage der Verwandten und Nachbarn von Elisabeth und Zacharias: ”Was wird wohl aus diesem Kind werden?“ scheint uns das Bild eine Antwort zu geben: Johannes der Täufer weist mit seiner ganzen Gestalt den neben ihm stehenden Besucher Jakobus auf Jesus hin; das Bewußtsein seiner Kleinheit beugte ihn tief: Ich bin nicht wert, ihm, der nach mir kommt, aber vor mir ist, die Schuhriemen aufzulösen. Dieses Wort hat nichts mit falscher Demut zu tun. Dazu ist der Täufer zu gerade und zu nüchtern. Er hat die menschliche Ohnmacht sicher besser erkannt als die meisten Menschen.

Der Bußprediger, der die Menschen von innen her erfaßt, der sie in ihrem Festgefahrensein erschüttert und sie umgestaltet, der sie aus der Oberflächlichkeit rein diesseitiger materialistischer Haltung herausreißt, er gehört noch dem Alten Bunde an, er ist nur Wegweiser zum Reiche Gottes; und dieses Reich Gottes ist nahe, hört man die Stimme des Rufers in der Wüste. Die Demut des Täufers ist echt. Gott aber hat die Kleinheit des Täufers überhöht mit der Größe der übertragenen Aufgabe, ja, er hatte ihn schon im Mutterschoß zu sich emporgehoben; denn noch ehe er geboren war, war er ”wiedergeboren“ aus dem Geiste Christi. Menschliche Größe ist ein Nichts im Vergleich zum Kleinen, der an Gottes Größe und Heiligkeit teilhaben darf.

Für uns Priester ist Johannes ein Vorbild. Er sucht nichts für sich, sondern alles für den, auf den er hinweist. Das Kind stellt gleichsam schon das uns im vierten Evangelium überlieferte Wort dar: ”Er muß wachsen, ich aber abnehmen“. Johannes sollte die Menschen zu Jesus hinführen und Zeugnis ablegen.

Ihr, liebe Priester des Animakollegs, wohnt hier, um in Rom Eure Studien weiterzuführen oder eine Spezialausbildung zu absolvieren. Ihr kehrt nach Abschluß des Studiums in Eure Heimatdiözesen zurück, um Euch in besonderer Weise in den Dienst Eurer Bischöfe zu stellen.

Auch Ihr sollt, bestärkt und bereichert durch Eure Zeit in Rom, Zeugnis ablegen. Beim Betreten Eurer Kirche stoßen wir auf viele Spuren und Glaubenszeugnisse der Geschichte der verschiedenen Volksstämme, die einst das ehemalige Heilige Römische Reich deutscher Nation bildeten. Papst Pius IX., hat am 25. November 1860 das damals neu gegründete Priesterkolleg besucht. Wir finden ferner das Grab des für lange Zeit letzten Papstes, der nicht italienischer Herkunft war, des Niederländers Hadrian VI.

”Was wird wohl aus unserem guten Werk werden?“, so haben sich möglicherweise auch die Stifter von Santa Maria dell’Anima Johannes Peters und seine Frau Katharina aus Dordrecht im 14. Jahrhundert gefragt, als sie ein ”Hospiz für Personen der deutschen Nation“ gründeten. Durch Gottes Gnade und die Hilfe und Mitarbeit vieler großmütiger Menschen ist aus den kleinen Anfängen ein ansehnliches Werk geworden, das zahllosen Pilgern Obdach und Hilfe geboten hat. Santa Maria dell’Anima ist heute noch das Zentrum der deutschsprachigen Katholiken, das in der weit auseinanderstrebenden Stadt Rom die Gläubigen zusammenzuführen sucht, um ihnen Halt zu geben und sie zum Zeugnis für Christus aufzurufen und zu stärken.

Johannes und seine Lebensgeschichte ist wie ein Transparent, auf dem ein Name und eine Wahrheit angezeigt wird. Es bleibt dunkel, solange nicht dahinter eine Lichtquelle entzündet wird. So sagt auch das Evangelium von Johannes: ”Er war nicht selbst das Licht, er sollte nur Zeugnis geben von dem Licht“. Gottes Licht ist entscheidend in seinem Leben und Auftrag. Dank seines Lichtes sollen wir sehend werden, um den Willen Gottes zu erkennen. Dieser ist oft gegen unseren eigenen Wunsch und gegen unseren eigenen Willen. Bei der Namensgebung für den neugeborenen Johannes anläßlich der Beschneidung sollte die Tradition maßgebend sein; er sollte nach seinem Vater benannt werden. Aber Elisabeth entschied anders. Sie kannte den Willen Gottes und gab ihrem Kind den Namen ”Johannes“, das heißt ”Gott erweist sich gnädig“.

112 Warum sollte das nur damals so sein?

Wir alle können im Leben die Macht und Güte Gottes erfahren, wenn wir ihm vertrauen und ernsthaft versuchen, seinen Willen zu tun. Das aber erfordert von uns Demut und das Bewußtsein, daß der Mensch nicht das Maß aller Dinge ist. Wir dürfen uns nicht selbst als Maßstab allen Denkens, aller Moral und allen Rechtes betrachten. Wir erliegen nur allzu leicht dem Bewußtsein, daß alles machbar ist, Himmel und Erde, ja sogar der Mensch selbst, und zwar nach unserem eigenen Bild und Gleichnis. Was dem Menschen heutzutage jedoch abgeht, ist eine Haltung der Demut, denn zu keiner Zeit war der Mensch tiefer in die Untermenschlichkeit gesunken als heute. Wie kann er zum Beispiel das Leben gerade dann, wenn es seines Schutzes am meisten bedürfte, geringschätzen? Menschsein muß zur Tragödie werden, wenn der Mensch immer nur versucht, aus eigener Kraft sich über sich selbst in Gottes Höhe zu erheben. Dem folgt notwendigerweise der Sturz in die Tiefe. Gott selbst muß kommen und uns erlösen. Und er kam in dem, auf den Johannes verwiesen hat: Seht, das Lamm Gottes, das hinwegnimmt die Sünde der Welt. Christus allein kann den Höhenflug des Menschen tragen und erhöhen, weil er ihn in Gottes Höhe holt. Er allein kann die wahre Größe verleihen und verleiht sie gern dem Niedrigen, der sich selbst verleugnet und ihm nachfolgt. Nicht gegen Gott, sondern in Gott hat des Menschen Größe Gültigkeit und Ewigkeit.

Was die Stifter von Santa Maria dell’Anima nicht voraussehen und erwarten konnten, ist eingetreten: durch die Gnade Gottes ist aus dem kleinen Samenkorn ein großer Baum geworden, der durch die Jahrhunderte gewachsen ist. Das Priesterkolleg wie auch die Gemeinde mögen auch in Zukunft mutig und kraftvoll Zeugnis ablegen von Christus. Mögen die vielen Priester, die hier zur Zeit ihrer Studien gelebt haben, auch weiterhin das geistliche und kirchliche Leben ihrer Heimat befruchten. Mögen die vielen Pilger aus dem Norden und der Mitte Europas in der ”Ewigen Stadt“ ihre Heimat finden. Möge auch weiterhin die deutschsprachige Gemeinde in Rom, die hier ihr Zentrum hat, blühen und gedeihen. Das gewähre auf die Fürsprache der heiligen Gottesmutter der Allmächtige und gütige Gott.

Amen.
: 1991

HL. MESSE FÜR DIE PÄPSTLICHE SCHWEIZERGARDE

Montag, 6. Mai 1991



Liebe Brüder und Schwestern!

Der heutige Tag bietet mir auch in diesem Jahr wieder die freudige und willkommene Gelegenheit, mit Euch, liebe Schweizergardisten, und mit Euren Angehörigen und Freunden aus Eurer schönen Heimat zusammenzukommen und die heilige Eucharistie zu feiern. Besonders heiße ich die jungen Rekruten in unserer Mitte willkommen, die nach altehrwürdiger Tradition an diesem für Eure Garde so bedeutsamen Tag ihren Diensteid ablegen und in Eure Gemeinschaft aufgenommen werden. Auch Ihr, liebe Rekruten, werdet von nun an für einige Zeit den verantwortungsvollen Dienst in der unmittelbaren Umgebung des Papstes übernehmen, wofür Euch mein aufrichtiger Dank gilt.

Die Lesung aus der Apostelgeschichte - gleichsam als ein Ausschnitt aus einem längeren Reisebericht - stellt uns das Wirken des Völkerapostels Paulus vor, der nach Philippi kommt und sich sogleich seiner vom Herrn empfangenen Sendung widmet: er predigt das Wort der frohen Botschaft. Dabei gelingt es ihm, daß durch seine Verkündigung der Herr den Zuhörern ”das Herz öffnet“, die sodann zum Glauben kommen und sich taufen lassen.

Auch wenn Euer Auftrag liebe Gardisten, nicht in der Verkündigung durch die Predigt besteht, so habt doch auch Ihr Euch auf Eurem Lebens- und Glaubensweg dafür entschieden, eine spezifische Aufgabe im Zentrum der Kirche für ihren obersten Hirten zu übernehmen. In Wahrnehmung Eures Dienstes begegnet Ihr täglich zahlreichen Menschen, die sich mit Fragen an Euch wenden und um Orientierung und Hilfe bitten. Ihr könnt also in der Erfüllung Eurer Arbeit ebenfalls die Berufung erkennen, den Suchenden und Fragenden ”das Herz zu öffnen“ für den Herrn und seine Kirche. Denn gerade in äußerlich oft wenig bedeutsam erscheinenden Augenblicken kann durch aufgeschlossene Freundlichkeit und verständnisvolle Geduld unschätzbar Gutes und Bleibendes gewirkt werden.

Wie die Apostel, so sind auch wir auf unserem Glaubensweg keineswegs auf uns allein gestellt. Die Liturgie der Tage vor Christi Himmelfahrt, die nach alter Überlieferung auch Bittage genannt werden, bringt sehr schön zum Ausdruck, daß das Geschehen von Ostern mit der Auferstehung Christi zum neuen Leben für die Glaubenden erst dann seine Vollendung findet, wenn der erhöhte Herr seinen Jüngern den verheißenen ”Beistand“ gesandt hat. Das Johannesevangelium zeichnet ein durchaus realistisches Bild von der Wirklichkeit des Glaubens, wenn es die Jünger Jesu mitunter in der Gefahr sieht, ”Anstoß zu nehmen“ und der Verfolgung ausgesetzt zu sein; sie sind also in dieser Welt nicht immer frei von innerer Anfechtung und äußerer Anfeindung. Doch der ”Geist der Wahrheit“, den der Vater sendet und dessen Kommen wir am Pfingsttag feiern, legt Zeugnis ab, ”damit die Welt glaubt, daß du mich gesandt hast“.

113 An uns ist es, die Worte Jesu immer wieder in Erinnerung zu rufen und um den Beistand des Geistes Gottes stets neu zu bitten, damit er uns Kraft und Stärkung sei für die frohe Erfüllung unseres Dienstes und für ein glaubwürdiges Zeugnis, das wir - ”sei es gelegen oder ungelegen“ - für den Herrn geben wollen.

So laßt uns nun an diesem Euren Festtag in Freude ”dem Herrn ein neues Lied singen“ und in der Eucharistiefeier unserem Schöpfer danken, der uns in seiner Güte beschützt hat, und ihn bitten, daß er uns mit seinem Beistand auch weiter nahe sein möge.

Proseguendo in francese, il Papa pronuncia le seguenti parole.

Et maintenant, je voudrais adresser un salut très cordial aux suisses francophones, à leurs familles et à leurs amis.

Chers jeunes, soyez félicités d’avoir décidé très librement de servir à la Maison du Pape pendant quelques années. Et vous, leurs parents, soyez remerciés d’avoir respecté ce choix et d’accepter une certaine séparation.

A l’instant, nous entendions un passage des Actes des Apôtres et de l’Evangile de saint Jean. Comme les habitants de la ville de Philippes, ouvrez largement votre coeur au Seigneur tout au long de ces années romaines. Et, à l’exemple des Apôtres, soutenus par l’Esprit Saint, accomplissez votre nouvelle mission comme un beau témoignage humain et chrétien qui contribuera à faire aimer l’Eglise du Christ. Que votre foi déjà grande s’approfondisse encore! Montrez que vous êtes heureux d’être chrétiens! En outre votre exactitude et votre dignité dans les heures de service, votre accueil affable et discret des visiteurs du Pape et de ses collaborateurs, votre concours résolu à la vie fraternelle de la Garde, votre souci d’organiser judicieusement vos temps de liberté, seront autant de réalités concrètes et quotidiennes, qui enrichiront votre personnalité et feront de vous des témoins du Seigneur et de son Eglise. En souhaitant de tout coeur qu’il en soit ainsi, je porte à l’autel toutes vos intentions et celles de vos familles.

In lingua italiana Giovanni Paolo II ha così concluso.

Rivolgo un cordiale saluto a tutti ed in particolare vorrei esprimere i miei più fervidi incoraggiamenti alle reclute che questo pomeriggio emetteranno il loro giuramento. Cari amici, il vostro servizio nella Casa del Papa è anche un servizio alla Chiesa. Compitelo con entusiasmo e disponibilità, animati sempre da un grande amore per Cristo.









1992 MESSE FÜR DIE PÄPSTLICHE SCHWEIZERGARDE

Donnerstag, 6. Mai 1993



Liebe Schwestern und Brüder!

1. Seit den Anfängen der Päpstlichen Schweizergarde verbindet Euch, liebe Gardisten, mit dem heutigen Tag eine ungebrochene Tradition, die Euch an den besonderen Einsatz um Wohl und Leben der Nachfolger des heiligen Petrus erinnert. So ist es auch in diesem Jahr für mich eine besondere Freude, mit Euch, Euren Angehörigen und Freunden die Eucharistie zu feiern. Ein besonderer Willkommensgruß soll an diesem Morgen den jungen Rekruten gelten, die durch ihre heutige Eidesleistung in Euer Korps eingegliedert werden und sich verpflichten, einige Jahre ihres Lebens mit diesem verantwortungs- und ehrenvollen Dienst einen zutiefst kirchlichen Auftrag zu übernehmen. Ihr habt Euch entschlossen, liebe Rekruten, auf diese Weise Zeugnis von Eurem Glauben abzulegen und der Welt gegenüber ”Farbe zu bekennen“: dafür gilt Euch mein aufrichtiger Dank.

114 2. Die Lebensverhältnisse unter den Menschen, auch unter den Jüngern Jesu, waren in biblischer Zeit kaum anders als heute. In der Tat berichtet die Heilige Schrift, wie sich einige Gefolgsleute mit Paulus zunächst auf den Weg machten, sich aber später wieder von ihm trennten und ihre eigenen Wege gingen. Auch wird nicht immer vollkommene Harmonie unter ihnen geherrscht haben, zu unterschiedlich waren die Temperamente und Interessen. Doch ging von den Jüngern, die sich im Dienst des Herrn auf den Weg gemacht hatten, um den Glauben der jungen Kirche zu verkünden, eine anziehende und einladende Überzeugungskraft aus: Wenn ihr ein Wort des Trostes habt, Brüder, dann redet. Und Paulus selbst ist es dann, der seinen Zuhörern darlegt, wie sehr Gott von allem Anfang seinem auserwählten Volk nahe war und sich ihm im Auf und Ab seiner wechselvollen Geschichte, die keineswegs von Schuld und Versagen frei war, als treuer Wegbegleiter erwiesen hat. Die letzte und endgültige Erfüllung dieser bleibenden Zusage Gottes an sein Volk, so bekennt Paulus, hat er uns in seinem Sohn geschenkt, den er der Welt, ”der Verheißung gemäß, ...als Retter geschickt“ hat.

3. Comme le préfigurait déjà la communauté de vie avec Dieu du peuple d’Israël, il nous a été révélé dans le Christ Jésus que le Dieu de notre foi n’est pas un Seigneur inaccessible et lointain, mais qu’il s’est fait le Serviteur de tous. Jean avait dit de lui qu’il n’était pas digne de “ délier sa sandale ”, mais Jésus n’a pas craint de partager les tristesses, les souffrances et la mort des hommes. Il n’a refusé à personne sa bienveillance et son amour, et pourtant il savait qu’il serait “ trahi ” et que son amour ne recevrait pas une réponse d’amour. Mais “ Dieu a tant aimé le monde qu’il a donné son Fils unique, afin que quiconque croit en lui ne se perde pas, mais ait la vie éternelle ”.

4. Care Guardie, dare consolante ed incoraggiante testimonianza di questo donarsi di Dio a noi uomini in Gesù Cristo, è stato fin dal principio il compito principale della Chiesa. Anche ai nostri giorni dobbiamo attenderci, come Gesù e i suoi stessi discepoli, incomprensione, allontanamento, emarginazione. Tuttavia possiamo sentirci sostenuti dalla fiducia che dal Signore otterremo sempre nuova forza e costante incoraggiamento: siamo infatti mandati da lui. A questo compito della testimonianza della fede voi partecipate in duplice modo. Innanzitutto, perché vi siete posti al particolare servizio del Papa, al quale è affidata la cura pastorale di tutto il gregge di Cristo; in secondo luogo, poi, perché col vostro immediato impegno nei diversi luoghi in cui opera la Guardia Svizzera, voi stessi dimostrate davanti agli uomini di chi voi siete al servizio e di quale fede siete ricolmi.

Besonders Euch, den jungen Rekruten, wünsche ich für die kommenden Jahre als aktive Angehörige der Päpstlichen Schweizergarde Freude in Eurem Dienst, Stärkung Eures Glaubens und die unverbrüchliche Zuversicht, dass es der Herr ist, der Euch gesandt hat und Euch auf Eurem Lebensweg begleiten wird.





1996



PASTORALBESUCH IN DER BUNDESREPUBLIK

DEUTSCHLAND (21.-23. JUNI 1996)

EUCHARISTIEFEIER

FÜR DIE GLÄUBIGEN DER ERZDIÖZESE PADERBORN


Flughafen Senne

Samstag, 22. Juni 1996

Liebe Schwestern und Brüder!


»Was ist das für ein Mensch, daß ihm sogar die Winde und der See gehorchen.« (Mt 8,27).

1. Es schien, als ob jener Wind, der auf dem See Gennesaret losgebrochen war, das Boot versenken würde. Als die Wogen das Deck überfluteten, weckten die Apostel Jesus, der aufgrund seiner Erschöpfung schlief, »Herr, rette uns, wir gehen zugrunde.! ... Warum habt ihr solche Angst, ihr Kleingläubigen? Dann stand er auf, drohte den Winden und dem See, und es trat völlige Stille ein« (Mt 8,25-26).

Seit zweitausend Jahren lesen wir von diesem Ereignis. Es ist das Bild der Kirche: das Schifflein Petri, das apostolische Schiff. Die Kirche angesichts von Kräften, die sie von außen treffen. Die Kirche in unserem Jahrhundert. Wem kommt da nicht die Gefahr in den Sinn, in der sich gerade die Kirche in Deutschland befunden hat. Hier, in diesem Land. Die Gefahr dehnte sich aus: Am 1. September 1939 begann der Zweite Weltkrieg. Fast ganz Europa in Flammen. Ich gehöre zu der Generation, die sich daran erinnert. »Rette uns, Herr, wir sind verloren! Das Flehen in den Kirchen: »Heiliger Gott, heiliger starker Gott, heiliger unsterblicher Gott, erbarme dich unser! Vor Seuchen, Hunger, Ungewitter und Krieg bewahre uns, o Herr!« Wir erinnern uns auch an die Menschen, die in jener Zeit der Verachtung die Würde der Personen und der Nationen retteten.

2. Wir gehen auf das große Jubiläumsjahr 2000 zu ohne Angst und Verzagtheit, im Gegenteil, mit großer Zuversicht und einig in der Hoffnung. Denn wir wissen, daß der Herr mit im Schiff sitzt und uns die Kraft gibt, Kleingläubigkeit und Mutlosigkeit zu überwinden, seinem Wort zu vertrauen und so das Ziel zu erreichen.

115 Die Kirche geht ihren Weg durch die Zeit in der Vielfalt der Völker und Kulturen. Sie bleibt aber immer das eine Volk Gottes. Sie weiß sich geführt durch den Geist Gottes, der sie durch die Geschichte hindurch in der Einheit und Wahrheit hält.(vgl. Lumen gentium LG 25)

Hier an diesem Ort, liebe Schwestern und Brüder, wird uns dies besonders bewußt. Fast zwölfhundert Jahre ist es her, daß der Frankenkönig Karl der Große und mein Vorgänger, der heilige Papst Leo III., hier in Paderborn diese für das Wohl der Menschen so notwendige Zusammenarbeit von Papst und Kaiser oder, wie wir heute sagen, von Staat und Kirche grundgelegt und bekräftigt haben. Das christliche Abendland hat dadurch für Jahrhunderte eine entscheidende Prägung erhalten. In einigen Jahren werdet Ihr das zwölfhundertjährige Jubiläum der Erzdiözese Paderborn feiern. Es soll auch daran erinnern.

Deshalb möchte ich gerade hier an diesem so wichtigen Ort Paderborn der ganzen Kirche in Deutschland zurufen: Laßt Euch nicht durch Sturm und See in Mutlosigkeit und Resignation stürzen! Seid vielmehr einig in der Hoffnung, und stärkt Euch im gemeinsamen Glauben! Erinnert Euch an die lange Geschichte des christlichen Glaubens in diesem Land! Laßt nicht zu, daß dieser Glaube schwächer und kraftloser wird! Habt keine Angst um die Zukunft des christlichen Glaubens und der Kirche! Im Gegenteil: Schreitet mutig und im Vertrauen auf Jesus Christus ins nächste Jahrtausend.

Wir wissen, daß sich in Zukunft viele äußere Bedingungen des privaten und öffentlichen Lebens verändern werden. Dies läßt auch die Kirche nicht unberührt. Aber niemals dürfen an Bord des Kirchenschiffes Ängstlichkeit und Klagen die Herzen beherrschen. Wir vertrauen auf den Herrn, weil wir an seine lebendige Gegenwart in der Kirche glauben.

3. Liebe Schwestern und Brüder, laßt uns gemeinsam unsere christliche Berufung leben, wozu uns der Apostel Paulus, Gefangener um des Herrn willen, (vgl. Ep 4,1) in der heutigen Lesung ermahnt hat: »... ein Leben zu führen, das des Rufes würdig ist, der an euch erging. Seid demütig, friedfertig und geduldig, ertragt einander in Liebe, und bemüht euch, die Einheit des Geistes zu wahren durch den Frieden, der euch zusammenhält« (vgl. Ep 4,1-3).

»Ich, der ich um des Herrn willen im Gefängnis bin«. So heißt es im Epheserbrief. Dies ruft uns erneut so viele Gefangene in Erinnerung, die die zeitgenössischen Seiten der Kirchengeschichte geschrieben haben.

Bernhard Lichtenberg - Dompropst von Berlin, Karl Leisner, - ein Diakon, der als Gefangener im Konzentrationslager Dachau zum Priester geweiht wurde. Morgen werde ich sie in Berlin zu Seligen erklären. Sie waren jedoch nicht allein. Schon vor neun Jahren konnte ich hier in Eurem Land Schwester Teresia Benedicta a Cruce, besser bekannt als Edith Stein, und Pater Rupert Mayer seligsprechen. Auch deren Martyrium war ein Zeugnis für Christus und ein Zeichen des Widerstandes gegen die dämonischen Mächte einer gottfernen Welt.

Die vier Seligen stehen stellvertretend für die vielen katholischen Frauen und Männer, die sich unter vielfältigen Opfern der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft verweigerten und der braunen Ideologie widerstanden haben. Sie sind somit ein Teil des Widerstandes, den die gesamte Kirche jenem gott- und menschenverachtenden System gegenüber geleistet hat. Und sie stehen letztlich auch für die vielen Menschen, die durch ihren Widerstand und ihre Opfer das Vertrauen in das Gute im Menschen und in ein anderes und besseres Deutschland wachhalten konnten.

Auch unser Jahrhundert hinterläßt ein reiches Martyrologium (vgl. Johannes Paul II. , Tertio Millennio adveniente TMA 37). Beeilen wir uns, damit alle diese Zeugnisse einer echten Größe des Geistes und der Heiligkeit nicht in Vergessenheit geraten.

Ein Martyrologium ist nicht nur eine Registrierung von Tatsachen. Es ist eine Ermahnung. Auch das Martyrium unseres Jahrhunderts ist eine Ermahnung. Ist aus ihr nicht das Werk des Zweiten Vatikanischen Konzils entstanden? Der jährliche Weltgebetstag für den Frieden? Und auch so viele apostolische Initiativen? Zum Beispiel die Weltjugendtreffen?

Durch das Martyrium, das die Erfahrung unseres Jahrhunderts darstellt, hat die Kirche ein besseres Verständnis von sich selbst und von ihrem Auftrag in der Welt gewonnen.

116 4. Im Apostolischen Schreiben Tertio Millennio adveniente habe ich auch die Notwendigkeit betont, sich besonders um die Anerkennung der heroischen Tugenden von Männern und Frauen zu bemühen, die ihre Berufung in der Ehe verwirklicht haben (vgl. 37). Die Berufung zum Leben in der christlichen Ehe und Familie erfordert den Dienst der Liebe und den Dienst des Lebens. Liebe und Leben bilden den Wesenskern der Heilssendung der christlichen Familie in der Kirche und für die Kirche (vgl. Familiaris consortio FC 50). Sie hat entscheidend als Ort der Erziehung aufzutreten. Vernachlässigt als Eltern die Kinder nicht! Und kümmert Euch um Eure Eltern, vor allem wenn sie alt und gebrechlich werden!

Als Familien sollt Ihr auch eine evangelisierende Gemeinschaft sein, in der das Evangelium empfangen und in die Praxis umgesetzt wird, in der das Gebet gelernt und gemeinsam gepflegt wird, in der alle Mitglieder durch Wort und Tat und ihre Liebe zueinander Zeugnis für die Frohe Botschaft der Erlösung ablegen. »Ein Leib und ein Geist, wie euch durch eure Berufung auch eine gemeinsame Hoffnung gegeben ist; ein Herr, ein Glaube, eine Taufe, ein Gott und Vater aller, der über allem und durch alles und in allem ist« (Ep 4,4-6).

Diese »Einheit des Geistes« (Ep 4,3) ist kein Traum, keine bloße Idee, sondern sichtbare Realität in der Gemeinschaft der Kirche. Die »gemeinsame Hoffnung« (Ep 4,4) ist in der »Communio« der einen Kirche erfahrbar. Der Blick auf die Geschichte des Volkes Gottes zeigt uns, wie wichtig es ist, diese »Einheit des Geistes« und die »gemeinsame Hoffnung« sichtbar zu bezeugen.

5. Deshalb bitte ich vor allem Euch, Bischöfe und Priester, dem ganzen Volk Gottes zu helfen, immer neu dem Herrn zu begegnen, auf sein Wort zu hören und seinem Beispiel zu folgen. Ihr Priester und Bischöfe seid in besonderer Weise Diener der Einheit des Volkes Gottes, das eins sein soll im Glauben und im gemeinsamen Leben mit der Kirche aller Zeiten. Ich bitte Euch herzlich, mit ganzem Herzen dieser Einheit zu dienen. Ermutigt alle Schwestern und Brüder, ihrer christlichen Berufung treu zu bleiben. Weist den Zweifelnden den Weg! Ermutigt und begleitet die jungen Menschen! Seid den Gescheiterten und Resignierten nahe!

Euch alle, liebe Schwestern und Brüder, rufe ich auf, für geistliche Berufe zu beten. Haltet den Sinn für die besondere Nachfolge Christi wach, damit die Berufung Gottes zum Dienst der Einheit nicht ungehört verhallt. Blickt auf die Lebensart Jesu in den evangelischen Räten: Armut, Gehorsam und Ehelosigkeit; und erkennt in ihr einen Weg zu wahrer Freiheit und persönlicher Erfüllung. Laßt Euch nicht einreden, daß die zölibatäre Lebensform der Priester überholt sei. Wie kann etwas überholt sein, was dem Beispiel Jesu entspricht? Die Einheit mit Christus finden wir nur, wenn wir dem Vorbild seines Lebens folgen.

Zu dieser Nachfolge und lebendigen Einheit mit dem Herrn sind nicht nur Priester und Ordensleute, sondern alle Christen aufgefordert. Erfahrbar wird dies, wenn wir neu ja sagen zu unserer Taufe, zur Firmung, zum Eheversprechen. Wir alle sollten die Chance dieser Stunde ergreifen und neu eins werden mit Jesus Christus und untereinander.

6. Liebe Schwestern und Brüder, die »gemeinsame Hoffnung« und die »Einheit des Geistes« verbinden uns als katholische, das heißt universale Kirche. An diesem Ort, der nicht zuletzt durch den Einsatz des unvergessenen Kardinals Jaeger für die Ökumene von großer Bedeutung ist, rufe ich erneut alle Christen zur Einheit auf! Gerade im Blick auf das Heilige Jahr 2000 wendet sich die Kirche mit inständiger Bitte an den Heiligen Geist und erfleht von ihm die Gnade der Einheit aller Christen (vgl. Tertio Millennio adveniente TMA 34).

Liebe Schwestern und Brüder, die Kirche ist nicht für sich selbst da, sondern für das Heil der Welt. Ihre Einheit kann nicht die einer »geschlossenen Gesellschaft« sein. Sie soll vielmehr eine missionarische Gemeinschaft bilden, die mitten in der Welt Zeugnis ablegt von der größeren Hoffnung, die uns Christen bewegt. »Die Kirche ist ja in Christus gleichsam das Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit« (Lumen gentium LG 1). Deshalb gehört es zur Berufung der Kirche, nicht teilnahmslos an den Sorgen und Nöten der Menschen vorbeizugehen, sondern die Gesellschaft im Geist des Evangeliums zu inspirieren. Der christliche Glaube strebt danach, daß Gottes Wille geschieht im Himmel und auf Erden. Darum muß er auch die Bereiche der Politik, der Wirtschaft und der Kultur beseelen; sonst wird er seiner Berufung nicht gerecht. Der erste Satz der Konzilskonstitution Gaudium et spes ist das Leitmotiv dieses Einsatzes: »Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Amen und Bedrängten allen Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi« (GS 1).

7. Liebe Schwestern und Brüder, das Jahr 1989 hat die Welt radikal verändert. Die eine Welt wächst immer enger und schneller zusammen. Wir sollten diesen Prozeß begrüßen, denn er gibt unzähligen Menschen eine neue Lebensperspektive. Aber dieses Zusammenwachsen von Nord und Süd, Ost und West muß menschenwürdig gestaltet werden. Es darf nicht eine Welt entstehen, die erneut von einer »radikalen kapitalistischen Ideologie« (Centesimus annus CA 42) geprägt werden könnte. Die Welt hofft auf ein Miteinander der Nationen und Staaten, das die Lebensrechte aller Menschen respektiert und ihre Entwicklung fördert. Besonders für die reichen Länder bedeutet dies: Teilen zu lernen und den benachteiligten Völkern nicht nur zu helfen, sondern sie als Partner zuzulassen und anzunehmen. Dieser unausweichliche Wandel muß und kann in Solidarität und Gerechtigkeit gestaltet werden.

In diesem Zusammenhang möchte ich den deutschen Katholiken danken für ihre Hilfe, die den Menschen und der Kirche weltweit zugute kommt. Besonders freue ich mich über die solidarische Tätigkeit Eurer jüngsten Hilfsaktion »Renovabis« mit den Nachbarn in Mittel-, Südost- und Osteuropa. Ihr fördert damit auch Kontakte zwischen den Menschen in West und Ost.

8. Solidarität und Gerechtigkeit gelten auch für die Entwicklung in Eurem eigenen Land, das nach der Wiedervereinigung seinen Weg in eine gemeinsame Zukunft sucht. In diesem Prozeß gibt es heute noch Probleme, die viele Menschen bedrücken. Es darf sich nicht ein radikaler Individualismus durchsetzen, der am Ende die Gesellschaft zerstört. Ein harmonisches Zusammenleben kann aber nur gelingen, wenn Ihr gemeinsame Werte und Orientierungen behaltet, wenn Gerechtigkeit und Solidarität, Menschenwürde und Barmherzigkeit nicht nur das Ideal einer kleinen Gruppe sind, sondern Ziele für die ganze Gesellschaft bleiben. Auch deshalb ist es für Euer Land wichtig, daß der christliche Glaube und seine Botschaft präsent bleiben, daß Christen sich in Politik und Gesellschaft einsetzen, daß unser Glaube Orientierung für alle sein kann. Auch für die Nichtglaubenden gilt die Soziallehre der Kirche, die Grundsätze des Naturrechts enthält.

117 Ebenso ist es mit der Einheit Europas. Sie darf nicht nur in einer Gemeinsamkeit der materiellen Interessen bestehen. Ihre Grundlagen sind: der Konsens in den grundlegenden Zielen und Wertvorstellungen, das gemeinsame kulturelle Erbe und nicht zuletzt eine Verbundenheit des Geistes und der Herzen, Ohne den christlichen Glauben wird Europa die Seele fehlen. Wir Christen sind berufen, Sorge zu tragen für den Geist, der das künftige Europa eint und gestaltet. Dies ist eine große Verantwortung und Herausforderung, der wir uns über die Grenzen hinweg ernsthaft stellen wollen und müssen.

Mit diesem Wunsch wende ich mich vor allem an die Mitbrüder im Bischofsamt, denen mein herzlicher Gruß gilt. Besonders begrüße ich die anwesenden Herren Kardinäle, den Herrn Erzbischof von Paderborn, den Herrn Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz sowie alle Bischöfe aus Deutschland und der Welt.

Sehr herzlich grüße ich auch die Vertreter des Bundes und des Landes Nordrhein-Westfalen sowie der Stadt Paderborn,

9. Liebe Schwestern und Brüder, auch am Ende des weiten Jahrtausends ruft uns Christus in das Schiff seiner Kirche. Er lädt uns ein, mit ihm durch das Meer der Zeit zu fahren, ihm zu glauben und zu vertrauen, eins zu sein in der Hoffnung und in der Liebe.

Im Blick auf das Heilige Jahr 2000 und die damit eröffnete neue Epoche will uns der Geist Gottes zusammenfügen in »einem Leib, einer Berufung, einer gemeinsamen Hoffnung« (
Ep 4,3-4). Er will die eine Kirche für die Einheit der Welt wirksam werden lassen. Dabei haben wir eine starke und hilfreiche Begleiterin: Maria, die Mutter des Herr und die Mutter der Kirche. Unter ihren Schutz wollen wir die Kirche und uns selbst stellen.

Gott, der Vater aller Menschen, zeigt uns einen Weg, In Jesus Christus hat er sich mit allen Menschen verbunden, besonders mit den Armen und Leidenden (vgl. Redemptor hominis RH 14). Im Vertrauen auf seinen Heiligen Geist dürfen wir der Zukunft entgegengehen.

Dieser dreifaltige Gott segne und behüte Euch: der Vater und der Sohn und der Heilige Geist. Amen.

Nach der Eucharistiefeier in Paderborn wendet sich der Hl. Vater mit den folgenden Worten an die über 80.000 anwesenden Gläubigen:

Am Ende dieses beeindruckenden Gottesdienstes möchte ich Euch allen sehr herzlich danken für Euer Kommen und die Mitfeier - und dies trotz der nicht günstigen Witterung. Immer zwischen schwarz und blau - aber schwarz hat nicht gesiegt. Es hat uns bedroht mit einem Regen, aber am Ende hat es nicht geregnet. Gott sei Dank.

Ich danke nochmals dem Herrn Erzbischof sowie allen, die zur Gestaltung der Eucharistiefeier beigetragen haben.

Sehr herzlich begrüsse ich die vielen Kranken Mitmenschen unter uns sowie vor allem die sehr zahlreichen jungen Menschen. Coraggio! Coraggio! Habt Mut! Habt Mut, die Zukunft gehört Euch. Die Zukunft liegt in Euren Händen - in Euren Händen. Dank Euch allen. Gott segne Euch, Gott segne Paderborn.



Predigten 1978-2005 108