Predigten 1978-2005 387


EUCHARISTIEFEIER ZUM ABSCHLUß DES

AUßERORDENTLICHEN KONSISTORIUMS

Hochfest Christi Himmelfahrt, 24. Mai 2001

Meine Herren Kardinäle,

hochwürdige Mitbrüder im Bischofsamt,
liebe Brüder und Schwestern!

388 1. Wir sind um den Altar des Herrn versammelt, um seine Himmelfahrt zu feiern. Wir haben seine Worte gehört: »Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch herabkommen wird, und ihr werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an die Grenzen der Erde« (Ac 1,8). Seit zweitausend Jahren drängen diese Worte des auferstandenen Herrn die Kirche, in der Geschichte »hinauszufahren«, sie machen sie zur Zeitgenossin aller Generationen und zum Sauerteig aller Kulturen der Welt.

Wir hören heute diese Worte, um mit neuem Eifer den Befehl »Duc in altum! – Fahr hinaus!« zu empfangen, den Jesus einst an Petrus gerichtet hat: ein Befehl, den ich der ganzen Kirche durch das Apostolische Schreiben Novo millennio ineunte wieder in Erinnerung rufen wollte und der im Licht des heutigen liturgischen Festes noch tiefere Bedeutung erhält. Das »altum«, auf das die Kirche zugehen muß, ist nicht nur ein verstärkter missionarischer Einsatz, sondern zuallererst ein verstärktes kontemplatives Bestreben. Denn wir sind wie die Apostel, die Zeugen der Himmelfahrt waren, eingeladen, den Blick auf das Antlitz Christi zu richten, der in den Glanz der göttlichen Herrlichkeit eingegangen ist.

Den Himmel betrachten bedeutet gewiß nicht, die Erde zu vergessen. Sollte diese Versuchung auftauchen, genügt es, die »zwei Männer in weißen Gewändern« aus dem heutigen Evangelium zu hören: »Was steht ihr da und schaut zum Himmel empor?« Die christliche Kontemplation entbindet uns nicht von der geschichtlichen Verpflichtung. Der »Himmel«, in den Jesus aufgenommen wurde, bedeutet nicht eine Ferne, sondern er verhüllt und bewahrt eine Anwesenheit, die uns nie verläßt, bis Er wiederkommt in Herrlichkeit. In der Zwischenzeit befinden wir uns in der anspruchsvollen Stunde des Zeugnisses, damit im Namen Christi »allen Völkern die Umkehr und die Vergebung der Sünden gepredigt wird« (vgl. Lc 24,47).

2. Um dies neu ins Bewußtsein zu bringen, wollte ich das Außerordentliche Konsistorium einberufen, das heute beendet wird. Die Herren Kardinäle aus aller Welt, die ich mit brüderlicher Liebe grüße, sind in diesen Tagen mit mir zusammengekommen, um einige äußerst wichtige Themen der Evangelisierung und des christlichen Zeugnisses in der Welt von heute zu Beginn eines neuen Jahrtausends zu besprechen. Es war vor allem ein Augenblick der Gemeinschaft, in dem wir ein wenig jene Freude verspürten, die das Herz der Apostel erfüllte, nachdem der Auferstandene sie gesegnet und sich von ihnen entfernt hatte, um in den Himmel aufzusteigen. Denn Lukas sagt: »Dann kehrten sie in großer Freude nach Jerusalem zurück. Und sie waren immer im Tempel und priesen Gott« (Lc 24,52 –53).

Das missionarische Wesen der Kirche wurzelt in dieser Ikone der Anfänge. Sie ist ihr nachgebildet. Sie schöpft aus ihr den Geist. Sie erweckt ihn, angefangen bei der Erfahrung der Freude, die der Herr Jesus denen verheißen hat, die ihn lieben: »Dies habe ich euch gesagt, damit meine Freude in euch ist, und damit eure Freude vollkommen wird« (Jn 15,11). Wenn unser Glaube an den auferstandenen Herrn lebendig ist, muß das Herz voll Freude sein, und unsere Sendung wird zur »überfließenden« Freude, die uns drängt, allen die »schöne Nachricht« des Heils mit Freimut, ohne Angst und ohne Hemmungen zu bringen, und sei es um den Preis des eigenen Lebens.

Das missionarische Wesen der Kirche, das von Christus ausgeht, findet in der bischöflichen Kollegialität eine Stütze und wird vom Nachfolger des Petrus ermutigt, dessen Dienst darauf abzielt, die Gemeinschaft in der Kirche zu fördern, indem die Einheit aller Gläubigen in Christus gewährleistet wird.

3. Diese Erfahrung machte Paulus zum »Völkerapostel« und führte ihn dazu, den Großteil der damals bekannten Welt unter dem Antrieb einer inneren Kraft zu durchqueren, die ihn drängte, von Christus zu sprechen: »Vae mihi est si non evangelizavero – Weh mir, wenn ich das Evangelium nicht verkünde!«(1Co 9,16). Auf der jüngsten apostolischen Pilgerreise nach Griechenland, Syrien und Malta wollte ich seinen Spuren folgen, um gleichsam auf diese Weise meine Jubiläumswallfahrt zu vervollständigen. Auf dieser Reise hatte ich die Freude, manchen Lebensaspekt unserer lieben orientalischen katholischen Brüder mit liebevoller Bewunderung zu teilen; ich konnte sehen, daß sich neue ökumenische Perspektiven in den Beziehungen zu unseren nicht weniger lieben orthodoxen Brüdern eröffneten: Mit Gottes Hilfe wurden bedeutsame Schritte auf dem Weg zum ersehnten Ziel der vollen Gemeinschaft gemacht.

Schön war auch die Begegnung mit den Muslimen. Wie ich auf der so sehr ersehnten Pilgerfahrt in das Land des Herrn im Laufe des Großen Jubiläums die Gelegenheit hatte, die besonderen Bande unseres Glaubens mit dem des jüdischen Volkes hervorzuheben, so war auch der Augenblick des Dialogs mit den Gläubigen des Islams sehr intensiv. Das II. Vatikanische Konzil hat uns tatsächlich gelehrt, daß die Verkündigung Christi, des einzigen Erlösers, uns nicht von Gedanken und Gesten des Friedens gegenüber den Gläubigen anderer Religionszugehörigkeit abbringt, sondern sie uns empfiehlt (vgl. Nostra aetate NAE 2).

4. Ihr werdet meine Zeugen sein! Diese Worte Jesu an die Apostel vor der Himmelfahrt verdeutlichen gut den Sinn der Evangelisierung seit jeher, aber sie sind in unserer Zeit ganz besonders aktuell. Wir leben in einer Zeit, in der das Wort im Überfluß gebraucht und von den sozialen Kommunikationsmitteln bis zum Äußersten vervielfältigt wird, die über die öffentliche Meinung sowohl im Guten wie im Bösen so viel Macht haben. Aber das Wort, dessen wir bedürfen, ist das Wort voll Weisheit und Heiligkeit. Deshalb schrieb ich in Novo millennio ineunte: »Die Perspektive, in die der pastorale Weg eingebettet ist, heißt Heiligkeit« (30), die im Hören des Wortes Gottes, im Gebet und im eucharistischen Leben, besonders in der wöchentlichen Feier des »Dies Domini« gepflegt wird. Nur durch das Zeugnis der Christen, die sich wirklich bemühen, dem Evangelium gemäß zu leben, kann die Botschaft Christi in unserer Welt nachhaltigen Eindruck machen.

Die Kirche steht heute ungeheuren Herausforderungen gegenüber, die die Zuversicht und den Enthusiasmus der Glaubensboten auf eine harte Probe stellen. Es handelt sich nicht nur um »quantitative« Probleme, die darin gründen, daß die Christen eine Minderheit sind, während der Säkularisierungsprozeß fortschreitend die christliche Tradition auch in Ländern alter christlicher Tradition aushöhlt. Es gibt noch schwerwiegendere Probleme, die aus einem allgemeinem Wandel des kulturellen Horizontes erwachsen, der vom Primat der Experimentalwissenschaften beherrscht wird, die sich an den Kriterien der wissenschaftlichen Epistemologie inspirieren. Selbst wenn die moderne Welt sich für die religiöse Dimension empfänglich zeigt und diese sogar wiederzuentdecken scheint, akzeptiert sie höchstens das Bild des Schöpfergottes. Sie findet es hingegen sehr schwierig, wie es den Zuhörern des Paulus auf dem Aeropag von Athen ergangen ist (vgl. Ac 17,32 – 34), das »scandalum crucis« (vgl. 1Co 1,23), das »Ärgernis« eines Gottes zu akzeptieren, der aus Liebe in unsere Geschichte eingetreten und Mensch geworden, für uns gestorben und auferstanden ist. Somit ist die Herausforderung leicht zu verstehen, vor die die katholischen Schulen und Universitäten gestellt sind; ebenso die philosophischen und theologischen Bildungszentren der Priesteramtskandidaten, in denen eine kulturelle Vorbereitung angeboten werden muß, die auf der Höhe des heutigen kulturellen Standes ist.

Weitere Probleme erwachsen aus dem Phänomen der Globalisierung, die zwar den Vorteil der Annäherung von Völkern und Kulturen bietet und dem einzelnen unzählige Botschaften zugänglich macht. Aber sie erleichtert nicht die Unterscheidung und eine reife Synthese, sondern begünstigt eine relativistische Haltung, die es erschwert, Christus als »den Weg und die Wahrheit und das Leben« (Jn 14,6) für jeden Menschen zu akzeptieren.

389 Und was ist zu sagen im Hinblick auf das, was sich im Bereich der moralischen Fragen entwickelt? Die Menschheit steht heute mehr denn je vor ungeheuren Problemen, die sogar ihr Fortbestehen in Frage stellen, vor allem im Hinblick auf die großen Themen der Bioethik, der sozialen Gerechtigkeit, der Institution der Familie und des Ehelebens.

Das Konsistorium hat über einige dieser Probleme nachgedacht und eine tiefreichende Analyse erstellt sowie durchdachte Lösungen vorgeschlagen. Mehrere Fragen werden in der nächsten Bischofssynode wieder aufgegriffen, die sich als ein wertvolles und wirksames Instrument der bischöflichen Kollegialität im Dienst der Ortskirchen erwiesen hat. Ich danke euch, hochwürdige Mitbrüder Kardinäle, für die von euch geleisteten wertvollen Beiträge: Ich will ihnen entsprechende Hinweise für die Arbeit entnehmen, damit die Pastoral- und Evangelisierungstätigkeit in der ganzen Kirche in der missionarischen Spannung und im vollem Bewußtsein der heutigen Herausforderungen verbessert wird.

5. Das Geheimnis der Himmelfahrt eröffnet uns heute den ideellen Rahmen, in den dieser Einsatz gestellt werden muß. Es ist vor allem der Horizont des Sieges Christi über den Tod und die Sünde. Er steigt zum Himmel auf als König der Liebe und des Friedens, als Quelle des Heils für die ganze Menschheit. Er steigt auf, »um jetzt für uns vor Gottes Angesicht zu erscheinen«, wie wir im Brief an die Hebräer gehört haben (9,24). Es ist eine Einladung zum Vertrauen, die dem Wort Gottes entstammt: »…denn er, der die Verheißung gegeben hat, ist treu« (
He 10,23).

Kraft gibt uns außerdem der Geist, den Christus ohne Maß ausgegossen hat. Der Geist ist das Geheimnis der Kirche von heute, ebenso wie er es für die Kirche der ersten Stunde war. Wir würden scheitern, wenn in uns nicht die Verheißung weiterwirken würde, die Jesus den ersten Aposteln gegeben hat: »Ich werde die Gabe, die mein Vater verheißen hat, zu euch herabsenden. Bleibt in der Stadt, bis ihr mit der Kraft aus der Höhe erfüllt werdet« (Lc 24,49). Der Geist, Christus, der Vater: Die ganze Dreifaltigkeit ist mit uns am Wirken!

Ja, meine lieben Brüder und Schwestern! Wir sind nicht allein auf dem Weg, der vor uns liegt. Es begleiten uns die Priester, die Ordensleute und die gläubigen Laien, die Jugendlichen und die Erwachsenen, die sich ernsthaft bemühen, der Kirche nach dem Beispiel Jesu ein Gesicht der Armut und Barmherzigkeit vor allem den Armen und Ausgegrenzten gegenüber zu geben, ein Antlitz, das leuchtet durch das Zeugnis der Gemeinschaft in der Wahrheit und Liebe. Wir sind nicht allein, vor allem weil mit uns die Heiligste Dreifaltigkeit ist. Die Aufgaben, die ich der ganzen Kirche in Novo millennio ineunte übertragen habe, die Probleme, über die das Konsistorium nachgedacht hat, werden wir nicht allein mit menschlichen Kräften, sondern mit der Macht, die »von oben« kommt, angehen. Das ist die Gewißheit, die aus der Betrachtung von Christi Himmelfahrt ständig erwächst. Indem wir auf ihn schauen, nehmen wir gern die Mahnung aus dem Brief an die Hebräer auf, »an dem unwandelbaren Bekennntis der Hoffnung festzuhalten, denn er, der die Verheißung gegeben hat, ist treu« (He 10,23).

Unser erneutes Bemühen wird zum Lobpreis, während wir alle Völker der Welt auf Christus, der auferstanden und in den Himmel aufgestiegen ist, mit den Psalmworten hinweisen: »Ihr Völker alle, klatscht in die Hände, jauchzt Gott zu mit lautem Jubel … Denn Gott ist König der ganzen Erde« (Ps 47,1 Ps 47,8).

»Wir fahren hinaus« in seinem Namen und mit neuer Zuversicht!



EUCHARISTIEFEIER AM PFINGSTSONNTAG

MIT ÜBERTRAGUNG DER STERBLICHEN ÜBERRESTE

DES SEL. PAPSTES JOHANNES XXIII. IN DEN PETERSDOM


Sonntag, 3. Juni 2001

1.»Alle wurden mit dem Heiligen Geist erfüllt« (Ac 2,4).

So geschah es an Pfingsten in Jerusalem. Heute haben wir uns auf diesem Platz, dem Mittelpunkt der katholischen Welt, versammelt und erleben aufs neue die Atmosphäre jenes Tages. Auch in unserer Zeit weht in der Kirche, ebenso wie damals im Abendmahlssaal, ein »heftiger Wind«. Die Kirche erfährt den göttlichen Hauch des Geistes, der sie für die Evangelisierung der Welt offen macht.

Dank einer glücklichen Fügung haben wir am heutigen Hochfest die Freude, die verehrten sterblichen Überreste des sel. Johannes XXIII. neben dem Altar zu sehen; Gott hat ihn mit seinem Geist geformt und ihn dadurch zu einem bewundernswerten Zeugen seiner Liebe gemacht. Mein so tief verehrter Vorgänger starb vor 38 Jahren, am 3. Juni 1963, während auf dem Petersplatz eine große Schar von Gläubigen betete und sich im Geist um sein Krankenbett versammelte. An jenes Gebet schließt die heutige Feier an, und während wir an den Heimgang jenes seligen Papstes denken, loben wir Gott, der ihn der Kirche und der Welt zum Geschenk gemacht hat.

390 Als Priester, Bischof und Papst war der sel. Angelo Roncalli gegenüber dem Wirken des Geistes außerordentlich fügsam, und der Geist führte ihn auf dem Weg der Heiligkeit. Deshalb möchten wir in der lebendigen Gemeinschaft der Heiligen das Pfingstfest in einzigartigem Einklang mit diesem Papst feiern, indem wir uns von einigen seiner geistbeseelten Betrachtungen leiten lassen.

2. »Das Licht des Heiligen Geistes bricht aus den ersten Worten der Apostelgeschichte hervor […] Das stürmische Wehen des göttlichen Geistes geht den Verkündern des Evangeliums voran und begleitet sie; es dringt in die Seelen ihrer Zuhörer ein und weitet die Zelte der Katholischen Kirche bis an die äußersten Grenzen der Erde, um alle Jahrhunderte der Geschichte zu durchlaufen« (vgl. Discorsi Messaggi Colloqui del S. Padre Giovanni XXIII, II, S. 398).

Mit diesen Worten, die Papst Johannes am Pfingstfest 1960 sprach, hilft er uns, den unaufhaltsamen missionarischen Eifer zu verstehen, der dem am heutigen Hochfest gefeierten Geheimnis eigen ist. Das ursprüngliche Wesen der Kirche ist missionarisch, weil sie aus dem Vater hervorgeht, der Christus in die Welt gesandt hat; aus dem Sohn, der nach seinem Tod und seiner Auferstehung die Apostel zu allen Völkern ausgesandt hat; aus dem Heiligen Geist, der ihnen das nötige Licht und die Kraft zur Verwirklichung dieser Sendung eingibt.

Auch im Hinblick auf diese ursprüngliche, missionarische Dimension ist die Kirche Abbild der Allerheiligsten Dreifaltigkeit: Sie spiegelt in der Geschichte die überreiche Fruchtbarkeit wider, die Gott selbst eigen ist, als beständige Quelle der Liebe, die Leben und Gemeinschaft hervorbringt. Mit ihrer Gegenwart und ihrem Wirken in der Welt verbreitet die Kirche diese geheimnisvolle Dynamik unter den Menschen; sie verbreitet das Reich Gottes, das »Gerechtigkeit, Friede und Freude im Heiligen Geist« ist (
Rm 14,17).

3. Das von Papst Johannes XXIII. angekündigte, einberufene und eröffnete Zweite Ökumenische Vatikanische Konzil wurde im Wissen um diese Berufung der Kirche durchgeführt.

Mit vollem Recht kann der Heilige Geist als zentrale Kraft des Konzils bezeichnet werden, und zwar seit der Zeit der Einberufung durch den Papst. Dieser erklärte, er habe eine Stimme vernommen, die gleichsam einer übernatürlichen Eingebung entsprungen sei (vgl. Apostolische Konstitution Humanae salutis, 25. Dezember 1961, 6). Jenes »leichte Wehen« wurde zum »Feuersturm«, und das Konzilsereignis nahm die Gestalt eines neuen Pfingsten an. »Die große Begebenheit des Ökumenischen Konzils« – so betonte der Papst – »empfängt nämlich ihr Wesen und Leben in der Lehre und im Geist des Pfingstfestes« (vgl. Discorsi Messaggi Colloqui, S. 398).

Wenn wir heute, liebe Brüder und Schwestern, an diesen einzigartigen Zeitpunkt in der Kirchengeschichte erinnern, dann deshalb, weil das Große Jubiläumsjahr 2000 in geistiger Kontinuität mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil stand, da es zahlreiche sowohl lehramtliche als auch methodologische Aspekte wiederaufnahm. Das jüngste Außerordentliche Konsistorium hat uns die Aktualität und den Reichtum des Konzils für die neuen christlichen Generationen erneut vor Augen gestellt. All dies ist für uns ein weiterer Grund zur Dankbarkeit gegenüber dem sel. Papst Johannes XXIII.

4. Im Rahmen der heutigen Feier, die das Pfingstfest mit einer feierlichen Geste der Verehrung verbindet, möchte ich besonders hervorheben, daß das kostbarste Geschenk, das Papst Johannes dem Gottesvolk hinterlassen hat, er selber war, das heißt sein Zeugnis der Heiligkeit.

Auch für ihn gilt, was er selbst über die Heiligen sagte, nämlich daß jeder von ihnen »ein Meisterwerk der Gnade des Heiligen Geistes« ist (vgl. ebd., S. 400). An die in Sankt Peter bestatteten Märtyrer und Päpste denkend, fügte er einige Worte hinzu, die uns heute tief berühren: »Manchmal sind nur noch wenige sterbliche Überreste von ihnen vorhanden, aber die Erinnerung an sie und ihr Gebet ist hier jederzeit lebendig gegenwärtig.« Oder der Ausruf: »Oh! Die Heiligen, die Heiligen des Herrn, die uns überall erfreuen, ermutigen und segnen« (vgl. ebd., S. 401).

Diese Worte von Papst Johannes, die vom leuchtenden Vorbild seines Daseins bestätigt wurden, zeigen uns sehr deutlich, daß die Entscheidung für die Heiligkeit den bevorzugten Weg der Kirche zu Beginn des neuen Jahrtausends bildet (vgl. Novo millennio ineunte NM 30 –31). Der hochherzige Wille zum Zusammenwirken mit dem Heiligen Geist zur Heiligung der eigenen Person und der Brüder ist in der Tat eine unabdingbare Voraussetzung für die Neuevangelisierung.

5. Wenn die Evangelisierung Heiligkeit erfordert, so benötigt diese ihrerseits die Stärkung des geistigen Lebens, also des Gebetes und der inneren Verbundenheit mit Gott durch das Wort und die Sakramente. Mit einem Wort: Sie braucht das persönliche und tiefverwurzelte Leben im Geist.

391 Wie könnte man in diesem Zusammenhang nicht an das reiche spirituelle Erbe erinnern, das uns der sel. Johannes XXIII. in seinem Tagebuch der Seele hinterließ? Auf seinen Seiten kann man den täglichen Einsatz, mit dem er schon seit seiner Zeit im Priesterseminar dem Wirken des Heiligen Geistes vollkommen entsprechen wollte, von nahem bewundern. Vom Geist ließ er sich Tag für Tag formen und versuchte mit geduldiger Beharrlichkeit, sich seinem Willen immer mehr anzugleichen. Hierin liegt das Geheimnis der Güte, mit der er das Volk Gottes und so viele Menschen guten Willens für sich gewann.

6. Wenn wir uns heute seiner Fürsprache anvertrauen, wollen wir den Herrn bitten, daß die Gnade des Großen Jubiläumsjahres durch das Zeugnis der Heiligkeit der Christen auf das neue Jahrtausend ausstrahle.Wir bekennen vertrauensvoll, daß dies möglich ist. Es ist möglich durch das Wirken des Geistes und Beistands, der – gemäß der Verheißung Christi – immer bei uns bleibt.

Von fester Hoffnung beseelt, beten wir mit den Worten des sel. Johannes XXIII.: »O Heiliger Geist, Paraklet … verleihe unserem Gebet, das wir im Namen der ganzen Welt erheben, Kraft und Beständigkeit; schenke uns Zeiten eines tiefen inneren Lebens; gib unserem Apostolat, das alle Menschen und alle Völker erreichen will, neuen Schwung …Nimm von uns die natürliche Überheblichkeit, erhebe uns zur heiligen Demut, zur wahren Gottesfurcht, zum großherzigen Mut. Keine irdische Anhänglichkeit soll uns daran hindern, unserer Berufung Ehre zu machen; kein Interesse soll aufgrund unserer Trägheit den Anforderungen der Gerechtigkeit entgegenstehen; keine Berechnung soll den weiten Raum der Nächstenliebe in die Schranken kleinlicher Selbstsucht zwängen. Alles in uns sei groß: die Suche und Verehrung der Wahrheit; die Opferbereitschaft bis hin zum Kreuz und zum Tod; alles schließlich soll dem letzten Gebet des Sohnes zum himmlischen Vater entsprechen und jener Ausgießung von Dir, o Heiliger Geist der Liebe, die der Kirche und ihren Einrichtungen, den einzelnen Seelen und den Völkern zuteil wurden durch den Vater und den Sohn. Amen« (vgl. Discorsi Messaggi Colloqui, IV, S. 350).

Veni, Sancte Spiritus, veni! Amen!



PÄPSTLICHE KAPPELLE ZUR HEILIGSPRECHUNG VON 5 SELIGEN

Dreifaltigkeitssonntag, 10. Juni 2001




1. »Gepriesen sei der dreieinige Gott: der Vater und sein eingeborener Sohn und der Heilige Geist; denn er hat uns sein Erbarmen geschenkt« (Eröffnungsvers).

Immer – insbesondere aber am heutigen Dreifaltigkeitssonntag – ist die gesamte Liturgie auf das trinitarische Geheimnis, den Lebensquell jedes Gläubigen, ausgerichtet.

»Ehre sei dem Vater, Ehre sei dem Sohn, Ehre sei dem Heiligen Geist«: Jedes Mal, wenn wir diese Worte, die Zusammenfassung unseres Glaubens, sprechen, beten wir den einzigen und wahren Gott in drei Personen an. Staunend betrachten wir dieses Geheimnis, das uns vollständig umfängt. Geheimnis der Liebe, Geheimnis unaussprechlicher Heiligkeit.

»Heilig, heilig, heilig, Gott, Herr aller Mächte und Gewalten« werden wir in Kürze singen, wenn wir zum Kern des eucharistischen Hochgebets vordringen. Der Vater hat alles mit Weisheit und liebevoller Vorsehung geschaffen; der Sohn hat uns durch seinen Tod und seine Auferstehung erlöst; der Heilige Geist heiligt uns mit der Fülle seiner Gaben der Gnade und Barmherzigkeit.

Mit vollem Recht können wir das heutige Hochfest als »Fest der Heiligkeit« bezeichnen. Daher findet die Heiligsprechung von fünf Seligen – Luigi Scrosoppi, Agostino Roscelli, Bernardo da Corleone, Teresa Eustochio Verzeri, Rafqa Pietra Choboq Ar-Rayes – an diesem Tag ihren geeignetsten Rahmen.

2. »Gerecht gemacht aus Glauben, haben wir Frieden mit Gott durch Jesus Christus, unseren Herrn« (Rm 5,1).

392 Nach den Worten des Apostels Paulus, die wir in der zweiten Lesung gehört haben, ist die Heiligkeit ein Geschenk, das uns der Vater durch Jesus Christus zukommen läßt, denn der Glaube an Ihn ist die Grundlage der Heiligung. Durch den Glauben hat der Mensch Zugang zum Gnadenstand; durch den Glauben hofft er, Anteil an der Herrlichkeit Gottes zu bekommen. Diese Hoffnung ist keine leere Illusion, sondern das sichere Ergebnis eines asketischen Weges, der durch viel Leid führt, das mit Geduld und unter Beweis gestellten Tugenden angenommen wird.

Diese Erfahrung machte der hl. Luigi Scrosoppi in seinem Leben, das er ganz in Liebe zu Christus und den Brüdern und Schwestern – vor allem den Schwächsten und Schutzlosen – darbrachte.

»Liebe! Liebe!«: Dieser Ausruf erhob sich aus seinem Herzen im Augenblick seines Heimgangs von der Erde zum Himmel. In der Nächstenliebe erwies er sich als vorbildlich, insbesondere in seinem Einsatz für die verwaisten und verlassenen Mädchen; er gewann hierfür eine Gruppe von Lehrerinnen, mit denen er den Grundstein zum Institut der »Suore della Divina Provvidenza« legte.

Die Nächstenliebe war das Geheimnis seines langen und unermüdlichen Apostolats, gestärkt von der ständigen Verbindung mit Christus, den er in der Bescheidenheit und Armut seiner Geburt in Betlehem, in der Einfachheit des arbeitsamen Lebens in Nazaret, in der vollkommenen Selbsthingabe auf dem Kalvarienberg und in der beredten Stille der Eucharistie betrachtete und nachahmte. Deshalb stellt ihn die Kirche den Priestern und Gläubigen vor als Vorbild einer tiefen und wirksamen Synthese zwischen der Gemeinschaft mit Gott und dem Dienst an den Brüdern. Mit anderen Worten: Er ist das Beispiel eines in tiefer Gemeinschaft mit der Allerheiligsten Dreifaltigkeit gelebten Daseins.

3. »Groß ist seine Liebe zu uns.« Die Liebe Gottes zu den Menschen offenbarte sich mit besonderer Deutlichkeit im Leben des hl. Agostino Roscelli, den wir heute im Glanz der Heiligkeit betrachten. Seine Existenz, vollkommen von tiefem Glauben durchdrungen, kann als Geschenk für die Herrlichkeit Gottes und für das Heil der Seelen angesehen werden. Es war der Glaube, der ihn stets im Gehorsam gegenüber der Kirche und ihren Lehren bewahrte – in fügsamer Treue zum Papst und dem Bischof. Aus dem Glauben schöpfte er Trost in traurigen Stunden, in großen Schwierigkeiten und bei schmerzlichen Ereignissen. Der Glaube war der starke Fels, an dem er sich festhielt, um nie der Mutlosigkeit nachzugeben.

Außerdem verspürte er die Verpflichtung, diesen Glauben auch den anderen zu vermitteln, vor allem jenen, denen er beim Dienst des Beichtehörens begegnete. Er wurde ein Lehrmeister des spirituellen Lebens, insbesondere für die Schwestern der von ihm gegründeten Kongregation, die ihn auch in äußerst kritischen Situationen immer voller Zuversicht erlebten. Der hl. Agostino Roscelli ermahnt auch uns, immer auf Gott zu vertrauen und in das Geheimnis seiner Liebe einzutauchen.

4. »Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist.« Im Licht des Geheimnisses der Dreifaltigkeit kommt dem Zeugnis des hl. Bernardo da Corleone, der ebenfalls heute zur Ehre der Altäre erhoben wird, eine einzigartige Bedeutung für das Evangelium zu. Alle staunten über ihn und fragten sich, wie ein Laienbruder so gelehrt über das Geheimnis der Allerheiligsten Dreifaltigkeit sprechen konnte. Sein Leben war in der Tat ganz auf Gott ausgerichtet, durch ständige Bemühungen zur Askese, vereint mit Gebet und Buße. Alle, die ihn kannten, bezeugen einstimmig, daß er »immer ins Gebet vertieft war«, »nie zu beten aufhörte«, »ständig betete« (vgl. Summ., 35). Aus diesem unablässigen Gespräch mit Gott, das in der Eucharistie seinen Antriebspunkt fand, schöpfte er Lebenskraft für sein mutiges Apostolat und stellte sich den sozialen Herausforderungen seiner Zeit, in der es nicht an Spannungen und Unruhen mangelte.

Auch heute braucht die Welt Heilige wie Fra’ Bernardo, die ganz in Gott versenkt und dadurch in der Lage sind, seine Wahrheit und Liebe zu vermitteln. Das demütige Vorbild dieses Kapuziners ist für uns eine Ermutigung, im Beten nicht müde zu werden, denn gerade das Gebet und das Hören auf Gott sind die Seele echter Heiligkeit.

5. »Der Geist der Wahrheit wird euch in die volle Wahrheit führen« (vgl.
Jn 16,13). Teresa Eustochio Verzeri, die wir heute in der Herrlichkeit Gottes sehen, ließ sich in ihrem kurzen, aber intensiv gelebten Dasein fügsam vom Heiligen Geist leiten. Ihr offenbarte sich Gott als geheimnisvolle Gegenwart, vor der man sich in tiefer Demut verneigen muß. Ihre Freude war es, sich unter dem steten Schutz Gottes zu sehen; sie wußte sich in den Händen des himmlischen Vaters geborgen und lernte, immer auf ihn zu vertrauen.

Teresa überließ sich dem Wirken des Geistes und machte so die besondere mystische Erfahrung der »Abwesenheit Gottes«. Nur ein unerschütterlicher Glaube bewahrte sie davor, ihr Vertrauen auf diesen umsichtigen und barmherzigen Vater, der sie auf die Probe stellte, nicht zu verlieren: »Es ist recht« – so schrieb sie – »daß die Braut, nachdem sie dem Bräutigam in allen Prüfungen seines Lebens gefolgt ist, mit ihm nun auch Anteil an der schrecklichsten Prüfung hat« (vgl. Libro dei doveri, III, 130).

Diese Lehre hinterläßt die hl. Teresa dem von ihr gegründeten Institut der »Töchter vom Hl. Herzen Jesu«. Diese Lehre hinterläßt sie uns allen. Auch inmitten der Widrigkeiten und der inneren und äußerlichen Leiden muß man den Glauben an Gott Vater, Sohn und Heiligen Geist lebendig halten.

393 Der Papst setzte seine Predigt auf französisch fort:

6. Durch die Heiligsprechung der sel. Rafqa Choboq Ar-Rayes läßt die Kirche das Geheimnis der zur Ehre Gottes und für das Heil der Welt hingeschenkten und angenommenen Liebe auf ganz besondere Weise erstrahlen. Diese Schwester des libanesischen Maroniten-Ordens wünschte sich, zu lieben und ihr Leben für ihre Brüder und Schwestern hinzugeben. In ihrer Krankheit, die sie in den letzten 29 Jahren ihres Daseins ständig plagte, zeigte die hl. Rafqa stets eine hochherzige und leidenschaftliche Liebe für das Heil ihrer Brüder; aus ihrer Vereinigung mit dem gekreuzigten Christus schöpfte sie die Kraft, das Leid als wahren Weg der Heiligkeit freiwillig anzunehmen und zu lieben.

Möge die hl. Rafqa über allen wachen, die Leid erfahren, insbesondere über den Völkern des Nahen Ostens, die mit der zerstörerischen und fruchtlosen Spirale der Gewalt konfrontiert werden! Bitten wir den Herrn, er möge auf ihre Fürsprache die Herzen für eine geduldige Suche nach neuen Wegen zum Frieden zu öffnen, damit die Zeit der Versöhnung und Eintracht bald komme!

Johannes Paul II. kehrte wieder zur italienischen Sprache zurück:

7. »Herr, unser Herrscher, wie gewaltig ist dein Name auf der ganzen Erde!« (
Ps 8,2 Ps 8,10). Die Anrufung des Psalmisten kommt uns ganz unvermittelt in den Sinn, wenn wir auf diese leuchtenden Beispiele der Heiligkeit schauen. Der Herr hört nicht auf, der Kirche und der Welt bewundernswerte und vorbildhafte Männer und Frauen zu schenken, in denen sich seine trinitarische Herrlichkeit widerspiegelt. Ihr Zeugnis sei uns Ansporn, zum Himmel zu schauen und ohne Unterlaß nach dem Reich Gottes und seiner Gerechtigkeit zu streben.

Maria, Du Königin aller Heiligen, die Du als erste den Ruf des Höchsten angenommen hast, unterstütze uns in unserem Dienst für Gott und für die Brüder. Geht auch Ihr mit uns, Ihr Heiligen Luigi Scrosoppi, Agostino Roscelli, Bernardo da Corleone, Teresa Eustochio Verzeri und Rafqa Pietra Choboq Ar-Rayes, damit unser Leben – wie das Eure – ein Lobpreis des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes sei. Amen!



EUCHARISTIEFEIER UND PROZESSION

AM HOCHFEST DES LEIBES UND BLUTES CHRISTI

Fronleichnam, 14. Juni 2001

1.»Ecce panis Angelorum, / factus cibus viatorum: / vere panis filiorum – Seht das Brot, der Engel Speise, / Brot auf unserer Pilgerreise, / das den Hunger wahrhaft stillt« (Fronleichnamssequenz).

Heute zeigt die Kirche der Welt den »Corpus Domini« – den Leib Christi – und sie lädt zu seiner Anbetung ein: »Venite adoremus – Kommt, lasset uns anbeten!«

Die Blicke der Gläubigen richten sich aufmerksam auf das Sakrament, in dem Christus sein ganzes Sein hinterlassen hat: Leib, Blut, Seele und Gottheit. Deshalb wurde es stets als das Heiligste betrachtet: das »allerheiligste Sakrament«, lebendiges Andenken an das Erlösungsopfer.

Kehren wir am Hochfest Fronleichnam zu jenem »Donnerstag« zurück, den wir alle als »heilig« bezeichnen und an dem der Erlöser sein letztes Pascha mit den Jüngern feierte: Es war das Letzte Abendmahl, die Vollendung des jüdischen Paschamahls und Eröffnung des eucharistischen Ritus.

394 Aus diesem Grund hat die Kirche seit Jahrhunderten den Donnerstag für das Hochfest des Leibes und Blutes Christi, für dieses Fest der Anbetung, Betrachtung und Verherrlichung, gewählt. An diesem Festtag schart sich die Kirche um den kostbarsten Schatz, den sie von Christus geerbt hat: das Sakrament seiner Gegenwart. Sie lobt und preist es und trägt es in Prozession durch die Straßen der Stadt.

2. »Lauda, Sion, Salvatorem!« (Sequenz).

Das neue Zion, das geistige Jerusalem, wo sich die Kinder Gottes aller Völker, Sprachen und Kulturen versammeln, lobt den Erlöser mit Hymnen und Gesängen. Unerschöpflich sind nämlich das Staunen und die Dankbarkeit angesichts des erhaltenen Geschenks. Dieses Geschenk »zu rühmen, ihm zu singen, hat kein Mensch genug getan« (ebd.).

Es ist ein erhabenes und unfaßbares Geheimnis, vor dem wir sprachlos und still verharren, in einer Haltung tiefer und verzückter Kontemplation.

3. »Tantum ergo Sacramentum / veneremur cernui – Gott ist nah in diesem Zeichen: / Kniet hin und betet an!«

In der heiligen Eucharistie ist Christus, der für uns gestorben und auferstandenen ist, wirklich gegenwärtig.

Unter den konsekrierten Gestalten von Brot und Wein bleibt derselbe Jesus der Evangelien bei uns, dem die Jünger begegnet und nachgefolgt sind, den sie als Gekreuzigten und Auferstandenen gesehen haben, dessen Wunden Thomas berührte, um sich dann anbetend niederzuwerfen und auszurufen: »Mein Herr und mein Gott!« (
Jn 20,28) (vgl. ebd., 17 – 20).

Im Altarsakrament bietet sich die ganze Tiefe des Mysteriums Christi unserer liebenden Betrachtung dar: Wort und Fleisch, die göttliche Herrlichkeit und sein Zelt unter den Menschen. Vor diesem Sakrament können wir nicht daran zweifeln, daß Gott »mit uns« ist und er in Jesus Christus alle Dimensionen des Menschseins – außer der Sünde – angenommen und sich seiner Herrlichkeit entäußert hat, um uns mit ihr zu bekleiden (vgl. ebd., 21 – 23).

In seinem Leib und in seinem Blut offenbart sich das unsichtbare Antlitz Christi, des Gottessohnes, in der schlichtesten und zugleich für diese Welt höchstmöglichen Art. Den Menschen aller Zeiten, die unschlüssig bitten: »Wir möchten Jesus sehen« (Jn 12,21), antwortet die kirchliche Gemeinschaft mit der Wiederholung jener Geste, die der Herr selbst für die Emmausjünger vollzog: Sie bricht das Brot. Beim Brotbrechen öffnen sich die Augen jener Menschen, die Ihn mit aufrichtigem Herzen suchen. Der Blick des Herzens erkennt in der Eucharistie Jesus und seine unverkennbare Liebe, die sich hinschenkt »bis zur Vollendung« (Jn 13,1). Und in Ihm, in Seiner Geste, erkennt er das Antlitz Gottes!

4. »Ecce panis Angelorum, / factus cibus viatorum: / vere panis filiorum – Seht das Brot, der Engel Speise … das den Hunger wahrhaft stillt.«

Von diesem Brot nähren wir uns, um wahre Zeugen des Evangeliums zu werden. Dieses Brot benötigen wir, um in der Liebe zu wachsen, als unabdingbar Voraussetzung, um das Antlitz Christi im Gesicht der Brüder erkennen zu können.

395 Unsere Diözesangemeinschaft braucht die Eucharistie, um den von ihr eingeschlagenen Weg der missionarischen Erneuerung fortzusetzen.In den vergangenen Tagen fand in Rom eine Diözesantagung statt, in der die »Aussichten für Gemeinschaft, Ausbildung und Missionstätigkeit in der Diözese Rom für die kommenden Jahr« untersucht wurden. Auf unserem Weg müssen wir weiterhin von Christus – also von der Eucharistie – ausgehen. Schreiten wir hochherzig und mutig voran, indem wir innerhalb unserer kirchlichen Gemeinschaft nach der »Communio« suchen und uns liebevoll dem demütigen und selbstlosen Dienst für alle, besonders für die Bedürftigsten, widmen.

Auf diesem Weg geht uns Christus mit seiner Selbsthingabe bis zum Opfertod voran, und er schenkt uns sich selbst als Nahrung und Stütze. Nie hört er auf, den Hirten des Gottesvolkes zuzurufen: »Gebt ihr ihnen zu essen!« (
Lc 9,13); brecht für alle dieses Brot des ewigen Lebens.

Dies ist ein anspruchsvoller und begeisternder Auftrag, eine Sendung, die bis zur Erfüllung der Zeiten bestehen bleibt.

5. »Alle aßen und wurden satt« (Lc 9,17). Durch die Worte des Evangeliums, die wir soeben gehört haben, dringt der Widerhall eines Festmahls, das seit zweitausend Jahren kein Ende kennt, bis zu uns: ein Festmahl des Volkes, das auf dem Exodus der Welt unterwegs ist, genährt von Christus, dem wahren Brot des Heils.

Nach der heiligen Messe werden auch wir uns im Herzen Roms auf den Weg machen und dabei den Leib Christi sowohl in unseren Herzen verborgen als auch in der Monstranz für alle sichtbar tragen. Wir werden das Brot des unsterblichen Lebens durch die Straßen der Stadt begleiten. Wir werden es anbeten, und die Kirche, die lebendige Monstranz des Erlösers in der Welt, wird sich um Ihn scharen.

Von seinem Leib und Blut gestärkt sollen die Christen Roms durch ihre Lebensweise allen Menschen Christus zeigen: durch ihre Einheit, durch ihren freudigen Glauben, durch ihre Güte!

Möge unsere Diözesangemeinschaft erneut mutig von Christus, dem Brot des unsterblichen Lebens, ausgehen!

Jesus, lebendiges Brot, das Leben schenkt, Brot der Pilger, »wer dir traut, hofft nicht vergebens, geht getrost durch diese Zeit«. Amen!



Predigten 1978-2005 387