Predigten 1978-2005 415


PASTORALREISE NACH ARMENIEN

Eucharistiefeier am "Großen Altar" im Garten der

Kathedrale von Etschmiadzin, 27. September 2001




416 Liebe Brüder und Schwestern,
ich begrüße und segne Euch alle!

"Der Herr ist mein Licht und mein Heil" (
Ps 26,1)

1. Diese Worte des Psalmisten erklangen in den Herzen der Armenier, als vor 7 Jahrhunderten der christliche Glaube, der in dieser Gegend zum ersten Mal von den Aposteln Bartholomäus und Thaddäus verkündet worden war, zur Religion der gesamten Nation wurde. Seit jener Zeit lebten und starben die armenischen Christen in der Gnade und Wahrheit (vgl. Jn 7) unseres Herrn Jesus Christus. Das Licht und Heil des Evangeliums haben euch in jedem Abschnitt eurer Pilgerreise durch die Jahrhunderte angespornt und gestützt. In der heutigen Eucharistiefeier wollen wir der Treue Armeniens zu Jesus Christus ehrerbietig gedenken: Seine Heiligkeit Katholikos Karekin II. hat mich mit brüderlicher Liebe eingeladen, sie auf der heiligen Erde zu feiern, wo der Gottessohn eurem Vater im Glauben, dem hl. Gregorios dem Erleuchter, erschienen ist.

Wie sehnlich hat der Bischof von Rom diesen Tag erwartet! Mit großer Freude grüße ich Seine Heiligkeit den Katholikos, seine Mitbrüder die Erzbischöfe und Bischöfe sowie alle Gläubigen der Armenischen Apostolischen Kirche. Herzlich begrüße ich Erzbischof Nerses Der Nersessian und den Erzbischof-Koadjutor Vartan Kechichian; durch sie richtet sich mein Gruß an Seine Seligkeit Patriarch Nerses Bedros XIX. und an die armenisch-katholischen Bischöfe und Gläubigen, die auf der ganzen Welt leben. Ich umarme die Priester, die Ordensmänner und Ordensfrauen und euch alle, Söhne und Töchter der Armenischen Katholischen Kirche. Ich heiße Bischof Giuseppe Pasotto, den lateinischen Apostolischen Administrator für den Kaukasus, willkommen und alle, die aus Georgien und anderen Teilen des Kaukasus angereist sind.

2. Viele Jahre lang erklang die Stimme des Priesters in euren Kirchen nicht mehr, doch die Stimme des Glaubens eures Volkes – voller Hingabe und Ergebenheit gegenüber dem Nachfolger des Apostels Petrus – vernahm man weiterhin.

Als Menschen mit bösem Herzen auf das Kreuz des Glockenturms in Panik schossen, versuchten sie damit, jenen Gott zu beleidigen, an den sie nicht glaubten. Ihre Gewalt war aber in erster Linie gegen das Volk gerichtet, das die Steine zum Bau eines Gotteshauses gesammelt hatte; gegen euch, die ihr in jenen Kirchen das Geschenk des Glaubens im Taufwasser und die Gabe des Heiligen Geistes durch die Firmung erhalten habt; gegen euch, die ihr dort zusammenkamt, um am Tisch der Eucharistie das himmlische Mahl zu teilen; gegen euch, deren Eheschließungen an diesen Orten des Gebets gesegnet worden waren, damit eure Familien heilig seien; dort hattet ihr auch euren Lieben das letzte Geleit gegeben in der sicheren Hoffnung, sie eines Tages im Paradies wiederzufinden.

Sie eröffneten das Feuer gegen das Kreuz; trotzdem habt ihr weiter das Lob des Herrn gesungen und das Priestergewand eures letzten Seelsorgers als Erinnerung an seine Gegenwart unter euch aufbewahrt und verehrt. Ihr sangt eure Hymnen in dem sicheren Bewußtsein, daß sich seine Stimme aus dem Himmel mit eurer vereinte zum Lob Christi, des ewigen Hohenpriesters. Ihr habt eure Gotteshäuser geschmückt, so gut ihr konntet;neben den Darstellungen Jesu und seiner Mutter Maria stand oft auch das Bild des Römischen Papstes zusammen mit dem des Katholikos der Armenischen Apostolischen Kirche. Ihr hattet verstanden, daß überall dort, wo Christen litten – auch wenn sie voneinander getrennt waren – schon eine tiefe Einheit bestand. .

3. Das ist der Grund, weshalb eure jüngste Geschichte nicht von den traurigen Gegensätzen zwischen den Kirchen geprägt ist, die die Christen in anderen Gegenden nicht fern von hier heimgesucht haben. Ich erinnere mich noch an die Zeit, als der Winter des ideologischen Atheismus vorüber war und der verstorbene Katholikos Vazken I. an den Hl. Stuhl in Rom die Einladung richtete, einen Priester für die Katholiken Armeniens zu schicken. Damals wählte ich für euch Pater Komitas, einen der geistigen Söhne von Abt Mechithar. Dieses Jahr feiert die Gemeinschaft der Mechitharisten ihr 300jähriges Bestehen. Danken wir dem Herrn für das wundervolle Zeugnis, das die Mönche gegeben haben, und sprechen wir ihnen unsere Dankbarkeit aus für alles, was sie für die Erneuerung der armenischen Kultur tun!

Obwohl er nicht mehr jung war, willigte Pater Komitas sofort und begeistert ein, sich euch in der schwierigen Aufgabe des Wiederaufbaus anzuschließen. Er zog nach Panik und restaurierte dort das Kreuz, das man mit Feuerwaffen zerstören wollte. Mit brüderlicher Einstellung gegenüber dem Klerus und den Gläubigen der Armenischen Apostolischen Kirche setzte er sich für die Wiedereröffnung und Verschönerung der Kirche für die Katholiken ein, die sie so lange verteidigt hatten. Jetzt ruht er an ihrer Seite und ist so auch im Tode seinem Volk nah, während er die Auferstehung der Gerechten erwartet.

4. Im brüderlichen Einvernehmen mit Katholikos Vazken, der im Nationalen Parlament die Rechte der Katholiken in Armenien verteidigte, war ich danach in der Lage, euch als Hirten einen weiteren Mechitharisten zu senden: Pater Nerses, den ich in der Peterskirche zum Bischof weihte. Er ist der Sohn eines Bekenners des Glaubens, der seine Treue zu Christus in den kommunistischen Gefängnissen bezahlte. An Erzbischof Nerses möchte ich ein besonderes Wort des Dankes richten. Als er darum gebeten wurde, verließ er sofort seine geliebte Mechitharisten-Gemeinschaft auf der Insel San Lazzaro bei Venedig, um seinen Dienst unter euch als treu sorgender Vater und geachteter Lehrer anzutreten. Nun wird er von Erzbischof Vartan, einem weiteren geistigen Sohn von Abt Mechithar, unterstützt. Auch ihm wünsche ich ein langes und fruchtbringendes Hirtenamt.

417 Zusammen mit seinem vorigen Weihbischof, der dann Bischof der armenischen Katholiken im Iran wurde, und jetzt mit dem Erzbischof-Koadjutor, mit den Priestern und den Ordensschwestern, die ihre Tatkraft aus Liebe zum Evangelium so selbstlos einsetzen, hat euch Erzbischof Nerses gelehrt und gezeigt, daß die katholische Kirche in diesem Land keine Rivalin ist. Unsere Beziehungen sind von brüderlichem Geist beseelt. So wie ihr in den Jahren des Schweigens das Bild des Papstes neben das des Katholikos gestellt hattet, so werden wir heute in dieser Liturgie nicht nur für die katholische Hierarchie, sondern auch für Seine Heiligkeit Karekin II., den Katholikos aller Armenier, beten.

In ihrem großen Entgegenkommen haben Sie, Heiligkeit, den Bischof von Rom eingeladen, die Eucharistie mit der katholischen Gemeinschaft in der heiligen Stadt Etschmiadzin zu feiern, und Sie beehren uns mit Ihrer Anwesenheit zu diesem freudigen Anlaß. Ist dies etwa nicht ein wunderbares Zeichen unseres gemeinsamen Glaubens? Und bringt dies nicht auch den leidenschaftlichen Wunsch vieler Brüder und Schwestern zum Ausdruck, die von uns erwarten, daß wir rasch auf dem Weg der Einheit vorangehen? Mein Herz sehnt sich danach, das Kommen jenes Tages zu beschleunigen, an dem wir das göttliche Opfer, das uns alle eins werden läßt, gemeinsam feiern werden. An diesem Ihrem Altar, Heiligkeit, bitte ich den Herrn, unsere vergangenen Verfehlungen gegen die Einheit zu vergeben und uns zur Liebe zu führen, die alle Hindernisse überwindet.

5. Liebe katholische Brüder und Schwestern! Ihr seid zu Recht stolz auf dieses geschichtsträchtige Land eurer Väter, und ihr selbst seid Erben seiner Geschichte und Kultur. In der katholischen Kirche erhebt sich aus vielen Völkern und in vielen Sprachen ein Lobgesang an Gott.

Diese Verschmelzung verschiedener Stimmen zu einer einzigen Melodie schmälert in keiner Weise eure Identität als Armenier. Ihr sprecht die sanfte Sprache eurer Ahnen. Ihr singt eure Liturgie, so wie sie euch von den heiligen Vätern der armenischen Kirche beigebracht wurde. Mit euren Brüdern und Schwestern der Apostolischen Kirche gebt ihr Zeugnis für denselben Herrn Jesus, der unteilbar ist. Ihr gehört weder Apollos noch Kephas, noch Paulus: »Ihr aber gehört Christus, und Christus gehört Gott« (
1Co 3,23).

6. Als Armenier mit den gleichen Rechten und Pflichten aller anderen Armenier helft ihr, die Nation wiederaufzubauen. Ich bin sicher, daß bei dieser so wichtigen Aufgabe unsere Brüder und Schwestern der Armenischen Apostolischen Kirche die Mitglieder der katholischen Gemeinschaft als Kinder derselben Mutter betrachten, nämlich des gesegneten Landes Armenien, ein Land der Märtyrer und Mönche, der Gelehrten und Künstler. Die aufgetretenen Spaltungen haben die Wurzeln unberührt gelassen. Wir müssen miteinander wetteifern, jedoch nicht, indem wir neue Spaltungen hervorrufen oder uns gegenseitig beschuldigen, sondern indem wir für die Liebe zueinander Zeugnis geben. Der einzig mögliche Wettstreit zwischen den Jüngern des Herrn besteht darin, festzustellen, welcher von ihnen die größte Liebe zu geben vermag! Erinnern wir uns an die Worte eures bedeutenden Bischofs Nerses von Lambron: »Es gibt keine Möglichkeit, im Frieden mit Gott zu sein, und zwar für niemanden, wenn man nicht vorher Frieden mit den Menschen geschaffen hat […] Wenn wir lieben und die Liebe unser Maß ist, dann wird uns Liebe zuteil; wenn aber Groll und Haß unser Maß sind, dann erwarten uns auch Groll und Haß.«

Heute erwartet Armenien von allen seinen Söhnen und Töchtern engagierte Bemühungen und neue Opferbereitschaft. Es ist für Armenien dringend notwendig, daß sich all seine Kinder von ganzem Herzen für das Gemeinwohl einsetzen. Nur das wird gewährleisten, daß der ehrliche und hochherzige Dienst der Personen, die im öffentlichen Leben tätig sind, mit dem Vertrauen und der Wertschätzung des Volkes belohnt wird. Mögen die Familien einig und treu sein; möge jedes Menschenleben vom Augenblick seiner Zeugung an liebevoll aufgenommen und auch in Krankheit und Armut fürsorglich gepflegt werden. Wo aber könnt ihr die Kraft für diesen großen gemeinsamen Einsatz finden? Ihr werdet sie dort entdecken, wo das armenische Volk seit jeher den Impuls gefunden hat, seinen hohen Idealen treu zu bleiben und sein kulturelles und spirituelles Erbe zu verteidigen: im Licht und im Heil, das von Jesus Christus zu euch kommt.

Armenien hungert und dürstet nach Jesus Christus, für den viele eurer Vorfahren ihr Leben gaben. In diesen schweren Zeiten sind die Menschen auf der Suche nach Brot. Wenn sie es aber gefunden haben, dann möchte ihr Herz mehr, es möchte einen Daseinsgrund und eine Hoffnung, die ihnen in ihrer täglichen, harten Arbeit Halt gibt. Wer wird sie dazu bringen, ihr Vertrauen auf Jesus Christus zu setzen? Ihr, Christen Armeniens, ihr alle zusammen!

7. Alle armenischen Christen schauen gemeinsam auf das Kreuz Jesu Christi als einzige Hoffnung der Welt und als wahres Licht und Heil Armeniens. Ihr alle seid am Kreuz aus der durchbohrten Seite Christi geschaffen (vgl. Jn 9,34). Das Kreuz ist euch so wichtig, weil ihr wißt, daß es Leben und nicht Tod, Sieg und nicht Niederlage bedeutet. Ihr wißt dies, weil ihr die vom hl. Paulus den Philippern verkündete Wahrheit gelernt habt: Seine Gefangennahme diente allein der Verbreitung des Evangeliums (vgl. 1, 12). Schaut auf eure bitteren Erfahrungen, die ebenfalls auf ihre Art eine Form von Gefangennahme waren: Ihr habt euer Kreuz auf euch genommen (vgl. Mt 6,24), und seine Last hat euch nicht erdrückt! Im Gegenteil: Es hat euch auf geheimnisvolle und wunderbare Weise neu geschaffen. Aus diesem Grunde könnt ihr nach 700 Jahren mit den Worten des Propheten Micha bestätigen: »Freu dich nicht über mich, meine Feindin! Zwar liege ich am Boden, doch ich stehe wieder auf. Zwar sitze ich in der Finsternis, aber der Herr ist mein Licht« (7, 8). Christen Armeniens! Nach der großen Prüfung ist nun die Zeit des Wiedererstarkens gekommen! Ihr sollt mit demjenigen auferstehen, der zu jeder Zeit euer Licht und euer Heil gewesen ist!

8. Ich hatte mir von Herzen gewünscht, auf dieser ökumenischen Pilgerreise auch die Orte zu besuchen, in denen die katholischen Gläubigen in großer Zahl leben. Ich hätte gerne an den Gräbern der Opfer des schrecklichen Erdbebens von 1988 gebetet, denn ich weiß, daß viele noch heute unter dessen tragischen Folgen leiden. Auch wünschte ich, persönlich das Krankenhaus »Redemptoris Mater« zu besuchen, zu dem ich selbst mit Freude meinen Beitrag geleistet habe, als Armenien sich in Schwierigkeiten befand; ich weiß, daß es wegen der dort geleisteten Arbeit – dank der unermüdlichen Arbeit der Kamillianer und der Kleinen Schwestern Jesu – sehr angesehen ist. Leider war aber nichts von alledem möglich. Ihr sollt wissen, daß ihr alle einen Platz in meinem Herzen und in meinen Gebeten habt.

Liebe Brüder und Schwestern! Wenn ihr von diesem heiligen Ort heimkehrt, sollt ihr euch daran erinnern, daß der Bischof von Rom gekommen ist, dem Glauben des armenischen Volkes die Ehre zu erweisen, und für ihn seid ihr ein besonders geschätzter Teil dieses Volkes. Er ist gekommen, um eure Treue und euren Mut zu ehren und Gott zu loben, der euch gewährte, den Tag der Freiheit zu sehen. Hier, an diesem wunderbaren Altar, gedenken wir der Menschen, die für diesen Tag gekämpft haben, ihn jedoch nicht erlebten, sondern jetzt in der ewigen Herrlichkeit des Gottesreiches schauen.

Die große Gottesmutter, die ihr so tief verehrt, wache über ihre armenischen Kinder und bewahre sie alle – Kinder, Jugendliche, Familien, Alte und Kranke – auf immer unter ihrem schützenden Mantel.

418 Armenia semper fidelis! Der Friede Gottes sei allezeit mit euch! Amen.



ERÖFFNUNG DER X. ORDENTLICHEN

VOLLVERSAMMLUNG DER BISCHOFSSYNODE



1. »Der Bischof als Diener des Evangeliums Jesu Christi für die Hoffnung der Welt

Mit diesem Thema werden sich die Arbeiten der X. Ordentlichen Vollversammlung der Bischofssynode auseinandersetzen, die wir nun im Namen des Herrn eröffnen. Sie folgt der Reihe von Sonderversammlungen für verschiedene Kontinente, die zur Vorbereitung auf das Große Jubiläumsjahr 2000 stattgefunden haben. Alle diese Versammlungen waren durch den Aspekt der Evangelisierung miteinander verbunden, wie die bisher veröffentlichen Nachsynodalen Apostolischen Schreiben belegen. Unter derselben Perspektive findet die jetzige Synode statt, die ebenfalls in Kontinuität zu den vorherigen ordentlichen Versammlungen steht; diese waren den verschiedenen Berufungen im Gottesvolk gewidmet: den Laien (1987), den Priestern (1990), dem geweihten Leben (1994). Die Behandlung der Thematik der Bischöfe vervollständigt so das Bild einer Ekklesiologie der Gemeinschaft und Sendung, die wir immer vor Augen haben müssen.

Mit großer Freude empfange ich euch, liebe und verehrte Brüder im Bischofsamt, die ihr aus allen Teilen der Welt hier zusammengekommen seid. Eure Versammlung und eure Zusammenarbeit unter der Leitung des Nachfolgers Petri zeigt, »daß alle Bischöfe in der hierarchischen Gemeinschaft an der Sorge für die ganze Kirche teilhaben« (Christus Dominus CD 5). Ich weite meinen herzlichen Gruß auf die anderen Mitglieder der Versammlung und alle weiteren Personen aus, die in den kommenden Tagen an deren erfolgreicher Durchführung beteiligt sein werden. Besonders danke ich dem Generalsekretär der Synode, Kardinal Jan Pieter Schotte, und seinen Mitarbeitern, die diese Synodenversammlung aktiv vorbereitet haben.

2. In der Weihnachtsnacht 1999 habe ich das Große Jubiläumsjahr eröffnet; nachdem ich die Heilige Pforte geöffnet hatte, bin ich mit dem Evangelienbuch in meinen Händen hindurchgegangen.Dies war eine Geste mit hohem Symbolwert. Darin können wir gewissermaßen den ganzen Inhalt der Synode erkennen, die wir heute beginnen und deren Thema lautet: »Der Bischof als Diener des Evangeliums Jesu Christi für die Hoffnung der Welt

Der Bischof ist »minister«, also »Diener«. Die Kirche steht im Dienst des Evangeliums. »Ancilla Evangelii«: So könnte man sie in Anlehnung an die Worte der Jungfrau nach der Verkündigung durch den Engel bezeichnen. »Ecce ancilla Domini«, sagte Maria damals. »Ecce ancilla Evangelii«, ruft heute die Kirche aus.

»Propter spem mundi.« Die Hoffnung der Welt liegt in Christus. In Ihm finden die Erwartungen der Menschheit ihre wahre und solide Grundlage. Die Hoffnung jedes Menschen geht vom Kreuz aus, diesem Zeichen des Sieges der Liebe über den Haß, der Vergebung über die Rache, der Wahrheit über die Lüge, der Solidarität über den Egoismus. Wir haben die Aufgabe, den Männern und Frauen unserer Zeit diese heilsbringende Botschaft nahezubringen.

3. »Selig, die arm sind vor Gott«, haben wir im Kehrvers zum Antwortpsalm gesungen.

Die Seligpreisung der Armut im Geiste des Evangeliums, die uns das Wort Gottes am heutigen Sonntag aufs neue vorschlägt, ist eine wertvolle Botschaft für die synodale Versammlung, die wir nun beginnen, denn die Armut ist ein Wesensmerkmal der Persönlichkeit Jesu und seines Heilsamtes und stellt eine der unabdingbaren Voraussetzungen dafür dar, daß die Verkündigung des Evangeliums bei der zeitgenössischen Menschheit Aufnahme und Anhörung findet.

Im Licht der ersten Lesung aus dem Buch des Propheten Amos und, noch mehr, im Gleichnis vom »reichen Mann« und dem armen Lazarus, das uns der Evangelist Lukas erzählt, werden wir, verehrte Brüder, dazu ermutigt, uns über unsere Einstellung gegenüber den irdischen Gütern und über deren Verwendung zu befragen. Wir sind aufgefordert, zu überprüfen, bis zu welchem Punkt die persönliche und gemeinschaftliche Bekehrung zu einer wahrhaftigen, dem Evangelium entsprechenden Armut in der Kirche gelangt ist. Dabei kommen uns die Worte des Zweiten Vatikanischen Konzils in den Sinn: »Wie aber Christus das Werk der Erlösung in Armut und Verfolgung vollbrachte, so ist auch die Kirche berufen, den gleichen Weg einzuschlagen, um die Heilsfrucht den Menschen mitzuteilen« (Lumen gentium LG 8).

4. Es ist der Weg der Armut, der es uns ermöglichen wird, unseren Zeitgenossen die »Früchte des Heils« weiterzuvermitteln. Als Bischöfe sind wir daher aufgerufen, arm im Dienste des Evangeliums zu sein; Diener des offenbarten Wortes zu sein, die bei Bedarf ihre Stimme zur Verteidigung der Geringsten erheben und die Übergriffe jener anklagen, die Amos als »Sorglose« und »Selbstsichere« bezeichnet; Propheten zu sein, die mutig auf die sozialen Sünden hinweisen, die einhergehen mit Konsumismus, Hedonismus und einer Wirtschaftsform, die ein unannehmbares Gefälle zwischen Luxus und Elend, zwischen wenigen »reichen Schlemmern« und zahllosen zur Not verurteilten Menschen wie Lazarus verursacht. Zu jeder Zeit zeigte sich die Kirche mit diesen Personen solidarisch, und sie zeichnete sich durch heilige Hirten aus, die sich als unerschrockene Apostel der Nächstenliebe auf die Seite der Armen gestellt haben.

419 Damit die Stimme der Hirten aber glaubwürdig wird, müssen sie selbst ein von Eigeninteressen abgekehrtes und um die Schwächsten besorgtes Verhalten unter Beweis stellen. Es ist notwendig, daß sie zum Vorbild für die ihnen anvertraute Gemeinschaft werden, indem sie jene Gesamtheit von Grundsätzen der Solidarität und sozialen Gerechtigkeit lehren und stützen, die die Soziallehre der Kirche kennzeichnet.

5. »Du aber, ein Mann Gottes« (
1Tm 6,11): Mit diesem Titel wird Timotheus vom hl. Paulus in der soeben vorgetragenen zweiten Lesung bezeichnet. Es ist ein Text, in dem der Apostel ein für den Bischof stets gültiges Lebensprogramm skizziert: Der Hirte muß ein »Mann Gottes« sein; seine Existenz und sein Amt stehen gänzlich unter der göttlichen Herrschaft und schöpfen Licht und Kraft aus dem erhabensten Geheimnis Gottes.

Paulus fährt fort: »Du aber, ein Mann Gottes, […] Strebe unermüdlich nach Gerechtigkeit, Frömmigkeit, Glauben, Liebe, Standhaftigkeit und Sanftmut« (6,11). Wieviel Weisheit liegt in dem Wort »strebe«! Die Bischofsweihe flößt nicht die Vollkommenheit der Tugenden ein: Der Bischof ist aufgerufen, seinen Weg der Heiligung mit größerer Intensität fortzusetzen, um das Format Christi, des vollkommenen Menschen, zu erreichen.

Der Apostel fügt hinzu: »Kämpfe den guten Kampf des Glaubens, ergreife das ewige Leben …« (6,12). Auf das Reich Gottes hinorientiert, stellen wir uns, liebe Brüder, unseren täglichen Bemühungen um den Glauben; dabei suchen wir keinen weiteren Lohn als jenen, den Gott uns am Ende geben wird. Wir sind berufen, »vor vielen Zeugen das gute Bekenntnis« abzulegen (6,12). Der Glanz des Glaubens wird auf diese Weise zum Zeugnis: Widerschein der Herrlichkeit Christi in den Worten und Taten jedes seiner treuen Amtsträger.

Der hl. Paulus schließt mit den Worten: »Erfülle deinen Auftrag rein und ohne Tadel, bis zum Erscheinen Jesu Christi, unseres Herrn« (6,14). Der Auftrag! In diesem Wort ist Christus ganz enthalten: sein Evangelium, sein Vermächtnis der Liebe, die Gabe seines Geistes, der das Gesetz erfüllt. Die Apostel haben von ihm dieses Erbe empfangen und es uns anvertraut, damit es bis zum Ende der Zeiten unversehrt erhalten und weitergegeben werde.

6. Liebe Brüder im Bischofsamt! Christus wiederholt uns heute: »Duc in altum – Fahr hinaus« (Lc 5,4). Im Licht dieser seiner Einladung können wir den dreifachen »munus«, der uns in der Kirche übertragen wurde: »munus docendi, sanctificandi et regendi« (vgl. Lumen gentium LG 25 – 27; Christus Dominus CD 12 –16), auf neue Weise deuten.

»Duc in docendo!« »Verkünde das Wort« – würden wir mit dem Apostel sagen – »tritt dafür ein, ob man es hören will oder nicht; weise zurecht, tadle, ermahne, in unermüdlicher und geduldiger Belehrung« (2Tm 4,2).

»Duc in sanctificando!« Die »Netze«, die wir unter den Menschen auswerfen sollen, sind in erster Linie die Sakramente, deren erste Ausspender, Leiter, Förderer und Aufseher wir sind (vgl. Christus Dominus CD 15). Sie bilden eine Art heilsbringendes »Netz«, das vom Bösen erlöst und zur Fülle des Lebens führt.

»Duc in regendo!« Als Hirten und wahre Väter haben wir die Aufgabe, durch die Unterstützung der Priester und unserer anderen Mitarbeiter die Familie der Gläubigen zusammenzuführen und die Liebe und brüderliche Gemeinschaft zu fördern (vgl. ebd., 16).

Obwohl es sich dabei um einen schwierigen und mühevollen Auftrag handelt, soll niemand den Mut verlieren. Mit Petrus und den ersten Jüngern erneuern auch wir vertrauensvoll unser aufrichtiges Glaubensbekenntnis: Herr, »wenn du es sagst, werde ich die Netze auswerfen« (Lc 5,5)! Wenn du es sagst, Christus, wollen wir deinem Evangelium dienen für die Hoffnung der Welt!

Und auch auf deine mütterliche Unterstützung vertrauen wir, Jungfrau Maria. Du hast die ersten Schritte der christlichen Gemeinschaft geführt: Sei auch für uns Stütze und Ermutigung. Tritt für uns ein, Maria, die wir mit den Worten des Dieners Gottes Paul VI. als »Hilfe der Bischöfe und Mutter der Hirten« anrufen. Amen!



EUCHARISTIEFEIER MIT SELIGSPRECHUNGEN VON 7 DIENERN GOTTES

420

Sonntag, 7. Oktober 2001



1. »Der Gerechte aber bleibt wegen seiner Treue am Leben« (Ha 2,4). Mit diesen Worten der Hoffnung und Zuversicht wendet sich der Prophet Habakuk an das Volk Israel in einem besonders dramatischen Augenblick seiner Geschichte. Im Licht des Mysteriums Christi benutzt der Apostel Paulus die gleichen Worte, um uns einen universalen Grundsatz mitzuteilen: Es ist der Glaube, durch den sich der Mensch dem Heil öffnet, das allein von Gott kommt.

Mit Freude betrachten wir heute das in den neuen Seligen verwirklichte große Geheimnis der Erlösung. Sie sind die Gerechten, die durch ihren Glauben immerfort an der Seite Gottes leben: Ignace Maloyan, Bischof und Märtyrer; Nikolaus Groß, Familienvater und Märtyrer; die Priester Alfonso Maria Fusco und Tommaso Maria Fusco; die Ordensfrau Emilie Tavernier-Gamelin und die Jungfrauen Eugenia Picco und Maria Euthymia Üffing.

Diese unsere herausragenden Brüder und Schwestern, die nun seliggesprochen worden sind, haben es verstanden, ihren unbeugsamen Glauben an Christus in ein außergewöhnliches Zeugnis der Liebe zu Gott und des Dienstes am Nächsten zu verwandeln.

2. Msgr. Ignace Maloyan, der im Alter von 46 Jahren als Märtyrer starb, erinnert uns an den spirituellen Kampf jedes Christen, dessen Glaube den Angriffen des Bösen ausgesetzt ist. Tag für Tag gab ihm die Eucharistie die notwendige Kraft, in hochherziger und hingebungsvoller Haltung den priesterlichen Dienst zu erfüllen und sich der Verkündigung, der Sakramentenpastoral und dem Dienst an den Ärmsten zu widmen.

Sein ganzes Leben entspricht voll und ganz den Worten des hl. Paulus: »Denn Gott hat uns nicht einen Geist der Verzagtheit gegeben, sondern den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit« (2Tm 1,7). Angesichts der Gefahren der Verfolgung war der sel. Ignace nicht zu Kompromissen bereit; denjenigen, die versuchten, ihn unter Druck zu setzen, sagte er: »Gott gefällt es nicht, wenn ich Jesus, meinen Erlöser, verleugne. Es ist mein innigster Wunsch, mein Blut für den Glauben hinzugeben.« Möge sein Beispiel heute all jene erleuchten, die zur Ehre Gottes und für das Heil der Brüder Zeugen des Evangeliums sein wollen!

3. In ihrem Leben als Familienmutter und später als Ordensfrau und Gründerin der Schwestern von der göttlichen Vorsehung war Emilie Tavernier-Gamelin ein Beispiel mutiger Hingabe an die Vorsehung. Ihre Aufmerksamkeit gegenüber ihren Mitmenschen und den verschiedenen Lebensumständen veranlaßte sie, neue Formen der Nächstenliebe zu finden. Sie hatte ein offenes Herz für jede Art von Leid und Not; in erster Linie widmete sie sich dem Dienst an den Armen und Geringsten, die sie wie Könige behandelte.

Entsprechend ihrer Überzeugung, alles vom Herrn erhalten zu haben, kannte ihre Wohltätigkeit keine Grenzen. Hierin lag das Geheimnis ihrer tiefen Freude, auch wenn es galt, die Widrigkeiten des Lebens hinzunehmen. Im Geist vollkommenen Vertrauens auf Gott und absoluten Gehorsams erfüllte sie als »Dienerin« des Evangeliums ihre Pflicht wie ein Gebot Gottes; in allem war sie bereit, dem Willen des Herrn zu folgen. Möge die neue Selige für die Schwestern ihres Instituts und deren Mitarbeiter ein Beispiel der Kontemplation und der Aktion sein.

4. Die beiden neuen Seligen aus Deutschland führen uns in eine dunkle Zeit des 20. Jahrhunderts. Unser Blick richtet sich auf den sel. Nikolaus Groß, den Journalisten und Familienvater. Mit Scharfsinn erkannte er, daß sich die nationalsozialistische Ideologie nicht mit dem christlichen Glauben verbinden läßt. Mutig griff er zur Feder, um ein Plädoyer für die Würde des Menschen abzulegen. Nikolaus Groß hat seine Frau und Kinder sehr geliebt. Aber nicht einmal das innige Band zu seiner eigenen Familie erlaubte es ihm, sich vom Bekenntnis zu Christus und seiner Kirche zurückzuziehen. Ihm war klar: »Wenn wir heute nicht unser Leben einsetzen, wie wollen wir dann vor Gott und unserem Volk einmal bestehen?«

Für diese Überzeugung mußte er an den Galgen, doch dafür öffnete sich ihm der Himmel. Im sel. Märtyrer Nikolaus Groß verwirklicht sich, was der Prophet vorausgesagt hat: »Der Gerechte bleibt wegen seiner Treue am Leben« (Ha 2,4).

5. Ein Zeugnis ganz anderer Art hat die sel. Schwester Euthymia abgelegt. Unermüdlich hat sich die Clemensschwester in der Pflege der Kranken, besonders der Kriegsgefangenen und Fremdarbeiter, eingesetzt. Daher nannte man sie auch »Mama Euthymia«. Nach dem Krieg mußte sie von der Krankenpflege in die Wäscherei wechseln. Sie hätte viel lieber Menschen als Maschinen bedient. Trotzdem blieb sie die einfühlsame Schwester, die für jeden ein freundliches Lächeln und ein gutes Wort hatte. Ihr Vorsatz lautete: »Der Herr soll mich brauchen, ein Sonnenstrahl zu sein, der alle Tage leuchtet.« Die Ordensfrau lebte nach dem Motto: Was immer wir tun, wir sind nur »unwürdige Diener. Wir haben nur unsere Schuldigkeit getan« (Lc 17,10). In der Treue im Kleinen liegt ihre Größe.

421 6. »Wenn euer Glaube auch nur so groß wäre wie ein Senfkorn …«, sagt Jesus zu seinen Jüngern (Lc 17,6).

Ein aufrichtiger und fester Glaube bestimmte das Leben und Werk des sel. Alfonso Maria Fusco, Gründer der Schwestern vom hl. Johannes dem Täufer. Seit seiner Jugend hegte er den innigen Wunsch, sein Leben dem Dienst an den Ärmsten, insbesondere den zahlreichen Kindern und Jugendlichen seiner Heimatstadt Angri, in Kampanien, zu widmen. Daher entschied er sich für das Priestertum und wurde gewissermaßen zum »Don Bosco des Südens«.

Von Anfang an wollte er in sein Werk einige Jugendliche miteinbeziehen, die sein Ideal teilten, und er wählte als Motto die Worte des hl. Johannes des Täufers: »Parate viam Domini«, »Bereitet dem Herrn den Weg« (Lc 3,4). Im Vertrauen auf die Vorsehung Gottes riefen der sel. Alfonso Maria und die Baptistinerinnen ein Werk ins Leben, das ihre eigenen Erwartungen übertraf. Aus einem einfachen Heim ist ein in 16 Ländern und vier Kontinenten vertretenes Institut zur Unterstützung der »Kleinen« und »Geringsten« geworden.

7. Die im heutigen Evangelium bezeugte einzigartige Lebendigkeit des Glaubens kommt auch im Leben und in den Taten von Don Tommaso Maria Fusco, dem Gründer des Instituts der Töchter von der Liebe des Kostbaren Blutes, zum Vorschein. Durch seinen Glauben lebte er auf ganz besondere Weise die Wirklichkeit des Reiches Gottes in der Welt. Eines seiner Stoßgebete lag ihm ganz besonders am Herzen: »Ich vertraue auf dich, mein Gott, stärke meinen Glauben.« Das ist die Bitte, mit der sich auch die Apostel im heutigen Evangelium an Jesus wenden (vgl. Lc 17 Lc 6). Der sel. Tommaso Maria hatte verstanden, daß der Glaube vor allem ein Geschenk, ein Geschenk der Gnade, ist. Niemand kann ihn allein gewinnen oder erlangen. Man kann nur um ihn bitten, ihn vom Himmel erflehen. Vom wertvollen Beispiel des neuen Seligen erleuchtet, dürfen wir somit nie müde werden, inständig um das Geschenk des Glaubens zu bitten, denn »der Gerechte …bleibt wegen seiner Treue am Leben« (Ha 2,4).

8. Die lebendige Synthese zwischen Kontemplation und Aktion, die durch die tägliche Teilnahme an der Eucharistiefeier genährt wird, war das Fundament der geistigen Erfahrung und des karitativen Einsatzes Eugenia Piccos.

Gemäß der Einladung der heutigen Sonntagsliturgie (vgl. Antwortpsalm)war sie stets bemüht, auf die Stimme des Herrn zu hören, und nie entzog sie sich jenen Diensten, die die Liebe zu den Mitmenschen von ihr verlangten. In Parma widmete sie sich den Armen, nahm sich der Bedürfnisse der Jugendlichen und notleidenden Familien an und stand den Opfern des damals in Europa wütenden blutigen Krieges bei. Auch angesichts der Not und der mit ihr verbundenen unausweichlichen Momente der Bedrängnis und Verwirrung gelang es Eugenia Picco, die Erfahrung des Leids in eine Gelegenheit der Läuterung und der inneren Bereicherung zu verwandeln. Möge die neue Selige uns die Kunst lehren, die Stimme des Herrn zu hören, damit auch wir auf der Schwelle des neuen Jahrtausends glaubhafte Zeugen des Evangeliums der Nächstenliebe werden.

9. »Mirabilis Deus in sanctis suis!« Zusammen mit den Gemeinschaften, denen die neuen Seligen angehörten und für die sie ihre edelsten menschlichen und geistigen Kräfte eingesetzt haben, danken wir Gott, denn »er ist wunderbar in seinen Heiligen«. Wir bitten ihn um seine Hilfe, damit auch wir – auf ihre Fürsprache – mit neuem Eifer auf die universale Berufung zur Heiligkeit Antwort geben können.

Amen!





EUCHARISTIEFEIER IN DER PETERSKIRCHE ZUR ERÖFFNUNG DES

AKADEMISCHEN JAHRES DER KIRCHLICHEN UNIVERSITÄTEN ROMS

Freitag, 19. Oktober 2001




1. »Abraham glaubte Gott, und das wurde ihm als Gerechtigkeit angerechnet« (Rm 4,3). Die Worte des hl. Paulus an die Christengemeinde von Rom, die während der Liturgie am heutigen Abend vorgelesen wurden, helfen uns, diese traditionsreiche Begegnung, zu der sich die Gemeinschaft der kirchlichen Universitäten Roms zu Beginn des neuen akademischen Jahres um den Tisch der Eucharistie versammelt hat, noch intensiver zu erleben.

Nachdem der Apostel Paulus in seinem Brief an die Römer das düstere und trostlose Bild einer Menschheit dargestellt hat, die unter die Macht der Sünde geraten und unfähig ist, sich selbst zu retten, verkündet er das Evangelium der Rechtfertigung, die Gott allen Menschen in Christus anbietet. Um den wesentlichen Inhalt dieser Botschaft deutlicher zum Ausdruck zu bringen, stellt er uns den beispielhaften Glauben Abrahams, des Vaters aller Gläubigen, vor Augen. So werden wir zum Herzstück der christlichen Botschaft geführt; sie verkündet die Verwirklichung des Heils in der Begegnung zwischen der ungeschuldeten Initiative Gottes und der notwendigen Antwort des Menschen, der das Geschenk Gottes durch den Glauben annimmt.


Predigten 1978-2005 415