Predigten 1978-2005 550


XXV. PONTIFIKATSJUBILÄUM

Donnerstag, 16. Oktober 2003



Grußworte von Kard. Joseph Ratzinger

1. »Misericordias Domini in aeternum cantabo – Von den Taten deiner Huld, Herr, will ich ewig singen…« (vgl. Ps 89,2). Vor 25 Jahren habe ich die Huld Gottes auf besondere Weise erfahren. Im Konklave hat Christus durch das Kardinalskollegium die gleichen Worte an mich gerichtet wie seinerzeit an Petrus am See von Tiberias: »Weide meine Schafe!« (Jn 21,16).

In meiner Seele spürte ich den Widerhall jener Frage, die er damals Petrus stellte: »Liebst du mich? Liebst du mich mehr als diese?« (vgl. ). Wie hätte es mir, menschlich gesehen, nicht bange sein sollen? Wie hätte eine so große Verantwortung nicht schwer auf mir lasten sollen? Ich mußte die göttliche Barmherzigkeit um Beistand bitten, um auf die Frage »Nimmst du an?« vertrauensvoll antworten zu können: »Im Gehorsam des Glaubens, vor Christus, meinem Herrn, im tiefen Vertrauen zur Mutter Christi und der Kirche und im Wissen um die großen Schwierigkeiten, nehme ich an.«

Heute, liebe Brüder und Schwestern, ist es mir eine Freude, meine Erfahrung, die seit nunmehr einem Vierteljahrhundert andauert, mit euch zu teilen. Jeden Tag vollzieht sich im Innersten meines Herzens der gleiche Dialog wie seinerzeit zwischen Jesus und Petrus. Im Geiste betrachte ich den wohlwollenden Blick des auferstandenen Christus. Er weiß zwar um meine menschliche Schwäche, ermutigt mich aber dennoch, ebenso wie Petrus vertrauensvoll zu antworten: »Herr, du weißt alles; du weißt, daß ich dich lieb habe« (Jn 21,17). Sodann fordert Er mich auf, die Verantwortung, die Er selbst mir anvertraut hat, auf mich zu nehmen.

551 2. »Der Gute Hirt gibt sein Leben hin für die Schafe« (Jn 10,11). Als Jesus diese Worte sprach, wußten die Apostel nicht, daß Er von sich selbst redete. Auch Johannes, der Jünger, den Er liebte, wußte dies nicht. Er verstand es auf dem Kalvarienberg, zu Füßen des Kreuzes, als er sah, wie Jesus sein Leben schweigend »für seine Schafe« hingab.

Als für ihn und die anderen Apostel die Zeit gekommen war, diesen Auftrag zu erfüllen, erinnerten sie sich seiner Aussagen. Sie erkannten, daß sie nur deshalb fähig sein würden, ihre Sendung zu erfüllen, weil Er ihnen zugesichert hatte, daß Er selbst durch sie wirken würde.

Vor allem Petrus, der »Zeuge der Leiden Christi« (1P 5,1), war sich dessen bewußt, und er ermahnte die Ältesten der Kirche: »Sorgt als Hirten für die euch anvertraute Herde Gottes« (1P 5,2).

Im Laufe der Jahrhunderte haben die Nachfolger der Apostel, vom Heiligen Geist geleitet, immerfort die Herde Christi versammelt und sie auf ihrem Weg zum Himmelreich geleitet; sie haben verstanden, daß sie nur »durch Christus, mit Christus und in Christus« eine so große Verantwortung übernehmen können.

Die gleiche Erkenntnis hatte ich, als der Herr mich dazu berufen hat, in dieser geliebten Stadt Rom und im Dienst an der ganzen Welt das Petrusamt auszuüben. Vom Anfang des Pontifikats an waren meine Gedanken, Gebete und Taten von einem einzigen Wunsch beseelt: zu bezeugen, daß Christus, der Gute Hirte, in seiner Kirche gegenwärtig ist und wirkt. Er ist stets auf der Suche nach jedem verlorenen Schaf, Er führt es zum Stall zurück und verbindet seine Wunden; Er umsorgt das schwache und kranke Schaf und beschützt das starke. Aus diesem Grunde habe ich seit dem ersten Tag nicht in meinem Ruf nachgelassen: »Habt keine Angst, Christus aufzunehmen und seine Herrschergewalt anzuerkennen! « Heute wiederhole ich nachdrücklich: »Öffnet, ja reißt die Tore weit auf für Christus!« Laßt euch von ihm führen! Vertraut seiner Liebe!

3. Zu Beginn meines Pontifikats bat ich: »Helft dem Papst und allen, die Christus und mit der Herrschaft Christi dem Menschen und der ganzen Menschheit dienen wollen!« Wenn ich nun mit euch Gott danke für diese 25 Jahre, die zutiefst von seinem Erbarmen geprägt waren, empfinde ich das besondere Bedürfnis, auch euch, Brüder und Schwestern aus Rom und der ganzen Welt, meine Dankbarkeit auszusprechen, denn ihr habt auf verschiedenste Weise auf meine Bitte um eure Unterstützung geantwortet, und ihr werdet dies auch weiterhin tun. Gott allein weiß, wie viele Opfer, Gebete und Leiden dargebracht wurden, um mich in meinem Dienst für die Kirche zu unterstützen. Wieviel Wohlwollen und Fürsorge, wie viele Zeichen der Gemeinschaft haben mich Tag für Tag umgeben! Der gute Gott vergelte es allen in Fülle! Ich bitte euch, liebe Brüder und Schwestern, unterbrecht dieses große Werk der Liebe zum Nachfolger Petri nicht. Ich bitte euch noch einmal: Helft dem Papst und allen, die Christus ihren Dienst erweisen möchten, dem Menschen und der ganzen Menschheit zu dienen!

4. Dir, Herr Jesus Christus,
einziger Hirt der Kirche,
übergebe ich die Früchte meiner 25jährigen Amtszeit
im Dienst des Volkes, das Du mir anvertraut hast.

Vergib das Böse und vervielfache das Gute:
552 Alles ist Dein Werk, und Dir allein gebührt die Ehre.
In vollem Vertrauen auf Dein Erbarmen
stelle ich Dir heute erneut die Menschen vor,
die Du vor Jahren meiner pastoralen Fürsorge überantwortet hast.

Erhalte sie in der Liebe, sammle sie in Deinem Stall,
nimm die Schwachen auf Deine Schultern,
heile die Verwundeten, nimm Dich der Starken an.
Sei Du ihr Hirte, damit sie sich nicht verirren.

Beschütze die geliebte Kirche in Rom
und die Kirchen auf der ganzen Welt.

Durchdringe mit dem Licht und der Kraft Deines Geistes
553 alle jene, die Du Deiner Herde vorangestellt hast.
Sie mögen ihren Auftrag des
Leitens, Lehrens und Heiligens
in Erwartung Deiner glorreichen Wiederkunft mit Begeisterung erfüllen.

Durch die Hände Marias, der geliebten Mutter, erneuere ich Dir
das Geschenk meiner selbst, in Gegenwart und Zukunft:
Alles geschehe nach Deinem Willen.

Oberster Hirte, bleib in unserer Mitte,
damit wir zusammen mit Dir sicher vorangehen können
zum Haus des Vaters. Amen.

Am Ende der Eucharistiefeier sagte der Papst:

554 Zum Abschluß dieses Gottesdienstes möchte ich allen Anwesenden meinen herzlichen Gruß entbieten. Ich danke vor allem den vielen Pilgern aus Italien, aus Polen und aus anderen Ländern.

Ich begrüße die Kardinäle und denke dabei in besonderer Weise an Kardinal Joseph Ratzinger, den Dekan des Kardinalskollegiums, dem ich für die freundlichen Worte danke, die er an mich gerichtet hat. Zugleich gilt mein brüderlicher Gruß den zahlreichen Bischöfen, die heute hier anwesend sind.

Ferner grüße ich die Gemeinschaft der Diözese Rom, die sich hier mit dem Kardinalvikar, den Weihbischöfen und den Priestern versammelt hat.

Mein ehrerbietiger Gruß gilt den Staatsoberhäuptern, insbesondere dem italienischen Staatspräsidenten Carlo Azeglio Ciampi, dem ich für die herzlichen Glückwünsche danke, die er mir gestern abend in einer Fernsehbotschaft übermittelt hat. Mit ihm grüße ich den polnischen Staatspräsidenten wie auch die Vertreter verschiedener italienischer und internationaler Einrichtungen.

Ich danke allen, die in vielen Teilen der Welt meinen täglichen apostolischen Dienst durch ihre Gebete und die Aufopferung ihres Leidens unterstützen. [Der Heilige Vater sagte auf französisch:]

Ich danke euch für eure begeisterte Gegenwart und für eure Gebete. … [und auf englisch:]

Danke für die Zuneigung, die ihr dem Nachfolger Petri entgegenbringt. … [auf deutsch:]

Danke für euer Gebet, mit dem ihr mich stets unterstützt. [Auf spanisch sagte der Papst:]

Danke für eure Treue gegenüber der Lehre des Apostolischen Stuhls. … [auf portugiesisch:]

Danke für eure Unterstützung für die Werke der Nächstenliebe des Papstes. … [auf weißrussisch:]

Ich danke euch für euren Einsatz für die Einheit der Christen. … [und auf polnisch:]

555 Danke, daß ihr mich in den Jahren meines Pontifikats im Gebet stets der allerseligsten Gottesmutter anvertraut habt. [Abschließend sagte der Heilige Vater auf italienisch:]

Danke euch allen. Der Herr segne euch!



SELIGSPRECHUNG VON MUTTER THERESA VON KALKUTTA

Weltmissionstag

Sonntag, 19. Oktober 2003



1. »Wer bei euch der Erste sein will, soll der Sklave aller sein« (Mc 10,44). Diese Worte, die Jesus an die Jünger gerichtet hat und die soeben auf diesem Platz erklungen sind, weisen den Weg zu der »Größe«, die dem Evangelium entspricht. Es ist der Weg, den Christus selbst bis zum Kreuz gegangen ist; ein Weg der Liebe und des Dienens, der jede menschliche Logik umstürzt. Der Diener aller sein!

Von dieser Logik hat sich Mutter Teresa von Kalkutta, die Gründerin der Missionare und Missionarinnen der Nächstenliebe, leiten lassen, die ich heute zu meiner Freude in das Verzeichnis der Seligen eintragen kann. Ich bin dieser mutigen Frau, deren Nähe ich immer gespürt habe, persönlich dankbar. Als Ikone des barmherzigen Samariters ging sie überall hin, um Christus in den Ärmsten der Armen zu dienen. Nicht einmal Konflikte und Kriege konnten sie aufhalten.

Ab und zu kam sie und erzählte mir von ihren Erfahrungen im Dienst an den Werten des Evangeliums. Ich erinnere mich zum Beispiel an ihre Stellungnahmen für das Leben und gegen die Abtreibung, auch anläßlich der Verleihung des Friedensnobelpreises (Oslo, 10. Dezember 1979). Sie pflegte zu sagen: »Wenn ihr hört, daß eine Frau ihr Kind nicht austragen, sondern abtreiben will, dann versucht sie zu überzeugen, daß sie mir dieses Kind bringt. Ich werde es lieben, weil ich in ihm ein Zeichen der Liebe Gottes sehe.«

2. Ist es nicht bedeutsam, daß ihre Seligsprechung gerade an dem Tag stattfindet, an dem die Kirche den Weltmissionssonntag feiert? Durch ihr Lebenszeugnis erinnert Mutter Teresa alle daran, daß der Evangelisierungsauftrag der Kirche über die Nächstenliebe führt und durch das Gebet und das Hören des Wortes Gottes genährt wird. Symbol dieses missionarischen Stils ist eine Aufnahme, die bei der neuen Seligen erkennbar wird, wenn sie in der einen Hand das Händchen eines Kindes festhält und durch die Finger der anderen Hand den Rosenkranz gleiten läßt.

Kontemplation und Aktion, Evangelisierung und menschliche Förderung. Mutter Teresa verkündet das Evangelium durch ihr ganzes Leben, das sie den Armen gewidmet hat und das zugleich ganz vom Gebet erfüllt war. [Der Heilige Vater wechselte von der italienischen zur englischen Sprache:]

3. »Wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein« (Mc 10,43). Tief bewegt gedenken wir heute Mutter Teresas, einer herausragenden Dienerin der Armen, der Kirche und der ganzen Welt. Ihr Leben ist ein Zeugnis für die Würde und den Vorrang des demütigen Dienstes. Sie wollte nicht nur die Geringste, sondern die Dienerin der Geringsten sein. Wie eine wahre Mutter der Armen beugte sie sich herab zu allen, die unter verschiedenen Formen von Armut leiden. Ihre Größe bestand in der Fähigkeit, zu geben, ohne die Kosten zu berechnen; zu geben, »bis es wehtut«. Ihr Leben war ein radikales Dasein und eine mutige Verkündigung des Evangeliums.

Jesu Ruf am Kreuz: »Mich dürstet!« (Jn 19,28), ein Ausdruck der tiefen Sehnsucht Gottes nach dem Menschen, durchdrang Mutter Teresas Seele und fand in ihrem Herzen fruchtbaren Boden. Den Durst Jesu nach Liebe und nach Seelen in Vereinigung mit Maria, der Mutter Jesu, zu stillen wurde das alleinige Ziel von Mutter Teresas Leben und die innere Kraft, die sie über sich selbst hinauswachsen und über den Globus »eilen« ließ, um für die Rettung und Heiligung der Ärmsten der Armen tätig zu sein.

556 4. »Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan« (Mt 25,40). Dieser Satz aus dem Evangelium, der so entscheidend ist für das Verständnis von Mutter Teresas Dienst an den Armen, war die Grundlage ihrer vom Glauben erfüllten Überzeugung, daß sie, wenn sie den gebrochenen Leib der Armen berührte, den Leib Christi berührte. Ihr Dienst hatte Jesus zum Ziel, der sich unter der leidvollen Maske der Ärmsten der Armen verbirgt. Mutter Teresa erhellt den tiefsten Sinn des Dienens – eine Tat der Liebe für die Hungrigen, die Durstigen, die Fremden, die Nackten, die Kranken und die Gefangenen (vgl. ) ist für Jesus selbst getan.

Mutter Teresa fand ihre tiefste Erfüllung und lebte die edelsten Eigenschaften ihres Frauseins in der vollkommenen Hingabe ihrer selbst an Gott und den Nächsten. Sie wollte ein Zeichen »der Liebe Gottes, der Gegenwart Gottes und der Barmherzigkeit Gottes« sein und alle an den Wert und die Würde jedes Gotteskindes erinnern, das »geschaffen war, zu lieben und geliebt zu werden«. Mutter Teresa »führte also Seelen zu Gott, und den Seelen brachte sie Gott«, und sie stillte den Durst Christi, besonders nach denen in größter Not, nach denen, deren Gottesbild durch Leiden und Schmerzen getrübt war. [Der Papst fuhr auf italienisch fort:]

5. »Der Menschensohn ist gekommen, um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele« (Mc 10,45). Mutter Teresa hat das Leiden des Gekreuzigten geteilt, in besonderer Weise in den langen Jahren »der inneren Finsternis «. Das war manchmal eine harte Prüfung, die sie als ein besonderes »Geschenk und Privileg« angenommen hat.

In den dunkelsten Stunden fand sie mit noch mehr Ausdauer Halt im Gebet vor dem allerheiligsten Altarsakrament. Diese schweren geistlichen Qualen haben sie dazu angeleitet, sich mit allen, denen sie Tag für Tag diente, immer mehr zu identifizieren, indem sie deren Schmerzen und manchmal sogar die Ablehnung erlebte. Sie sagte wiederholt, daß die größte Armut darin bestünde, unerwünscht zu sein und niemanden zu haben, der für einen sorgt.

6. »Laß deine Güte über uns walten, o Herr, denn wir schauen aus nach dir.« Wie oft hat Mutter Teresa in den Momenten innerer Trostlosigkeit wie der Psalmist zum Herrn gesagt: »Auf dich, auf dich, mein Gott, hoffe ich!«

Wir würdigen diese kleine, in Gott verliebte Frau als einfache Botin des Evangeliums und unermüdliche Wohltäterin der Menschheit. Wir ehren in ihr eine der bedeutendsten Persönlichkeiten unserer Zeit. Nehmen wir ihre Botschaft an und folgen wir ihrem Beispiel.

Jungfrau Maria, Königin aller Heiligen, hilf uns, daß wir sanft und demütig von Herzen werden wie diese furchtlose Botin der Liebe. Hilf uns, daß wir jedem Menschen, dem wir begegnen, mit Freude und mit einem Lächeln dienen. Hilf uns, Missionare Christi zu sein, der unser Friede und unsere Hoffnung ist. Amen.



ÖFFENTLICHES KONSISTORIUM

ZUR KREIERUNG NEUER KARDINÄLE

Dienstag, 21. Oktober 2003

Verehrte und liebe Brüder!


1. Die heutige Begegnung ist ein weiterer Augenblick der Gnade in diesen Tagen, die so reich sind an besonderen kirchlichen Ereignissen. Beim gegenwärtigen Konsistorium habe ich die Freude, 30 verdienstvollen Geistlichen das Kardinalsbirett zu überreichen, wobei ich mir den Namen eines weiteren Kardinals »in pectore« vorbehalte. Einige von ihnen gehören zu meinen engen Mitarbeitern in der Römischen Kurie, andere hingegen verrichten ihren Dienst in ehrwürdigen alten oder neu errichteten Kirchen; wiederum andere haben sich durch das Studium und die Verteidigung der katholischen Lehre und im ökumenischen Dialog ausgezeichnet.

Alle und jeden einzelnen grüße ich von ganzem Herzen. Mein besonderer Gruß gilt Erzbischof Jean-Louis Tauran, dem ich für die wohlbedachten Worte danke, die er im Namen der heute in das Kardinalskollegium aufgenommenen Geistlichen an mich gerichtet hat. In tiefer Zuneigung grüße ich auch die Kardinäle, die verehrten Patriarchen, die Bischöfe und Priester, die Ordensleute und die Gläubigen aus aller Welt, die gekommen sind, um sich um jene zu scharen, denen heute die Kardinalswürde verliehen wird.

557 Wie sehr treffend hervorgehoben worden ist, erstrahlt heute auf diesem Platz die um den Nachfolger Petri versammelte alte und stets neue Kirche Christi.

2. Das Kardinalskollegium, das durch neue Mitglieder bereichert wurde und somit die für das christliche Volk bezeichnende Vielfalt der Rassen und Kulturen nun noch besser widerspiegelt, hebt mit neuer Klarheit jene Einheit hervor, die zwischen allen Mitgliedern der Herde Christi und der Kathedra des Bischofs von Rom besteht.

Aufgrund des euch verliehenen »Titels« gehört ihr, verehrte Brüder Kardinäle, dem Klerus dieser Stadt an, deren Bischof der Nachfolger Petri ist. Einerseits erweitert ihr auf diese Weise die kirchliche Gemeinde Roms gewissermaßen bis an die Grenzen der Erde, und andererseits vergegenwärtigt ihr in ihr die Universalkirche. So kommt das Wesen des mystischen Leibes Christi zum Ausdruck, der Familie Gottes, die Völker und Nationen in aller Welt umfaßt und im Band der Liebe und des einen Glaubens zusammenschließt. Bei der Ausübung seines Amtes zählt der Nachfolger des Fischers aus Galiläa auf eure treue Mitarbeit. Er bittet euch, ihn im Gebet zu unterstützen, wenn er den Heiligen Geist anruft, damit die Gemeinschaft derer nie geschwächt werde, die der Herr »der Kirche als Hirten gegeben hat, damit sie ihr vorstehen als Stellvertreter seines Sohnes« (vgl. Römisches Meßbuch, Präfation von den Aposteln I).

3. Das Purpurrot eurer Kardinalsgewänder erinnert an die Farbe des Blutes und verweist auf den Heldenmut der Märtyrer. Es ist das Symbol einer grenzenlosen Liebe zu Jesus und seiner Kirche: Liebe bis hin zum Blutvergießen, »usque ad sanguinis effusionem«.

Groß ist daher das Geschenk, das euch gegeben wurde, und ebenso groß ist die Verantwortung, die es mit sich bringt. In seinem ersten Brief erinnert der Apostel Petrus an die grundlegenden Aufgaben jedes Hirten: »Sorgt als Hirten für die euch anvertraute Herde Gottesseid Vorbilder für die Herde« (). Mit dem Wort und mit dem Zeugnis unseres Lebens müssen wir verkünden, wie auch das Nachsynodale Apostolische Schreiben Pastores gregis hervorhebt, das ich am vergangenen Donnerstag vor vielen von euch unterzeichnet habe. Wenn dies für jeden Hirten zutrifft, gilt es um so mehr für euch, liebe und verehrte Mitglieder des Kardinalskollegiums.

4. In der soeben verkündeten Stelle aus dem Evangelium zeigt Jesus durch sein Beispiel auf, wie dieser Sendungsauftrag ausgeführt werden soll. »… wer bei euch groß sein will«, sagt er zu seinen Jüngern, »der soll euer Diener sein, und wer bei euch der Erste sein will, soll der Sklave sein« (). Doch erst nach seinem Tod erkannten die Apostel die volle Bedeutung dieser Worte, und mit Hilfe des Heiligen Geistes gelang es ihnen, ihre anspruchsvolle »Logik« vollends anzunehmen.

Auf das gleiche Programm weist der Erlöser stets all jene hin, die er durch das Sakrament der Weihe auf enge Weise mit seiner eigenen Sendung verbindet. Er fordert sie auf, sich zu dieser seiner »Logik« zu bekehren, die sich eindeutig von der Logik der Welt unterscheidet: sich selbst verleugnen, um demütige und selbstlose Diener der Brüder zu werden, wobei jegliches Streben nach Karriere und persönlichem Vorteil zu vermeiden ist.

5. Liebe und verehrte Brüder, nur wenn ihr euch zu Dienern aller macht, werdet ihr euren Auftrag erfüllen und dem Nachfolger Petri helfen, seinerseits »Diener der Diener Gottes« zu sein, wie mein Vorgänger, der hl. Gregor der Große, sich zu nennen pflegte.

Zweifellos handelt es sich um ein schwer zu verwirklichendes Ideal, aber der Gute Hirt sichert uns seine Unterstützung zu. Zudem können wir auf den Schutz Marias, der Mutter der Kirche, und der hll. Apostel Petrus und Paulus, Stützpfeiler und Fundament des christlichen Volkes, zählen.

Was mich betrifft, so möchte ich euch erneut meine Wertschätzung bekunden und euch meines ständigen Gebetsgedenkens versichern. Mit Gottes Hilfe möget ihr in den verschiedenen Ämtern, die Er euch anvertraut hat, euer ganzes Leben für die Seelen hingeben.

Allen erteile ich von Herzen meinen Segen.



ÖFFENTLICHES KONSISTORIUM

ZUR KREIERUNG NEUER KARDINÄLE

EUCHARISTIEFEIER MIT DEN NEU KREIERTEN KARDINÄLEN

IN ST. PETER MIT ÜBERREICHUNG DER RINGE


558

Mittwoch, 22. Oktober 2003

1.»Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes« (Mt 16,16).

Wie oft habe ich diese Worte in den 25 Jahren meines Pontifikats wiederholt! Ich habe sie in den wichtigsten Weltsprachen und in vielen Teilen der Erde gesprochen. Der Nachfolger Petri darf in der Tat das Gespräch, das zwischen dem Meister und dem Apostel stattfand, nie vergessen: »Du bist der Messias …«, »Du bist Petrus …«

Aber diesem »Du« geht ein »ihr« voraus: »Ihr aber, für wen haltet ihr mich?« (Mt 16,15). Die Frage Jesu ist an die Schar der Jünger gerichtet, und Simon antwortet im Namen aller. Der erste Dienst, den Petrus und seine Nachfolger der Gemeinschaft der Gläubigen erweisen, ist gerade das: den Glauben an »Christus, den Sohn des lebendigen Gottes«, zu bekennen.

2. »Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes!« Heute erneuern wir das Glaubensbekenntnis des Apostels Petrus in der Basilika, die seinen Namen trägt. In dieser Basilika rufen die Bischöfe von Rom, die in den Jahrhunderten aufeinanderfolgen, die Gläubigen der Stadt und des Erdkreises zusammen und stärken sie in der Wahrheit und Einheit des Glaubens. Aber die Basilika hat zugleich, wie die vorgebauten Kolonnaden des Bernini gut zum Ausdruck bringen, ihre Arme für die ganze Menschheit geöffnet, um gleichsam anzudeuten, daß die Kirche gesandt ist, allen Menschen ohne Ausnahme die Frohe Botschaft zu verkünden.

Einheit und Öffnung, Gemeinschaft und Sendung: Das ist der Lebensatem der Kirche. Und das ist auch die zweifache Dimension des Petrusdienstes, des Dienstes der Einheit und der Sendung. Der Bischof von Rom hat die Freude, diesen Dienst mit den anderen Nachfolgern der Apostel zu teilen, die in dem einen Bischofskollegium um ihn geschart sind.

3. Der alten Tradition folgend, bedient sich der Nachfolger Petri insbesondere der Mitarbeit der Kardinäle. In ihrem Kollegium spiegelt sich die Universalität der Kirche wider, des einen Volkes Gottes, das verwurzelt ist in der Vielfalt der Völker (vgl. Lumen gentium LG 13).

Liebe, verehrte Kardinäle und Brüder, gerne spreche ich euch bei dieser Gelegenheit meinen Dank aus für die wertvolle Hilfe, die ihr mir zuteil werden laßt. Insbesondere möchte ich nun die neuen Mitglieder des Kardinalskollegiums begrüßen. Der Ring, den ich jetzt gleich überreichen werde, verehrte Brüder, ist das Symbol des neuen Bandes, das euch mit der Kirche und dem Papst, ihrem sichtbaren Haupt, eng verbindet.

4. Hören wir zusammen noch einmal die soeben erklungenen Worte des Psalms: »Verherrlicht mit mir den Herrn, laßt uns gemeinsam seinen Namen rühmen« (Ps 34,4).

Es ist eine Einladung zur Freude und zum Lobpreis, die wie konzentrische Kreise an euch ergeht, liebe Kardinäle, Patriarchen, Bischöfe, Priester, Ordensleute und gläubige Laien. Sie bezieht ebenso euch alle mit ein, Männer und Frauen guten Willens, die ihr voll Sympathie auf die Kirche Christi schaut. Zu allen und jedem sage ich nochmals: Verherrlicht mit mir den Namen des Herrn, denn er ist Vater, er ist Liebe, er ist Barmherzigkeit. Verehrte Kardinäle und Brüder, wir sind gerufen, für diesen Namen unser Zeugnis zu geben »usque ad sanguinis effusionem«, bis zum Blutvergießen.

Sollten uns Furcht und Entmutigung überkommen, dann stärkt uns die tröstliche Verheißung des göttlichen Meisters: »In der Welt seid ihr in Bedrängnis; aber habt Mut: Ich habe die Welt besiegt« (Jn 16,33).

559 Jesus hat klar angekündigt, daß die Verfolgung der Apostel und ihrer Nachfolger nichts Außergewöhnliches ist (vgl. ). Daran hat uns auch die Erste Lesung erinnert, als sie die Festnahme und die wunderbare Befreiung des Petrus dargelegt hat.

5. Die Apostelgeschichte unterstreicht, daß, als Petrus im Kerker war, »die Gemeinde inständig für ihn zu Gott betete« (
Ac 12,5). Wieviel Mut vermag das einmütige hilfreiche Gebet des christlichen Volkes einzuflößen! Ich konnte diese Stärkung selbst erfahren.

Das, meine Lieben, ist unsere Stärke. Und das ist einer der Gründe, weshalb ich wollte, daß mein 25. Pontifikatsjahr dem Rosenkranz gewidmet wurde: um den Vorrang des Gebets, vor allem des kontemplativen Gebets, zu unterstreichen, das in geistlicher Vereinigung mit Maria, der Mutter der Kirche, verrichtet wird.

Die ersehnte, erbetene und angenommene Gegenwart Marias helfe uns, auch diesen Gottesdienst als einen Moment zu feiern, in dem sich die Kirche in der Begegnung mit Christus und in der Kraft des Heiligen Geistes erneuert.

Sammeln wir uns um Christus, den lebendigen Stein, hat uns Petrus in der Zweiten Lesung gesagt (vgl. ). Laßt uns neu anfangen bei Ihm, bei Christus, um allen die Wundertaten seiner Liebe zu verkünden. Ohne Angst und ohne Zögern, denn er versichert uns: »Habt Mut, ich habe die Welt besiegt

Ja, Herr, wir vertrauen auf dich, und mit dir setzen wir unseren Weg im Dienst an der Kirche und der Menschheit fort.



EUCHARISTIEFEIER ZUM BEGINN DES AKADEMISCHEN JAHRES

DER KIRCHLICHEN UNIVERSITÄTEN ROMS

PREDIGT VON JOHANNES PAUL II .

Freitag, 24. Oktober 2003

Predigt von Johannes Paul II. am 24. Oktober, verlesen vom Präfekten der Kongregation für das katholische Bildungswesen, Zenon Kardinal Grocholewski


1. »Der Vater unseres Herrn Jesus Christus erleuchte die Augen unseres Herzens, damit wir die Zeichen der neuen Zeiten zu verstehen wissen« (Ruf vor dem Evangelium; vgl. Ep 1,17 ).

Die heutige Liturgie lädt uns ein, Gott zu bitten, unsere Herzen mit dem Licht seiner Gnade zu erleuchten. Das Licht und die Weisheit des Herzens! Dies ist der Königsweg, auf dem wir zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen können. Es ist ein kostbares Gut, um das wir für alle Söhne und Töchter der Kirche beten müssen, damit sie mutig die Herausforderungen unserer Zeit aufzunehmen wissen.

Die Bitte um Licht für unsere Herzen nimmt in dieser unserer liturgischen Versammlung eine ganz besondere Bedeutung an. Denn am heutigen Abend, zu Beginn des Akademischen Jahres, ist die Gemeinschaft der kirchlichen Universitäten Roms um den Altar versammelt. Vor euch, liebe Brüder und Schwestern, liegt ein neues Jahr des Studiums und der Forschung, in dem ihr euch mit Sorgfalt der Vertiefung der Theologie und der anderen Fachbereiche widmen und euch darauf vorbereiten werdet, künftig pastorale Aufgaben und Verantwortungen im Dienst am Volk Gottes zu übernehmen. Verbindet die Mühen des Studiums mit dem Gebet, der Meditation und der ständigen Suche nach dem Willen des Herrn. So werdet ihr leichter die »Zeichen der neuen Zeit« verstehen lernen. Der große Kirchenlehrer Augustinus brachte diese Notwendigkeit durch die folgenden, äußerst aussagekräftigen Worte zum Ausdruck: »Orent ut intelligant – sie mögen beten, um verstehen zu können« (De doctrina christiana III, 56: PL 34,89).

560 2. Erfüllt von diesen Empfindungen, ist es mir eine Freude, meinen herzlichen Willkommensgruß an euch alle zu richten, liebe Brüder und Schwestern, die ihr an dieser Feier teilnehmt. Ich begrüße zunächst Kardinal Zenon Grocholewski, den Präfekten der Kongregation für das katholische Bildungswesen. Zusammen mit ihm grüße ich die Großkanzler und Rektoren der Universitäten, die Mitglieder des akademischen Lehrkörpers und die Rektoren der Seminare und Kollegien.

Ein herzlicher Gedanke gilt jedem von euch, liebe junge Menschen, die ihr in der Stadt Rom studiert, wobei ich mein besonderes Wort der Ermutigung an diejenigen richte, die in diesem Jahr mit dem Studium beginnen. Seid euch bewußt, wie groß das Geschenk ist, das ihr empfangen habt, daß ihr eure kulturelle, menschliche und geistige Ausbildung in der Stadt und der Diözese Rom erhaltet: Ihr kommt das Privileg zu, die Gräber der Apostel Petrus und Paulus, der »Säulen« der Kirche, in Ehren zu halten. Dies gibt euch die Möglichkeit, den weltumspannenden Geist des Sendungsauftrages der Kirche zu vertiefen und aus nächster Nähe wahrzunehmen und vollkommen mit ihrem Lehramt in Übereinstimmung zu gelangen.

3. »Denn ich tue nicht das Gute, das ich will, sondern das Böse, das ich nicht will« (
Rm 7,19). In der Ersten Lesung aus dem Brief an die Römer (vgl. ) unterstreicht der hl. Paulus in einer eindrucksvollen und dramatischen Schilderung die Unfähigkeit des Menschen, das Gute zu tun und das Böse zu meiden. Es gibt aber einen Ausweg: Der Sieg über das Böse wird uns durch die Güte des barmherzigen Gottes geschenkt, der sich vollkommen in Christus offenbart hat. Und gleichsam in einem Überschwang an Freude ruft der Apostel aus: »Dank sei Gott durch Jesus Christus, unseren Herrn!« (Rm 7,25).

Wie Paulus hört auch die Kirche nicht auf, diese großartige »frohe Botschaft« zu verkünden, die allen gilt: Christus ist gestorben und auferstanden, er hat das Böse besiegt und uns von der Sünde befreit. Er ist unsere Rettung.

Diese heilbringende Verkündigung erklingt auch in unserer Zeit ohne Unterlaß und bildet die Herzmitte des Sendungsauftrages der Kirche. Der Mensch sucht – heute ebenso wie in der Vergangenheit – zufriedenstellende Antworten auf die Fragen nach dem Sinn seines Lebens und seines Todes. In der Zeit der theologischen Ausbildung, liebe Studenten, bereitet ihr euch davor vor, Antworten des Glaubens geben zu können. Dies geschehe in einer dem Sprachgebrauch und der Mentalität unserer Zeit entsprechenden Art und Weise. Deshalb soll alles auf diese so hohe Mission hin ausgerichtet sein: Christus und die befreiende Kraft seines Evangeliums zu verkünden.

4. »Das Aussehen der Erde und des Himmels könnt ihr deuten. Warum könnt ihr dann die Zeichen dieser Zeit nicht deuten?« (Lc 12,56). Mit diesen Worten ermahnt uns Jesus, uns mit der Realität unserer Zeit auseinanderzusetzen. Wenn einerseits euer Herz nie von der Kontemplation des Geheimnisses Gottes ablassen darf, ist es andererseits notwendig, daß ihr den Blick auf die Ereignisse der Welt und der Geschichte richtet. Das II. Vatikanische Konzil merkte in diesem Zusammenhang an, daß die Kirche allzeit die Pflicht habe, »nach den Zeichen der Zeit zu forschen und sie im Licht des Evangeliums zu deuten. So kann sie dann in einer jeweils einer Generation angemessenen Weise auf die bleibenden Fragen der Menschen nach dem Sinn des gegenwärtigen und des zukünftigen Lebens und nach dem Verhältnis beider zueinander Antwort geben« (Gaudium et spes GS 4).

Dies soll der Geist sein, mit dem ihr euch in diesen Jahren eurer theologischen und pastoralen Ausbildung dem Studium widmet.

Die Jungfrau Maria, Sitz der Weisheit, wache über eure tägliche Arbeit in den Päpstlichen Universitäten Roms. Sie, die erste Verkünderin des Evangeliums, begleite euch und erbitte euch die Gnade, euch darauf vorzubereiten, wahre Apostel des Evangeliums Jesu Christi zu sein. Amen!



SELIGSPRECHUNG VON FÜNF DIENERN GOTTES

Fest der Weihe der Lateran-Basilika

Sonntag, 9. November 2003

1.»Denn Gottes Tempel ist heilig, und der seid ihr« (1Co 3,17). Erneut hören wir diese Worte des Apostels Paulus in der heutigen feierlichen Liturgie zum Fest des Weihetages der Lateranbasilika, der Kathedrale von Rom und Mutter aller Kirchen.

561 Jeder dem Gottesdienst vorbehaltene Ort ist Zeichen jenes geistigen Tempels, der die Kirche ist. Er besteht aus lebendigen Steinen, das heißt aus den Gläubigen, die durch den einen Glauben, die Teilhabe an den Sakramenten und das Band der Nächstenliebe untereinander verbunden sind. Kostbare Steine dieses geistigen Tempels sind vor allem die Heiligen.

Die Heiligkeit als Frucht des unablässigen Wirkens des Geistes Gottes erstrahlt in den neuen Seligen: Juan Nepomuceno Zegrí y Moreno, Priester; Valentin Paquay, Priester; Luigi Maria Monti, Ordensmann; Bonifacia Rodríguez Castro, Jungfrau; Rosalie Rendu, Jungfrau. [Nach dem Beginn auf italienisch setzte der Papst seine Predigt auf spanisch fort:]

2. Die Auffassung vom Heiligtum, die uns der Prophet Ezechiel in der heutigen Liturgie vorstellt, beschreibt einen Fluß, der vom Tempel ausgeht und Leben, Kraft und Hoffnung bringt: »Wohin der Fluß kommt, dort bleibt alles am Leben« (
Ez 47,9). Dieses Bild veranschaulicht die grenzenlose Güte Gottes und seinen Heilsplan, die über die Mauern des heiligen Bezirks hinausgehen, um zum Segen für die ganze Erde zu werden.

Juan Nepomuceno Zegrí y Moreno, ein rechtschaffener Priester mit einer tiefen eucharistischen Frömmigkeit, erkannte sehr deutlich, daß die Verkündigung des Evangeliums zu einem dynamischen Prozeß werden muß, der das Leben des Apostels zu verwandeln vermag. Als Pfarrer hatte er sich vorgenommen, »zur sichtbaren Vorsehung für all jene zu werden, die ihren Zustand als Waisen beklagen, den bitteren Kelch trinken und sich vom Brot des Kummers nähren« (vgl. 19. Juni 1859).

Mit diesem Vorsatz entfaltete er seine erlösende Spiritualität, die aus seiner innigen Beziehung zu Christus hervorging und auf die Liebe zu den Bedürftigsten hinorientiert war. Bei der Gründung der Mercedarierinnen von der Nächstenliebe war er beseelt von der Verehrung der Muttergottes vom Loskauf der Gefangenen, der Mutter des Erlösers, um die Liebe Gottes immer und überall zu vergegenwärtigen, wo auch nur »ein einziger Schmerz zu lindern, bei einem einzigen Unglück Trost zu spenden und ein wenig Hoffnung in die Herzen einzuflößen« war. Den Spuren des Gründers folgend, widmet sich das Institut auch in unserer Zeit dem Zeugnis und der Förderung der erlösenden Liebe. [Dann sagte Johannes Paul II. auf französisch:]

3. Pater Valentin Paquay ist wahrlich ein Jünger Christi und ein Priester nach dem Herzen Gottes gewesen. Er war ein Apostel der Barmherzigkeit und verbrachte viele Stunden im Beichtstuhl; auch besaß er die besondere Gabe, die Sünder wieder auf den rechten Weg zurückzubringen, indem er die Menschen an die Größe der göttlichen Vergebung erinnerte. Die Feier des eucharistischen Geheimnisses stellte er in den Mittelpunkt seines priesterlichen Lebens, gleichsam als Einladung an die Gläubigen, sich oft der Kommunion, dem Brot des Lebens, zu nähern.

Wie viele andere Heilige hatte sich Pater Valentin schon in jungen Jahren unter den Schutz der Gottesmutter gestellt, die er während seiner Jugendzeit in der Kirche in Tongern als »Ursache unserer Freude« anrief. Seinem Beispiel folgend, sollt ihr euren Brüdern und Schwestern dienen, um ihnen die Freude einer Begegnung mit Christus in der Wahrheit zu schenken! [Der Papst kehrte zur italienischen Sprache zurück:]

4. »Ich sah, wie unter der Tempelschwelle Wasser hervorströmte […] Wohin der Fluß kommt, dort bleibt alles am Leben« (Ez 47,1 Ez 47,9). Das Bild des Wassers, das alles zu neuem Leben erweckt, beschreibt sehr treffend das Dasein des sel. Luigi Maria Monti, der sich vollkommen der Heilung der körperlichen und seelischen Wunden der Kranken und Waisen gewidmet hatte. Er nannte sie gerne »die Armen Christi« und war im Dienst an ihnen von einem lebendigen Glauben beseelt, der von intensivem und ständigem Gebet unterstützt wurde. In seiner Hingabe an das Evangelium orientierte er sich stets am Vorbild der allerseligsten Jungfrau und stellte die von ihm gegründete Kongregation unter den Schutz der Unbefleckten Jungfrau Maria.

Wie aktuell ist doch die Botschaft dieses neuen Seligen! Für seine geistigen Söhne und Töchter wie auch für alle Gläubigen ist er ein Vorbild der Treue gegenüber dem Ruf Gottes und der Verkündigung des Evangeliums der Nächstenliebe; er ist ein Modell der Solidarität gegenüber den Bedürftigen und der liebevollen Hingabe an die Jungfrau Maria. [Johannes Paul II. sagte wieder auf spanisch:]

5. Die Worte Jesu im heute verkündeten Evangelium: »Macht das Haus meines Vaters nicht zu einer Markthalle« (Jn 2,17) stellen die heutige Gesellschaft in Frage, die mitunter versucht ist, alle Dinge als Handelsware und Profit anzusehen und dabei die Werte und die Würde, die keinen Preis haben, außer Acht zu lassen. Da der Mensch Abbild und Wohnstatt Gottes ist, benötigt er eine Läuterung, die ihn schützt, gleich welche soziale Stellung er einnehmen oder welche Arbeit er ausführen mag.

Diesem Aspekt widmete die sel. Bonifacia Rodríguez Castro ihr ganzes Dasein. Da sie selbst Arbeiterin war, wußte sie um die Risiken dieser sozialen Schicht in ihrer Zeit. Im einfachen und verborgenen Leben der Heiligen Familie von Nazaret erkannte sie das Vorbild für eine Spiritualität der Arbeit, die den Menschen adelt und jegliche Tätigkeit, wie einfach sie auch scheinen mag, zu einem gottgefälligen Opfer und einem Werkzeug der Heiligung macht.

562 Diesen Geist hat sie den arbeitenden Frauen vermitteln wollen, zuerst durch die »Asociación Josefina« und dann durch die Gründung der Kongregation der Dienerinnen des hl. Josef, die ihr Werk in der Welt mit Einfachheit, Freude und Opferbereitschaft weiterführen. [Auf französisch fuhr der Papst fort:]

6. In einer von sozialen Konflikten erschütterten Epoche machte sich Rosalie Rendu freudig zur Dienerin der Ärmsten, um jedem von ihnen seine Würde zurückzuerstatten. Dies gelang ihr sowohl durch materielle Hilfe als auch durch die Erziehung und Unterweisung im christlichen Mysterium. Auf diese Weise konnte sie auch Friedrich Ozanam dazu bewegen, sich in den Dienst an den Armen zu stellen.

Ihre Nächstenliebe war erfinderisch. Woher nahm sie die Kraft zur Verwirklichung so vieler Vorhaben? Aus ihrem intensiven Gebetsleben und aus dem unablässigen Beten des Rosenkranzes, den sie nie aus der Hand ließ. Ihr Geheimnis war einfach: Als wahre Tochter des hl. Vinzenz von Paul – und ebenso wie Catherine Labouré, eine weitere Ordensfrau ihrer Zeit – erblickte sie in jedem Menschen das Antlitz Christi.

Laßt uns danken für das Zeugnis der Liebe, das die Familie des hl. Vinzenz unserer Welt nach wie vor gibt! [Johannes Paul II. schloß auf italienisch:]

7. »Er aber meinte den Tempel seines Leibes« (
Jn 2,21). Diese Worte lassen an das Mysterium des Todes und der Auferstehung Christi denken. Alle Glieder der Kirche haben sich am gekreuzigten und auferstandenen Christus auszurichten. Bei dieser anspruchsvollen Aufgabe unterstützt und führt uns Maria, die Mutter Christi und unsere Mutter.

Unsere Fürsprecher sind die neuen Seligen, die wir heute in der himmlischen Herrlichkeit betrachten. Auch uns sei es gegeben, uns eines Tages alle im Paradies wiederzusehen, damit wir gemeinsam die Freude im ewigen Leben kosten. Amen!



Nach dem Gottesdienst sagte Johannes Paul II. in verschiedenen Sprachen:

Zum Schluß dieser Feier möchte ich die hier versammelten Pilger grüßen. Ich begrüße die französischsprachigen Pilger, die zur Seligsprechung von Pater Valentin Paquay und Schwester Rosalie Rendu angereist sind, vor allem die Mitglieder ihrer Ordensfamilien, die Bischöfe und alle, die in der bürgerlichen Gesellschaft Verantwortung tragen.

Herzlich begrüße ich die Bischöfe, die Priester und Gläubigen aus dem spanischen Sprachraum, wie auch die Vertreter der zivilen Autoritäten, die an der Seligsprechung von Juan Nepomuceno Zegrí und Mutter Bonifacia Rodriguez teilgenommen haben.

Ganz besonders grüße ich die Mercedarierinnen von der Nächstenliebe und die Dienerinnen des hl. Josef. Mein Gruß gilt den Pilgern aus Italien und aus anderen Ländern, darunter insbesondere den Söhnen der Unbefleckten Empfängnis, die sich heute über die Seligsprechung ihres Gründers Luigi Maria Monti freuen. Außerdem danke ich den Bischöfen und den Vertretern der weltlichen Institutionen für ihre Anwesenheit.

Wir wenden uns nun im Gebet an Maria, Königin der Heiligen und Vorbild der Christen.



Predigten 1978-2005 550