Brief an die Familien 17

Die Familie und die Gesellschaft


17 Die Familie ist eine Gemeinschaft von Personen, die kleinste soziale Zelle und als solche eine für das Leben jeder Gesellschaft fundamentale Institution.

Was erwartet die Familie als Institution von der Gesellschaft? Vor allem in ihrer Identität anerkannt und in ihrer sozialen Subjektivität angenommen zu werden. Diese Subjektivität ist an die Identität gebunden, die der Ehe und der Familie eigen ist. Die Ehe, die der Familie als Institution zugrunde liegt, wird durch den Bund hergestellt, mit dem »Mann und Frau unter sich die Gemeinschaft des ganzen Lebens begründen, welche durch ihre natürliche Eigenart auf das Wohl der Ehegatten und auf die Zeugung und die Erziehung von Nachkommenschaft hingeordnet ist«.40 Nur eine solche Verbindung kann als »Ehe« in der Gesellschaft anerkannt und bestätigt werden. Nicht können dies die anderen zwischenmenschlichen Verbindungen, die den oben in Erinnerung gebrachten Bedingungen nicht entsprechen, auch wenn sich heute über diesen Punkt Tendenzen verbreiten, die für die Zukunft der Familie und selbst der Gesellschaft sehr gefährlich sind.

Keine menschliche Gesellschaft darf sich in Grundfragen, die das Wesen der Ehe und Familie betreffen, in die Gefahr des Permissivismus begeben! Ein ähnlicher moralischer Permissivismus mub den authentischen Erfordernissen des Friedens und der Gemeinschaft unter den Menschen Schaden zufügen. Es ist somit begreiflich, warum die Kirche die Authentizität der Familie verteidigt und die zuständigen Institutionen, insbesondere die verantwortlichen Politiker, wie auch die internationalen Organisationen dazu anregt, nicht der Versuchung einer scheinbaren und falschen Modernität nachzugeben.

Als Liebes- und Lebensgemeinschaft ist die Familie eine tief verwurzelte soziale Realität und in ganz besonderer Weise eine, wenn auch in verschiedener Hinsicht bedingte, souveräne Gesellschaft. Die Bejahung der Souveränität der Institution Familie und die Anerkennung ihrer vielfältigen Bedingtheiten veranlabt dazu, von den Rechten der Familie zu reden. Diesbezüglich hat der Heilige Stuhl im Jahre 1983 die Charta der Familienrechte veröffentlicht, die auch heute ihre ganze Aktualität behält. Die Rechte der Familie sind eng verknüpft mit den Menschenrechten: Wenn nämlich die Familie Personengemeinschaft ist, so hängt ihre Selbstverwirklichung ganz mabgebend von der gerechten Anwendung der Rechte der sie bildenden Personen ab. Einige dieser Rechte betreffen unmittelbar die Familie, wie das Recht der Eltern auf verantwortete Zeugung und Erziehung des Nachwuchses; andere Rechte hingegen betreffen auf nur indirekte Weise den Familienkern: darunter sind von besonderer Bedeutung: das Recht auf Eigentum, besonders auf das sogenannte Familieneigentum, und das Recht auf Arbeit.

Die Rechte der Familie sind jedoch nicht einfach die mathematische Summe der Rechte der Personen, ist doch die Familie etwas mehr als die Summe ihrer einzeln genommenen Mitglieder. Sie ist Gemeinschaft von Eltern und Kindern; mitunter Gemeinschaft mehrerer Generationen. Darum schafft ihre Subjektivität, die sich auf der Grundlage des Planes Gottes aufbaut, die Grundlage ihrer eigenen und spezifischen Rechte und fordert sie. Die Charta der Familienrechte, ausgehend von den genannten Moralprinzipien, festigt die Existenz der Institution Familie innerhalb der Sozial- und Rechtsordnung der »groben« Gesellschaft: der Nation, des Staates und der internationalen Gemeinschaften. Jede dieser »groben« Gesellschaften ist zumindest indirekt von der Existenz der Familie abhängig und beeinflubt; deshalb ist die Definition von Aufgaben und Pflichten der »groben« Gesellschaft gegenüber der Familie eine äuberst wichtige und wesentliche Frage.

An erster Stelle steht die nahezu organische Bindung zwischen Familie und Nation. Natürlich kann man nicht in jedem Fall von Nation im eigentlichen Sinn sprechen. Dennoch gibt es ethnische Gruppen, die sich zwar nicht als wirkliche Nationen betrachten können, aber in gewissem Mabe die Funktion einer »groben« Gesellschaft erfüllen. Sowohl bei der einen wie bei der anderen Annahme beruht die Bindung der Familie zur ethnischen Gruppe oder zur Nation vor allem auf der Teilnahme an der Kultur. Die Eltern zeugen die Kinder gewissermaben auch für die Nation, weil sie deren Mitglieder sind und an ihrem Geschichts- und Kulturerbe teilhaben. Von Anfang an zeichnet sich die Identität der Familie gewissermaben auf Grund der Identität der Nation ab, der sie angehört.

Durch ihre Teilhabe am Kulturerbe der Nation trägt die Familie zu jener besonderen Souveränität bei, die ihrer Kultur und Sprache entspringt. Ich habe über dieses Thema vor der UNESCO-Vollversammlung in Paris im Jahr 1980 gesprochen und bin darauf in Anbetracht seiner unzweifelhaften Bedeutung später wiederholt zurückgekommen. Über die Kultur und die Sprache findet nicht nur die Nation, sondern jede Familie zu ihrer geistigen Souveränität. Anders lieben sich viele Ereignisse der Geschichte der Völker, insbesondere der europäischen, schwer erklären; alte und moderne, herausragende und schmerzliche Geschehnisse, Siege und Niederlagen, an denen sichtbar wird, wie organisch die Familie an die Nation und die Nation an die Familie gebunden ist. Gegenüber dem Staat ist diese Bindung der Familie zum Teil ähnlich und zum Teil andersartig. Der Staat unterscheidet sich nämlich von der Nation durch seine weniger »familiäre« Struktur, die wie ein politisches System und eher »bürokratisch« organisiert ist. Nichtsdestoweniger besitzt auch das staatliche System in gewissem Sinn seine »Seele« in dem Mabe, in dem es seinem Wesen als rechtlich geordnete »politische Gemeinschaft« in Hinordnung auf das Gemeinwohl entspricht.41 Mit dieser »Seele« steht die Familie in engem Zusammenhang, die mit dem Staat eben kraft des Subsidiaritätsprinzips verbunden ist. Die Familie ist in der Tat eine soziale Wirklichkeit, die nicht über alle für die Realisierung ihrer Ziele, auch im Bereich von Unterricht und Erziehung, notwendigen Mittel verfügt. Der Staat ist daher aufgerufen, entsprechend dem erwähnten Prinzip zu intervenieren: Dort, wo die Familie sich selbst genügt, soll man sie selbständig handeln lassen; ein überzogenes Eingreifen des Staates würde sich als schädlich und über eine Mibachtung hinaus als eine offene Verletzung der Rechte der Familie erweisen; nur dort, wo sie selbst wirklich nicht hinreichend ist, hat der Staat die Möglichkeit und die Pflicht zum Eingreifen.

Abgesehen vom Bereich der Erziehung und des Unterrichts auf allen Stufen findet die staatliche Hilfe, die Initiativen von Privaten jedenfalls nicht ausschlieben darf, zum Beispiel in den Einrichtungen ihren Ausdruck, deren Ziel und Zweck es ist, das Leben und die Gesundheit der Bürger zu schützen, und besonders in den die Arbeitswelt betreffenden Vorsorgemabnahmen. Die Arbeitslosigkeit stellt in unseren Tagen eine der ernstesten Bedrohungen für das Familienleben dar und erfüllt zu Recht alle Gesellschaften mit Sorge. Sie stellt eine Herausforderung für die Politik der einzelnen Staaten und einen Gegenstand aufmerksamen Nachdenkens für die Soziallehre der Kirche dar. Es ist daher unerläblicher und dringender denn je, hier mit mutigen Lösungen Abhilfe zu schaffen, die auch über nazionale Grenzen hinauszublicken verstehen zu den vielen Familien, für die das Fehlen von Arbeit zu einem dramatischen Elend wird.42

Wenn von der Arbeit in bezug auf die Familie gesprochen wird, ist es richtig, die Bedeutung und die Belastung der Arbeitstätigkeit der Frauen innerhalb der Kernfamilie hervorzuheben:43 Sie mübte in höchstem Mabe anerkannt und aufgewertet werden. Die »Mühen« der Frau, die, nachdem sie ein Kind zur Welt gebracht hat, dieses nährt und pflegt und sich besonders in den ersten Jahren um seine Erziehung kümmert, sind so grob, dab sie den Vergleich mit keiner Berufsarbeit zu fürchten brauchen. Das wird klar anerkannt und nicht weniger geltend gemacht als jedes andere mit der Arbeit verbundene Recht. Die Mutterschaft und all das, was sie an Mühen mit sich bringt, mub auch eine ökonomische Anerkennung erhalten, die wenigstens der anderer Arbeiten entspricht, von denen die Erhaltung der Familie in einer derart heiklen Phase ihrer Existenz abhängt.

Es mub jede Anstrengung unternommen werden, damit sie als anfängliche Gesellschaft und in gewissem Sinn als »souverän« anerkannt wird! Ihre »Souveränität« ist für das Wohl der Gesellschaft unerläblich. Eine wahrhaft souveräne und geistig starke Nation besteht immer aus starken Familien, die sich ihrer Berufung und ihrer Sendung in der Geschichte bewubt sind. Die Familie steht im Zentrum aller dieser Probleme und Aufgaben: Sie in eine untergeordnete und nebensächliche Rolle zu versetzen, sie aus der ihr in der Gesellschaft gebührenden Stellung auszuschlieben, heibt, dem echten Wachstum des gesamten Sozialgefüges einen schweren Schaden zufügen.

II.


DER BRÄUTIGAM IST BEI EUCH


Zu Kana in Galiläa


18 Im Gespräch mit den Jüngern des Johannes spielt Jesus eines Tages auf die Einladung zu einer Hochzeit und auf die Anwesenheit des Bräutigams unter den Hochzeitsgästen an: »Der Bräutigam ist bei ihnen« (Mt 9,15). Er wies so auf die Erfüllung des Bildes vom göttlichen Bräutigam in seiner Person hin, das bereits im Alten Testament benutzt wurde, um das Geheimnis Gottes als Geheimnis der Liebe vollkommen zu enthüllen.

Dadurch, dab er sich als »Bräutigam« bezeichnete, enthüllt Jesus also das Wesen Gottes und bekräftigt seine unendliche Liebe zum Menschen. Doch wirft die Wahl dieses Bildes indirekt auch ein Licht auf die tiefe Wahrheit der ehelichen Liebe. Während er es in der Tat dazu benutzt, um von Gott zu sprechen, zeigt Jesus, wieviel Väterlichkeit und wieviel Liebe Gottes sich in der Liebe eines Mannes und einer Frau widerspiegeln, die sich in der Ehe vereinen. Dazu ist Jesus am Beginn seiner Sendung in Kana in Galiläa, um zusammen mit Maria und den ersten Jüngern an einem Hochzeitsmahl teilzunehmen (vgl. ). Er will auf diese Weise zeigen, wie tief die Wahrheit der Familie in die Offenbarung Gottes und in die Heilsgeschichte eingeschrieben ist. Im Alten Testament und besonders bei den Propheten stehen sehr schöne Worte über die Liebe Gottes: eine zuvorkommende Liebe wie diejenige einer Mutter zu ihrem Kind, zartfühlend wie die des Bräutigams zur Braut, aber gleichzeitig ebenso zutiefst eifersüchtig; nicht in erster Linie eine Liebe, die bestraft, sondern vergibt; eine Liebe, die sich, wie die zwischen dem Vater und dem verschwenderischen Sohn, zum Menschen hinabbeugt und ihn aufrichtet, indem sie ihn am göttlichen Leben teilhaben läbt. Eine Liebe, die in Erstaunen versetzt: eine Neuheit, die der ganzen heidnischen Welt bis dahin unbekannt gewesen war.

In Kana in Galiläa ist Jesus Verkünder der göttlichen Wahrheit über die Ehe; der Wahrheit, auf die sich die menschliche Familie stützen und von der sie sich gegen alle Prüfungen des Lebens stärken lassen kann. Jesus verkündet diese Wahrheit mit seiner Anwesenheit bei der Hochzeit von Kana und durch das erste von ihm gewirkte »Zeichen«: das zu Wein verwandelte Wasser.

Wiederum verkündet er die Wahrheit über die Ehe, als er im Gespräch mit den Pharisäern diesen erklärt, dab die Liebe, die von Gott ist, die zarte und bräutliche Liebe, Quelle von grundlegenden und tiefgreifenden Anforderungen ist. Weniger anspruchsvoll war Mose gewesen, der erlaubt hatte, eine Scheidungsurkunde auszustellen. Als sich die Pharisäer in der bekannten Auseinandersetzung auf Mose berufen, antwortet Christus entschieden: »Im Anfang war das nicht so« (Mt 19,8). Und er ruft ihnen in Erinnerung: Der Schöpfer des Menschen hat diesen als Mann und Frau geschaffen und bestimmt: »Darum verläbt der Mann Vater und Mutter und bindet sich an seine Frau, und die zwei werden ein Fleisch« (Gn 2,24). Mit logischer Konsequenz zieht Christus den Schlub: »Sie sind also nicht mehr zwei, sondern eins. Was aber Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen« (Mt 19,6). Auf den Einwand der Pharisäer, die sich auf das mosaische Gesetz stützen, antwortet er: »Nur weil ihr so hartherzig seid, hat Mose euch erlaubt, eure Frauen aus der Ehe zu entlassen. Am Anfang war das nicht so« (Mt 19,8).

Jesus beruft sich auf den »Anfang« und findet in den Ursprüngen der Schöpfung selbst den Plan Gottes wieder, auf den sich die Familie und durch sie die gesamte Geschichte der Menschheit stützt. Die natürliche Wirklichkeit der Ehe wird nach dem Willen Christi zum wahren und eigentlichen Sakrament des Neuen Bundes, das mit dem Siegel des Blutes des Erlösers Christus versehen ist. Eheleute und Familien, erinnert euch, um welchen Preis ihr »erkauft« worden seid! (vgl. 1Co 6,20).

Es ist jedoch von seiten des Menschen her schwer, diese wunderbare Wahrheit aufzunehmen und zu leben. Wie sollte man sich darüber wundern, dab Mose den Forderungen seiner Landsleute nachgab, wenn selbst die Apostel, als sie die Worte des Meisters hörten, antworteten: »Wenn das die Stellung des Mannes in der Ehe ist, dann ist es nicht gut zu heiraten« (Mt 19,10)! Trotzdem bekräftigt Jesus, um des Wohles des Mannes und der Frau, der Familie und der ganzen Gesellschaft willen, die von Gott von Anfang an gestellte Forderung. Gleichzeitig jedoch nimmt er die Gelegenheit wahr, um den Wert der Entscheidung zur Ehelosigkeit im Hinblick auf das Reich Gottes geltend zu machen: Auch diese Entscheidung läbt »Zeugung« zu, wenn auch auf andere Art. Von dieser Entscheidung nehmen das geweihte Leben, die Orden und die religiösen Kongregationen im Orient und im Abendland ebenso ihren Ausgang wie die Regelung des priesterlichen Zölibats gemäb der Tradition der lateinischen Kirche. Es ist also nicht wahr, dab »es nicht gut ist zu heiraten«, aber die Liebe für das Himmelreich kann einen auch dazu bringen, nicht zu heiraten (vgl. Mt Mt 19,12).

Zu heiraten bleibt dennoch die gewöhnliche Berufung des Menschen, die vom gröbten Teil des Gottesvolkes wahrgenommen wird. In der Familie bilden sich die lebendigen Steine des geistigen Hauses heraus, von denen der Apostel Petrus spricht (vgl. 1P 2,5). Die Körper der Eheleute sind Wohnstatt des Heiligen Geistes (vgl. 1Co 6,19). Da die Weitergabe des göttlichen Lebens jene des menschlichen Lebens voraussetzt, werden in der Ehe nicht nur die Kinder der Menschen geboren, sondern kraft der Taufe auch Adoptivkinder Gottes, die von dem neuen Leben leben, das sie von Christus durch seinen Geist empfangen.

Auf diese Weise, liebe Brüder und Schwestern, Eheleute und Eltern, ist der Bräutigam bei euch. Ihr wibt, dab Er der Gute Hirte ist, und ihr kennt seine Stimme. Ihr wibt, wohin Er euch führt, wie Er kämpft, um euch die Weiden zu verschaffen, auf denen ihr das Leben findet und es in Fülle findet; ihr wibt, dab Er sich den raubgierigen Wölfen entgegenstellt, stets bereit, ihrem Rachen die Schafe zu entreiben: jeden Ehemann und jede Ehefrau, jeden Sohn und jede Tochter, jedes Mitglied eurer Familien. Ihr wibt, dab Er als Guter Hirte bereit ist, sein Leben hinzugeben für die Herde (vgl. Joh Jn 10,11). Er führt euch Wege, die nicht jene abschüssigen und heimtückischen vieler moderner Ideologien sind; Er wiederholt die Wahrheit unverkürzt für die heutige Welt, so wie Er sich an die Pharisäer wandte, wie Er sie den Aposteln verkündete, die sie dann in der Welt verkündeten, indem sie sie den Menschen ihrer Zeit, Juden wie Griechen, verkündeten. Die Jünger waren sich wohl bewubt, dab Christus alles neu gemacht hatte; dab der Mensch zu einer »neuen Schöpfung« geworden war: nicht mehr Jude und Grieche, nicht mehr Sklave und Freier, nicht mehr Mann und Frau, sondern »einer« in Ihm (vgl. Gal Ga 3,28), ausgezeichnet mit der Würde eines Adoptivkindes Gottes. Am Pfingsttag hat dieser Mensch den Tröstergeist, den Geist der Wahrheit, empfangen; so begann das neue Volk Gottes, die Kirche, als Vorwegnahme eines neuen Himmels und einer neuen Erde (vgl. Offb Ap 21,1).

Die Apostel, die zuerst auch in bezug auf Ehe und Familie ängstlich gewesen waren, sind mutig geworden. Sie haben begriffen, dab Ehe und Familie eine echte, von Gott selbst stammende Berufung darstellen, ein Apostolat sind: das Apostolat der Laien. Sie dienen der Umgestaltung der Erde und der Erneuerung der Welt, der Schöpfung und der gesamten Menschheit.

Liebe Familien, auch ihr mübt mutig sein, stets bereit, Zeugnis zu geben von jener Hoffnung, die euch erfüllt (vgl. 1P 3,15), weil sie euch vom Guten Hirten durch das Evangelium ins Herz gepflanzt wurde. Ihr mübt bereit sein, Christus zu jenen Weiden zu folgen, die das Leben geben und die Er selbst mit dem österlichen Geheimnis seines Todes und seiner Auferstehung bereitet hat.

Habt keine Angst vor Gefahren! Die göttlichen Kräfte sind weitaus mächtiger als eure Schwierigkeiten! Unermeblich gröber als das Böse, das in der Welt Fub fabt, ist die Wirksamkeit des Sakraments der Wiederversöhnung, das von den Kirchenvätern nicht zufällig »zweite Taufe« genannt wird. Viel ausgeprägter als die Verderbtheit, die in der Welt gegenwärtig ist, ist die göttliche Kraft des Sakraments der Firmung, die die Taufe zur Reifung bringt. Unvergleichlich gröber ist vor allem die Macht der Eucharistie.

Die Eucharistie ist ein wahrhaft wunderbares Sakrament. In ihm hat Christus sich selbst uns als Speise und Trank, als Quelle heilbringender Kraft hinterlassen. Er hat sich selbst uns hinterlassen, damit wir das Leben haben und es in Fülle haben (vgl. Joh Jn 10,10): das Leben, das in Ihm ist und das Er uns mit der Gabe des Heiligen Geistes in der Auferstehung am dritten Tag nach seinem Tod mitgeteilt hat. Denn das Leben, das von Ihm kommt, ist in der Tat für uns. Es ist für euch, liebe Eheleute, Eltern und Familien! Hat Er die Eucharistie beim Letzten Abendmahl nicht in einer familiären Umgebung eingesetzt? Wenn ihr euch zu den Mahlzeiten trefft und untereinander einig seid, ist Christus bei euch. Und noch mehr ist Er der Emmanuel, der Gott mit uns, wenn ihr euch zum eucharistischen Mahl begebt. Es kann geschehen, dab man Ihn, wie in Emmaus, erst »beim Brechen des Brotes« erkennt (vgl. Lk Lc 24,35). Es kommt auch vor, dab Er lange vor der Tür steht und anklopft in Erwartung, dab Ihm die Tür geöffnet werde, damit Er eintreten und mit uns Mahl halten kann (vgl. Offb Ap 3,20). Sein letztes Abendmahl und die dabei gesprochenen Worte bewahren die ganze Macht und Weisheit des Opfers am Kreuz. Es gibt keine andere Macht und keine andere Weisheit, durch die wir gerettet werden können und durch die wir zur Rettung der anderen beitragen können. Es gibt keine andere Macht und keine andere Weisheit, durch die ihr, Eltern, eure Kinder und auch euch selbst erziehen könnt. Die erzieherische Macht der Eucharistie hat sich durch die Generationen und Jahrhunderte hindurch bestätigt.

Der Gute Hirte ist überall bei uns. Wie er in Kana in Galiläa als Bräutigam unter den Brautleuten anwesend war, die sich einander für das ganze Leben anvertrauten, so ist der Gute Hirte heute bei euch als Grund der Hoffnung, als Kraft der Herzen, als Quelle immer neuer Begeisterung und als Zeichen für den Sieg der »Zivilisation der Liebe«. Jesus, der Gute Hirte, wiederholt für uns: Fürchtet euch nicht. Ich bin bei euch. »Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt« (Mt 28,20). Woher soviel Kraft nehmen? Woher die Gewibheit nehmen, dab du bei uns bist, obwohl sie dich, Sohn Gottes, getötet haben und du gestorben bist wie jedes andere Menschenwesen? Woher diese Gewibheit? Der Evangelist sagt: »Er liebte sie bis zur Vollendung« (Jn 13,1). Du liebst uns also, Du bist der Erste und der Letzte, der Lebendige; Du warst tot und lebst nun in alle Ewigkeit (vgl. ).

Das tiefe Geheimnis


19 Der hl. Paulus fabt das Thema Familienleben mit dem Wort: »tiefes Geheimnis« (Ep 5,32) zusammen. Was er im Brief an die Epheser über dieses »tiefe Geheimnis« schreibt, stellt, auch wenn es im Buch Genesis und in der gesamten Tradition des Alten Testamentes verwurzelt ist, dennoch einen neuen Ansatz dar, der sodann im Lehramt der Kirche seinen Niederschlag finden wird.

Die Kirche bekennt, dab die Ehe als Sakrament des Bundes der Ehegatten ein »tiefes Geheimnis« ist, da sich in ihr die bräutliche Liebe Christi zu seiner Kirche ausdrückt. Der hl. Paulus schreibt: »Ihr Männer, liebt eure Frauen, wie Christus die Kirche geliebt und sich für sie hingegeben hat, um sie im Wasser und durch das Wort rein und heilig zu machen« (). Der Apostel spricht hier von der Taufe, die er im Brief an die Römer ausführlich behandelt und die er als Teilhabe am Tod Christi vorstellt, um sein Leben zu teilen (vgl. ). In diesem Sakrament wird der Gläubige als ein neuer Mensch geboren, da der Taufe die Kraft innewohnt, ein neues Leben, das Leben Gottes, selbst zu vermitteln. Das göttlich- menschliche Geheimnis wird in gewissem Sinne im Taufereignis zusammengefabt: »Christus Jesus, unser Herr, Sohn Gottes – werden später der hl. Irenäus und viele andere Kirchenväter im Osten und im Westen sagen –, ist Menschensohn geworden, damit der Mensch Sohn Gottes werden kann.«44

Der Bräutigam ist also derselbe Gott, der Mensch geworden ist. Im Alten Bund stellt sich Jahwe als Bräutigam Israels, des auserwählten Volkes, vor: ein zartfühlender und anspruchsvoller, eifersüchtiger und treuer Bräutigam. Alle Fälle vom Verrat, von der Abtrünnigkeit und dem Götzendienst Israels, die von den Propheten mit eindrucksvoller Dramatik beschrieben werden, bringen es nicht zuwege, die Liebe auszulöschen, mit der der Gott-Bräutigam »bis zur Vollendung liebt« (vgl. Joh Jn 13,1).

Die Bestätigung und die Erfüllung der bräutlichen Gemeinschaft zwischen Gott und seinem Volk ereignet sich in Christus, im Neuen Bund. Christus versichert uns, dab der Bräutigam bei uns ist (vgl. Mt Mt 9,15). Er ist bei uns allen, Er ist bei der Kirche. Die Kirche wird zur Braut: Braut Christi. Diese Braut, von der der Epheserbrief spricht, vergegenwärtigt sich in jedem Getauften und ist wie eine Person, die vor dem Blick ihres Bräutigams erscheint: » . . . Wie Christus die Kirche geliebt und sich für sie hingegeben hat ( . . .). So will er die Kirche herrlich vor sich erscheinen lassen, ohne Flecken, Falten oder andere Fehler; heilig soll sie sein und makellos« (). Die Liebe, mit welcher der Bräutigam der Kirche »seine Liebe bis zur Vollendung erwies«, bewirkt, dab sie je neu heilig ist in ihren Heiligen, auch wenn sie weiterhin eine Kirche von Sündern ist. Auch die Sünder, »die Zöllner und Dirnen«, sind zur Heiligkeit berufen, wie Christus selbst im Evangelium bezeugt (vgl. Mt Mt 21,31). Alle sind dazu berufen, herrliche, heilige und makellose Kirche zu werden. »Seid heilig – sagt der Herr –, weil ich heilig bin« (Lv 11,44 vgl. 1P 1,16).

Das ist die erhabenste Dimension des »tiefen Geheimnisses«, die innere Bedeutung der sakramentalen Hingabe in der Kirche, der tiefste Sinn von Taufe und Eucharistie. Sie sind die Früchte der Liebe, mit der der Bräutgam geliebt hat bis zur Vollendung; Liebe, die sich ständig ausweitet, indem sie die Menschen mit wachsender übernatürlicher Teilhabe am göttlichen Leben beschenkt.

Nachdem der hl. Paulus gesagt hat: »Ihr Männer, liebt eure Frauen« (Ep 5,25), fügt er mit noch gröberer Nachdrücklichkeit hinzu: »Darum sind die Männer verpflichtet, ihre Frauen so zu lieben wie ihren eigenen Leib. Wer seine Frau liebt, liebt sich selbst. Keiner hat je seinen eigenen Leib gehabt, sondern er nährt und pflegt ihn, wie auch Christus die Kirche. Denn wir sind Glieder seines Leibes« (). Und er ermahnt die Eheleute mit den Worten: »Einer ordne sich dem andern unter in der gemeinsamen Ehrfurcht vor Christus« (Ep 5,21).

Das ist gewib eine neue Darstellung der ewigen Wahrheit über die Ehe und die Familie im Lichte des Neuen Bundes. Christus hat sie geoffenbart im Evangelium, mit seiner Anwesenheit in Kana in Galiläa, mit dem Opfer am Kreuz und den Sakramenten seiner Kirche. Die Eheleute finden somit in Christus den Bezugspunkt ihrer ehelichen Liebe. Wenn der hl. Paulus von Christus als dem Bräutigam der Kirche spricht, nimmt er in analoger Weise auf die eheliche Liebe Bezug; er bezieht sich auf das Buch Genesis: »Darum verläbt der Mann Vater und Mutter und bindet sich an seine Frau, und die zwei werden ein Fleisch« (Gn 2,24). Das ist das »tiefe Geheimnis« der ewigen Liebe, die bereits vor der Schöpfung gegenwärtig war, in Christus geoffenbart und der Kirche anvertraut wurde. »Dies ist ein tiefes Geheimnis – sagt der Apostel –; ich beziehe es auf Christus und auf die Kirche« (Ep 5,32). Man kann daher die Kirche nicht als mystischen Leib Christi, als Zeichen des Bundes des Menschen mit Gott in Christus, als universales Sakrament des Heiles verstehen, ohne sich auf das »tiefe Geheimnis« zu beziehen, das mit der Erschaffung des Menschen als Mann und Frau und mit der Berufung der beiden zur ehelichen Liebe, zur Elternschaft verbunden ist. Das »tiefe Geheimnis«, das die Kirche und das Menschsein in Christus ist, existiert nicht ohne das »tiefe Geheimnis«, das in dem »ein Fleisch sein« (vgl. Gn 2,24), das heibt in der Wirklichkeit der Ehe und Familie, zum Ausdruck kommt.

Die Familie selbst ist das tiefe Geheimnis Gottes. Als »Hauskirche« ist sie die Braut Christi. Die Universalkirche und in ihr jede Teilkirche enthüllt sich ganz unmittelbar als Braut Christi in der »Hauskirche« und in der in ihr gelebten Liebe: eheliche Liebe, elterliche Liebe, geschwisterliche Liebe, Liebe einer Gemeinschaft von Personen und Generationen. Ist etwa die menschliche Liebe ohne den Bräutigam und ohne die Liebe denkbar, mit der Er zuerst geliebt hat bis zur Vollendung? Nur wenn sie an dieser Liebe und an diesem »tiefen Geheimnis« teilnehmen, können die Eheleute lieben »bis zur Vollendung«: Entweder werden sie zu Teilhabern an dieser Liebe, oder sie lernen nicht bis ins Innerste kennen, was die Liebe ist und wie radikal ihre Anforderungen sind. Das stellt zweifellos eine grobe Gefahr für sie dar.

Die Lehre des Epheserbriefes versetzt uns wegen ihrer Tiefgründigkeit und wegen ihrer ethischen Kraft in Erstaunen. Indem er die Ehe und indirekt die Familie als das »tiefe Geheimnis« in bezug auf Christus und auf die Kirche bezeichnet, kann der Apostel Paulus noch einmal bekräftigen, was er vorher zu den Ehemännern gesagt hatte: »Jeder von euch liebe seine Frau wie sich selbst!« Dann fügt er hinzu: »Die Frau aber ehre den Mann!« (Ep 5,33). Sie ehrt ihn, weil sie ihn liebt und sich wieder geliebt weib. Kraft solcher Liebe werden sich die Eheleute gegenseitig zum Geschenk. In der Liebe ist die Anerkennung der persönlichen Würde des anderen und seiner unwiederholbaren Einzigartigkeit enthalten: Tatsächlich wurde jeder von ihnen als menschliches Wesen unter allen Kreaturen auf Erden von Gott um seiner selbst willen gewollt;45 jeder macht sich jedoch mit dem bewubten und verantwortlichen Akt selbst und aus freien Stücken zum Geschenk an den anderen und an die vom Herrn empfangenen Kinder. Bezeichnenderweise fährt der hl. Paulus in seiner Ermahnung fort, indem er einen Zusammenhang zum vierten Gebot herstellt: »Ihr Kinder, gehorcht euren Eltern, wie es vor dem Herrn recht ist. Ehre deinen Vater und deine Mutter: Das ist ein Hauptgebot, und ihm folgt die Verheibung: damit es dir gut geht und du lange lebst auf der Erde. Ihr Väter, reizt eure Kinder nicht zum Zorn, sondern erzieht sie in der Zucht und Weisung des Herrn!« (). Der Apostel sieht also im vierten Gebot folgerichtig den Auftrag zu gegenseitiger Achtung zwischen Ehemann und Ehefrau, zwischen Eltern und Kindern und erkennt so in ihm das Prinzip der gefestigten Geschlossenheit der Familie.

Die wunderbare paulinische Synthese über das »tiefe Geheimnis« stellt sich gewissermaben als Zusammenfassung, als Summe der Lehre über Gott und den Menschen dar, die Christus zu Ende geführt hat. Leider hat sich das abendländische Denken mit der Entwicklung des modernen Rationalismus nach und nach von dieser Lehre entfernt. Der Philosoph, der das Prinzip Cogito, ergo sum »Ich denke, also bin ich«, formuliert hat, hat auch der modernen Auffassung vom Menschen den dualistischen Charakter aufgeprägt, der sie kennzeichnet. Zum Rationalismus gehört die radikale Gegeneinanderstellung von Geist und Körper und Körper und Geist im Menschen. Der Mensch ist hingegen Person in der Einheit von Körper und Geist.46 Der Körper darf niemals auf reine Materie verkürzt werden: Er ist ein »von Geist erfüllter« Körper, so wie der Geist so tief mit dem Körper verbunden ist, dab er ein »leibhaftiger« Geist genannt werden kann. Die reichste Quelle für die Kenntnis des Körpers ist das fleischgewordene Wort. Christus offenbart den Menschen dem Menschen.47 Diese Aussage des Zweiten Vatikanischen Konzils ist in gewissem Sinne die lange erwartete Antwort der Kirche an den modernen Rationalismus.

Diese Antwort gewinnt eine grundlegende Bedeutung für das Verständnis der Familie, besonders vor dem Hintergrund der heutigen Zivilisation, die, wie schon gesagt wurde, in so vielen Fällen anscheinend darauf verzichtet hat, eine »Zivilisation der Liebe« zu sein. Grob ist im modernen Zeitalter der Fortschritt in der Kenntnis der materiellen Welt und auch der menschlichen Psychologie gewesen; was aber seine innerste Dimension, die metaphysische Dimension, betrifft, so bleibt der heutige Mensch für sich selbst grobenteils ein unbekanntes Wesen; folglich bleibt auch die Familie eine unbekannte Wirklichkeit. Dazu kommt es wegen der Entfernung von jenem »tiefen Geheimnis«, von dem der Apostel spricht.

Die Trennung im Menschen zwischen Geist und Körper hatte zur Folge, dab sich die Tendenz verstärkte, den menschlichen Leib nicht nach den Kategorien seiner spezifischen Ähnlichkeit mit Gott zu behandeln, sondern nach den Kategorien seiner Ähnlichkeit mit allen anderen in der Natur vorhandenen Körpern, Körpern, die der Mensch als Material für seine auf die Herstellung von Konsumgütern ausgerichtete Tätigkeit verwendet. Doch wird jeder unmittelbar einsehen, dab die Anwendung solcher Kriterien auf den Menschen in Wirklichkeit enorme Gefahren in sich birgt. Wenn der unabhängig von Geist und Denken betrachtete menschliche Körper als Material wie der Körper von Tieren verwendet wird – und das geschieht zum Beispiel bei den Manipulationen an Embryonen und Föten –, gehen wir unausweichlich einer schrecklichen ethischen Niederlage entgegen.

In einer solchen anthropologischen Perspektive erlebt die Menschheitsfamilie soeben die Erfahrung eines neuen Manichäismus, in dem der Körper und der Geist radikal einander entgegengesetzt werden. Weder lebt der Körper vom Geist, noch belebt der Geist den Körper. Der Mensch hört so auf, als Person und Subjekt zu leben. Trotz der Absichten und gegenteiligen Erklärungen wird er ausschlieblich zu einem Objekt. Auf diese Weise hat diese neomanichäische Zivilisation zum Beispiel dazu geführt, dab man in der menschlichen Sexualität mehr ein Terrain der Manipulation und der Ausbeutung sieht als die Wirklichkeit jenes anfänglichen Staunens, das Adam am Morgen der Schöpfung vor Eva sagen lieb: »Das ist Fleisch von meinem Fleisch und Bein von meinem Gebein« (vgl. Gen Gn 2,23). Und das Staunen, das in den Worten des Hohenliedes anklingt: »Verzaubert hast du mich, meine Schwester Braut, ja verzaubert mit einem Blick deiner Augen« (Ct 4,9). Wie weit entfernt sind doch gewisse moderne Auffassungen von dem tiefen Verständnis der Männlichkeit und Weiblichkeit, das uns die christliche Offenbarung bietet! Sie läbt uns in der menschlichen Sexualität einen Reichtum der Person entdecken, die die wahre Erschliebung ihres Wertes in der Familie findet und ihre tiefe Berufung auch in der Jungfräulichkeit und im Zölibat um des Himmelreiches willen zum Ausdruck bringt.

Der moderne Rationalismus duldet das Geheimnis nicht. Er akzeptiert das Geheimnis des Menschen, des Mannes und der Frau, nicht und will nicht anerkennen, dab die volle Wahrheit über den Menschen in Jesus Christus geoffenbart worden ist. Im besonderen duldet er nicht das im Epheserbrief verkündete »tiefe Geheimnis« und bekämpft es auf radikale Weise. Selbst wenn er im Rahmen eines unklaren Deismus die Möglichkeit eines höheren oder göttlichen Wesens und sogar das Verlangen nach ihm anerkennt, weist er die Vorstellung von einem Gott, der Mensch geworden ist, um den Menschen zu erlösen, entschieden zurück. Für den Rationalismus ist es undenkbar, dab Gott der Erlöser ist, schon gar nicht, dab er »der Bräutigam« ist, die urgründliche und einzige Quelle der ehelichen Liebe des Menschen. Er interpretiert die Erschaffung und den Sinn der menschlichen Existenz radikal anders. Aber wenn dem Menschen der Ausblick auf einen Gott abhanden kommt, der ihn liebt und ihn durch Christus dazu beruft, in Ihm und mit Ihm zu leben, wenn der Familie nicht die Möglichkeit eröffnet wird, an dem »tiefen Geheimnis« teilzuhaben, was bleibt dann anderes als die reine irdische Dimension des Lebens? Es bleibt das irdische Leben als Gelände des Existenzkampfes, die anstrengende Suche nach Gewinn, vor allem nach ökonomischem Gewinn.

Das »tiefe Geheimnis«, das Sakrament der Liebe und des Lebens, das seinen Anfang in der Schöpfung und in der Erlösung hat und dessen Garant der Bräutigam Christus ist, hat in der modernen Denkweise seine tiefsten Wurzeln verloren. Es ist in uns und rings um uns bedroht. Möge das in der Kirche begangene Jahr der Familie für die Eheleute zu einer geeigneten Gelegenheit werden, es wiederzuentdecken und sich kraftvoll, mutig und mit Begeisterung wieder dazu zu bekennen.


Brief an die Familien 17