Lumen gentium DE 12


12 Das heilige Gottesvolk nimmt auch teil an dem prophetischen Amt Christi, in der Verbreitung seines lebendigen Zeugnisses vor allem durch ein Leben in Glauben und Liebe, in der Darbringung des Lobesopfers an Gott als Frucht der Lippen, die seinen Namen bekennen (vgl. He 13,15). Die Gesamtheit der Gläubigen, welche die Salbung von dem Heiligen haben (vgl. 1Jn 2,20 1Jn 2,27), kann im Glauben nicht irren. Und diese ihre besondere Eigenschaft macht sie durch den übernatürlichen Glaubenssinn des ganzen Volkes dann kund, wenn sie "von den Bischöfen bis zu den letzten gläubigen Laien" (22) ihre allgemeine Übereinstimmung in Sachen des Glaubens und der Sitten äußert. Durch jenen Glaubenssinn nämlich, der vom Geist der Wahrheit geweckt und genährt wird, hält das Gottesvolk unter der Leitung des heiligen Lehramtes, in dessen treuer Gefolgschaft es nicht mehr das Wort von Menschen, sondern wirklich das Wort Gottes empfängt (vgl. 1Th 2,13), den einmal den Heiligen übergebenen Glauben (vgl. Jud 1,3) unverlierbar fest. Durch ihn dringt es mit rechtem Urteil immer tiefer in den Glauben ein und wendet ihn im Leben voller an.

Derselbe Heilige Geist heiligt außerdem nicht nur das Gottesvolk durch die Sakramente und die Dienstleistungen, er führt es nicht nur und bereichert es mit Tugenden, sondern "teilt den Einzelnen, wie er will" (1Co 12,11), seine Gaben aus und verteilt unter den Gläubigen jeglichen Standes auch besondere Gnaden. Durch diese macht er sie geeignet und bereit, für die Erneuerung und den vollen Aufbau der Kirche verschiedene Werke und Dienste zu übernehmen gemäß dem Wort: "Jedem wird der Erweis des Geistes zum Nutzen gegeben" (1Co 12,7). Solche Gnadengaben, ob sie nun von besonderer Leuchtkraft oder aber schlichter und allgemeiner verbreitet sind, müssen mit Dank und Trost angenommen werden, da sie den Nöten der Kirche besonders angepaßt und nützlich sind. Außerordentliche Gaben soll man aber nicht leichthin erstreben. Man darf auch nicht vermessentlich Früchte für die apostolische Tätigkeit von ihnen erwarten. Das Urteil über ihre Echtheit und ihren geordneten Gebrauch steht bei jenen, die in der Kirche die Leitung haben und denen es in besonderer Weise zukommt, den Geist nicht auszulöschen, sondern alles zu prüfen und das Gute zu behalten (vgl. 1Th 5,12 1Th 5,19-21).

(22) Vgl. Augustinus, De Praed. Sanct. 14, 27: PL 44, 980.


13 Zum neuen Gottesvolk werden alle Menschen gerufen. Darum muß dieses Volk eines und ein einziges bleiben und sich über die ganze Welt und durch alle Zeiten hin ausbreiten. So soll sich das Ziel des Willens Gottes erfüllen, der das Menschengeschlecht am Anfang als eines gegründet und beschlossen hat, seine Kinder aus der Zerstreuung wieder zur Einheit zu versammeln (vgl. Jn 11,52). Dazu sandte nämlich Gott seinen Sohn, den er zum Erben des Alls gemacht hat (vgl. He 1,2), daß er Lehrer, König und Priester aller sei, das Haupt des neuen und allumfassenden Volkes der Söhne Gottes. Dazu sandte Gott schließlich den Geist seines Sohnes, den Herrn und Lebensspender, der für die ganze Kirche und die Gläubigen einzeln und insgesamt der Urgrund der Vereinigung und Einheit in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft, im Brotbrechen und im Gebet ist (vgl. Ac 2,42).

In allen Völkern der Erde wohnt also dieses eine Gottesvolk, da es aus ihnen allen seine Bürger nimmt, Bürger eines Reiches freilich nicht irdischer, sondern himmlischer Natur. Alle über den Erdkreis hin verstreuten Gläubigen stehen mit den übrigen im Heiligen Geiste in Gemeinschaft, und so weiß "der, welcher zu Rom wohnt, daß die Inder seine Glieder sind" (23). Da aber das Reich Christi nicht von dieser Welt ist (vgl. Joh Jn 18,36), so entzieht die Kirche oder das Gottesvolk mit der Verwirklichung dieses Reiches nichts dem zeitlichen Wohl irgendeines Volkes. Vielmehr fördert und übernimmt es Anlagen, Fähigkeiten und Sitten der Völker, soweit sie gut sind. Bei dieser Übernahme reinigt, kräftigt und hebt es sie aber auch. Sie ist dessen eingedenk, daß sie mit jenem König sammeln muß, dem die Völker zum Erbe gegeben sind (vgl. ) und in dessen Stadt sie Gaben und Geschenke herbeibringen (vgl. Ps 71,10 Is 60,4-7 Ap 21,24). Diese Eigenschaft der Weltweite, die das Gottesvolk auszeichnet, ist Gabe des Herrn selbst. In ihr strebt die katholische Kirche mit Tatkraft und Stetigkeit danach, die ganze Menschheit mit all ihren Gütern unter dem einen Haupt Christus zusammenzufassen in der Einheit seines Geistes (24).

Kraft dieser Katholizität bringen die einzelnen Teile ihre eigenen Gaben den übrigen Teilen und der ganzen Kirche hinzu, so daß das Ganze und die einzelnen Teile zunehmen aus allen, die Gemeinschaft miteinander halten und zur Fülle in Einheit zusammenwirken. So kommt es, daß das Gottesvolk nicht nur aus den verschiedenen Völkern sich sammelt, sondern auch in sich selbst aus verschiedenen Ordnungen gebildet wird. Unter seinen Gliedern herrscht eine Verschiedenheit, sei es in den Ämtern, da manche im heiligen Dienst zum Nutzen ihrer Brüder wirken, sei es in Stand und Lebensordnung, da viele im Ordensstand auf einem engeren Weg nach Heiligkeit trachten und die Brüder durch ihr Beispiel anspornen. Darum gibt es auch in der kirchlichen Gemeinschaft zu Recht Teilkirchen, die sich eigener Überlieferungen erfreuen, unbeschadet des Primats des Stuhles Petri, welcher der gesamten Liebesgemeinschaft vorsteht (25), die rechtmäßigen Verschiedenheiten schützt und zugleich darüber wacht, daß die Besonderheiten der Einheit nicht nur nicht schaden, sondern ihr vielmehr dienen. Daher bestehen schließlich zwischen den verschiedenen Teilen der Kirche die Bande einer innigen Gemeinschaft der geistigen Güter, der apostolischen Arbeiter und der zeitlichen Hilfsmittel. Zu dieser Gütergemeinschaft nämlich sind die Glieder des Gottesvolkes berufen, und auch von den Einzelkirchen gelten die Worte des Apostels: "Dienet einander, jeder mit der Gnadengabe, wie er sie empfangen hat, als gute Verwalter der vielfältigen Gnadengaben Gottes" (1P 4,10).

Zu dieser katholischen Einheit des Gottesvolkes, die den allumfassenden Frieden bezeichnet und fördert, sind alle Menschen berufen. Auf verschiedene Weise gehören ihr zu oder sind ihr zugeordnet die katholischen Gläubigen, die anderen an Christus Glaubenden und schließlich alle Menschen überhaupt, die durch die Gnade Gottes zum Heile berufen sind.

(23) Vgl. Johannes Chrysostomus, In Io. Hom. 65, 1: PG 59, 361.
(24) Vgl. Irenäus, Adv. Haer. III., 16, 6; III., 22, 1-3: PG 7, 925 C - 926 A u. 955 C bis 958 A; Harvey 2, 87 f u. 120-123; ed. Sagnard, Sources Chrét., 290-292 u. 372ff.
(25) Vgl. Ignatius v. A., Ad Rom., Vorrede: ed. Funk I, 252.


14 Den katholischen Gläubigen wendet die Heilige Synode besonders ihre Aufmerksamkeit zu. Gestützt auf die Heilige Schrift und die Tradition, lehrt sie, daß diese pilgernde Kirche zum Heile notwendig sei. Christus allein ist Mittler und Weg zum Heil, der in seinem Leib, der Kirche, uns gegenwärtig wird; indem er aber selbst mit ausdrücklichen Worten die Notwendigkeit des Glaubens und der Taufe betont hat (vgl. Mc 16,16 Jn 3,5), hat er zugleich die Notwendigkeit der Kirche, in die die Menschen durch die Taufe wie durch eine Türe eintreten, bekräftigt. Darum könnten jene Menschen nicht gerettet werden, die um die katholische Kirche und ihre von Gott durch Christus gestiftete Heilsnotwendigkeit wissen, in sie aber nicht eintreten oder in ihr nicht ausharren wollten. Jene werden der Gemeinschaft der Kirche voll eingegliedert, die, im Besitze des Geistes Christi, ihre ganze Ordnung und alle in ihr eingerichteten Heilsmittel annehmen und in ihrem sichtbaren Verband mit Christus, der sie durch den Papst und die Bischöfe leitet, verbunden sind, und dies durch die Bande des Glaubensbekenntnisses, der Sakramente und der kirchlichen Leitung und Gemeinschaft. Nicht gerettet wird aber, wer, obwohl der Kirche eingegliedert, in der Liebe nicht verharrt und im Schoße der Kirche zwar "dem Leibe", aber nicht "dem Herzen" nach verbleibt (26). Alle Söhne der Kirche sollen aber dessen eingedenk sein, daß ihre ausgezeichnete Stellung nicht den eigenen Verdiensten, sondern der besonderen Gnade Christi zuzuschreiben ist; wenn sie ihr im Denken, Reden und Handeln nicht entsprechen, wird ihnen statt Heil strengeres Gericht zuteil (27).

Die Katechumenen, die, getrieben vom Heiligen Geist, mit ausdrücklicher Willensäußerung um Aufnahme in die Kirche bitten, werden durch eben dieses Begehren mit ihr verbunden. Die Mutter Kirche umfaßt sie schon in liebender Sorge als die Ihrigen.

(26) Vgl. Augustinus, Bapt. c. Donat. V, 28, 39: PL 43, 197: "Ganz offenbar ist die Redeweise:,in der Kirche drinnen oder draußen' vom Herzen, nicht vom Leibe zu verstehen " Vgl. ebd. III., 19, 26: Sp. 152; V, 18, 24: Sp. 189; In Io. Tr. 61, 2: PL 35, 1800; und anderwärts oft.
(27) Vgl. Lc 12,48: "Von dem aber, dem viel gegeben ist, wird viel verlangt werden " Vgl. auch Mt 5,19-20 Mt 7,21-22 Mt 25,41-46 Jc 2,14.


15 Mit jenen, die durch die Taufe der Ehre des Christennamens teilhaft sind, den vollen Glauben aber nicht bekennen oder die Einheit der Gemeinschaft unter dem Nachfolger Petri nicht wahren, weiß sich die Kirche aus mehrfachem Grunde verbunden (28). Viele nämlich halten die Schrift als Glaubens- und Lebensnorm in Ehren, zeigen einen aufrichtigen religiösen Eifer, glauben in Liebe an Gott, den allmächtigen Vater, und an Christus, den Sohn Gottes und Erlöser (29), empfangen das Zeichen der Taufe, wodurch sie mit Christus verbunden werden; ja sie anerkennen und empfangen auch andere Sakramente in ihren eigenen Kirchen oder kirchlichen Gemeinschaften. Mehrere unter ihnen besitzen auch einen Episkopat, feiern die heilige Eucharistie und pflegen die Verehrung der jungfräulichen Gottesmutter (30). Dazu kommt die Gemeinschaft im Gebet und in anderen geistlichen Gütern; ja sogar eine wahre Verbindung im Heiligen Geiste, der in Gaben und Gnaden auch in ihnen mit seiner heiligenden Kraft wirksam ist und manche von ihnen bis zur Vergießung des Blutes gestärkt hat. So erweckt der Geist in allen Jüngern Christi Sehnsucht und Tat, daß alle in der von Christus angeordneten Weise in der einen Herde unter dem einen Hirten in Frieden geeint werden mögen (31). Um dies zu erlangen, betet, hofft und wirkt die Mutter Kirche unaufhörlich, ermahnt sie ihre Söhne zur Läuterung und Erneuerung, damit das Zeichen Christi auf dem Antlitz der Kirche klarer erstrahle.

(28) Vgl. Leo XIII., Apost. Schreiben Praeclara gratulationis, 20. Juni 1894: ASS 26 (1893-94) 707.
(29) Vgl. Leo XIII., Enz. Satis cognitum, 29. Juni 1896: ASS 28 (1895-96) 738. Ders., Enz. Caritatis studium, 25. Juli 1898: ASS 31 (1898-99) 11. Pius XII., Radiobotschaft Nell'alba, 24. Dez. 1941: AAS 34 (1942) 21.
(30) Vgl. Pius XI., Enz. Rerum Orientalium, 8. Sept. 1928: AAS 20 (1928) 287. Pius XII., Enz. Orientalis Ecclesiae, 9. April 1944: AAS 36 (1944) 137.
(31) Vgl. Instruktion des Heiligen Offiziums vom 20. Dez. 1949: AAS 42 (1950) 142.


16 Diejenigen endlich, die das Evangelium noch nicht empfangen haben, sind auf das Gottesvolk auf verschiedene Weise hingeordnet (32). In erster Linie jenes Volk, dem der Bund und die Verheißungen gegeben worden sind und aus dem Christus dem Fleische nach geboren ist (vgl. Rm 9,4-5), dieses seiner Erwählung nach um der Väter willen so teure Volk: die Gaben und Berufung Gottes nämlich sind ohne Reue (vgl. Rm 11,28-29). Der Heilswille umfaßt aber auch die, welche den Schöpfer anerkennen, unter ihnen besonders die Muslim, die sich zum Glauben Abrahams bekennen und mit uns den einen Gott anbeten, den barmherzigen, der die Menschen am Jüngsten Tag richten wird. Aber auch den anderen, die in Schatten und Bildern den unbekannten Gott suchen, auch solchen ist Gott nicht ferne, da er allen Leben und Atem und alles gibt (vgl. Ac 17,25-28) und als Erlöser will, daß alle Menschen gerettet werden (vgl. 1Tm 2,4). Wer nämlich das Evangelium Christi und seine Kirche ohne Schuld nicht kennt, Gott aber aus ehrlichem Herzen sucht, seinen im Anruf des Gewissens erkannten Willen unter dem Einfluß der Gnade in der Tat zu erfüllen trachtet, kann das ewige Heil erlangen (33). Die göttliche Vorsehung verweigert auch denen das zum Heil Notwendige nicht, die ohne Schuld noch nicht zur ausdrücklichen Anerkennung Gottes gekommen sind, jedoch, nicht ohne die göttliche Gnade, ein rechtes Leben zu führen sich bemühen. Was sich nämlich an Gutem und Wahrem bei ihnen findet, wird von der Kirche als Vorbereitung für die Frohbotschaft (34) und als Gabe dessen geschätzt, der jeden Menschen erleuchtet, damit er schließlich das Leben habe. Vom Bösen getäuscht, wurden freilich die Menschen oft eitel in ihren Gedanken, vertauschten die Wahrheit Gottes mit der Lüge und dienten der Schöpfung mehr als dem Schöpfer (vgl. Rm 1,21 Röm Rm 1,25) oder sind, ohne Gott in dieser Welt lebend und sterbend, der äußersten Verzweiflung ausgesetzt. Daher ist die Kirche eifrig bestrebt, zur Ehre Gottes und zum Nutzen des Heils all dieser Menschen die Missionen zu fördern, eingedenk des Befehls des Herrn, der gesagt hat: "Predigt das Evangelium der ganzen Schöpfung" (Mc 16,15).

(32) Vgl. Thomas v. Aquin, Summa Theol. III 8,3, ad 1.
(33) Vgl. Brief des Heiligen Offiziums an den Erzbischof von Boston: Denz. 3869 bis 3872.
(34) Vgl. Eusebius v. Caes., Praeparatio Evangelica 1, 1: PG 21, 28 AB.


17 Wie nämlich der Sohn vom Vater gesandt ist, so hat er selbst die Apostel gesandt (vgl. Jn 20,21) mit den Worten: "Gehet hin und lehret alle Völker, taufet sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, lehret sie alles halten, was ich euch geboten habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis ans Ende der Welt" (Mt 28,18-20). Diesen feierlichen Auftrag Christi zur Verkündigung der Heilswahrheit hat die Kirche von den Aposteln erhalten und muß ihn erfüllen bis zu den Grenzen der Erde (vgl. Ac 1,8). Daher macht sie sich die Worte des Apostels zu eigen: "Weh ... mir, wenn ich die Frohbotschaft nicht verkünde!" (1Co 9,16) Unablässig fährt sie darum fort, Verkünder auszusenden, bis die neuen Kirchen voll errichtet sind und auch selbst das Werk der Verkündigung fortsetzen können. Sie wird nämlich vom Heiligen Geiste angetrieben, mitzuwirken, daß der Ratschluß Gottes, der Christus zum Ursprung des Heils für die ganze Welt bestellt hat, tatsächlich ausgeführt werde. In der Verkündigung der Frohbotschaft sucht die Kirche die Hörer zum Glauben und zum Bekenntnis des Glaubens zu bringen, bereitet sie für die Taufe vor, befreit sie aus der Knechtschaft des Irrtums und gliedert sie Christus ein, damit sie durch die Liebe bis zur Fülle in ihn hineinwachsen. Ihre Mühe aber bewirkt, daß aller Same des Guten, der sich in Herz und Geist der Menschen oder in den eigenen Riten und Kulturen der Völker findet, nicht nur nicht untergehe, sondern geheilt, erhoben und vollendet werde zur Ehre Gottes, zur Beschämung des Teufels und zur Seligkeit des Menschen. Jedem Jünger Christi obliegt die Pflicht, nach seinem Teil den Glauben auszusäen (35). Wenn auch jeder die Glaubenden taufen kann, so ist es doch Sache des Priesters, die Auferbauung des Leibes durch das eucharistische Opfer zu vollenden und so die Worte Gottes, die er durch den Propheten gesprochen hat, zu erfüllen: "Vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Untergang ist mein Name groß unter den Völkern, und an jedem Ort wird geopfert und meinem Namen eine reine Opfergabe dargebracht" (Ml 1,11) (36). So aber betet und arbeitet die Kirche zugleich, daß die Fülle der ganzen Welt in das Volk Gottes eingehe, in den Leib des Herrn und den Tempel des Heiligen Geistes, und daß in Christus, dem Haupte aller, jegliche Ehre und Herrlichkeit dem Schöpfer und Vater des Alls gegeben werde.

(35) Vgl. Benedikt XV., Apost. Schreiben Maximum illud: AAS 11 (1919) 440, bes. S. 451ff. Pius XI., Enz. Rerum Ecclesiae: AAS 18 (1926) 68-69. Pius XII., Enz. Fidei donum, 21. April 1957: AAS 49 (1957) 236-237.
(36) Vgl. Didache, 14: ed. Funk I, 32. Justin, Dial. 41: PG 6, 564. Irenäus, Adv. Haer. IV, 17, 5: PG 7, 1023; Harvey 2, 199f. Konzil von Trient, sess. 22, cap. 1: Denz. 939 (DS 1742).


KAPITEL III


DIE HIERARCHISCHE VERFASSUNG DER KIRCHE,


INSBESONDERE DAS BISCHOFSAMT



18 Um Gottes Volk zu weiden und immerfort zu mehren, hat Christus der Herr in seiner Kirche verschiedene Dienstämter eingesetzt, die auf das Wohl des ganzen Leibes ausgerichtet sind. Denn die Amtsträger, die mit heiliger Vollmacht ausgestattet sind, stehen im Dienste ihrer Brüder, damit alle, die zum Volke Gottes gehören und sich daher der wahren Würde eines Christen erfreuen, in freier und geordneter Weise sich auf das nämliche Ziel hin ausstrecken und so zum Heile gelangen. Diese Heilige Synode setzt den Weg des ersten Vatikanischen Konzils fort und lehrt und erklärt feierlich mit ihm, daß der ewige Hirt Jesus Christus die heilige Kirche gebaut hat, indem er die Apostel sandte wie er selbst gesandt war vom Vater (vgl. Jn 20,21). Er wollte, daß deren Nachfolger, das heißt die Bischöfe, in seiner Kirche bis zur Vollendung der Weltzeit Hirten sein sollten. Damit aber der Episkopat selbst einer und ungeteilt sei, hat er den heiligen Petrus an die Spitze der übrigen Apostel gestellt und in ihm ein immerwährendes und sichtbares Prinzip und Fundament der Glaubenseinheit und der Gemeinschaft eingesetzt (37). Diese Lehre über Einrichtung, Dauer, Gewalt und Sinn des dem Bischof von Rom zukommenden heiligen Primates sowie über dessen unfehlbares Lehramt legt die Heilige Synode abermals allen Gläubigen fest zu glauben vor. Das damals Begonnene fortführend, hat sie sich entschlossen, nun die Lehre von den Bischöfen, den Nachfolgern der Apostel, die mit dem Nachfolger Petri, dem Stellvertreter Christi (38) und sichtbaren Haupt der ganzen Kirche, zusammen das Haus des lebendigen Gottes leiten, vor allen zu bekennen und zu erklären.

(37) Vgl. I. Vat. Konzil, Sess. IV, Const. Dogm. Pastor aeternus: Denz. 1821 (DS 3050)f.
(38) Vgl. Konzil v. Florenz, Decretum pro Graecis: Denz. 694 (DS 1307) u. I. Vat. Konzil: ebd. Denz. 1826 (DS 3059).


19 Der Herr Jesus rief, nachdem er sich betend an den Vater gewandt hatte, die zu sich, die er selbst wollte, und bestimmte zwölf, daß sie mit ihm seien und er sie sende, das Reich Gottes zu verkündigen (vgl. Mc 3,13-19 Mt 10,1-42). Diese Apostel (vgl. Lc 6,13) setzte er nach Art eines Kollegiums oder eines festen Kreises ein, an dessen Spitze er den aus ihrer Mitte erwählten Petrus stellte (vgl. Jn 21,15-17). Er sandte sie zuerst zu den Kindern Israels und dann zu allen Völkern (vgl. Röm Rm 1,16), damit sie in Teilhabe an seiner Gewalt alle Völker zu seinen Jüngern machten und sie heiligten und leiteten (vgl. Mt 28,16-20 Mc 16,15 Lc 24,45-48 Jn 20,21-23). So sollten sie die Kirche ausbreiten und unter der Leitung des Herrn durch ihren Dienst weiden alle Tage bis zum Ende der Welt (vgl. Mt 28,20). In dieser Sendung wurden sie am Pfingsttag voll bekräftigt (vgl. Ac 2,1-26) gemäß der Verheißung des Herrn: "Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der über euch kommen wird, und werdet mir Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samaria und bis ans Ende der Erde" (Ac 1,8). Die Apostel aber verkündigten allenthalben die frohe Botschaft (vgl. Mc 16,20), die von den Hörenden kraft des Heiligen Geistes angenommen wurde, und versammelten so die universale Kirche, die der Herr in den Aposteln gegründet und auf den heiligen Petrus, ihren Vorsteher, gebaut hat, wobei Christus Jesus selbst der Eckstein ist (vgl. Ap 21,14 Mt 16,18 Ep 2,20) (39).

(39) Vgl. Liber sacramentorum S. Gregorii, Präfationen zu den Festen St. Matthias u. St. Thomas: PL 78, 51 u. 152; vgl. Cod. Vat. lat. 3548,f. 18. Hilarius v. Poitiers, In Ps. 67, 10: PL 9, 450; CSEL 22, 286. Hieronymus, Adv. Jovin. 1, 26: PL 23, 247A. Augustinus, In Ps. 86, 4: PL 37, 1103. Gregor d. Gr., Mor. in Iob, XXVIIl, V: PL 76, 455-456. Primasius, Comm. in Apoc. V: PL 68, 924BC. Paschasius Radb., In Mt. L. VIII., Kap. 16: PL 120, 561 C. Vgl. Leo XIII., Epist. Et sane, 17. Dez. 1888: ASS 21 (1888) 321.


20 Jene göttliche Sendung, die Christus den Aposteln anvertraut hat, wird bis zum Ende der Welt dauern (vgl. Mt 28,20). Denn das Evangelium, das sie zu überliefern haben, ist für alle Zeiten der Ursprung jedweden Lebens für die Kirche. Aus diesem Grunde trugen die Apostel in dieser hierarchisch geordneten Gesellschaft für die Bestellung von Nachfolgern Sorge.

Sie hatten nämlich nicht bloß verschiedene Helfer im Dienstamt (40), sondern übertrugen, damit die ihnen anvertraute Sendung nach ihrem Tod weitergehe, gleichsam nach Art eines Testaments ihren unmittelbaren Mitarbeitern die Aufgabe, das von ihnen begonnene Werk zu vollenden und zu kräftigen (41). Sie legten ihnen ans Herz, achtzuhaben auf die ganze Herde, in welcher der Heilige Geist sie gesetzt habe, die Kirche Gottes zu weiden (vgl. Ac 20,28). Deshalb bestellten sie solche Männer und gaben dann Anordnung, daß nach ihrem Hingang andere bewährte Männer ihr Dienstamt übernähmen (42). Unter den verschiedenen Dienstämtern, die so von den ersten Zeiten her in der Kirche ausgeübt werden, nimmt nach dem Zeugnis der Überlieferung das Amt derer einen hervorragenden Platz ein, die zum Bischofsamt bestellt sind und kraft der auf den Ursprung zurückreichenden Nachfolge (43) Ableger apostolischer Pflanzung besitzen (44). So wird nach dem Zeugnis des heiligen Irenäus durch die von den Aposteln eingesetzten Bischöfe und deren Nachfolger bis zu uns hin die apostolische Überlieferung in der ganzen Welt kundgemacht (45) und bewahrt (46).

Die Bischöfe haben also das Dienstamt in der Gemeinschaft zusammen mit ihren Helfern, den Priestern und den Diakonen, übernommen (47). An Gottes Stelle stehen sie der Herde vor (48), deren Hirten sie sind, als Lehrer in der Unterweisung, als Priester im heiligen Kult, als Diener in der Leitung (49). Wie aber das Amt fortdauern sollte, das vom Herrn ausschließlich dem Petrus, dem ersten der Apostel, übertragen wurde und auf seinen Nachfolger übergehen sollte, so dauert auch das Amt der Apostel, die Kirche zu weiden, fort und muß von der heiligen Ordnung der Bischöfe immerdar ausgeübt werden (50). Aus diesem Grunde lehrt die Heilige Synode, daß die Bischöfe aufgrund göttlicher Einsetzung an die Stelle der Apostel als Hirten der Kirche getreten sind (51). Wer sie hört, hört Christus, und wer sie verachtet, verachtet Christus und ihn, der Christus gesandt hat (vgl. Lc 10,16) (52).

(40) Vgl. Ac 6,2-6 Ac 11,30 Ac 13,1 Ac 14,23 Ac 20,17 1Th 5,12-13 Ph 1,1 Col 4,1.1 u. ö.
(41) Vgl. Ac 20,25-27 2 Tim 4,6f vgl. mit 1Tm 5,22 2Tm 2,2 Tt 1,5; Clemens v. Rom, Ad Cor. 44, 3: ed. Funk I, 156.
(42) Clemens v. Rom, Ad Cor. 44, 2: ed. Funk I, 154f.
(43) Vgl. Tertullian, Praescr. Haer. 32: PL 2, 52f. Ignatius v. A., öfters.
(44) Vgl. Tertullian, Praescr. Haer. 32: PL 2, 53.
(45) Vgl. Irenäus, Adv. Haer. III., 3, 1: PG 7, 848A; Harvey 2, 8; sagnard 100f: "manifestatam".
(46) Vgl. Irenäus, Adv. Haer. III., 2, 2: PG 7, 847; Harvey 2, 7; Sagnard 100: "custoditur", vgl. ebd. IV, 26, 2: Sp. 1053; Harvey 2, 236, u. IV, 33, 8: Sp. 1077; Harvey 2, 262.
(47) Ignatius v. A., Philad., Vorrede: ed. Funk I, 264.
(48) Ignatius v. A., Philad., 1, 1; Magn. 6, 1: ed. Funk I, 264 u. 234.
(49) Clemens v. Rom, a. a. O., 42, 3-4; 44, 3-4; 57, 1-2: ed. Funk I, 152, 156, 171f. Ignatius v. A., philad. 2; smyrn. 8, Magn. 3; Trall. 7: ed. Funk I, 265 f; 282; 232; 246fu. a.; Justin, Apol., 1, 65: PG 6, 428; Cyprian, Epist. passim.
(50) Vgl. Leo XIII., Enz. Satis cognitum, 29. Juni 1896: ASS 28 (1895-96) 732.
(51) Vgl. Conc. Trid., sess. 23, Decr. de sacr. Ordinis, Kap. 4: Denz. 960 (DS 1768); Conc. Vat. I, Sess. 4, Const. Dogm. 1 De Ecclesia Christi, Kap. 3: Denz. 1828 (DS 3061). Pius XII., Enz. Mystici Corporis, 29. Juni 1943: AAS 35 (1943) 209 u. 212. CIC, can. CIS 329 § 1.
(52) Vgl. Leo XIII., Brief Et sane, 17. Dez. 1888: ASS 21 (1888) 321f.
21 In den Bischöfen, denen die Priester zur Seite stehen, ist also inmitten der Gläubigen der Herr Jesus Christus, der Hohepriester, anwesend. Zur Rechten des Vaters sitzend, ist er nicht fern von der Versammlung seiner Bischöfe (53), sondern vorzüglich durch ihren erhabenen Dienst verkündet er allen Völkern Gottes Wort und spendet den Glaubenden immerfort die Sakramente des Glaubens. Durch ihr väterliches Amt (vgl. 1Co 4,15) fügt er seinem Leib kraft der Wiedergeburt von oben neue Glieder ein. Durch ihre Weisheit und Umsicht endlich lenkt und ordnet er das Volk des Neuen Bundes auf seiner Pilgerschaft zur ewigen Seligkeit. Diese Hirten, die ausgewählt sind, die Herde des Herrn zu weiden, sind Diener Christi und Ausspender der Geheimnisse Gottes (vgl. 1Co 4,1). Ihnen ist das Zeugnis für die frohe Botschaft von der Gnade Gottes anvertraut (vgl. Rm 15,16 Ac 20,24) und der Dienst des Geistes und der Gerechtigkeit in Herrlichkeit (vgl. 2Co 3,8-9).

Um solche Aufgaben zu erfüllen, sind die Apostel mit einer besonderen Ausgießung des herabkommenden Heiligen Geistes von Christus beschenkt worden (vgl. Ac 1,8 Ac 2,4 Jn 20,22-23). Sie hinwiederum übertrugen ihren Helfern durch die Auflegung der Hände die geistliche Gabe (vgl. 1Tm 4,14 2Tm 1,6-7), die in der Bischofsweihe bis auf uns gekommen ist (54). Die Heilige Synode lehrt aber, daß durch die Bischofsweihe die Fülle des Weihesakramentes übertragen wird. Sie heißt ja auch im liturgischen Brauch der Kirche wie in den Worten der heiligen Väter das Hohepriestertum, die Ganzheit des heiligen Dienstamtes (55). Die Bischofsweihe überträgt mit dem Amt der Heiligung auch die Ämter der Lehre und der Leitung, die jedoch ihrer Natur nach nur in der hierarchischen Gemeinschaft mit Haupt und Gliedern des Kollegiums ausgeübt werden können. Aufgrund der Überlieferung nämlich, die vorzüglich in den liturgischen Riten und in der Übung der Kirche des Ostens wie des Westens deutlich wird, ist es klar, daß durch die Handauflegung und die Worte der Weihe die Gnade des Heiligen Geistes so übertragen (56) und das heilige Prägemal so verliehen wird (57), daß die Bischöfe in hervorragender und sichtbarer Weise die Aufgabe Christi selbst, des Lehrers, Hirten und Priesters, innehaben und in seiner Person handeln (58). Sache der Bischöfe ist es, durch das Weihesakrament neue Erwählte in die Körperschaft der Bischöfe aufzunehmen.

(53) Leo d. Gr., serm. 5, 3: PL 54, 154.
(54) Das Konzil v. Trient (Sess. 23, Kap. 3) zitiert 2 Tim 1,6-7, um zu beweisen, daß der Ordo (= das Weihesakrament) ein wirkliches Sakrament ist: Denz. 959 (DS 1766).
(55) In Trad. Apost. 3: ed. Botte, Sources Chr. 27-30: Dem Bischof wird "der erste Rang des Priestertums" zugeteilt. Vgl. Sacramentarium Leonianum: ed. C. Mohlberg, Sacramentarium Veronense (RM 1955) 119: "zum Dienstamt des Hohenpriestertums ... Vollende in Deinen Priestern die Ganzheit des Mysteriums" ... Ders., Liber Sacramentorum Romanae Ecclesiae (RM 1960) 121-122: "Übergib ihnen, Herr, den bischöflichen Stuhl zur Leitung deiner Kirche und des gesamten Volkes." Vgl. PL 78, 224.
(56) Trad. Apost. 2: ed. Botte, 27.
(57) Das Konzil v. Trient, Sess. 23, Kap. 4 lehrt, daß das Weihesakrament ein unauslöschliches Prägemal verleiht: Denz. 960 (1767). Vgl. Johannes XXIII., Anspr. Iubilate Deo, 8. Mai 1960: AAS 52 (1960) 466. Paul VI., Homilie in der Vatikanbasilika, 20. Okt. 1963: AAS 55 (1963) 1014.
(58) Cyprian, Epist. 63, 14: PL 4, 386; Hartel III B, 713: "Der Priester waltet an Christi Statt." Johannes Chrysostomus, In 2 Tim. Hom. 2, 4: PG 62, 612: Der Priester ist "symbolon" Christi. Ambrosius, In Ps. 38, 25-26: PL 14, 1051-1052; CSEL 64, 203-204. Ambrosiaster, In 1 Tim. 5,19: PL17, 479 C u. In Eph.4,11-12: PL 17, 387C. Theodor v. Mopsuestia, Hom. Catech. XV, 21 u. 24: ed. Tonneau, 497 u. 503. Hesychius v. Jerusalem, In Lev. L. 2, 9, 23: PG 93, 894B.


22 Wie nach der Verfügung des Herrn der heilige Petrus und die übrigen Apostel ein einziges apostolisches Kollegium bilden, so sind in entsprechender Weise der Bischof von Rom, der Nachfolger Petri, und die Bischöfe, die Nachfolger der Apostel, untereinander verbunden. Schon die uralte Disziplin, daß die auf dem ganzen Erdkreis bestellten Bischöfe untereinander und mit dem Bischof von Rom im Bande der Einheit, der Liebe und des Friedens Gemeinschaft hielten (59), desgleichen das Zusammentreten von Konzilien (60) zur gemeinsamen Regelung gerade der wichtigeren Angelegenheiten (61) in einem durch die Überlegung vieler abgewogenen Spruch (62) weisen auf die kollegiale Natur und Beschaffenheit des Episkopates hin. Diese beweisen die im Lauf der Jahrhunderte gefeierten ökumenischen Konzilien. Darauf deutet aber auch schon der früh eingeführte Brauch hin, mehrere Bischöfe zur Teilnahme an der Erhebung eines Neuerwählten zum hohenpriesterlichen Dienstamt beizuziehen. Glied der Körperschaft der Bischöfe wird man durch die sakramentale Weihe und die hierarchische Gemeinschaft mit Haupt und Gliedern des Kollegiums.

Das Kollegium oder die Körperschaft der Bischöfe hat aber nur Autorität, wenn das Kollegium verstanden wird in Gemeinschaft mit dem Bischof von Rom, dem Nachfolger Petri, als seinem Haupt, und unbeschadet dessen primatialer Gewalt über alle Hirten und Gläubigen. Der Bischof von Rom hat nämlich kraft seines Amtes als Stellvertreter Christi und Hirt der ganzen Kirche volle, höchste und universale Gewalt über die Kirche und kann sie immer frei ausüben. Die Ordnung der Bischöfe aber, die dem Kollegium der Apostel im Lehr- und Hirtenamt nachfolgt, ja, in welcher die Körperschaft der Apostel immerfort weiter besteht, ist gemeinsam mit ihrem Haupt, dem Bischof von Rom, und niemals ohne dieses Haupt, gleichfalls Träger der höchsten und vollen Gewalt über die ganze Kirche (63). Diese Gewalt kann nur unter Zustimmung des Bischofs von Rom ausgeübt werden. Der Herr hat allein Simon zum Fels und Schlüsselträger der Kirche bestellt (vgl.
Mt 16,18-19) und ihn als Hirten seiner ganzen Herde eingesetzt (vgl. Jn 21,15 ff). Es steht aber fest, daß jenes Binde- und Löseamt, welches dem Petrus verliehen wurde (Mt 16,19), auch dem mit seinem Haupt verbundenen Apostelkollegium zugeteilt worden ist (Mt 18,18 Mt 28,16-20) (64). Insofern dieses Kollegium aus vielen zusammengesetzt ist, stellt es die Vielfalt und Universalität des Gottesvolkes, insofern es unter einem Haupt versammelt ist, die Einheit der Herde Christi dar. In diesem Kollegium wirken die Bischöfe, unter treuer Wahrung des primatialen Vorrangs ihres Hauptes, in eigener Vollmacht zum Besten ihrer Gläubigen, ja der ganzen Kirche, deren organische Struktur und Eintracht der Heilige Geist immerfort stärkt. Die höchste Gewalt über die ganze Kirche, die dieses Kollegium besitzt, wird in feierlicher Weise im ökumenischen Konzil ausgeübt. Ein ökumenisches Konzil gibt es nur, wenn es vom Nachfolger Petri als solches bestätigt oder wenigstens angenommen wird; der Bischof von Rom hat das Vorrecht, diese Konzilien zu berufen, auf ihnen den Vorsitz zu führen und sie zu bestätigen (65). Die gleiche kollegiale Gewalt kann gemeinsam mit dem Papst von den in aller Welt lebenden Bischöfen ausgeübt werden, wofern nur das Haupt des Kollegiums sie zu einer kollegialen Handlung ruft oder wenigstens die gemeinsame Handlung der räumlich getrennten Bischöfe billigt oder frei annimmt, so daß ein eigentlich kollegialer Akt zustande kommt.

(59) Vgl. Eusebius, Hist. Eccl. V, 24, 10: GCS II, 1, 495; ed. Bardy, Sources Chr. II, 69. Dionysius, bei Eusebius, ebd. VII., 5, 2: GCS II, 2, 638 f; Bardy II, 168f.
(60) Vgl. über die alten Konzilien Eusebius, Hist. Eccl. V, 23-24: GCS II, 1, 488 ff; Bardy II, 66 ff, und oft. Konzil v. Nicaea, Can. 5: Conc. OEc. Decr. 7.
(61) Tertullian, De Ieiunio, 13: PL 2, 972B; CSEL 20, 292 Z. 13-16.
(62) Cyprian, Epist. 56, 3: Hartel IIIB, 650; Bayard 154.
(63) Vgl. die amtliche Relation von Zinelli, in Conc. Vat. I: Mansi 52, 1109 C.
(64) Vgl. I. Vat. Konzil, Schema Const. Dogm. II, De Ecclesia Christi, c. 4: Mansi 53, 310. Vgl. die Relation von Kleutgen über das umgearbeitete Schema: Mansi 53, 321 B - 322B, und die Erklärung von Zinelli: Mansi 52, 1110A. siehe auch Leo d. Gr., serm. 4, 3: PL 54, 151 A.
(65) Vgl. CIC, can. CIS 227.

Lumen gentium DE 12