Pastores gregis DE 10

ZWEITES KAPITEL


DAS GEISTLICHE LEBEN DES BISCHOFS


»Er setzte zwölf ein, die er bei sich haben wollte« (Mc 3,14)


11 Durch denselben Akt seiner Liebe, mit dem er aus freien Stücken die Apostel einsetzt, beruft Jesus die Zwölf dazu, sein Leben zu teilen. Daher ist auch dieses Teilen, das Seelen- und Willensgemeinschaft mit ihm bedeutet, eine auf ihre Mitwirkung an seiner Sendung bezogene Forderung. Man darf die Funktionen des Bischofs nicht auf eine rein organisatorische Aufgabe reduzieren. Um dieser Gefahr vorzubeugen, haben sowohl die Dokumente zur Vorbereitung der Synode als auch viele Wortmeldungen der Synodenväter in der Aula auf dem bestanden, was im persönlichen Leben des Bischofs und in der Ausübung des ihm aufgetragenen Dienstes die Wirklichkeit des Bischofsamtes als Fülle des Weihesakramentes in seinen theologischen, christologischen und pneumatologischen Grundlagen ausmacht.

Der objektiven Heiligung, die man durch Christus im Sakrament mit der Spendung des Geistes erfährt, muß die subjektive Heiligkeit entsprechen, in welcher der Bischof mit Hilfe der Gnade durch die Ausübung des Dienstamtes immer weitere Fortschritte machen muß. Die von der Weihe als Gleichgestaltung mit Christus bewirkte seinsmäßige Umwandlung verlangt einen Lebensstil, der das »Bei-ihm-sein« deutlich zu erkennen geben soll. Wiederholt wurde daher in der Synodenaula die Hirtenliebe als Frucht sowohl des vom Sakrament eingeprägten Charakters wie der dem Sakrament eigenen Gnade nachdrücklich betont. Die Liebe, so ist gesagt worden, ist gleichsam die Seele des bischöflichen Dienstes, der in einer Dynamik pastoraler Pro-Existenz steht, aus der heraus er dazu angespornt wird, wie Christus, der Gute Hirte, in täglicher Selbsthingabe für den Vater und für die anderen zu leben.

Vor allem in der Ausübung seines Amtes, die sich an der Nachahmung der Liebe des Guten Hirten inspiriert, ist der Bischof gerufen, heilig zu werden und zu heiligen. Als einigendes Prinzip dient ihm hierbei die Betrachtung des Antlitzes Christi und die Verkündigung des Evangeliums vom Heil.48 Daher schöpft seine Spiritualität Orientierung und Anregung nicht nur aus dem Sakrament der Taufe und der Firmung, sondern gerade auch aus der Bischofsweihe, die ihn dazu verpflichtet, seinen Dienst als Verkündiger des Evangeliums, als Liturge und als Leiter der Gemeinschaft im Glauben, in der Hoffnung und in der Liebe zu leben. Die Spiritualität des Bischofs wird also auch eine kirchliche Spiritualität sein; denn alles in seinem Leben ist auf den liebevollen Aufbau der heiligen Kirche ausgerichtet.

Dies verlangt im Bischof eine dienstbereite Haltung, die von seelischer Stärke, apostolischem Mut und vertrauensvoller Hingabe an das innere Wirken des Geistes geprägt ist. Er wird sich daher bemühen, einen Lebensstil anzunehmen, der die kénosis des dienenden, armen und demütigen Christus nachahmt. Auf diese Weise soll die Ausübung seines Hirtenamtes ein kohärentes Spiegelbild Jesu, des Gottesknechtes, sein und ihn dazu anhalten, wie dieser allen – vom Größten bis zum Geringsten – nahe zu sein. In einer gewissen Wechselseitigkeit heiligt also die treue und liebevolle Ausübung des Dienstes den Bischof und gleicht ihn auf subjektiver Ebene immer mehr dem ontologischen Reichtum der Heiligkeit an, den das Sakrament in ihn gelegt hat.

Die persönliche Heiligkeit des Bischofs bleibt jedoch niemals auf einer rein subjektiven Ebene stehen, weil sie in ihrer Wirkung immer den seiner pastoralen Sorge anvertrauten Gläubigen zum Vorteil gereicht. In der praktischen Übung der Liebe, die der Inhalt des empfangenen Hirtenamtes ist, wird der Bischof zum Zeichen Christi und gewinnt jenes moralische Ansehen, das die Ausübung der rechtlichen Autorität braucht, um auf die Umwelt wirksam Einfluß ausüben zu können. Wenn sich nämlich das Bischofsamt nicht auf das Zeugnis der Heiligkeit stützt, die in der pastoralen Liebe, in der Demut und in der Einfachheit des Lebens zum Ausdruck kommt, wird es schließlich zu einer nahezu reinen Funktionsrolle verkürzt und verliert unvermeidlich an Glaubwürdigkeit beim Klerus und bei den Gläubigen.

Berufung zur Heiligkeit in der Kirche unserer Zeit


12 Ein biblisches Bild scheint besonders geeignet, um die Gestalt des Bischofs als Freund Gottes, als Hirte und Leiter des Volkes zu beleuchten. Es ist die Gestalt des Mose. Durch den Blick auf ihn kann sich der Bischof inspirieren lassen: in seinem Sein und Handeln als vom Herrn erwählter und gesandter Hirte, der seinem Volk auf dem Weg in das verheißene Land mutig vorangeht, der das Wort und Gesetz des lebendigen Gottes getreu auslegt, als Mittler des Bundes, der glühend und vertrauensvoll im Gebet für sein Volk eintritt. Wie Mose, der nach dem Gespräch mit Gott auf dem heiligen Berg mit strahlendem Gesicht in die Mitte seines Volkes zurückkehrte (vgl. Ex Ex 34,29-30), so wird auch der Bischof die Zeichen dafür, daß er Vater, Bruder und Freund ist, nur dann unter seine Brüder tragen können, wenn er in die dichte und lichterfüllte Wolke des Geheimnisses des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes eingetreten ist. Vom Licht der Dreifaltigkeit erleuchtet, wird er Zeichen der barmherzigen Güte des Vaters, ein lebendiges Abbild der Liebe des Sohnes, ein offen erkennbarer Mann des Geistes sein, der geweiht und gesandt ist, das Volk Gottes auf seiner Pilgerschaft durch die Zeit hin zur Ewigkeit zu führen.

Die Synodenväter haben die Bedeutung des geistlichen Bemühens im Leben, im Dienst und auf dem Weg des Bischofs mit aller Klarheit herausgestellt. Ich selbst habe auf diese Vordringlichkeit im Einklang mit den Erfordernissen des Lebens der Kirche und mit dem Anruf des Heiligen Geistes hingewiesen, der in diesen Jahren allen den Primat der Gnade, das verbreitete Bedürfnis nach Spiritualität und die Dringlichkeit des Zeugnisgebens für die Heiligkeit in Erinnerung gerufen hat.

Der Verweis auf die Spiritualität entspringt aus der Bezugnahme auf das Wirken des Heiligen Geistes in der Heilsgeschichte. Seine Gegenwart ist aktiv und dynamisch, prophetisch und missionarisch. Die Gabe der Fülle des Heiligen Geistes, die der Bischof bei der Bischofsweihe empfängt, ist eine wertvolle und eindringliche Ermahnung, seinem Wirken in der kirchlichen Gemeinschaft und in der weltweiten Sendung nachzukommen.

Die unmittelbar nach der Feier des Großen Jubiläums des Jahres 2000 abgehaltene Synodenversammlung hat sich den Vorsatz eines heiligen Lebens, das ich selbst der ganzen Kirche empfohlen habe, von Anfang an zu eigen gemacht: »Die Perspektive, in die der pastorale Weg eingebettet ist, heißt Heiligkeit... Nach dem Jubiläum beginnt wieder der gewöhnliche Weg, doch der Hinweis auf die Heiligkeit bleibt mehr denn je ein dringendes Desiderat der Pastoral« .49 Die begeisterte und großzügige Annahme meines Appells, die Berufung zur Heiligkeit an die erste Stelle zu setzen, bildete die Atmosphäre, in der die Synodenarbeit ablief, und das Klima, das die Beiträge und Überlegungen der Synodenväter in gewisser Weise auf einen einheitlichen Nenner gebracht hat. Sie vernahmen in ihren Herzen den Widerhall der Mahnung des heiligen Gregor von Nazianz: »Zuerst sich läutern und dann [andere] läutern, zuerst sich von der Weisheit belehren lassen und dann andere lehren, zuerst Licht werden und dann erleuchten, zuerst sich Gott nähern und dann andere hinführen, zuerst sich heiligen und dann heiligen« .50

Aus diesem Grund kam von der Synodenversammlung mehrmals die Aufforderung, das spezifisch »Bischöfliche« des Weges der Heiligkeit eines Bischofs klar und deutlich zu bestimmen. Es wird immer eine mit dem Volk und für das Volk gelebte Heiligkeit sein, in einem Miteinander, das zum Ansporn und zur gegenseitigen Auferbauung in der Liebe wird. Und dabei handelt es sich nicht um belanglose oder nebensächliche Ansprüche. Denn tatsächlich begünstigt gerade das geistliche Leben des Bischofs die Fruchtbarkeit seines seelsorglichen Wirkens. Bildet etwa nicht die beständige Meditation des Mysteriums Christi, die leidenschaftliche Betrachtung seines Antlitzes und die großzügige Nachahmung des Lebens des Guten Hirten das Fundament jeder wirksamen Seelsorge? Wenn es stimmt, daß unsere Zeit in ständiger Bewegung ist und geradezu in Unruhe mit der deutlichen Gefahr des »Machens um des Machens willen« versetzt wird, dann muß der Bischof als erster durch das Beispiel seines Lebens zeigen, daß es gilt, den Vorrang des »Seins« vor dem »Machen« und noch mehr den Vorrang der Gnadewiederherzustellen, der in der christlichen Lebensvorstellung auch für eine »Planung« des pastoralen Dienstes wesentlich ist.51

Der geistliche Weg des Bischofs


13 Ein Bischof kann sich wirklich nur dann für einen Diener an der Gemeinschaft und an der Hoffnung für das heilige Volk Gottes halten, wenn er seinen Weg in der Gegenwart des Herrn geht. Es ist nämlich nicht möglich, den Menschen zu dienen, ohne vorher »Diener Gottes« zu sein. Und Diener Gottes kann man nur sein, wenn man ein »Mann Gottes« ist. Deshalb habe ich in der Predigt zur Eröffnung der Synode gesagt: »Der Bischof muß ein Mann Gottes sein; seine Existenz und sein Amt stehen gänzlich unter der göttlichen Herrschaft und schöpfen Licht und Kraft aus dem erhabensten Geheimnis Gottes« .52

Die Berufung zur Heiligkeit ist für den Bischof in das sakramentale Geschehen, das am Beginn seines Amtes steht, nämlich die Bischofsweihe, mit eingeschlossen. Das antike Euchologion des Serapion faßt die rituelle Anrufung bei der Konsekration in die Worte: »Gott der Wahrheit, mach diesen [deinen Diener] zu einem lebendigen Bischof, einem heiligen Bischof in der Nachfolge der heiligen Apostel« .53 Da jedoch die Bischofsweihe nicht die Vollkommenheit der Tugenden einflößt, »ist der Bischof aufgerufen, seinen Weg der Heiligung mit größerer Intensität fortzusetzen, um das Format Christi, des vollkommenen Menschen, zu erreichen« .54

Die christologische und trinitarische Natur selbst seines Geheimnisses und Amtes macht für den Bischof einen Weg der Heiligkeit erforderlich, der in einem beständigen Fortschreiten zu einer immer tieferen spirituellen und apostolischen Reife besteht, die vom Vorrang der pastoralen Liebe gekennzeichnet ist. Ein Weg, der offensichtlich zusammen mit dem Volk beschritten wird, im Rahmen eines größeren Plans, der, wie das Leben der Kirche selbst, zugleich persönlich und gemeinschaftlich ist. Auf diesem Weg jedoch wird der Bischof in inniger Gemeinschaft mit Christus und in gewissenhafter Fügsamkeit gegenüber dem Heiligen Geist zum Zeugen, Vorbild, Förderer und Wegbereiter. So drückt es auch das Kirchenrecht aus: »Eingedenk seiner Verpflichtung, selbst ein Beispiel der Heiligkeit zu geben in Liebe, Demut und Einfachheit des Lebens, hat der Diözesanbischof alles daranzusetzen, die Heiligkeit der Gläubigen entsprechend der je eigenen Berufung des einzelnen zu fördern; da er der vornehmliche Ausspender der Geheimnisse Gottes ist, hat er ständig darauf hinzuarbeiten, daß die seiner Sorge anvertrauten Gläubigen durch die Feier der Sakramente in der Gnade wachsen und so das österliche Geheimnis erkennen und leben« .55

Der geistliche Weg des Bischofs hat wie der jedes Christgläubigen seine Wurzel natürlich in der sakramentalen Gnade der Taufe und Firmung. Diese Gnade verbindet ihn mit allen Gläubigen, da – wie das Zweite Vatikanische Konzil feststellt – »alle Christgläubigen jeglichen Standes oder Ranges zur Fülle des christlichen Lebens und zur vollkommenen Liebe berufen sind« .56 In diesem Fall gilt besonders die bekannte Aussage des heiligen Augustinus, die voll Realismus und übernatürlicher Weisheit ist: »Schreckt mich, was ich für euch bin, so tröstet mich, was ich mit euch bin. Für euch bin ich Bischof, mit euch Christ. Das eine ist der Name des Amtes, das ich übernahm, das andere der Name der Gnade, die ich empfing; das eine bedeutet Gefahr, das andere Heil« .57 Doch dank der pastoralen Liebe wird das Amt zum Dienst, und die Gefahr verwandelt sich in Gelegenheit zu Wachstum und Reifung. Das Bischofsamt ist nicht nur Quelle der Heiligkeit für die anderen, sondern es ist bereits Anlaß zur Heiligung für den, der das eigene Herz und das eigene Leben zu einem Kanal der Liebe Gottes werden läßt.

Die Synodenväter haben einige Anforderungen dieses Weges zusammengefaßt. Vor allem haben sie an den Tauf- und Firmungscharakter erinnert, der von Beginn der christlichen Existenz an durch die theologalen Tugenden dazu befähigt, an Gott zu glauben, auf ihn zu hoffen und ihn zu lieben. Der Heilige Geist gießt seinerseits seine Gaben ein und fördert so das Wachsen im Guten durch die Übung der sittlichen Tugenden, die dem geistlichen Leben auch menschliche Konkretheit verleihen.58 Kraft der empfangenen Taufe hat der Bischof wie jeder Christ an der Spiritualität teil, die in der Eingliederung in Christus wurzelt und in seiner dem Evangelium gemäßen Nachfolge sichtbar wird. Darum teilt er die Berufung aller Gläubigen zur Heiligkeit. Er muß also ein tiefes Gebets- und Glaubensleben pflegen und sein ganzes Vertrauen auf Gott setzen, indem er in gelehrigem Gehorsam gegenüber den Ratschlägen des Heiligen Geistes sein Zeugnis für das Evangelium ablegt und der Jungfrau Maria, der vollkommenen Lehrmeisterin des geistlichen Lebens, eine besondere, kindliche Verehrung erweist.59

Die Spiritualität des Bischofs wird also eine Spiritualität der Gemeinschaft sein, die im Einklang mit allen Getauften gelebt wird, die zusammen mit ihm Kinder des einen Vaters im Himmel und der einen Mutter auf Erden, der heiligen Kirche, sind. Er muß, wie alle, die an Christus glauben, sein geistliches Leben dadurch stärken, daß er sich von dem lebendigen und wirksamen Wort des Evangeliums und vom Brot des Lebens der heiligen Eucharistie, der Speise des ewigen Lebens, nährt. Wegen der menschlichen Schwachheit ist auch der Bischof gerufen, häufig und in regelmäßigen Abständen das Sakrament der Buße in Anspruch zu nehmen, um die Gabe jener Barmherzigkeit zu erhalten, deren Verwalter er gleichfalls geworden ist. Im Bewußtsein der eigenen menschlichen Schwäche und der eigenen Sünden erlebt also jeder Bischof, zusammen mit seinen Priestern, zuallererst für sich selbst das Sakrament der Versöhnung als ein tiefes Bedürfnis und eine immer neu erwartete Gnade, um seinem Bemühen um Heiligung bei der Ausübung des Dienstamtes wieder Schwung zu verleihen. Auf diese Weise bringt er auch sichtbar das Geheimnis einer Kirche zum Ausdruck, die in sich heilig ist, die aber auch aus Sündern besteht, die der Vergebung bedürfen.

Wie alle Priester – und natürlich in besonderer Gemeinschaft mit den Diözesanpriestern – wird sich der Bischof um einen ganz spezifischen Weg der Spiritualität bemühen. Er ist nämlich auch aufgrund des neuen Titels, der aus der Weihe herrührt, zur Heiligkeit berufen. Der Bischof lebt deshalb von Glaube, Hoffnung und Liebe, weil er Diener des Wortes des Herrn, der Heiligung und des geistlichen Fortschritts des Gottesvolkes ist. Er muß heilig sein, weil er der Kirche durch das Amt des Lehrens, der Heiligung und der Leitung dienen soll. Als solcher muß er auch die Kirche tief und intensiv lieben. Jeder Bischof ist Christus gleichgestaltet, um die Kirche mit der Liebe des Bräutigams Christus zu lieben und in der Kirche Diener ihrer Einheit zu sein, das heißt, um aus der Kirche »ein von der Einheit des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes her geeintes Volk« 60 zu machen.

Wie die Synodenväter wiederholt hervorgehoben haben, erfährt die besondere Spiritualität des Bischofs eine weitere Bereicherung durch den der Fülle des Priestertums innewohnenden Zufluß der Gnade, die ihm im Augenblick der Weihe übertragen wird. Als Hirt der Herde und Diener des Evangeliums Jesu Christi in der Hoffnung muß der Bischof die Person Christi, des obersten Hirten, widerspiegeln und sie in sich selber gleichsam durchscheinen lassen. Im Pontificale Romanum wird er auf diese Pflicht ausdrücklich hingewiesen: »Die Mitra sei ein Zeichen deines Amtes. Der Glanz der Heiligkeit sei dein Schmuck. Und wenn der Hirt aller Hirten erscheint, wirst du den nie verwelkenden Kranz der Herrlichkeit empfangen« .61

Dazu braucht der Bischof ständig die Gnade Gottes, damit sie seine menschliche Natur stärke und vollkommen mache. Er kann mit dem Apostel Paulus sagen: »Unsere Befähigung stammt von Gott. Er hat uns fähig gemacht, Diener des Neuen Bundes zu sein« (
2Co 3,5-6). Man muß darum hervorheben: Der apostolische Dienst ist eine Quelle der Spiritualität für den Bischof, der daraus die geistlichen Fähigkeiten schöpfen soll, die ihn in der Heiligkeit wachsen lassen und ihm ermöglichen, in dem seiner Hirtensorge anvertrauten Volk Gottes das Wirken des Heiligen Geistes zu entdecken.62

Der geistliche Weg des Bischofs fällt aus dieser Sicht mit der pastoralen Liebe zusammen, die mit Recht als die Seele seines Apostolats gelten muß, wie das auch beim Priester und Diakon der Fall ist. Es handelt sich nicht nur um eine existentia, sondern auch um eine pro-existentia, das heißt um ein Leben, das sich an dem höchsten, vom Herrn Christus selbst dargestellten Vorbild inspiriert und sich daher völlig in der Anbetung des Vaters und im Dienst an den Brüdern verausgabt. Mit Recht sagt in diesem Zusammenhang das Zweite Vatikanische Konzil, daß die Bischöfe nach dem Bild Christi »heilig und freudig, demütig und kraftvoll ihr Amt ausüben« müssen, »das auch für sie, wenn sie es so erfüllen, das hervorragende Mittel der Heiligung ist« .63 Kein Bischof kann darüber hinwegsehen, daß die Vollendung der Heiligkeit der gekreuzigte Christus in seiner äußersten Hingabe an den Vater und die Brüder und Schwestern im Heiligen Geist ist. Deshalb wird die Gleichgestaltung mit Christus und die Teilhabe an seinen Leiden (vgl. 1P 4,13) zum Königsweg der Heiligkeit des Bischofs inmitten seines Volkes.

Maria, Mutter der Hoffnung und Lehrmeisterin des geistlichen Lebens


14 Eine Stütze des geistlichen Lebens wird auch für den Bischof die mütterliche Gegenwart der Jungfrau Maria sein, der Mater spei et spes nostra, wie die Kirche sie anruft. Für Maria wird der Bischof daher eine echte und kindliche Verehrung hegen und sich dabei aufgerufen fühlen, sich ihrfiat zu eigen zu machen sowie jeden Tag den Akt wieder zu beleben und zu verwirklichen, mit dem Jesus dem Jünger Maria zu Füßen des Kreuzes anvertraut hat und seiner Mutter den Lieblingsjünger (vgl. Joh Jn 19,26-27). Ebenso ist der Bischof aufgerufen, sich im einmütigen und beharrlichen Gebet der Jünger und Apostel des Sohnes mit seiner Mutter in der Vorbereitung auf Pfingsten wie in einem Spiegelbild wiederzufinden. In diesem Bild der entstehenden Kirche kommt die unauflösbare Verbindung zwischen Maria und den Nachfolgern der Apostel zum Ausdruck (vgl. Apg Ac 1,14).

Die heilige Muttergottes wird also für den Bischof Lehrmeisterin im Hören und in der umgehenden Ausführung des Wortes Gottes sein, in der treuen Jüngerschaft gegenüber dem einzigen Meister, in der Festigkeit des Glaubens, in der vertrauensvollen Hoffnung und in der glühenden Liebe. Wie Maria, »Denkmal« der Fleischwerdung des Wortes in der ersten Christengemeinde, wird der Bischof, in Gemeinschaft mit allen anderen Bischöfen, in Einheit und unter der Autorität des Nachfolgers Petri, Hüter und Vermittler der lebendigen Tradition der Kirche sein.

Die gesunde Marienverehrung des Bischofs wird immer Bezug auf die Liturgie nehmen, wo die Jungfrau in der Feier der Heilsmysterien in besonderer Weise präsent und für die ganze Kirche mustergültiges Vorbild im Hören und im Gebet, in der Hingabe und in der geistlichen Mutterschaft ist. Ja, es wird die Aufgabe des Bischofs sein, sicherzustellen, daß die Liturgie immer »als ,,beispielhafte Form'', Quelle der Inspiration, fester Bezugspunkt und letztes Ziel der Marienverehrung des Gottesvolkes« 64 erscheint. Von diesem Prinzip ausgehend wird auch der Bischof seine persönliche und gemeinschaftliche Marienverehrung durch die von der Kirche approbierten und empfohlenen frommen Übungen nähren, besonders durch das Beten des Rosenkranzes, der eine Kurzfassung des Evangeliums darstellt. Erfahren in diesem Gebet, in dessen Mittelpunkt die Betrachtung der Heilsereignisse des Lebens Christi steht, mit dem seine heilige Mutter aufs engste verbunden war, ist jeder Bischof eingeladen, ein eifriger Förderer auch dieser Gebetsform zu sein.65

Sich dem Wort anvertrauen


15 Die Versammlung der Bischofssynode hat auf einige Mittel hingewiesen, die notwendig sind, um das eigene geistliche Leben zu nähren und voranschreiten zu lassen.66 Dazu gehört an erster Stelle das Lesen und die Betrachtung des Wortes Gottes. Jeder Bischof soll sich immer »Gott und dem Wort seiner Gnade« anvertrauen, »das die Kraft hat, aufzubauen und das Erbe in der Gemeinschaft der Geheiligten zu verleihen« (Ac 20,32). Deshalb muß der Bischof, noch bevor er Vermittler des Wortes ist, zusammen mit seinen Priestern und wie jeder Gläubige, ja wie die Kirche selbst,67 Hörer des Wortes sein. Er muß gleichsam »innerhalb« des Wortes sein, um sich von ihm wie von einem Mutterschoß behüten und nähren zu lassen. Mit dem heiligen Ignatius von Antiochien wiederholt auch der Bischof: »Ich vertraue mich dem Evangelium an wie dem Fleisch Christi« .68 Jeder Bischof soll sich daher immer jene bekannte Mahnung des heiligen Hieronymus vergegenwärtigen, die auch vom Zweiten Vatikanischen Konzil aufgegriffen wurde: »Die Schrift nicht kennen heißt Christus nicht kennen« .69 Es gibt in der Tat keinen Primat der Heiligkeit ohne das Hören auf das Wort Gottes, das Leitbild und Nahrung der Heiligkeit ist.

Sich dem Wort Gottes anzuvertrauen und es zu bewahren wie die Jungfrau Maria, die Virgo audiens,70 schließt den Gebrauch einiger Hilfen ein, die die Tradition und die geistliche Erfahrung der Kirche stets angeraten haben. Es handelt sich zuallererst um die häufige persönliche Lektüre und das aufmerksame und eifrige Studium der Heiligen Schrift. Ein Bischof wäre nach außen hin ein vergeblicher Prediger des Wortes, würde er es nicht vorher von innen hören.71 Ohne den häufigen Kontakt mit der Heiligen Schrift wäre ein Bischof ein wenig glaubwürdiger Diener der Hoffnung, wenn es zutrifft, daß wir, wie der heilige Paulus sagt, »durch Geduld und durch den Trost der Schrift Hoffnung haben« (Rm 15,4). Es ist also noch immer gültig, was Origenes schrieb: »Das sind die beiden Tätigkeiten des Bischofs: entweder von Gott lernen durch das Lesen und häufige Meditieren der göttlichen Schriften oder das Volk lehren. Er soll jedoch das lehren, was er selber von Gott gelernt hat« .72

Die Synode hat an die Bedeutung der lectio und der meditatio des Wortes Gottes im Leben der Hirten und in ihrem Amt im Dienst an der Gemeinschaft erinnert. Wie ich im Apostolischen Schreiben Novo millennio ineunte dargelegt habe, »ist es notwendig, daß das Hören des Wortes in der alten und noch immer gültigen Tradition der lectio divina zu einer lebendigen Begegnung wird, die uns im biblischen Text das lebendige Wort erfassen läßt, das Fragen an uns stellt, Orientierung gibt und unser Dasein gestaltet« .73 Während der Meditation und der lectio öffnet sich das Herz, welches das Wort schon empfangen hat, der kontemplativen Betrachtung des Handelns Gottes und – als Folge davon – der Umkehr der Gedanken und des Lebens zu ihm, einer Umkehr, die von der flehenden Bitte um seine Vergebung und seine Gnade begleitet ist.

Sich nähren von der Eucharistie


16 Wie das Ostergeheimnis im Zentrum des Lebens und der Sendung des Guten Hirten steht, so steht auch die Eucharistie im Zentrum des Lebens und der Sendung des Bischofs, wie eines jeden Priesters.

In der täglichen Feier der heiligen Messe bringt er sich selbst zusammen mit Christus dar. Wenn dann diese Meßfeier in der Kathedrale oder in den anderen Kirchen, besonders den Pfarrkirchen, mit der aktiven Teilnahme der Gläubigen stattfindet, erscheint der Bischof unter den Augen aller als der, der er ist, nämlich als Sacerdos et Pontifex, da er in der Person Christi und in der Vollmacht seines Geistes handelt, und als der hiereus, der heilige Priester, dem es obliegt, die heiligen Geheimnisse des Altars zu vollziehen, die er durch die Predigt verkündet und erklärt.74

Die Liebe des Bischofs zur Heiligen Eucharistie kommt auch zum Ausdruck, wenn er im Laufe des Tages einen ausreichend großen Teil seiner Zeit der Anbetung vor dem Tabernakel widmet. Hier öffnet der Bischof dem Herrn sein Herz, damit es ganz von der Liebe durchdrungen und gestaltet werde, die am Kreuz von dem großen Hirten der Schafe verströmt wurde, der für sie sein Blut vergossen und sein Leben hingegeben hat. Zu ihm erhebt er auch sein Gebet, wobei er ständig für die ihm anvertrauten Schafe Fürbitte hält.

Das Gebet und die Stundenliturgie


17 Ein zweites von den Synodenvätern empfohlenes Mittel ist das Gebet und ganz besonders jenes, das mit der Feier der Stundenliturgie zum Herrn emporgesandt wird. Das Stundengebet ist in besonderer Weise und immer Gebet der christlichen Gemeinschaft im Namen Christi und unter der Leitung des Geistes.

Das Gebet ist in sich für einen Bischof eine besondere Pflicht, ebenso für all jene, die »das Geschenk der Berufung zu einem Leben besonderer Weihe empfangen haben: Das Gebet macht sie auf Grund seines Wesens bereiter für die kontemplative Erfahrung« .75 Der Bischof selbst darf nicht vergessen, daß er Nachfolger jener Apostel ist, die vor allem deshalb von Christus eingesetzt wurden, »weil er sie bei sich haben wollte« (
Mc 3,14), und die zu Beginn ihrer Sendung eine feierliche Erklärung abgaben, die ein Lebensprogramm ist: »Wir aber wollen beim Gebet und beim Dienst am Wort bleiben« (Ac 6,4). Es wird dem Bischof also nur dann gelingen, ein Lehrmeister im Beten zu sein, wenn er auf seine persönliche Erfahrung des Dialogs mit Gott zählen kann. Er muß sich in jedem Augenblick mit den Worten des Psalmisten an Gott wenden können: »Ich warte auf dein Wort« (Ps 119,114). Gerade aus dem Gebet wird er jene Hoffnung schöpfen können, mit der er die Gläubigen gleichsam anstecken soll. Das Gebet ist nämlich der bevorzugte Platz, an dem sich die Hoffnung zum Ausdruck bringt und Nahrung findet, da es – nach einem Wort des heiligen Thomas von Aquin – das »Sprachrohr der Hoffnung« 76 ist.

Das persönliche Gebet des Bischofs soll in ganz besonderer Weise ein typisch »apostolisches« Gebet sein, das heißt ein Gebet, das dem Vater als Fürbitte für alle Anliegen des ihm anvertrauten Volkes vorgelegt wird. Im Pontificale Romanum lautet vor der Auflegung der Hände die letzte in der Reihe der Pflichten des zum Bischofsamt Erwählten: »Bist du bereit, für das Heil des Volkes unablässig zum allmächtigen Gott zu beten und das hohepriesterliche Amt untadelig auszuüben?«77 Ganz besonders betet der Bischof um die Heiligkeit seiner Priester, um Berufungen zum Priesteramt und zum Ordensleben, auf daß das Feuer des missionarischen und apostolischen Einsatzes in der Kirche immer stärker brenne.

Hinsichtlich des Stundengebetes, das den gesamten Tagesablauf durch das Lob Gottes heiligen und ihm Orientierung geben soll, kann man die großartigen Formulierungen des Zweiten Vatikanischen Konzils nicht unbeachtet lassen: »Wenn nun die Priester und andere kraft kirchlicher Ordnung Beauftragte oder die Christgläubigen, die zusammen mit dem Priester in einer approbierten Form beten, diesen wunderbaren Lobgesang recht vollziehen, dann ist dies wahrhaft die Stimme der Braut, die zum Bräutigam spricht, ja es ist das Gebet, das Christus vereint mit seinem Leibe an seinen Vater richtet. Alle, die das vollbringen, erfüllen eine der Kirche obliegende Pflicht und haben zugleich Anteil an der höchsten Ehre der Braut Christi; denn indem sie Gott das Lob darbringen, stehen sie im Namen der Mutter Kirche vor dem Throne Gottes« .78 Mein Vorgänger seligen Angedenkens, Papst Paul VI., schrieb über das Stundengebet, daß es ein »Gebet der Ortskirche« sei, in dem »das wahre Wesen der betenden Kirche« zum Ausdruck komme.79 In der consecratio temporis, die das Stundengebet vollzieht, erfüllt sich jene laus perennis, die Vorwegnahme und vorausdeutende Darstellung der himmlischen Liturgie sowie Band der Vereinigung mit den Engeln und den Heiligen ist, die den Namen Gottes in Ewigkeit preisen. Ein Bischof erweist und verwirklicht sich also in dem Maße als Mann der Hoffnung, wie er sich in die eschatologische Dynamik des Gebetes der Psalmen einbringt. In den Psalmen erklingt die Vox sponsae, die Stimme der Braut, die den Bräutigam anruft.

Jeder Bischof betet daher mit seinem Volk und für sein Volk. Er erfährt jedoch auch Erbauung und Hilfe durch das Gebet seiner Gläubigen, der Priester und Diakone, der Personen des geweihten Lebens und der Laien eines jeden Alters. In ihrer Mitte ist der Bischof Erzieher zum Gebet und Förderer des Gebetes. Er vermittelt nicht nur das, was er in seinen Betrachtungen erwogen hat, sondern eröffnet den Christen den Weg der Kontemplation. Der bekannte Leitsatz vom contemplata aliis tradere wird auf diese Weise zu einem contemplationem aliis tradere.

Der Weg der evangelischen Räte und der Seligpreisungen


18 Allen seinen Jüngern, besonders denjenigen, die ihm schon während ihres irdischen Lebens nach Art der Apostel aus nächster Nähe folgen wollen, zeigt der Herr den Weg der evangelischen Räte. Sie sind ein Geschenk der Dreifaltigkeit an die Kirche und darüber hinaus im Glaubenden ein Abglanz des trinitarischen Lebens.80 Dies sind sie auf besondere Weise im Bischof, der als Nachfolger der Apostel gerufen ist, Christus auf dem Weg der Vollkommenheit der Liebe nachzufolgen. Dafür ist er geweiht, wie Jesus geweiht ist. Sein Leben bedeutet radikale Abhängigkeit von Jesus und vor der Kirche und der Welt völlige Transparenz auf Jesus hin. Im Leben des Bischofs muß das Leben Jesu aufscheinen und somit sein Gehorsam gegenüber dem Vater bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz (vgl. Phil Ph 2,8), seine keusche und jungfäuliche Liebe, seine Armut, die absolute Freiheit von den weltlichen Gütern darstellt.

Auf diese Weise können die Bischöfe durch ihr Beispiel nicht nur jene leiten, die in der Kirche zur Nachfolge Christi im geweihten Leben berufen sind, sondern auch die Priester, denen die Radikalität der Heiligkeit entsprechend dem Geist der evangelischen Räte ebenso nahegelegt wird. Diese Radikalität betrifft im übrigen alle Gläubigen, auch die Laien, weil »sie ein grundlegender und unverzichtbarer Anspruch ist, der aus dem Anruf Christi erwächst, ihm aufgrund der vom Geist bewirkten innigen Verbundenheit mit ihm zu folgen und ihn nachzuahmen« .81

Schließlich sollen die Gläubigen im Antlitz des Bischofs jene Eigenschaften betrachten können, die Geschenk der Gnade sind und in den Seligpreisungen gleichsam das Selbstbildnis Christi darstellen: den Ausdruck der Armut, der Milde und der Leidenschaft für die Gerechtigkeit; das barmherzige Angesicht des Vaters und des friedlichen und Frieden stiftenden Menschen; das Antlitz der Reinheit dessen, der unablässig und ausschließlich auf Gott schaut. Die Gläubigen sollen in ihrem Bischof auch das Angesicht dessen sehen können, der das Mitleid Jesu mit den Betrübten nachlebt; und manchmal – wie es in der Geschichte und noch heute vorkommt – das von innerer Kraft und Freude erfüllte Angesicht dessen, der um der Wahrheit des Evangeliums willen verfolgt wird.

Die Tugend des Gehorsams


19 Durch die Aneignung dieser sehr menschlichen Züge Jesu wird der Bischof auch zum Vorbild und Förderer einer Spiritualität der Gemeinschaft. Diese ist darauf angelegt, mit Wachsamkeit und Sorgfalt die Kirche so aufzubauen, daß alles, Worte und Werke, im Zeichen kindlicher, in Christus und im Heiligen Geist vollzogener Fügsamkeit unter dem liebevollen Plan des Vaters geschehe. Als Lehrer der Heiligkeit und als Diener der Heiligung seines Volkes ist der Bischof in der Tat gerufen, den Willen des Vaters treu zu erfüllen. Der Gehorsam des Bischofs muß so gelebt werden, daß er als Vorbild – anders könnte es ja gar nicht sein – den Gehorsam Christi selbst hat, der mehrmals bekräftigt hat, vom Himmel herabgekommen zu sein, nicht um seinen Willen zu tun, sondern den Willen dessen, der ihn gesandt hat (vgl. Joh Jn 6,38 Jn 8,29 Phil Ph 2,7-8).

Unterwegs auf den Spuren Christi gehorcht der Bischof dem Evangelium und der Tradition der Kirche; er versteht, die Zeichen der Zeit zu deuten und die Stimme des Heiligen Geistes im petrinischen Amt und in der Kollegialität der Bischöfe zu erkennen. Im Apostolischen SchreibenPastores dabo vobis habe ich den apostolischen, gemeinschaftlichen und pastoralen Charakter des priesterlichen Gehorsams beleuchtet.82 Diese Eigenschaften finden sich ganz offensichtlich in noch markanterer Weise im Gehorsam des Bischofs. Die Fülle des Weihesakraments, die er empfangen hat, stellt ihn in der Tat in eine besondere Beziehung zum Nachfolger Petri, zu den Mitgliedern des Bischofskollegiums und zu seiner Teilkirche selbst. Er muß sich in die Pflicht genommen fühlen, diese Beziehungen zum Papst und zu den Mitbrüdern im Bischofsamt in einem engen Band der Einheit und Zusammenarbeit intensiv zu leben. Auf diese Weise antwortet er auf den göttlichen Plan, der die Apostel um Petrus untrennbar vereinen wollte. Diese hierarchische Gemeinschaft des Bischofs mit dem Papst bestärkt seine Fähigkeit, kraft des empfangenen Weiheamtes Jesus Christus, das unsichtbare Haupt der ganzen Kirche, zu vergegenwärtigen.

Dem apostolischen Aspekt des Gehorsams kann sich jener gemeinschaftliche nur anschließen, insofern das Bischofsamt von seiner Natur her »eins und ungeteilt« 83 ist. Aufgrund dieser Gemeinschaftlichkeit ist der Bischof berufen, seinen Gehorsam unter Überwindung jeder individualistischen Versuchung und unter Annahme der Bürde der Sorge um das Wohl der ganzen Kirche innerhalb der Sendung des Bischofskollegiums zu leben.

Als Vorbild im Hören soll der Bischof gleichfalls aufmerksam sein, durch Gebet und Unterscheidung den Willen Gottes in dem, was der Geist der Kirche sagt, zu erfassen. In Ausübung seiner Autorität im Sinne des Evangeliums muß er mit seinen Mitarbeitern und den Gläubigen in Dialog zu treten wissen, um das gegenseitige Einvernehmen wirksam wachsen zu lassen.84 Dies wird ihm erlauben, auf seelsorgliche Weise die Würde und Verantwortung jedes einzelnen Gliedes des Volkes Gottes zu schätzen, indem er mit Ausgeglichenheit und Gelassenheit den Unternehmungsgeist eines jeden fördert. Denn die Gläubigen müssen unterstützt werden im Wachstum eines verantwortlichen Gehorsams, der sie auf pastoraler Ebene aktiv werden läßt.85 In diese Hinsicht hat die Aufforderung des heiligen Ignatius von Antiochien an Polykarp bleibende Gültigkeit: »Nichts geschehe ohne deine Zustimmung, du aber unternimm nichts ohne Gott« .86


Pastores gregis DE 10