Pastores gregis DE 30

Der bischöfliche Dienst für die Inkulturation des Evangeliums


30 Die Evangelisierung der Kultur und die Inkulturation des Evangeliums sind ein wesentlicher Bestandteil der Neuevangelisierung und somit eine Aufgabe gerade des Bischofsamtes. Diesbezüglich griff die Synode einige meiner früheren Äußerungen auf und wiederholte: »Ein Glaube, der nicht zur Kultur wird, ist kein voll akzeptierter, ganzheitlich durchdachter und getreu ins Leben umgesetzter Glaube« .122

Es handelt sich in Wirklichkeit um eine alte und stets neue Aufgabe, die ihren Ursprung im Geheimnis der Inkarnation hat und ihren Grund in der dem Evangelium innewohnenden Fähigkeit, in jeder Kultur Wurzeln zu schlagen, ihr Form zu geben und sie zu fördern, sie zu läutern und sie für die Fülle von Wahrheit und Leben zu öffnen, die in Christus Jesus Wirklichkeit geworden ist. Große Aufmerksamkeit wurde diesem Thema während der Kontinentalsynoden geschenkt, von denen wertvolle Hinweise kamen. Ich selbst habe mich bei mehreren Gelegenheiten damit befaßt.

Jeder Bischof wird daher in Anbetracht der auf dem Gebiet seiner Teilkirche vorhandenen Kulturwerte eifrig darum bemüht sein, daß das Evangelium unversehrt und unverkürzt verkündet wird, um das Herz der Menschen und die Bräuche der Völker zu formen. Eine wertvolle Hilfe in diesem Unterfangen der Evangelisierung wird für ihn der Beitrag der Theologen sein, ebenso wie der Beitrag der Fachleute bei der Bewertung des kulturellen, künstlerischen und historischen Erbes der Diözese: Dies betrifft sowohl die alte wie die neue Evangelisierung und stellt ein wirksames pastorales Instrument dar.123

Von großer Bedeutung für die Verkündigung des Evangeliums auf jedem »neuen Areopag« und für die Weitergabe des Glaubens sind ebenfalls die sozialen Kommunikationsmittel. Auch diesen galt die Aufmerksamkeit der Synodenväter, die die Bischöfe zu einer größeren Zusammenarbeit zwischen den Bischofskonferenzen sowohl auf nationaler wie auf internationaler Ebene ermutigt haben, damit sich daraus eine qualifiziertere Tätigkeit auf diesem heiklen und wertvollen Gebiet des sozialen Lebens ergebe.124

Wo es um die Verkündigung des Evangeliums geht, ist es in der Tat wichtig, sich außer um deren Rechtgläubigkeit auch um eine einprägsame Präsentation zu kümmern, die dem Hören und der Aufnahme der Verkündigung förderlich ist. Dies schließt offensichtlich die Verpflichtung ein, besonders in den Seminaren einen angemessenen Zeitraum für die Ausbildung der Priesteramtskandidaten im Gebrauch der sozialen Kommunikationsmittel einzuplanen, damit die zur Evangelisation Berufenen gute Verkündiger und gute Kommunikatoren werden.

Predigen durch Wort und Beispiel


31 Der Dienst des Bischofs als Verkünder des Evangeliums und Bewahrer des Glaubens im Volk Gottes wäre nicht vollständig dargestellt, würde der Hinweis auf die Verpflichtung zur persönlichen Glaubwürdigkeit fehlen: Seine Lehrtätigkeit setzt sich im Zeugnis und im Beispiel eines echten Glaubenslebens fort. Würde der Bischof, der mit einer im Namen Jesu Christi ausgeübten Autorität 125 das in der Gemeinde gehörte Wort lehrt, selber nicht leben, was er lehrt, gäbe er der Gemeinde selbst eine widersprüchliche Botschaft.

Es erscheint somit klar, daß sämtliche Aktivitäten des Bischofs auf die Verkündigung des Evangeliums, »eine Kraft Gottes, die jeden rettet, der glaubt« (
Rm 1,16), ausgerichtet sein müssen. Seine wesentliche Aufgabe ist es, dem Volk Gottes dabei zu helfen, dem Wort der Offenbarung Glaubensgehorsam entgegenzubringen (vgl. Röm Rm 1,5) und die Lehre Christi vollständig anzunehmen. Man könnte sagen, im Bischof verbinden sich Sendung und Leben in einer Weise, daß man dabei nicht mehr an zwei verschiedene Dinge denken darf: Wir Bischöfe sind unsere Sendung. Erfüllten wir sie nicht, wären wir nicht mehr wir selbst. Im Zeugnis unseres Glaubens wird unser Leben zum sichtbaren Zeichen der Gegenwart Christi in unseren Gemeinden.

Das Lebenszeugnis wird für den Bischof gleichsam ein neuer Ausweis von Autorität, der sich an die in der Weihe empfangene objektive Gegebenheit annähert. So tritt an die Seite der Autorität das Ansehen. Beides ist nötig. Denn aus dem einen ersteht die objektive Forderung, daß die Gläubigen an der authentischen Lehre des Bischofs festhalten; der zweite Aspekt erleichtert es ihnen, Vertrauen in die Botschaft zu setzen. Ich möchte in diesem Zusammenhang anführen, was ein großer Bischof der antiken Kirche, der heilige Hilarius von Poitiers, geschrieben hat: »Der selige Apostel Paulus, der das Idealbild eines zukünftigen Bischofs definieren und durch seine Lehren einen völlig neuen Kirchenmann formen wollte, erklärte, was bei ihm sozusagen das Maximum an Vollkommenheit wäre. Er sagte, daß der Bischof eine sichere, mit dem Lehramt übereinstimmende Lehre bekennen müsse, um zur gesunden Lehre auffordern und die Gegner widerlegen zu können. [...] Einerseits wird ein Diener von untadeligem Leben, wenn er nicht gebildet ist, höchstens sich selbst von Nutzen sein; andererseits wird ein gebildeter Diener ohne Autorität in seiner Lehre sein, wenn sich sein Leben nicht als untadelig erweist« .126

Der Apostel Paulus gebraucht folgende Worte, um die zu befolgende Verhaltensweise festzulegen: »Gib selbst ein Beispiel durch gute Werke. Lehre die Wahrheit unverfälscht und mit Würde, mit gesunden, unanfechtbaren Worten; so wird der Gegner beschämt und kann nichts Schlechtes über uns sagen« (Tt 2,7-8).

VIERTES KAPITEL


DIENER DER GNADE


DES HÖCHSTEN PRIESTERTUMS


»Geheiligte in Christus Jesus, berufen als Heilige« (1Co 1,2)


32 Während ich mich anschicke, eine der ersten und grundlegenden Aufgaben des Bischofs, nämlich den Dienst der Heiligung, zu behandeln, bin ich mit meinen Gedanken bei den Worten, mit denen sich der Apostel Paulus an die Gläubigen von Korinth wandte und ihnen das Geheimnis ihrer Berufung gleichsam vor Augen stellte: »Geheiligte in Christus Jesus und berufen als Heilige mit allen, die den Namen Jesu Christi, unseres Herrn, überall anrufen« (1Co 1,2). Die Heiligung des Christen verwirklicht sich im Bad der Taufe, sie wird gestärkt durch die Sakramente der Firmung und der Versöhnung und genährt von der Eucharistie, dem kostbarsten Gut der Kirche, dem Sakrament, von dem die Kirche immerfort als Volk Gottes, Leib Christi und Tempel des Heiligen Geistes aufgebaut wird.127

Diener dieser Heiligung, die sich im Leben der Kirche ausbreitet, ist der Bischof vor allem durch die heilige Liturgie. Von der Liturgie und insbesondere von der Eucharistiefeier heißt es, daß sie »Höhepunkt und Quelle des Lebens der Kirche« ist.128 Gewissermaßen findet diese Feststellung ihre Bestätigung im liturgischen Dienst des Bischofs, der sich als zentraler Vorgang in seinem Wirken darstellt, das der Heiligung des Gottesvolkes gilt.

Daraus wird die Bedeutung des liturgischen Lebens in der Teilkirche deutlich, in der der Bischof sein Amt der Heiligung ausübt, wenn er das Wort Gottes verkündigt und predigt, das Gebet fürsein Volk und mit seinem Volk leitet und der Feier der Sakramente vorsteht. Aus diesem Grund erkennt die dogmatische Konstitution Lumen gentium dem Bischof einen schönen Titel zu, der dem Gebet zur Bischofsweihe im byzantinischen Ritus entnommen ist, nämlich »Verwalter der Gnade des höchsten Priestertums, vornehmlich in der Eucharistie, die er selbst darbringt oder darbringen läßt und aus der die Kirche immerfort lebt und wächst« .129

Zwischen dem Dienst der Heiligung und den beiden anderen Ämtern, dem der Lehre und dem der Leitung, besteht eine tiefe innerer Zusammenhang. Denn die Verkündigung ist auf die Teilnahme am göttlichen Leben ausgerichtet, das vom zweifachen Tisch des Wortes und der Eucharistie geschöpft wird. Es entfaltet sich und wird deutlich im täglichen Leben der Gläubigen, da alle gerufen sind, das, was sie im Glauben empfangen haben, in ihrem Verhalten zum Ausdruck zu bringen.130 Das Leitungsamt vollzieht sich, wie das des Guten Hirten Jesus, in Aufgaben und Werken, deren Ziel es ist, in der Gemeinschaft der Gläubigen die Lebensfülle in der Liebe zum Lobpreis der Heiligsten Dreifaltigkeit und als Zeugnis für deren liebende Gegenwart in der Welt sichtbar werden zu lassen.

Daher verwirklicht jeder Bischof bei der Ausübung des Heiligungsdienstes (munus sanctificandi)das, was das Lehramt (munus docendi) zum Ziel hat, und schöpft zugleich die Gnade für das Leitungsamt (munus regendi), indem er sein Verhalten dem Bild Christi, des Hohenpriesters, so nachbildet, daß alles auf den Aufbau der Kirche und die Ehre der Heiligsten Dreifaltigkeit hingeordnet ist.

Quell und Höhepunkt des Lebens der Teilkirche


33 Der Bischof übt das Amt der Heiligung durch die Feier der Eucharistie und der anderen Sakramente, durch das Gotteslob der Stundenliturgie, durch den Vorsitz bei den anderen heiligen Riten und auch durch die Förderung des liturgischen Lebens und der echten Volksfrömmigkeit aus. Unter allen vom Bischof geleiteten Feiern kommt jenen eine besondere Bedeutung zu, aus welchen die Eigenart des Bischofsamtes als Fülle des Priestertums hervorgeht. Es handelt sich speziell um die Spendung des Sakramentes der Firmung, um die Erteilung der Heiligen Weihen, um die festliche Feier der Eucharistie, in der der Bischof von seinem Presbyterium und von den anderen Amtsträgern umgeben ist – wie zum Beispiel in der Liturgie der Chrisam-Messe –, um die Weihe von Kirchen und Altären, um die Jungfrauenweihe und um andere für das Leben der Teilkirche wichtige Riten. Bei diesen Feiern tritt der Bischof in sichtbarer Weise als Vater und Hirt der Gläubigen auf, als »Hoherpriester« seines Volkes (vgl. Hebr He 10,21), als Beter und als Lehrer des Gebetes, der sich für seine Brüder verwendet und mit dem Volk selbst den Herrn anfleht und ihm dankt, während er den Primat Gottes und seiner Herrlichkeit hervorhebt.

Bei diesen verschiedenen Anlässen sprudelt die göttliche Gnade wie aus einer Quelle. Sie durchdringt das ganze Leben der Kinder Gottes während ihres Erdenweges und lenkt es auf seinen Höhepunkt und seine Vollendung in der himmlischen Heimat hin. Das Amt der Heiligung ist daher von grundlegender Bedeutung für die Ausbreitung der christlichen Hoffnung. Der Bischof verkündet nicht nur durch die Predigt des Wortes die Verheißungen Gottes und steckt die Wege der Zukunft ab, sondern ermutigt das Volk Gottes auf seinem irdischen Pilgerweg. Durch die Feier der Sakramente, Unterpfand der künftigen Herrlichkeit, läßt er es seine letzte Bestimmung – in Gemeinschaft mit der Jungfrau Maria und mit den Heiligen – in der unerschütterlichen Gewißheit des endgültigen Sieges Christi über Sünde und Tod und seiner Wiederkunft in Herrlichkeit vorauskosten.

Die Bedeutung der Kathedralkirche


34 Der Bischof übt sein Amt der Heiligung zwar in der ganzen Diözese aus, doch der Brennpunkt seines Wirkens ist die Kathedralkirche, die gleichsam die Mutterkirche und der Mittelpunkt der Teilkirche ist, wo alles zusammenläuft.

Die Kathedrale ist tatsächlich der Ort, wo der Bischof seine Cathedra hat, von der aus er sein Volk durch die Verkündigung anleitet und es wachsen läßt und wo er bei den Feiern der Hauptfeste des Kirchenjahres und der Sakramente den Vorsitz innehat. Eigens dann, wenn ein Bischof auf der Cathedra Platz genommen hat, zeigt er sich der Versammlung der Gläubigen gegenüber als der, der in loco Dei Patris den Vorsitz führt. Wie ich bereits in Erinnerung gerufen habe, darf sich deshalb gemäß einer uralten, im Osten und im Westen gültigen Tradition nur der Bischof auf den Bischofsstuhl setzen. Das Vorhandensein dieser Cathedra macht ja eben die Kathedralkirche für das Presbyterium der Diözese und für das ganze heilige Volk Gottes zum räumlichen und geistlichen Zentrum der Einheit und der Gemeinschaft.

Nicht vergessen werden darf in diesem Zusammenhang die Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils in bezug darauf, daß »alle das liturgische Leben des Bistums, in dessen Mittelpunkt der Bischof steht, besonders in der Kathedralkirche, aufs höchste schätzen sollen; sie sollen überzeugt sein, daß die Kirche auf eine vorzügliche Weise dann sichtbar wird, wenn das ganze heilige Gottesvolk voll und tätig an denselben liturgischen Feiern, besonders an derselben Eucharistiefeier, teilnimmt: in der Einheit des Gebetes und an dem einen Altar und unter dem Vorsitz des Bischofs, der umgeben ist von seinem Presbyterium und den Dienern des Altars« .131 In der Kathedrale, wo sich der Höhepunkt des Lebens der Kirche vollzieht, erfüllt sich daher auch die erhabenste und heiligste Handlung des munus sanctificandi des Bischofs, die – wie die Liturgie selbst, bei der er den Vorsitz hat – die Heiligung des Menschen, die kultische Verehrung und die Verherrlichung Gottes einschließt.

Spezielle Anlässe für dieses Sichtbarwerden des Geheimnisses der Kirche sind einige besondere liturgische Feiern. Ich denke dabei an die jährliche Liturgie der Chrisam-Messe, die als »eine besonders charakteristische Ausdrucksform dieser priesterlichen Vollgewalt des Bischofs und ein Zeichen der engen Verbundenheit der Priester mit ihm« 132 angesehen werden muß. Während dieser Feier wird zusammen mit dem Krankenöl und dem Öl für die Katechumenen das heilige Chrisam geweiht, als sakramentales Zeichen des Heiles und des vollkommenen Lebens für alle, die aus dem Wasser und dem Heiligen Geist wiedergeboren wurden. Zu den feierlichsten Liturgien sind natürlich auch jene zu zählen, bei denen die heiligen Weihen erteilt werden: der eigentliche und normale Ort für die Feier dieser Riten ist die Kathedralkirche.133 Weitere Anlässe, wie der Jahrestag der Kirchweihe der Kathedrale oder die Feste der Diözesanpatrone, mögen hinzukommen.

Diese und andere Anlässe sind, entsprechend dem liturgischen Kalender jeder einzelnen Diözese, wertvolle Gelegenheiten, um die Bande der Gemeinschaft mit den Priestern, den Personen des geweihten Lebens und den gläubigen Laien neu zu festigen und unter allen Gliedern der Teilkirche die Impulse zur Mission anzuregen. Darum hebt das Coeremoniale Episcoporum die Bedeutung der Kathedralkirche und der liturgischen Feiern hervor, die zum Wohl und zum Vorbild der ganzen Ortskirche in ihr abgehalten werden.134

Der Bischof, Leiter der Liturgie als Glaubenspädagogik


35 Die Synodenväter wollten unter den heutigen Umständen auf die Bedeutung des Amtes der Heiligung aufmerksam machen, das in der Liturgie ausgeübt wird. Diese soll so verlaufen, daß ihre didaktische und erzieherische Wirksamkeit zum Tragen kommt.135 Das erfordert, daß die liturgischen Feiern wirklich Epiphanie des Mysteriums sind. Sie werden daher das Wesen des Gottesdienstes dadurch klar zum Ausdruck bringen müssen, daß sie den unverfälschten Sinn der Kirche, die betet und die göttlichen Geheimnisse feiert, widerspiegeln. Wenn an den liturgischen Feiern alle gemäß den verschiedenen Ämtern in angemessener Weise teilnehmen, wird es ihnen nicht am Glanz der Würde und Schönheit fehlen.

Ich selbst wollte bei der Ausübung meines Amtes den liturgischen Feiern sowohl in Rom wie auch während meiner apostolischen Reisen in die verschiedenen Kontinente und Nationen eine Priorität verleihen. Indem ich die Schönheit und Würde der christlichen Liturgie in allen ihren Ausdrucksformen aufstrahlen ließ, beabsichtigte ich, den echten Sinn der Heiligung des Namens Gottes zu fördern, um das religiöse Empfinden der Gläubigen zu bilden und es für die Transzendenz zu öffnen.

Ich fordere daher meine Mitbrüder im Bischofsamt als Lehrer des Glaubens und Teilhaber am höchsten Priestertum Christi auf, sich mit aller Kraft um die authentische Förderung der Liturgie zu bemühen. Sie verlangt, daß in der Art und Weise ihrer Feier klar die geoffenbarte Wahrheit verkündet, das göttliche Leben getreu weitergegeben und das ureigene Wesen der Kirche unzweideutig zum Ausdruck gebracht wird. Alle sollen sich der Bedeutung der heiligen Feiern der Geheimnisse des katholischen Glaubens bewußt sein. Die Wahrheit des christlichen Glaubens und Lebens wird nicht nur durch Worte, sondern auch durch die sakramentalen Zeichen und die Gesamtheit der liturgischen Riten weitergegeben. Der alte Grundsatz von der engen Bindung derlex credendi an die lex orandi ist in diesem Zusammenhang wohlbekannt.136

Jeder Bischof soll daher beispielhaft die Kunst des liturgischen Vorsitzes vollziehen und sich dabei des tractare mysteria bewußt sein. Er soll auch ein tiefes theologales Leben haben, das sein Verhalten bei jedem Kontakt mit dem heiligen Gottesvolk inspiriert. Er soll dazu fähig sein, den übernatürlichen Sinn der Worte, der Gebete und der Riten so zu vermitteln, daß alle in die Teilnahme an den heiligen Geheimnissen einbezogen werden. Darüber hinaus muß der Bischof durch eine konkrete und angemessene Förderung der Liturgiepastoral in der Diözese gewährleisten, daß sich die Seelsorger und das Volk ein richtiges Verständnis der Liturgie und eine entsprechende Erfahrung aneignen, um die Gläubigen zu jener vollen, bewußten, tätigen und fruchtbaren Teilnahme an den heiligen Geheimnissen gelangen zu lassen, die vom Zweiten Vatikanischen Konzil gewünscht wurde.137

Auf diese Weise werden die liturgischen Feiern – und besonders jene, bei denen der Bischof in seiner Kathedrale den Vorsitz innehat – eine klare Verkündigung des Glaubens der Kirche sein, vorzügliche Gelegenheiten, bei denen der Hirt den Gläubigen das Geheimnis Christi vor Augen stellt und ihnen hilft, nach und nach darin einzudringen, um daraus eine freudige Erfahrung zu machen, die dann in Werken der Liebe zu bezeugen ist (vgl. Gal
Ga 5,6).

Angesichts der Bedeutung der richtigen Weitergabe des Glaubens in der heiligen Liturgie der Kirche darf es der Bischof nicht versäumen, zum Wohl der Gläubigen fürsorglich darüber zu wachen, daß die geltenden liturgischen Vorschriften immer, von allen und überall eingehalten werden. Das schließt auch eine entschlossene und rechtzeitige Korrektur der Mißbräuche und die Beseitigung von Eigenmächtigkeiten im liturgischen Bereich ein. Der Bischof soll, soweit es von ihm abhängt, oder in Zusammenarbeit mit den Bischofskonferenzen und den zuständigen liturgischen Kommissionen, auch darauf achten, daß bei Rundfunk- und Fernsehübertragungen die gleiche Würde und Wahrheit der liturgischen Handlungen gewahrt bleibt.

Die zentrale Stellung des Tages des Herrn und des Kirchenjahres


36 Das Leben und das Amt des Bischofs müssen von der Gegenwart des Herrn in seinem Geheimnis gleichsam durchdrungen sein. Die diözesanweite Verbreitung der Überzeugung von der in geistlicher, katechetischer und pastoraler Hinsicht zentralen Stellung der Liturgie hängt zum Großteil vom Beispiel des Bischofs ab.

Im Mittelpunkt dieses seines Dienstes steht die Feier des Paschamysteriums Christi am Tag des Herrn, dem Sonntag. Wie ich öfters wiederholt und erst unlängst gesagt habe, muß der Feier des Sonntags und der Eucharistiefeier an diesem Tag ihr zentraler Charakter zurückgegeben werden, um in unserer Zeit ein starkes Zeichen christlicher Identität zu setzen. Der Sonntag ist ein Tag, der als »besonderer Tag des Glaubens, als Tag des auferstandenen Herrn und des Geschenkes des Geistes, als wöchentliches Ostern« 138 wahrgenommen werden muß.

Die Anwesenheit des Bischofs, der am Sonntag – der auch der Tag der Kirche ist – in seiner Kathedrale oder in den Pfarreien der Diözese die Eucharistiefeier leitet, kann für das Gottesvolk auf seinem Pilgerweg ein beispielhaftes Zeichen der Treue zum Geheimnis der Auferstehung und ein Grund zur Hoffnung sein – Sonntag für Sonntag, bis zum achten Tag des ewigen Pascha, an dem die Sonne nicht untergeht.139

Im Laufe des liturgischen Jahres läßt die Kirche das ganze Mysterium Christi von der Menschwerdung und Geburt bis zur Himmelfahrt, zum Pfingsttag und zur hoffnungsvollen Erwartung der glorreichen Wiederkunft des Herrn wieder lebendig werden.140 Besondere Aufmerksamkeit wird der Bischof natürlich auf die Vorbereitung und Feier des Ostertriduums verwenden, das mit der feierlichen Osternacht und seiner Fortführung in den fünfzig Tagen nach Ostern das Herzstück des ganzen liturgischen Jahres ist.

Das liturgische Jahr mit seiner zyklischen Abfolge kann für eine pastorale Planung des Lebens der Diözese rund um das Mysterium Christi in Erwartung seiner Wiederkunft in Herrlichkeit in geeigneter Weise erschlossen werden. Auf diesem Glaubensweg hilft der Kirche das Gedenken an die selige Jungfrau Maria, die »im Himmel schon mit Leib und Seele verherrlicht, [...] auch hier auf Erden [...] als Zeichen der sicheren Hoffnung und des Trostes dem wandernden Gottesvolk voranleuchtet« .141 Es ist eine Hoffnung, die sich auch aus dem Gedächtnis der Märtyrer und der anderen Heiligen nährt, »die, durch Gottes vielfältige Gnade zur Vollkommenheit geführt, das ewige Heil bereits erlangt haben, Gott im Himmel das vollkommene Lob singen und Fürsprache für uns einlegen« .142

Der Bischof, Diener der Eucharistiefeier


37 Die Herzmitte des munus sanctificandi des Bischofs ist die Eucharistie, die er selbst darbringt oder darbringen läßt und in der sein Amt als »Verwalter« oder Diener der Gnade des höchsten Priestertums besonders deutlich zutage tritt.143

Vor allem als Hauptzelebrant der Eucharistiefeier trägt der Bischof zum Aufbau der Kirche bei, dem Geheimnis von Gemeinschaft und Sendung. Denn die Eucharistie ist das wesentliche Lebensprinzip nicht nur der einfachen Gläubigen, sondern eben der Gemeinschaft in Christus. Die durch die Verkündigung des Evangeliums zusammengeführten Gläubigen bilden Gemeinden, in denen die Kirche Christi wirklich gegenwärtig ist. Das wird bei der Feier des eucharistischen Opfers in einzigartiger Weise offenkundig.144 Die diesbezügliche Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils ist bekannt: »In jedweder Altargemeinschaft erscheint unter dem heiligen Dienstamt des Bischofs das Symbol jener Liebe und jener ,,Einheit des mystischen Leibes, ohne die es kein Heil geben kann''. In diesen Gemeinden, auch wenn sie oft klein und arm sind oder in der Diaspora leben, ist Christus gegenwärtig, durch dessen Kraft die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche geeint wird. Denn ,,nichts anderes wirkt die Teilhabe an Leib und Blut Christi, als daß wir in das übergehen, was wir empfangen''« .145

Aus der Eucharistiefeier, die »Quelle und Höhepunkt aller Evangelisation« 146 ist, entspringt auch das ganze missionarische Engagement der Kirche, das darauf ausgerichtet ist, durch das Zeugnis des Lebens anderen das im Glauben gelebte Geheimnis deutlich zu machen.

Unter all den Obliegenheiten des Hirtenamtes des Bischofs ist die Verpflichtung zur Feier der Eucharistie die dringendste und wichtigste. Zu einer seiner Hauptaufgaben gehört es auch, dafür zu sorgen, daß die Gläubigen die Möglichkeit haben, zum Tisch des Herrn zu kommen, vor allem am Sonntag, dem Tag, an dem, wie ich schon sagte, die Kirche als Gemeinschaft und Familie der Kinder Gottes rund um ihre Priester ihre besondere christliche Identität findet.147

Es kommt allerdings vor, daß manchenorts wegen des Priestermangels oder aus anderen schwerwiegenden und zeitlich fortdauernden Gründen nicht mit angemessener Regelmäßigkeit für die Eucharistiefeier gesorgt werden kann. Das erhöht die Verpflichtung des Bischofs als Vater der Familie der Gläubigen und Diener der Gnade, immer sorgfältig die tatsächlichen Bedürfnisse und den Ernst der jeweiligen Situation zu erkennen und richtig zu beurteilen. Es wird notwendigerweise eine kluge Verteilung der zum Presbyterium gehörenden Geistlichen vorgenommen werden müssen, so daß auch bei solchen oder ähnlichen Notlagen die Gemeinden nicht zu lange ohne Eucharistiefeier bleiben.

In Ermangelung der heiligen Messe wird der Bischof der Gemeinde, die gleichwohl immer in Erwartung der Fülle der Begegnung mit Christus in der Feier des Ostergeheimnisses verweilt, zumindest an den Sonn- und Festtagen die Teilnahme an einer Feier besonderer Art ermöglichen. In diesem Fall werden die Gläubigen bei sonntäglichen Gottesdiensten, wie sie in Abwesenheit eines Priesters unter dem Vorsitz verantwortlicher Leiter vorgesehen sind, die Gabe der Wortverkündigung und der heiligen Kommunion empfangen können.148

Der Bischof als Verantwortlicher für die christliche Initiation


38 Unter den gegenwärtigen Verhältnissen in Kirche und Welt erweist sich nicht nur in den jungen Kirchen, sondern auch in den Ländern, wo das Christentum seit Jahrhunderten fest etabliert ist, die Wiederherstellung der großartigen Tradition der christlichen Initiationsordnung, vor allem für die Erwachsenen, als von der Vorsehung bestimmt. Es war dies eine weise und nützliche Verfügung des Zweiten Vatikanischen Konzils,149 das auf diese Weise vielen Männern und Frauen einen Weg zur Begegnung mit Christus und mit der Kirche anbieten wollte: Menschen, die, von der Gnade des Geistes ergriffen, begierig darauf sind, mit dem Mysterium des Heiles in dem für uns gestorbenen und auferstandenen Christus eine enge Beziehung einzugehen.

Durch den Weg der christlichen Initiation werden die Katechumenen allmählich und in Übereinstimmung mit dem Ursprung, der Entwicklung und dem Wachstum des natürlichen Lebens in die Kenntnis des Geheimnisses Christi und der Kirche eingeführt. Denn nachdem die Gläubigen in der Taufe wiedergeboren und zu Teilhabern am königlichen Priestertum geworden sind, werden sie durch die Firmung, deren ordentlicher Spender der Bischof ist, gestärkt und empfangen so eine besondere Ausgießung der Gaben des Geistes. Wenn sie dann an der Eucharistie teilnehmen, werden sie mit der Speise des ewigen Lebens genährt und voll in die Kirche, den mystischen Leib Christi, eingegliedert. Auf diese Weise sind die Gläubigen »aufgrund dieser Sakramente der Initiation ins Christentum imstande, immer mehr und immer besser die Schätze des göttlichen Lebens auszukosten und voranzuschreiten bis zur Erlangung der Vollkommenheit in der Liebe« .150

Unter Berücksichtigung der heutigen Lebensumstände sollen die Bischöfe die Bestimmungen desRitus der Aufnahme Erwachsener in die Kirche umsetzen. Es soll ihnen deswegen ein Herzensanliegen sein, daß in jeder Diözese die notwendigen Strukturen und Mitarbeiter in der Seelsorge vorhanden sind, um die möglichst würdige und wirksame Umsetzung der Bestimmungen und der liturgischen, katechetischen und pastoralen Disziplin der christlichen Initation – den Erfordernissen unserer Zeit angepaßt – zu gewährleisten.

Wegen seines Charakters der allmählichen Einführung in das Geheimnis Christi und der Kirche – Geheimnis, das in jeder Teilkirche lebt und wirksam ist –, macht der Weg der christlichen Initiation das Zugegensein und den Dienst des Diözesanbischofs erforderlich. Das gilt besonders in der Hauptphase des Weges, das heißt bei der Spendung der Sakramente der Taufe, der Firmung und der Eucharistie, die in der Regel in der Osternacht erfolgt.

Aufgabe des Bischofs ist es auch, alles den Kirchengesetzen entsprechend zu regeln, was sich auf die christliche Initiation von Kindern und Jugendlichen bezieht. Er muß deren angemessene katechetische Vorbereitung und ihre stufenweise Einbindung in das Leben der Gemeinde festlegen. Er wird auch darüber wachen müssen, daß etwaige Abschnitte des Katechumenats oder der Wiederaufnahme und Bestärkung der Wege der christlichen Initiation oder der Annäherung an Gläubige, die sich von dem normalen Glaubensleben der Gemeinde entfernt haben, gemäß den Normen der Kirche und in vollem Einklang mit dem Leben der Pfarrgemeinden in der Diözese verlaufen.

Was schließlich das Sakrament der Firmung betrifft, soll der Bischof als der ordentliche Spender dafür sorgen, daß normalerweise er selber dieses Sakrament spendet. Seine Anwesenheit inmitten der Pfarrei, die wegen des Taufbeckens und des Altars für die Eucharistie der übliche Ausgangspunkt des christlichen Initiationsweges ist, erinnert eindrucksvoll an das Pfingstgeheimnis und erweist sich als äußerst nützlich, um die Bande der kirchlichen Gemeinschaft zwischen Hirt und Gläubigen zu festigen.

Die Verantwortung des Bischofs in der Bußdisziplin


39 Die Synodenväter haben in ihren Beiträgen der Bußdisziplin besondere Aufmerksamkeit gewidmet, indem sie deren Bedeutung herausstellten und daran erinnerten, daß die Bischöfe als Nachfolger der Apostel besondere Sorge auf die Pastoral und Disziplin des Bußsakramentes verwenden müssen. Mit Freude habe ich vernommen, daß alles, was meine tiefste Überzeugung ist, von ihnen bestätigt wurde, daß nämlich diesem Sakrament der Kirche, Quelle der Versöhnung, des Friedens und der Freude für uns alle, die wir das Erbarmen des Herrn und die Heilung der Wunden der Sünde nötig haben, die höchste pastorale Sorge gelten muß.

Als Hauptverantwortlichem für die Bußdisziplin in seiner Teilkirche obliegt dem Bischof zuallererst die Aufgabe der kerygmatischen Aufforderung zu Umkehr und Buße. Es ist seine Pflicht, mit evangeliumsgemäßer Freiheit das traurige und zerstörerische Vorhandensein der Sünde im Leben der Menschen und in der Geschichte der Gemeinden aufzuzeigen. Gleichzeitig muß er das unergründliche Geheimnis der Barmherzigkeit verkünden, die Gott uns im Kreuz und in der Auferstehung seines Sohnes Jesus Christus und in der Ausgießung des Geistes zur Vergebung der Sünden geschenkt hat. Diese Botschaft, die auch Einladung zur Versöhnung und Hinweis auf die Hoffnung ist, bildet das Herzstück des Evangeliums. Es ist die erste Verkündigung der Apostel am Pfingsttag, eine Verkündigung, in der sich der Sinn der Heilsgnade selbst, die uns durch die Sakramente vermittelt wird, offenbart.

Der Bischof soll auf passende Weise ein vorbildlicher Diener des Bußsakramentes sein und es selbst häufig und pflichtgetreu in Anspruch nehmen. Unablässig soll er seine Priester dazu ermahnen, dem bei der Priesterweihe empfangenen Dienst der Versöhnung große Wertschätzung entgegenzubringen. Dabei wird er sie ermutigen, diesen Dienst mit Hochherzigkeit und Sinn für das Übernatürliche auszuüben, indem sie den Vater nachahmen, der diejenigen, die in das Vaterhaus zurückkehren, aufnimmt, wie auch Christus, den Guten Hirten, der das verirrte Schaf auf seinen Schultern trägt.151

Die Verantwortung des Bischofs erstreckt sich auch auf die Pflicht, darauf zu achten, daß die Inanspruchnahme der Generalabsolution nicht außerhalb der geltenden Rechtsnormen erfolgt. In diesem Zusammenhang habe ich im Motu proprio Misericordia Dei unterstrichen, daß die Bischöfe die Pflicht haben, auf die geltende Regelung hinzuweisen, nach welcher das persönliche und vollständige Bekenntnis und die Absolution den einzigen ordentlichen Weg bilden, auf dem ein Gläubiger, der sich einer schweren Sünde bewußt ist, mit Gott und der Kirche versöhnt wird. Allein physische oder moralische Unmöglichkeit entschuldigt von einem solchen Bekenntnis; in diesem Fall kann die Versöhnung auch auf andere Weisen erlangt werden. Der Bischof soll es daher nicht versäumen, alle, denen von Amts wegen die Seelsorge aufgetragen ist, an ihre Pflicht zu erinnern, den Gläubigen die Gelegenheit zu bieten, zu einer persönlichen Beichte zu kommen.152 Er soll auch nachprüfen lassen, ob den Gläubigen tatsächlich größtmögliche Erleichterungen gewährt werden, um beichten zu können.

In Anbetracht der im Lichte der Tradition und des Lehramtes der Kirche bestehenden engen Verbindung zwischen dem Sakrament der Versöhnung und der Teilnahme an der Eucharistie ist es heute immer dringender geboten, das Gewissen der Gläubigen dahingehend zu bilden, daß sie auf würdige und fruchtbringende Weise am eucharistischen Mahl teilnehmen, indem sie es im Zustand der Gnade empfangen.153

Außerdem ist es nützlich, daran zu erinnern, daß dem Bischofs ebenso die Aufgabe zukommt, auf angemessene Weise und durch eine umsichtige Auswahl geeigneter Priester – unter Beachtung der jüngsten Dokumente des Heiligen Stuhls 154 – die Disziplin festzusetzen, die die Leitung bei der Durchführung von Exorzismen und bei Heilungsgottesdiensten regelt.


Pastores gregis DE 30