Instruktion: die Pfarrer


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KONGREGATION FÜR DEN KLERUS

DER PRIESTER,


HIRTE UND LEITER


DER PFARRGEMEINDE


INSTRUKTION


EINLEITUNG

Die vorliegende Instruktion, die sich mittels der Bischöfe an die Pfarrer und deren priesterliche Mitarbeiter in der Seelsorge wendet, fügt sich konsequent in einen größeren Rahmen von Überlegungen ein, der schon vor einigen Jahren seinen Ausgang genommen hat. Das Direktoriumfür Dienst und Leben der Priester und der Ständigen Diakone, die interdikasteriale InstruktionEcclesiae de mysterio und das Rundschreiben Der Priester – Lehrer des Wortes, Diener der Sakramente und Leiter der Gemeinde bewegen sich auf den Spuren der Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils, insbesondere von Lumen Gentium und Presbyterorum Ordinis, dem Katechismus der Katholischen Kirche, dem Kodex des Kanonischen Rechtes und dem beständigen Lehramt.

Dieses Dokument folgt der großen missionarischen Strömung des Duc in altum, womit das unverzichtbare Werk der Neuevangelisierung des dritten christlichen Jahrtausends bezeichnet wird. Gerade deswegen – und zwar auch in Erwägung der zahlreich eingetroffenen Bitten aus der weltweit durchgeführten Konsultation – ist die Gelegenheit benützt worden, um einen lehrmäßigen Teil vorzulegen, der Elemente enthält, die es gestatten, über jene grundlegenden theologischen Werte nachzudenken, die zur Mission hindrängen, aber gelegentlich verdunkelt sind. Man hat sich des weiteren darum bemüht, die Beziehung zwischen der ekklesiologisch-pneumatischen Dimension, welche das Wesen des priesterlichen Dienstes berührt, und der ekklesiologischen Dimension, die dabei hilft, die Bedeutung ihrer speziellen Funktion zu verstehen, hervorzuheben.

Diese Instruktion beabsichtigt, den Priestern, die das bedeutsame Amt des Pfarrers bekleiden, eine besonders herzliche Aufmerksamkeit zukommen zu lassen: sie sind es schließlich, die beständig unter den Menschen leben und häufig mit zahlreichen Schwierigkeiten zu kämpfen haben. Gerade ihre ebenso delikate wie wichtige Stellung bietet die Gelegenheit, mit größerer Klarheit den wesensmäßigen und vitalen Unterschied zwischen dem allgemeinen Priestertum und dem Amtspriestertum zu herauszustellen, damit die Identität der Priester und die essentielle sakramentale Dimension des geweihten Amtsträgers in gebührender Weise hervortreten.

Weil wir bemüht waren, den besonders auch auf der praktischen Ebene reichen Hinweisen zu folgen, die der Heilige Vater in einer eigenen Ansprache an die Teilnehmer der Vollversammlung der Kongregation gerichtet hat, scheint es nützlich, diesen Text nachstehend anzufügen:



AUDIENZ FÜR DIE TEILNEHMER AN DER


VOLLVERSAMMLUNG DER


KONGREGATION FÜR DEN KLERUS


Freitag, 23. November 2001




Meine Herren Kardinäle,
hochwürdigste Brüder im Bischofs- und Priesteramt,
liebe Brüder und Schwestern!

1. Mit großer Freude empfange ich euch anläßlich der Vollversammlung der Kongregation für den Klerus. Ich begrüße herzlich den Präfekten des Dikasteriums, Kardinal Dario Castrillón Hoyos, und danke ihm für die freundlichen Worte, die er im Namen der Anwesenden an mich gerichtet hat. Ich begrüße die Herren Kardinäle, die hochwürdigsten Brüder im Bischofsamt und die übrigen Teilnehmer eurer Vollversammlung, die ein für das Leben der Kirche sehr wichtiges Thema behandelt hat: »Der Priester, Hirte und Leiter der Pfarrgemeinde.« Wenn der Akzent auf der Funktion des Priesters in der Pfarrgemeinde liegt, wird die zentrale Stellung Christi ins Licht gerückt, die in der Sendung der Kirche immer hervortreten muß. Christus ist in seiner Kirche im Allerheiligsten Altarsakrament in erhabenster Weise gegenwärtig. Das II. Vatikanische Konzil lehrt in der dogmatischen Konstitution Lumen Gentium, daß der Priester »in persona Christi« das Meßopfer feiert und die Sakramente spendet (vgl. 10). Wie mein ehrwürdiger Vorgänger Paul VI. in der Enzyklika Mysterium fidei hervorhob, ist Christus auch durch die Aufgaben, zu denen der Priester persönlich berufen ist, das heißt durch die Predigt und die Leitung der Gläubigen, gegenwärtig (vgl. AAS 57, 1965, 762 f.).

2. Christi Gegenwart, die sich im allgemeinen und täglich auf diese Weise verwirklicht, macht die Pfarrei zu einer wahren Gemeinschaft von Gläubigen. Es ist deshalb für die Pfarrei von grundlegender Bedeutung, einen Priester als eigenen Hirten zu haben. Und die Bezeichnung Hirte ist dem Priester vorbehalten. Die Priesterweihe ist für ihn die unerläßliche und unumgängliche Voraussetzung, daß er gültig zum Pfarrer bestellt wird (vgl. Codex des kanonischen Rechts, can. 521, § 1). Gewiß können ihm andere Gläubige als Mitarbeiter auch ganztägig zur Seite stehen, aber sie können ihn als Hirten nicht ersetzen, weil sie das Weiheamt nicht empfangen haben.

Bestimmt wird diese besondere kirchliche Physiognomie des Priesters durch die grundlegende Beziehung, die er zu Christus, dem Haupt und Hirten, als seine sakramentale Vergegenwärtigung hat. Im Apostolischen Schreiben Pastores dabo vobis betonte ich: »Die Beziehung zur Kirche gehört eben zu der einzigartigen Beziehung des Priesters zu Christus, und zwar in dem Sinn, daß die ›sakramentale Vergegenwärtigung‹ Christi die Beziehung des Priesters zur Kirche begründet und beseelt« (16). Die kirchliche Dimension gehört zum Wesen des Weihepriestertums. Es steht ganz im Dienst der Kirche, so daß die kirchliche Gemeinschaft unbedingt das Priesteramt benötigt, damit in ihr Christus, Haupt und Hirte, gegenwärtig ist. Während das allgemeine Priestertum sich aus der Tatsache ergibt, daß das christliche Volk von Gott als Brücke zur Menschheitsfamilie gewählt wird und jeden Gläubigen betrifft, insofern er in dieses Volk eingegliedert ist, ist das Priesteramt hingegen Frucht einer Erwählung, einer besonderen Berufung:»Jesus rief seine Jünger zu sich und wählte aus ihnen zwölf aus« (vgl. Lk Lc 6,13 –16). Dank dem Priesteramt sind sich die Gläubigen ihres allgemeinen Priestertums bewußt und üben es aus (vgl. Eph Ep 4,11 –12); denn der Priester erinnert sie daran, daß sie Volk Gottes sind, und er befähigt sie, jene »geistigen Opfer darzubringen« (vgl. 1P 2,5), durch die Christus selbst uns zu einem ewigen Geschenk an den Vater macht (vgl. 1P 3,18). Ohne Christi Gegenwart, die vom Pfarrer, der sakramentalen Leitung der Gemeinschaft, vertreten wird, wäre diese keine vollständige kirchliche Gemeinschaft.

3. Zuvor sagte ich, daß Christus in der Kirche in einzigartiger Weise gegenwärtig ist: in der Eucharistie, der Quelle und dem Höhepunkt des kirchlichen Lebens. Er ist in der Feier des heiligen Meßopfers wirklich gegenwärtig und ebenso, wenn das geweihte Brot im Tabernakel aufbewahrt wird »als geistiges Herz der religiösen und pfarrlichen Gemeinschaft« (Paul VI., Enzyklika Mysterium fidei, AAS 57, 1965, 772 ).

Aus diesem Grund empfiehlt das II. Vatikanische Konzil: »Die Pfarrer sollen dafür sorgen, daß die Feier des eucharistischen Opfers Mitte und Höhepunkt des ganzen Lebens der christlichen Gemeinde ist« (Christus Dominus CD 30). Ohne die Verehrung der Eucharistie als eigenes pulsierendes Herz verhärtet sich die Pfarrei. Nützlich ist es, hier auf das zu verweisen, was ich im Apostolischen Schreiben Dies Domini sagte: »Unter den zahlreichen Aktivitäten, die eine Pfarrei ausübt, ist keine so lebensnotwendig oder gemeinschaftsbildend wie die sonntägliche Feier des Tages des Herrn und seiner Eucharistie« (35). Nichts wird sie je ersetzen können. Wenn es absolut keine Möglichkeit gibt, die sonntägliche Anwesenheit des Priesters sicherzustellen, ist auch der Wortgottesdienst allein lobenswert, damit der Glaube lebendig bleibt, aber als Ziel muß immer die regelmäßige Eucharistiefeier angestrebt werden. Wo der Priester fehlt, muß man Gott beharrlich und gläubig bitten, er möge viele und heilige Arbeiter in seinen Weinberg senden. In dem genannten Apostolischen Schreiben Pastores dabo vobis betonte ich, daß »heute aus dem betenden Warten auf neue Berufe zunehmend eine ständige Haltung werden muß, die in der ganzen christlichen Gemeinschaft und in jedem kirchlichen Umfeld weithin geteilt wird« (Nr. 38). Der Glanz priesterlicher Identität, die ganzheitliche Ausübung des damit verbundenen Hirtendienstes, vereint mit dem Bemühen der ganzen Gemeinschaft in Gebet und persönlicher Buße, sind die unumgänglichen Grundlagen für eine notwendige und unaufschiebbare Berufungspastoral. Es wäre ein gefährlicher Irrtum, den heutigen Schwierigkeiten nachzugeben und so zu tun, als müsse man sich auf eine Kirche von morgen einstellen, die ohne Priester ist. Auf diese Weise wären die Maßnahmen, die getroffen wurden, um den derzeitigen Mangel zu beheben, für die kirchliche Gemeinschaft trotz allem guten Willen tatsächlich ernsthaft gefährdet.

4. Die Pfarrei ist auch bevorzugter Ort der Verkündigung des Wortes Gottes.

Diese gliedert sich in verschiedene Formen, und jeder Gläubige ist gerufen, sich aktiv daran zu beteiligen, besonders durch das Zeugnis des christlichen Lebens und die ausdrückliche Verkündigung des Evangeliums sowohl an die Nichtglaubenden, um sie zum Glauben zu führen, als auch an die schon Glaubenden, um sie zu unterweisen, zu stärken und zu einem eifrigeren Glaubensleben anzuspornen. Was den Priester betrifft, »verkündet er das Wort in seiner Eigenschaft als ›Diener‹, der an der prophetischen Vollmacht Christi und der Kirche teilhat« (Pastores dabo vobis PDV 26). Um dieses Amt getreu auszuüben und dem empfangenen Geschenk zu entsprechen, muß »der Priester zuallererst selber eine große persönliche Vertrautheit mit dem Wort Gottes entwickeln« (ebd.). Auch wenn er von anderen nichtgeweihten Gläubigen in der Redegewandheit übertroffen werden sollte, würde dies seine Aufgabe, sakramentale Darstellung Christi, des Hauptes und Hirten, zu sein, nicht auslöschen, denn aus ihr erwächst vor allem die Wirksamkeit seiner Predigt. Die Pfarrgemeinde braucht diese Wirksamkeit, besonders im Augenblick der Verkündigung des Wortes Gottes durch die geweihten Amtsträger: Gerade darum sind die liturgische Verkündigung des Evangeliums und die danach folgende Homilie dem Priester vorbehalten.

5. Auch die Aufgabe, als Hirte die Gemeinschaft zu leiten, die besondere Aufgabe des Pfarrers, erwächst aus seiner besonderen Beziehung zu Christus, dem Haupt und Hirten. Es ist eine Aufgabe, die sakramentalen Charakter hat. Sie ist dem Priester nicht von der Gemeinschaft anvertraut, sondern sie wird ihm vom Herrn übertragen durch den Bischof. Dies klar zu bekräftigen und diese Aufgabe mit schlichter Bewährtheit auszuüben ist ein unerläßlicher Dienst an der Wahrheit und der kirchlichen Gemeinschaft. Die Mitarbeit anderer, die diese sakramentale Ähnlichkeit mit Christus nicht empfangen haben, ist wünschenswert und oft notwendig. Dennoch dürfen sie in keiner Weise die Hirtenaufgabe, die dem Pfarrer eigen ist, ersetzen. Die äußersten Fälle des Priestermangels, die bei der Wahrnehmung der Seelsorgsaufgaben einer Pfarrei eine verstärkte und weiterreichende Mitarbeit von Gläubigen erfordern, die nicht mit dem Weihepriestertum bekleidet sind, stellen keine Ausnahme dieses wesentlichen Merkmals der Seelsorge dar, wie es eindeutig von der kanonischen Regelung festgelegt ist (vgl. Codex des Kanonischen Rechts, can. 517, §2). In diesem heute sehr aktuellen Bereich ist das interdikasteriale Schreiben Ecclesiae de mysterio, das ich in besonderer Weise approbiert habe, die sichere Leitlinie, die zu befolgen ist. In der Erfüllung der eigenen Leitungspflicht und persönlichen Verantwortung wird der Pfarrer aus den vom kanonischen Recht vorgesehenen Beratungsorganen gewiß Nutzen ziehen (vgl. Codex des kanonischen Rechts, cann. 536 – 537); aber letztere müssen ihrer beratenden Zielsetzung treu bleiben. Es wird deshalb notwendig sein, jede Form zu vermeiden, die de facto dahin tendiert, die Leitung des Pfarrers und Priesters zu untergraben, weil sonst die Physiognomie der Pfarrgemeinde entstellt wird.

6. Ich denke jetzt voll Liebe und Dankbarkeit an die Pfarrer in aller Welt, besonders an diejenigen, die an den Vorposten der Evangelisierung wirken. Ich ermutige sie, in ihrer mühevollen Aufgabe fortzufahren, die wirklich für die ganze Kirche wertvoll ist. Ich empfehle jedem einzelnen, bei der Ausübung des täglichen pastoralen »munus« die mütterliche Hilfe der allerseligsten Jungfrau Maria in Anspruch zu nehmen und in tiefer Gemeinschaft mit ihr zu leben. »Im Priesteramt«, so schrieb ich in dem Brief an die Priester zum Gründonnerstag 1979, »gibt es die wunderbare und durchdringende Dimension der Nähe zur Mutter Christi« (Nr. 11). Wenn wir die heilige Messe feiern, liebe Brüder im Priesteramt, steht neben uns die Mutter des Erlösers, die uns in das Geheimnis des Erlösungsopfers ihres göttlichen Sohnes einführt. »Ad Jesum per Mariam«: Das sei unser tägliches geistliches und pastorales Lebensprogramm!

Mit diesen Gefühlen versichere ich euch meines Gebets und erteile jedem meinen besonderen Apostolischen Segen, in den auch alle Priester der Welt eingeschlossen sind.



TEIL 1


Gemeinsames Priestertum und Weihepriestertum

1. Erhebt eure Augen (Jn 4,35)

1. „Seht, ich sage euch: Erhebt eure Augen und betrachtet die Felder; sie sind weiß zur Ernte“ (Jn 4,35). Diese Worte des Herrn besitzen die Fähigkeit, den unermeßlichen Horizont der Mission der Liebe des fleischgewordenen Wortes zu zeigen. „Der ewige Sohn Gottes wurde gesandt, damit ‚die Welt durch ihn gerettet wird‘ (Jn 3,17), und seine ganze irdische Existenz, in völliger Übereinstimmung mit dem Heilswillen des Vaters, ist eine ständige Kundgebung jenes göttlichen Willens, daß alle gerettet werden, daß alle vom Heil, das der Vater von Ewigkeit her wollte, erreicht werden. Diesen geschichtlichen Plan überläßt er in Obhut und als Erbe der ganzen Kirche und auf besondere Weise, in ihrem Inneren, den geistlichen Amtsträgern. Wahrlich groß ist das Geheimnis, dessen Diener wir geworden sind: Geheimnis einer grenzenlosen Liebe, denn ‚da er die Seinen, die in der Welt waren, liebte, erwies er ihnen seine Liebe bis zur Vollendung‘ (Jn 13,1)“ [1].

Vom Charakter und von der Gnade des Weihesakraments befähigt und zu Zeugen und Diener der göttlichen Barmherzigkeit geworden, haben sich die Priester, Diener Jesu Christi, freiwillig verpflichtet, allen in der Kirche zu dienen. In welchem sozialen und kulturellen Umfeld auch immer, in allen geschichtlichen Umständen, auch in den heutigen, in denen man sich des drückenden Klimas des Säkularismus und Konsumismus, das den christlichen Sinn im Bewußtsein vieler Gläubigen verflacht, gewahr wird, sind sich die Diener des Herrn bewußt, daß „das der Sieg ist, der die Welt besiegt hat: unser Glaube“ (1Jn 5,4). Die heutigen sozialen Umstände nun bilden eine günstige Gelegenheit, um die Aufmerksamkeit auf die siegende Kraft des Glaubens und der Liebe in Christus zurückzulenken und daran zu erinnern, daß trotz der Schwierigkeiten und der „Gleichgültigkeit“ die Christgläubigen – so wie auf andere Weise auch viele nicht Glaubende – auf die aktive pastorale Verfügbarkeit der Priester viel zählen. Die Menschen wünschen, im Priester den Mann Gottes zu finden, der mit dem heiligen Augustinus sagen soll: „Unser Wissen ist Christus, und unsere Weisheit ist wieder Christus. Er ist es, der in uns den Glauben hinsichtlich der zeitlichen Dinge eingießt, und er ist es, der uns jene Wahrheiten offenbart, die die ewigen Dinge betreffen“ [2]. Wir stehen in einer Zeit der Neuevangelisierung: wir müssen es verstehen, die Personen suchen zu gehen, die auch darauf warten, Christus begegnen zu können.

2. Im Weihesakrament hat Christus in verschiedenen Stufen den Bischöfen und Priestern die eigene Eigenschaft als Hirte der Seelen übertragen, indem er sie fähig macht, in seinem Namen zu handeln und seine Vollmacht als Haupt in der Kirche zu repräsentieren. „Die tiefe Einheit dieses neuen Volkes schließt nicht aus, daß es darin untereinander verschiedene und einander ergänzende Aufgaben gibt. So stehen diejenigen mit den ersten Aposteln in einer besonderen Verbindung, die dazu bestellt wurden, in persona Christi die Handlung zu erneuern, die Jesus beim Letzten Abendmahl mit der Einsetzung des eucharistischen Opfers als ‚Quelle und Höhepunkt des ganzen christlichen Lebens‘ (Lumen Gentium LG 11) vollzogen hat. Der sakramentale Charakter, der sie kraft der empfangenen Weihe auszeichnet, sorgt dafür, daß ihr Dasein und ihr Dienst einzigartig, notwendig und unersetzlich sind“ [3]. Die Gegenwart des geistlichen Amtsträgers ist eine wesentliche Bedingung des Lebens, und nicht bloß der guten Organisation, der Kirche.

3. Duc in altum! [4] Jeder Christ, der in seinem Herzen das Licht des Glaubens verspürt und in dem Rhythmus voranschreiten will, der vom Heiligen Vater vorgegeben wird, muß danach trachten, diesen dringenden, entschieden missionarischen Anruf in Taten umzusetzen. Besonders die Hirten der Kirche, von deren übernatürlichen Feinfühligkeit die Möglichkeit abhängt, die Wege zu verstehen, auf welchen Gott sein Volk führen will, müßten wissen, diesen Anruf aufzugreifen und mit zuvorkommender Bereitschaft in die Praxis umzusetzen. „Duc in altum!Der Herr fordert uns auf, seinem Wort zu trauen und wieder auf den See hinauszufahren. Beherzigen wir die Erfahrung des Jubiläumsjahres und setzen wir das engagierte Zeugnis für das Evangelium mit der Begeisterung fort, die in uns die Betrachtung des Antlitzes Christi weckt!“[5].

4. Es scheint wichtig zu erinnern, wie die Grundperspektiven, die der Heilige Vater am Ende des Großen Jubiläums 2000 festsetzte, von ihm verstanden und dargelegt wurden, um von den Teilkirchen verwirklicht zu werden, die vom Papst aufgerufen wurden, die während des Jubeljahres empfangene Gnade in „eifrige Vorsätze und konkrete Maßstäbe zum Handeln“ [6]umzusetzen. Diese Gnade verlangt nach dem Evangelisierungsauftrag der Kirche, für welchen die persönliche Heiligkeit der Hirten und der Gläubigen sowie eine eifrige apostolische Gesinnung aller Seiten dringend notwendig sind – in der Besonderheit der eigenen Berufungen, im Dienst der eigenen Verantwortungen und der eigenen Pflichten, im Bewußtsein, daß das ewige Heil vieler Menschen von der Treue, Christus in Wort und Leben zu bezeugen, abhängt. Es tritt die Dringlichkeit hervor, dem priesterlichen Dienst in der Teilkirche, namentlich in der Pfarre, größeren Schwung zu geben – und zwar auf der Grundlage eines authentischen Verständnisses des Dienstes und Lebens des Priesters.

Wir Priester „wurden in der Kirche für dieses besondere Amt geweiht. Wir sind auf unterschiedliche Weise berufen, dort, wo die Vorsehung uns hinstellt, zur Bildung der Gemeinschaft des Gottesvolkes beizutragen. Unsere Aufgabe (…) besteht darin, die uns anvertraute Herde Gottes zu weiden, nicht durch Zwang, sondern freiwillig, nicht als Beherrscher, sondern durch ein vorbildliches Zeugnis (vgl. 1P 5,2-3) (…). Das ist für uns der Weg der Heiligkeit (…). Das ist unser Auftrag des Dienstes am christlichen Volk“ [7].



2. Zentrale Grundzüge des Dienstes und Lebens der Priesters [8]

a) Die Identität des Priesters

5. Die Identität des Priesters muß im Rahmen des göttlichen Heilswillens betrachtet werden, weil sie Frucht des sakramentalen Handelns des Heiligen Geistes, Teilhabe am Heilshandeln Christi ist und weil sie vollständig auf den Dienst dieses Handelns in der Kirche, in ihrer beständigen Entwicklung im Lauf der Geschichte, ausgerichtet ist. Es handelt sich um eine dreidimensionale Identität: eine pneumatologische, christologische und ekklesiologische. Man darf diese ursprüngliche theologische Architektur des Geheimnisses des Priesters, der zum Diener des Heils berufen ist, nicht aus den Augen verlieren, um dann in entsprechender Weise die Bedeutung seines konkreten pastoralen Dienstes in der Pfarre klären zu können [9]. Er ist der Diener Christi, um, ausgehend von Christus, durch ihn und mit ihm, Diener der Menschen zu sein. Sein ontologisch Christus gleichgestaltetes Wesen stellt die Grundlage für seine Weihe für den Dienst an der Gemeinschaft dar. Die völlige Zugehörigkeit zu Christus, die durch den heiligen Zölibat gebührend verstärkt und hervorgehoben wird, bewirkt, daß der Priester allen zu Diensten steht. Das wunderbare Geschenk des Zölibats [10] erhält in der Tat Licht und Motivation von der Gleichgestaltung an die bräutliche Hingabe des gekreuzigten und auferstandenen Sohnes Gottes an die erlöste und erneuerte Menschheit.

Das Sein und Handeln des Priesters – seine geweihte Person und sein Dienst – sind theologisch untrennbare Realitäten und haben den Dienst an der Entfaltung der Sendung der Kirche zum Ziel[11]: das ewige Heil aller Menschen. Im Geheimnis der Kirche – offenbart als mystischer Leib Christi und Volk Gottes, das in der Geschichte unterwegs ist, und zum allumfassenden Heilssakrament bestimmt [12] –, findet und entdeckt man den tiefen Grund des Amtspriestertums. „Die kirchliche Gemeinschaft benötigt unbedingt das Priesteramt, damit in ihr Christus, Haupt und Hirte, gegenwärtig ist“ [13].

6. Das gemeinsame Priestertum oder Priestertum der Taufe der Christen bildet als wirkliche Teilhabe am Priestertum Christi eine wesentliche Eigenschaft des Neuen Volkes Gottes [14]. „Ihr aber seid ein auserwähltes Geschlecht, eine königliche Priesterschaft, ein heiliger Stamm, ein Volk, das sein besonderes Eigentum wurde…“ (1P 2,9); „Er hat uns zu Königen gemacht und zu Priestern vor Gott, seinem Vater“ (Ap 1,6); „Du hast sie für unseren Gott zu Königen und Priestern gemacht (Ap 5,10) … sie werden Priester Gottes und Christi sein und … mit ihnen herrschen“ (Ap 20,6). Diese Stellen erinnern an das, was im Buch Exodus gesagt wurde, und übertragen auf das Neue Israel, was dort vom Alten Israel ausgesagt wurde: „Ihr werdet unter allen Völkern mein besonderes Eigentum sein … ihr aber sollt mir ein Reich von Priestern und als ein heiliges Volk gehören“ (Ex 19,5-6); und mehr noch erinnern sie an das Buch Deuteronomium: „Denn du bist ein Volk, das dem Herrn, deinem Gott, heilig ist. Dich hat der Herr, dein Gott, auserwählt, damit du unter allen Völkern, die auf der Erde leben, das Volk wirst, das ihm persönlich gehört“ (Dt 7,6).

„Während das allgemeine Priestertum sich aus der Tatsache ergibt, daß das christliche Volk von Gott als Brücke zur Menschheitsfamilie gewählt wird und jeden Gläubigen betrifft, insofern er in dieses Volk eingegliedert ist, ist das Priesteramt hingegen Frucht einer Erwählung, einer besonderen Berufung: ‚Jesus rief seine Jünger zu sich und wählte aus ihnen zwölf aus‘ (vgl. Lk Lc 6,13-16). Dank dem Priesteramt sind sich die Gläubigen ihres allgemeinen Priestertums bewußt und üben es aus (vgl. Eph Ep 4,11-12); denn der Priester erinnert sie daran, daß sie Volk Gottes sind, und er befähigt sie, jene ‚geistigen Opfer darzubringen‘ (vgl. 1P 2,5), durch die Christus selbst uns zu einem ewigen Geschenk an den Vater macht (vgl. 1P 3,18). Ohne Christi Gegenwart, die vom Pfarrer, dem sakramentalen Leiter der Gemeinschaft, vertreten wird, wäre diese keine vollständige kirchliche Gemeinschaft“ [15].

Im Schoß dieses priesterlichen Volkes hat der Herr also ein Priestertum des Dienstes eingesetzt, zu welchem einige Gläubige berufen sind, um allen anderen in Hirtenliebe und mittels der heiligen Vollmacht zu dienen. Das gemeinsame Priestertum und das Priestertum des Dienstes unterscheiden sich dem Wesen nach und nicht bloß dem Grade nach [16]: Es handelt sich nicht nur um eine größere oder geringere Intensität der Teilhabe am einzigen Priestertum Christi, sondern um dem Wesen nach verschiedene Arten der Teilhabe. Das gemeinsame Priestertum beruht auf dem Taufcharakter, dem geistlichen Siegel der Zugehörigkeit zu Christus, das „die Christen befähigt und verpflichtet, in lebendiger Teilnahme an der heiligen Liturgie der Kirche Gott zu dienen und durch das Zeugnis eines heiligen Lebens und einer tatkräftigen Liebe das Priestertum aller Getauften auszuüben“ [17].

Das Amtspriestertum hingegen beruht auf dem vom Weihesakrament eingeprägten Charakter, der eine Gleichgestaltung mit Christus, dem Priester, vornimmt, und dadurch befähigt, in der Person Christi, des Hauptes, mit der heiligen Vollmacht handeln zu können, um das Opfer darzubringen und die Sünden zu vergeben [18]. Den Getauften, die später die Gabe des Priestertums des Dienstes empfangen haben, wurde sakramental eine neue und besondere Sendung verliehen: im Schoß des Volkes Gottes das dreifache Amt – Prophet, Priester, König – Christi selbst, insofern er Haupt und Hirte der Kirche ist, darzustellen [19]. Deswegen handeln sie in der Ausübung ihrer spezifischen Funktionen in persona Christi capitis und folglich ebenso in nomine Ecclesiae[20]

7. „Unser sakramentales Priestertum ist nun zugleich ein ‚hierarchisches Priestertum‘ und ein ‚Priestertum des Dienstes‘. Es bildet ein besonderes ‚Ministerium‘, d.h. es ist ein ‚Dienst‘ in bezug auf die Gemeinschaft der Gläubigen. Es nimmt aber nicht seinen Ausgang von dieser Gemeinschaft, als wäre es diese, die ‚beruft‘ oder ‚delegiert‘, sondern es ist fürwahr ein Geschenk für diese Gemeinschaft und geht von Christus selbst aus, von der Fülle seines Priestertums. (…) Dieser Realität bewußt, verstehen wir, auf welche Weise unser Priestertum ‚hierarchisch‘, d. h. verbunden mit der Vollmacht, das priesterliche Volk zu formen und zu leiten, und eben deswegen ein ‚Priestertum des Dienstes‘ ist. Wir führen dieses Amt aus, durch welches Christus selbst unaufhörlich dem Vater beim Werk unseres Heiles ‚dient‘. Unsere ganze priesterliche Existenz ist und muß tief von diesem Dienst durchdrungen sein, wenn wir auf angemessene Weise das eucharistische Opfer ‚in persona Christi‘ vollbringen wollen“ [21].

In den letzten Jahrzehnten hat die Kirche Erfahrung gemacht mit Problemen der „priesterlichen Identität“, die mitunter von einer weniger klaren theologischen Anschauung hinsichtlich der beiden Arten der Teilhabe am Priestertum Christi herrühren. In einigen Bereichen ist man dazu gelangt, jenes tiefe ekklesiologische Gleichgewicht zu zerstören, das dem authentischen und ständigen Lehramt eigen ist.

Heute bieten sich alle Bedingungen, um sowohl die Gefahr der „Klerikalisierung“ der Laien [22]als auch jene der „Säkularisierung“ der geistlichen Amtsträger zu überwinden.

Der großmütige Einsatz der Laien in Bereichen des Kultes, der Glaubensvermittlung und der Pastoral auch in Momenten des Priestermangels, hat mitunter einige geistliche Amtsträger und Laien in die Versuchung geführt, weiter zu gehen, als es die Kirche zugesteht, als auch was ihre ontologisch-sakramentale Befähigung übersteigt. Daraus folgte auch eine theoretische und praktische Unterbewertung der spezifischen Sendung der Laien, die Strukturen der Gesellschaft von innen zu heiligen.

Andererseits ergibt sich in dieser Identitätskrise auch die „Säkularisierung“ einiger geistlicher Amtsträger durch eine Verdunkelung ihrer spezifischen, absolut unersetzbaren Aufgabe in der kirchlichen Gemeinschaft.

8. Der Priester, alter Christus, ist in der Kirche der Diener der wesentlichen Heilstaten [23]. Durch seine Opfergewalt über Leib und Blut des Erlösers, durch seine Vollmacht, das Evangelium mit Autorität zu verkünden, das Böse der Sünde mittels der sakramentalen Vergebung zu besiegen, ist er – in persona Christi capitis – Quelle des Lebens und der Lebenskraft in der Kirche und in seiner Pfarre. Der Priester ist nicht der Urquell dieses geistlichen Lebens, sondern derjenige, der es an das ganze Gottesvolk austeilt. In der Salbung des Heiligen Geistes ist er der Diener, der zum sakramentalen Heiligtum hintritt: zum gekreuzigten (vgl. Joh Jn 19,31-37) und auferstandenen Christus (vgl. Joh Jn 20,20-23), aus dem das Heil hervorspringt.

In Maria, der Mutter des Ewigen Hohenpriesters, wird sich der Priester bewußt, mit ihr „Werkzeug der Heilsmitteilung zwischen Gott und den Menschen“ zu sein, wenn auch auf verschiedene Weise: die heilige Jungfrau aufgrund der Menschwerdung, der Priester aufgrund der Vollmacht des Ordo [24]. Die Beziehung des Priesters zu Maria ist nicht nur das Bedürfnis nach Schutz und Hilfe; es handelt sich vielmehr um die Gewahrwerdung eines objektiven Faktums: „die Nähe der Gottesmutter“ als eine „tatkräftige Gegenwart, mit welcher zusammen die Kirche das Geheimnis Christi leben will“ [25].

9. Der Priester, insofern Teilhaber an der Leitungstätigkeit Christi, des Hauptes und Hirten, über seinen Leib [26], ist auf besondere Weise befähigt, auf pastoralem Gebiet der „Mann der Gemeinschaft“ [27], der Leitung und des Dienstes an allen zu sein. Er ist gerufen, die Gemeinschaft der Glieder mit dem Haupt und untereinander zu fördern und zu erhalten. Aufgrund der Berufung vereint und dient er in der zweifachen Dimension derselben Hirtenfunktion Christi. (vgl. Mt Mt 20,28 Mc 10,45 Lc 22,27). Das Leben der Kirche verlangt für seine Entfaltung Energien, die nur dieses Amt der Gemeinschaft, der Leitung und des Dienstes bieten kann. Es erfordert Priester, die Christus vollständig gleichgestaltet und Verwahrer einer ursprünglichen Berufung zur vollen Identifizierung mit Christus sind und „in“ und „mit“ ihm die Gesamtheit der Tugenden leben, die in Christus, dem Hirten, in Erscheinung treten. Es erhält unter anderem Licht und Motivation durch die Gleichgestaltung an die bräutliche Hingabe des gekreuzigten und auferstanden Gottessohnes an die erlöste und erneuerte Menschheit. Das Leben der Kirche verlangt Priester, die Quellen der Einheit und der brüderlichen Hingabe an alle – besonders an die Bedürftigsten – sein wollen, Männer, die ihre priesterliche Identität im Guten Hirten [28] erkennen mögen; es verlangt weiters, daß ein solches Bild nach innen gelebt und nach außen gezeigt wird, derart, daß es alle überall erfassen können [29].

Der Priester vergegenwärtigt Christus, das Haupt der Kirche, durch den Dienst des Wortes, der Teilhabe an seinem prophetischen Amt [30]. In persona et in nomine Christi ist der Priester Diener des Wortes der Verkündigung, das alle zur Umkehr und zur Heiligkeit einlädt, Diener des Wortes der Liturgie, das die Größe Gottes lobpreist und für seine Barmherzigkeit Dank sagt, und Diener des Wortes der Sakramente, das wirksamer Quell der Gnade ist. Auf diese vielfachen Weisen führt der Priester mit der Kraft des Heiligen Geistes den Lehrauftrag des göttlichen Meisters im Schoß seiner Kirche weiter.

b) Die Einheit des Lebens

10. Die sakramentale Gleichgestaltung an Jesus Christus legt dem Priester ein neues Motiv auf, die Heiligkeit zu erlangen [31], aufgrund des Amtes, das ihm auferlegt wurde, das in sich heilig ist. Dies heißt nicht, daß die Heiligkeit, zu der die Priester berufen sind, subjektiv größer sei als die Heiligkeit, zu der alle Gläubigen aufgrund der Taufe berufen sind. Die Heiligkeit ist immer die gleiche [32], wenn auch in verschiedenen Ausdrucksformen [33], der Priester aber muß wegen eines neuen Motivs nach ihr streben: um jener neuen Gnade, die ihn geformt hat, die Person Christi, des Hauptes und Hirten, darzustellen, als lebendiges Werkzeug im Heilswerk zu entsprechen [34]. In Erfüllung seines Amtes also muß sich derjenige, der „sacerdos in aeternum“ ist, bemühen, in allem dem Beispiel des Herrn zu folgen, indem er sich mit ihm vereint „in der Entdeckung des Willens des Vaters und in der Hingabe seiner selbst an die Herde“ [35]. Auf dieser Grundlage der Liebe zum göttlichen Willen und der Hirtenliebe baut man die Einheit des Lebens [36], d. h. die innere Einheit [37] zwischen geistlichem Leben und priesterlicher Aktivität auf. Das Wachstum dieser Einheit des Lebens gründet auf der pastoralen Liebe [38], genährt von einem festen Gebetsleben, so daß der Priester auf unzertrennliche Weise Zeuge der Liebe und Meister des inneren Lebens sei.

11. Die ganze Geschichte der Kirche ist von leuchtenden Beispielen wirklich radikaler pastoraler Hingabe erhellt. Es handelt sich um eine zahlreiche Schar heiliger Priester, wie der heilige Pfarrer von Ars, der Patron der Pfarrer, die durch großherzige und unermüdliche Hingabe an die Seelsorge, begleitet von einer tiefen Askese und geistlichem Leben, zu einer anerkannten Heiligkeit gelangt sind. Diese Hirten, verzehrt von der Liebe zu Christus und der daraus folgenden Hirtenliebe, stellen ein gelebtes Evangelium dar.

Manche Strömungen der gegenwärtigen Kultur mißversteht die innere Tugend, die Abtötung und die Spiritualität als Formen eines Intimismus, einer Entfremdung und schließlich eines Egoismus, der unfähig ist, die Probleme der Welt und der Leute zu verstehen. Es erfolgte an manchen Orten auch ein vielfältiges Erscheinungsbild von Priestern: vom Soziologen zum Therapeuten, vom Arbeiter zum Politiker, zum Manager, … bis zum „pensionierten“ Priester. In diesem Zusammenhang muß erinnert werden, daß der Priester Träger einer ontologischen Weihe ist, die sich auf die ganze Zeit seines Lebens ausdehnt. Seine Grundidentität muß im Charakter gesucht werden, der ihm im Weihesakrament verliehen wurde und auf welchem sich die pastorale Gnade reich entfaltet. Daher müßte der Priester es verstehen, alles , was er tut, immer als Priester zu tun. Wie der heilige Johannes Bosco sagt, ist er Priester am Altar und im Beichtstuhl, wie auch in der Schule, auf der Straße und überall. Mitunter sind die Priester selbst in einigen aktuellen Situationen verleitet, gleichsam zu denken, daß sich ihr Amt am Rande des Lebens abspielt, während es sich in Wirklichkeit in dessen Herzen selbst befindet, denn es besitzt die Fähigkeit zu erleuchten, zu versöhnen und alles neu zu machen.

Es kann vorkommen, daß einige Priester, obwohl sie das eigene Amt mit einem Enthusiasmus voller Ideale begonnen hatten, Entfremdung und Enttäuschung verspüren und bis zum Fehlschlag gelangen können. Die Gründe sind vielfältig: von unzureichender Ausbildung bis zum Mangel an Brüderlichkeit im diözesanen Presbyterium, von persönlicher Isolierung bis zu fehlendem Interesse und Unterstützung seitens des Bischofs [39] selbst und der Gemeinschaft, von persönlichen Problemen – auch gesundheitlicher Natur – bis zur bitteren Erfahrung, keine Antworten und Lösungen zu finden, vom Mißtrauen gegenüber der Askese und dem Aufgeben des geistlichen Lebens bis hin zum Glaubensmangel.

Tatsächlich würde sich der Dynamismus des Amtes ohne eine feste priesterliche Spiritualität in einen leeren Aktivismus bar jedes Prophetismus verwandeln. Es steht eindeutig fest, daß der Bruch der inneren Einheit im Priester vor allem Folge des Erkaltens seiner Hirtenliebe ist, d.h. des Erkaltens der „wachsamen Liebe zum Mysterium, das er in sich trägt, zum Wohl der Kirche und der Menschheit“ [40]

In Anbetung und innerem Gespräch vor dem Guten Hirten zu verweilen, der im allerheiligsten Sakrament des Altares gegenwärtig ist, bildet eine pastorale Priorität, die weit größer ist als jedwede andere. Der Priester, Leiter einer Gemeinde, muß diese Priorität verwirklichen, um nicht innerlich auszutrocknen und um sich nicht in einen trockenen Kanal zu verwandeln, der niemanden mehr etwas geben könnte.

Die pastorale Arbeit von herausragender Bedeutung ist mit Sicherheit die Spiritualität. Jeder Pastoralplan, jedes Missionsprojekt, jeder Dynamismus in der Evangelisierung, der vom Vorrang der Spiritualität und des Gottesdienstes absähe, wäre zum Untergang bestimmt.

c) Ein besonderer Weg zur Heiligkeit

12. In dem Maße, in dem das Amtspriestertum mit dem priesterlichen Wesen und Wirken Christi gleichgestaltet, führt es eine Neuheit in das geistliche Leben dessen ein, der dieses Geschenk empfangen hat. Es ist ein geistliches Leben, das durch die Teilhabe an der Eigenschaft Christi als Haupt in seiner Kirche geformt wird und das im Dienstamt für die Kirche reift: eine Heiligkeit im Amt und durch das Amt.

13. Die Vertiefung des „Bewußtseins, Diener zu sein“ [41], ist deswegen von großer Bedeutung für das geistliche Leben des Priesters und für die Wirksamkeit seines Amtes selbst.

Die Verbundenheit mit Jesus Christus im Amt „begründet und erfordert beim Priester eine weitere Bindung, die aus seiner ‚Grundintention‘, das heißt aus seinem bewußten und freien Willen kommt, durch seinen Dienst das zu tun, was die Kirche zu tun vorhat“ [42]. Der Ausdruck: „die Intention, das zu tun, was die Kirche tut“ erleuchtet das geistliche Leben des Amtsträgers mit der Einladung, seine persönliches Eigenschaft als Werkzeug im Dienst Christi und der Kirche zu erkennen und in den konkreten Amtshandlungen zu verwirklichen. In diesem Sinn enthält die „Intention“ notwendigerweise einen Bezug zum Tun Christi, des Hauptes in der Kirche und durch die Kirche, eine Anpassung an seinen Willen, Treue zu seinen Anordnungen, Fügsamkeit gegenüber seinen Taten: das amtlich Tun ist Werkzeug des Wirkens Christi und der Kirche, seines Leibes.

Es handelt sich um einen persönlichen, bleibenden Willen: „Eine (solche) Bindung neigt auf Grund ihrer Natur dazu, im Leben möglichst umfassend und tiefgreifend zu werden. Dies geschieht dadurch, daß sie den Verstand, die Gefühle, das Leben, also eine Reihe moralischer und spiritueller ‚Dispositionen‘ prägt, die dem amtlichen Handeln des Priesters entsprechen“[43].

Die priesterliche Spiritualität erfordert, ein Klima der Nähe zum Herrn zu atmen, ein Klima der Freundschaft und der persönlichen Begegnung, der „geteilten“ amtlichen Sendung, der Liebe zu und des Dienstes an seiner Person in der „Person“ der Kirche, seines Leibes und seiner Braut. Die Kirche zu lieben und sich ihr im Dienstamt zu schenken, verlangt, Jesus, den Herrn, innig zu lieben. „Diese Hirtenliebe erwächst am stärksten aus dem eucharistischen Opfer. Es bildet daher Mitte und Wurzel des ganzen priesterlichen Lebens, so daß der Priester in seinem Herzen auf sich beziehen muß, was auf dem Opferaltar geschieht. Dazu gelangt er jedoch nur, wenn er sich selbst immer inniger in das Geheimnis Christi betend vertieft“ [44].

Bei der Durchdringung dieses Geheimnisses kommt uns die seligste Jungfrau Maria, mit dem Erlöser vereinigt, zu Hilfe. Denn „wenn wir die Heilige Messe feiern, steht die Mutter des Sohnes Gottes in unserer Mitte und führt uns in das Geheimnis seines Erlösungsopfers ein. Auf diese Weise wird sie zur Mittlerin der Gnaden, die von dieser Opfergabe für die Kirche und für alle Gläubigen entspringen“ [45]. Tatsächlich „wurde Maria auf einzigartige Weise mit dem priesterlichen Opfer Christi verbunden, da sie seinen Willen, die Welt durch das Kreuz zu retten, teilte. Sie war der erste und vollkommenste geistliche Teilnehmer an seiner Hingabe als Sacerdos et Hostia. Als solche kann sie denen, die auf der Ebene des Dienstamtes am Priestertum ihres Sohnes teilhaben, die Gnade des Antriebs erhalten und schenken, immer mehr den Anforderungen der geistlichen Hingabe zu entsprechen, die das Priestertum mit sich bringt: insbesondere die Gnade des Glaubens, der Hoffnung und der Beharrlichkeit in den Prüfungen, die als Anregungen zur einer großherzigeren Teilnahme am Erlösungsopfer erkannt werden [46].

Die Eucharistie muß für den Priester „den wirklich zentralen Platz in seinem Dienst“ [47]einnehmen, weil in ihr das gesamte geistliche Gut der Kirche enthalten ist und weil sie an sich Quell und Gipfel der ganzen Evangelisierung ist [48]. Daraus folgt die sehr wichtige Bedeutung der Vorbereitung auf die Heilige Messe, ihrer täglichen Feier [49], der Danksagung und des Besuches beim Allerheiligsten im Laufe des Tages!

14. Außer dem eucharistischen Opfer feiert der Priester täglich das Stundengebet, das er unter schwerer Verpflichtung frei auf sich genommen hat. Vom unblutigen Opfer Christi auf dem Altar bis hin zur Feier des Stundengebets gemeinsam mit der ganzen Kirche intensiviert das Herz des Priesters seine Liebe zum göttlichen Hirten und macht sie vor den Gläubigen deutlich. Der Priester hat das Privileg erhalten, „im Namen aller zu Gott zu sprechen“, „gleichsam der Mund der ganzen Kirche“[50] zu werden; im Offizium erfüllt er das, was am Lobpreis Christi noch fehlt, und insoweit er beglaubigter Botschafter ist, zählt seine Fürbitte zu den wirksamsten für das Heil der Welt [51]

d) Die Treue des Priesters gegenüber der kirchlichen Disziplin

15. Das „Bewußtsein, Diener zu sein“, bringt auch das Bewußtsein des einheitlichen Handelns des Leibes Christi mit sich. Tatsächlich erfordern das Leben und die Sendung der Kirche zu ihrer Entfaltung eine Ordnung, Regeln, Gesetze des Verhaltens, das heißt eine disziplinäre Ordnung. Man muß jegliches Vorurteil gegenüber der kirchlichen Disziplin überwinden, angefangen vom Begriff selbst, wie auch jegliche Furcht und jeglichen Komplex, sie zu zitieren und im angebrachten Fall auf ihre Erfüllung zu pochen. Wenn die Beobachtung der Normen und Kriterien, welche die kirchliche Disziplin bilden, zur Geltung kommt, werden jene Spannungen vermieden, die andernfalls den einheitlichen pastoralen Einsatz, dessen die Kirche bedarf, um ihren Verkündigungsauftrag wirkungsvoll zu erfüllen, komprimittieren würden. Die reife Annahme der eigenen amtlichen Verpflichtung beinhaltet die Gewißheit, daß die Kirche „der Richtlinien bedarf, damit ihre hierarchische und organische Struktur sichtbar wird und die Ausübung der ihr von Gott anvertrauten Dienste, insbesondere der geistlichen Gewalt und der Verwaltung der Sakramente ordnungsgemäß geregelt wird“ [52].

Außerdem schließt das Bewußtsein, Diener Christi und seines mystischen Leibes zu sein, die Verpflichtung zur treuen Erfüllung des Willens der Kirche, der konkret in den Normen zum Ausdruck kommt [53], mit ein. Die Gesetzgebung der Kirche hat eine größere Vollkommenheit des christlichen Lebens zum Ziel, zu einer besseren Erfüllung des Heilsauftrags und muß daher mit aufrichtigem Sinn und gutem Willen gelebt werden.

Unter allen Aspekten verdient jener der Fügsamkeit gegenüber den liturgischen Gesetzen und Dispositionen der Kirche eine besondere Beachtung, d. h. die treue Liebe zu einer Normgebung, die dem Zweck dient, die Liturgie in Übereinstimmung mit dem Willen des Ewigen Hohenpriesters und seines mystischen Leibes zu ordnen. Die heilige Liturgie wird als Ausübung des Priestertums Jesu Christi [54] angesehen, als heilige Handlung schlechthin, als „der Höhepunkt, dem das Tun der Kirche zustrebt, und zugleich die Quelle, aus der all ihre Kraft strömt“ [55]. Dies ist folglich das Gebiet, in welchem das Bewußtsein größer sein muß, Diener zu sein und gemäß den gegenüber Gott und der Gemeinschaft frei und feierlich übernommenen Verpflichtungen zu handeln. „Das Recht, die heilige Liturgie zu ordnen, steht einzig der Autorität der Kirche zu. Diese Autorität liegt beim Apostolischen Stuhl und nach Maßgabe des Rechts beim Bischof. (…) Deshalb darf durchaus niemand sonst, auch wenn er Priester wäre, nach eigenem Gutdünken in der Liturgie etwas hinzufügen, wegnehmen oder ändern“ [56]. Willkür, subjektive Ausdrucksformen, Improvisationen und Ungehorsam in der eucharistischen Feier bilden ebenfalls offenkundige Widersprüche zum Wesen selbst der Heiligen Eucharistie, die das Opfer Christi ist. Dasselbe gilt für die Feier der übrigen Sakramente, vor allem für das Bußsakrament, mittels welchem die Sünden vergeben werden und man mit der Kirche versöhnt wird [57].

Entsprechende Aufmerksamkeit mögen die Priester der authentischen und bewußten Teilnahme der Gläubigen an der heiligen Liturgie widmen, von deren Förderung die Kirche nicht abläßt [58]. In der heiligen Liturgie gibt es Funktionen, die von Gläubigen, die das Weihesakrament nicht empfangen haben, ausgeübt werden können; andere Funktionen hingegen sind den geweihten Amtsträgern eigen und ausschließlich vorbehalten [59]. Die Achtung der verschiedenen Eigenheiten des jeweiligen Standes und deren komplementären Rollen für den Sendungsauftrag erfordern die Vermeidung jeglicher Verwirrung in diesem Bereich.

e) Der Priester in der kirchlichen Gemeinschaft

16. Um der Kirche – einer Gemeinschaft, die organisch aus Gläubigen strukturiert ist, die mit derselben Taufwürde, aber mit verschiedenen Charismen und Aufgaben ausgestattet sind – zu dienen, muß man sie kennen und lieben, nicht, wie sie die vorübergehenden Moden des Denkens oder die verschiedenen Ideologien wollen, sondern wie sie Jesus Christus wollte, der sie gestiftet hat. Ausgehend von der Gleichgestaltung mit Christus dem Haupt, verlangt die Amtsfunktion des Dienstes an der Gemeinschaft, die Besonderheit der Rolle der Laien zu kennen und zu respektieren, indem man die Übernahme der Verantwortung der einzelnen auf alle mögliche Weise fördert. Der Priester dient der Gemeinde, wird aber auch von seiner Gemeinde getragen. Er braucht den Beitrag der Laien, nicht nur für die Organisation und Verwaltung seiner Gemeinde, sondern auch für den Glauben und die Liebe: Es besteht eine Art Osmose zwischen dem Glauben des Priesters und dem Glauben der anderen Gläubigen. Die christlichen Familien und die eifrigen Gemeinden haben den Priestern in Momenten der Krise oft geholfen. Aus demselben Grund ist es ebenso wichtig, daß die Priester die Eigenschaften kennen, schätzen und respektieren, die der Nachfolge im Ordensstand eigen sind, der einen äußerst wertvollen Schatz der Kirche und in ihr ein Zeugnis der fruchtbaren Wirktätigkeit des Heiligen Geistes darstellt.

Je mehr die Priester lebendige Zeichen und Diener der kirchlichen Gemeinschaft sind, umso mehr fügen sie sich in die lebendige Einheit der Kirche in der Zeit ein, welche die heilige Überlieferung ist, deren Wächter und Garant das Lehramt ist. Der fruchtbare Bezug zur Tradition verleiht dem Priesteramt die Fertigkeit und Objektivität des Zeugnisses von die Wahrheit, die in Christus gekommen ist, um sich in der Geschichte zu offenbaren. Dies hilft ihm, jenen Reiz des Neuen zu fliehen, der die Gemeinschaft schädigt und die Ausübung des Priesteramtes an Tiefe und Glaubwürdigkeit entleert.

Der Pfarrer insbesondere muß ein geduldiger „Weber“ der Gemeinschaft der eigenen Pfarre mit ihrer Teilkirche und der Universalkirche sein. Er müßte ebenso ein wahres Beispiel der Zustimmung zum ständigen Lehramt der Kirche und zu ihrer großartige Disziplin sein.

f) Sinn für das Ganze im Einzelnen

17. „Der Priester muß sich dessen bewußt sein, daß seine Zugehörigkeit zu einer Teilkirche ihrem Wesen nach ein kennzeichnendes Element ist, um eine christliche Spiritualität zu leben. In diesem Sinne findet der Priester gerade in seiner Zugehörigkeit und Hingabe an die Teilkirche eine Quelle für Sinngehalte, für Unterscheidungs- und Aktionskriterien, die sowohl seiner pastoralen Sendung als auch seinem geistlichen Leben Gestalt geben“ [60]. Es handelt sich um eine wichtige Materie, in welcher man sich ein weitreichendes Verständnis erwerben muß, das der Tatsache Rechnung trägt, daß „die Zugehörigkeit zur Teilkirche und die Hingabe an sie die Tätigkeit und das Leben des Priesters nicht auf die Teilkirche einengen: Sie können sie in der Tat gar nicht einengen sowohl wegen der Natur der Teilkirche wie der des priesterlichen Dienstes“ [61].

Der Begriff der Inkardination, wie er durch das Zweite Vatikanische Konzil geändert wurde und im Codex des kanonischen Rechtes ausgedrückt ist [62], erlaubt, die Gefahr der Einengung des Priesteramtes innerhalb enger Grenzen – nicht so sehr geographische, sondern vielmehr psychologische oder sogar theologische – zu überwinden. Die Zugehörigkeit zu einer Teilkirche und der pastorale Dienst an der Gemeinschaft in ihrem inneren – Elemente ekklesiologischer Ordnung – bilden auch existenziell den Rahmen für das Leben und die Aktivität der Priester und geben ihnen eine Physiognomie, die aus spezifischen pastoralen Ausrichtungen, Zielsetzungen, persönlicher Hingabe in bestimmten Aufgaben, pastoralen Begegnungen und geteilten Interessen zusammengesetzt ist. Um die Teilkirche als auch die Zugehörigkeit zu ihr und die Hingabe an sie wirklich zu verstehen und zu lieben, indem man ihr dient und sich für sie bis zur Hingabe des eigenen Lebens aufopfert, ist es notwendig, daß sich der geistliche Amtsträger immer mehr bewußt wird, daß die Gesamtkirche „eine jeder einzelnen Teilkirche ontologisch und zeitlich vorausliegende Wirklichkeit ist“ [63]. In der Tat bildet nicht die Summe der Teilkirchen die Gesamtkirche. Die Teilkirchen, in der Gesamtkirche und von ihr ausgehend, müssen immer für eine Wirklichkeit wahrer Gemeinschaft von Personen, Charismen und spiritueller Traditionen offen sein, ohne geographische, intellektuelle oder psychologische Grenzen [64]. Dem Priester muß wohl klar sein, daß die Kirche eine einzige ist! Die Universalität oder Katholizität muß von sich aus die Einzelheit erfüllen. Die tiefe, wahre und lebendige gemeinschaftliche Bindung mit dem Stuhl Petri bildet die Garantie und die notwendige Bedingung von all dem. Dieselbe begründete Aufnahme, Verbreitung und treue Anwendung der Dokumente des Papstes und der Dikasterien der römischen Kurie ist ein Ausdruck davon.

Wir haben das Wesen und das Handeln eines jeden Priesters schlechthin betrachtet. Nun gilt unsere Reflexion eingehender dem Priester in seinem Amt als Pfarrer.


Teil II




Die Pfarre und der Pfarrer

3. Die Pfarre und das Amt des Pfarrers

18. Die bedeutendsten ekklesiologischen Merkmale des theologisch-kanonischen Begriffs Pfarre sind vom Zweiten Vatikanischen Konzil im Licht der Tradition und der katholischen Lehre, der Communio-Ekklesiologie, bedacht und dann vom Codex des kanonischen Rechtes in Gesetzesform gegossen worden. Diese Merkmale sind unter verschiedenen Gesichtspunkten im nachkonziliären päpstlichen Lehramt auf explizite wie implizite Weise entfaltet worden, immer im inneren Zusammenhang mit der Vertiefung über das Weihepriestertum. Daher ist es nützlich, die Hauptpunkte der theologischen und kanonischen Lehre über diese Materie zusammenzufassen – vor allem in Hinblick auf eine bessere Antwort auf die pastoralen Herausforderungen, die sich zu Beginn des dritten Jahrtausends dem Pfarrdienst der Priester stellen.

Was vom Pfarrer ausgesagt wird, gilt – per Analogie bis zu einem großen Maße, unter dem Gesichtspunkt der pastoralen Verpflichtung als Leiter – auch für jene Priester, die ihre Hilfe in Pfarren leisten, und für diejenigen, die besondere pastorale Ämter bekleiden, wie zum Beispiel in Strafanstalten, Pflegeheimen, in Universitäten und Schulen, in der Gastarbeiter- und Fremdenseelsorge etc.

Die Pfarre ist eine konkrete communitas christifidelium, fest errichtet im Bereich einer Teilkirche. Ihre Seelsorge ist einem Pfarrer als ihrem eigenberechtigten Hirten, unter der Autorität des Diözesanbischofs [65], anvertraut. Das ganze Leben der Pfarre, so wie die Bedeutung ihrer apostolischen Aufgaben gegenüber der Gesellschaft, müssen mit einem Sinn für die organische Gemeinschaft zwischen gemeinsamem Priestertum und Amtspriestertum verstanden und gelebt werden, mit einem Sinn für brüderliche und dynamische Zusammenarbeit zwischen Hirten und Gläubigen mit unbedingter Achtung der Rechte, Pflichten und Funktionen anderer, wo jeder seine eigenen Kompetenzen und Verantwortlichkeiten besitzt. Der Pfarrer „soll in enger Gemeinschaft mit dem Bischof und mit allen Gläubigen vermeiden, in sein Hirtenamt Formen eines improvisierten Autoritarismus oder ‚demokratistische‘ Führungsbedingungen einzuführen, die der tieferen Wirklichkeit des Dienstamtes fremd sind“ [66]. Diesbezüglich behält die von mehreren Dikasterien herausgegebene und vom Papst in besonderer Form approbierte InstruktionEcclesiae de Mysterio, deren vollständige Anwendung die korrekte kirchliche Praxis in diesem grundlegenden Bereich für das Leben der Kirche sicherstellt, ihre volle Gültigkeit.

Die innere Verbindung mit der diözesanen Gemeinschaft und mit dem Bischof, in hierarchischer Gemeinschaft mit dem Nachfolger Petri, sichert der Pfarrgemeinde die Zugehörigkeit zur Gesamtkirche. Es handelt sich daher um eine pars dioecesis [67], die von demselben Gemeinschaftssinn beseelt wird, von geordneter, gemeinsam getragener Taufverantwortung, von demselben liturgischen Leben, das in der Feier der Eucharistie seinen Mittelpunkt hat [68], und von demselben Geist der Sendung, der die gesamte Pfarrgemeinde auszeichnet. Jede Pfarre „gründet in einer theologischen Gegebenheit, weil sie eucharistische Gemeinschaft ist. Dies bedeutet, daß sie als Gemeinschaft befähigt ist, Eucharistie zu feiern, in der sie die lebendigen Wurzeln ihres Wachstums sowie das sakramentale Band ihrer communio mit der gesamten Kirche findet. Diese Befähigung zur Feier der Eucharistie ist gegeben durch die Tatsache, daß die Pfarre Gemeinschaft des Glaubens und organische strukturierte Gemeinschaft ist – das heißt, zusammengesetzt von geweihten Amtsträgern und von anderen Christen –, in der der Pfarrer den Ortsbischof vertritt und das hierarchische Band mit der gesamten Teilkirche darstellt“ [69].

In diesem Sinn muß die Pfarre, die gleichsam eine Zelle der Diözese darstellt, „ein augenscheinliches Beispiel für das gemeinschaftliche Apostolat bieten; was immer sie in ihrem Raum an menschlichen Unterschiedlichkeiten vorfindet, schließt sie zusammen und fügt es dem Ganzen der Kirche ein“ [70]. Im Begriff Pfarre stellt die communitas christifidelium das wesentliche personale Grundelement dar. Mit diesem Ausdruck will man die dynamische Beziehung zwischen Personen unterstreichen, die sie auf bestimmte Weise unter der unentbehrlichen wirklichen Leitung eines eigenberechtigten Hirten bilden. Im allgemeinen handelt es sich um alle Gläubigen eines bestimmten Territoriums, oder nur um einige Gläubige, im Falle von Personalpfarren, die auf Grund des Ritus, der Sprache, der Nationalität oder anderer präziser Motive bestehen [71].

19. Ein anderes Grundelement des Begriffes Pfarre ist die pastorale Sorge oder Seelsorge, die dem Amt des Pfarrers eigen ist und welche sich hauptsächlich in der Verkündigung des Wortes Gottes, der Sakramentenspendung und in der pastoralen Leitung der Gemeinde [72] zeigt. In der Pfarre, dem Bereich der gewöhnlichen Pastoral, ist „der Pfarrer der eigene Hirte der ihm übertragenen Pfarre; er nimmt die Seelsorge für die ihm anvertraute Gemeinschaft unter der Autorität des Diözesanbischofs wahr, zu dessen Teilhabe am Amt Christi er berufen ist, um für diese Gemeinschaft die Dienste des Lehrens, des Heiligens und des Leitens auszuüben, wobei auch andere Priester oder Diakone mitwirken sowie Laien nach der Maßgabe des Rechts mithelfen“ [73]. Dieser Begriff des Pfarrers weist einen großen ekklesiologischen Reichtum auf und hindert den Bischof nicht daran, andere Formen der Seelsorge nach der Maßgabe des Kirchenrechts festzusetzen.

Die Notwendigkeit, die pastorale Versorgung in den Pfarren an die Lage der gegenwärtigen Zeit anzupassen, die mancherorts vom Priestermangel gekennzeichnet ist, aber auch vom Vorhandensein überbevölkerter Stadtpfarren und verstreuter Landpfarren oder von geringer Zahl an Pfarrangehörigen, riet – sicher nicht aus Prinzip – zur Einführung einiger Neuerungen im allgemeinen Recht der Kirche hinsichtlich des Inhabers der Pfarrpastoral. Eine Neuerung besteht in der Möglichkeit, mehreren Priestern in solidum die Seelsorge für eine oder mehrere Pfarren zu übertragen, mit der unumstößlichen Bedingung, daß nur einer von ihnen der Moderator sei, der die gemeinsame Aktivität leitet und sich dafür persönlich dem Bischof gegenüber verantwortlich zeichnet [74]. Das eine Amt des Pfarrers und die eine Seelsorge der Pfarre wird also einem mehrfachen Inhaber übertragen, der sich aus verschiedenen Priestern zusammensetzt, die eine identische Teilhabe am anvertrauten Amt unter der persönlichen Leitung eines Mitbruders als Moderator erhalten. Die Seelsorge in solidum anzuvertrauen, erweist sich als nützlich, um manche Situationen jener Diözesen zu lösen, wo wenige Priester ihre Zeit für die Leistung verschiedener Amtstätigkeiten organisieren müssen, wird aber auch zu einem günstigen Mittel zur Förderung der Mitverantwortlichkeit der Priester und auf besondere Weise zur Erleichterung der Gewohnheit des gemeinsamen Lebens der Priester, zu dem immer ermutigt werden soll [75].

Man kann jedoch einige Schwierigkeiten, die die Seelsorge in solidum – immer und nur aus Priestern allein zusammengesetzt – mit sich bringen kann, klugerweise nicht ignorieren, da die Identifizierung mit dem eigenen Hirten den Gläubigen eigen ist, und die wechselnde Anwesenheit mehrerer Priester, wenn auch untereinander koordiniert, verwirrend sein und nicht verstanden werden kann. Der Reichtum der geistlichen Vaterschaft des Pfarrers als ein sakramentaler „pater familias“ der Pfarre mit den sich ergebenden Banden, die die pastorale Fruchtbarkeit hervorbringen, ist offensichtlich.

In Fällen pastoraler Notwendigkeit kann der Bischof gelegentlich die zeitweilige Überantwortung mehrerer Pfarren an die Seelsorge eines einzigen Pfarrers vornehmen [76].

Wenn es die Umstände geraten scheinen lassen, kann die Übertragung einer Pfarre an einen Administrator [77] eine provisorische Lösung [78] darstellen. Es ist jedoch angebracht zu erinnern, daß das Amt des Pfarrers, weil es seinem Wesen nach ein Hirtenamt ist, vollen Anspruch und Stabilität erfordert [79]. Der Pfarrer sollte ein Abbild der Gegenwart des geschichtlichen Christus sein. Das Erfordernis der Gleichgestaltung mit Christus unterstreicht nämlich diese vorrangige Verpflichtung.

20. Zur Erfüllung des Hirtenauftrags in einer Pfarre, der die volle Seelsorge mit einschließt, ist die Ausübung des Priesteramtes unbedingt erforderlich [80]. Außer der kirchlichen Gemeinschaft[81] verlangt daher das Kirchenrecht als Erfordernis für die gültige Ernennung eines Pfarrers ausdrücklich den Empfang der Priesterweihe [82].

Hinsichtlich der Verantwortung des Pfarrers für die Verkündigung des Wortes Gottes und der authentischen katholischen Lehre erwähnt Kanon 528 ausdrücklich die Homilie und den katechetischen Unterricht; die Förderung von Initiativen, die den Geist des Evangeliums in jedem Bereich des menschlichen Lebens verbreiten; die katholische Bildung der Kinder und Jugendlichen und den Einsatz, damit mit der geordneten Mitarbeit der Laien die Botschaft des Evangeliums diejenigen erreichen kann, die die religiöse Praxis aufgegeben haben oder nicht mehr den wahren Glauben bekennen [83], so daß sie mit der Gnade Gottes zur Umkehr gelangen können. Es versteht sich von selbst, daß der Pfarrer nicht verpflichtet ist, all diese Obliegenheiten persönlich zu verwirklichen, sondern danach zu trachten, daß sie in angebrachter Weise – in Übereinstimmung mit der rechten Lehre und der kirchlichen Disziplin – im Schoß der Pfarre gemäß den Umständen und immer unter seiner Verantwortung umgesetzt werden. Einige dieser Funktionen, wie zum Beispiel die Homilie während der Eucharistiefeier [84], müssen immer und ausschließlich von einem geweihten Amtsträger ausgeführt werden. „Auch wenn er von anderen nichtgeweihten Gläubigen in der Redegewandtheit übertroffen werden sollte, würde dies seine Aufgabe, sakramentale Darstellung Christi, des Hauptes und Hirten zu sein, nicht auslöschen, denn aus ihr erwächst vor allem die Wirksamkeit seiner Predigt“ [85]. Einige andere Funktionen hingegen, zum Beispiel die Katechese, können auch gewöhnlich von Laien ausgeführt werden, die eine gebührende Ausbildung gemäß der rechten Lehre erhalten haben und ein integeres christliches Leben führen – wobei immer die Verpflichtung zum persönlichen Kontakt mit dem Pfarrer vorausgesetzt wird. Der selige Papst Johannes XXIII. schrieb, „es sei von höchster Wichtigkeit, daß der Klerus überall und zu jeder Zeit seiner Pflicht zu unterrichten treu sei. ‚Hier nützt‘ – sagte diesbezüglich der heilige Papst Pius X – ‚nur nach diesem zu streben und nur darauf zu bestehen, daß nämlich jeder Priester von keinem anderen schwerwiegenderen Amt gehalten noch von einem anderen engeren Band verpflichtet wird‘“ [86].

Auf dem Pfarrer lastet, wie es offensichtlich ist, aus einer wirklichen Hirtenliebe heraus die Pflicht zur aufmerksamen und zuvorkommenden Aufsicht, neben der Ermutigung, über alle und jeden einzelnen Mitarbeiter. In manchen Ländern mit verschiedenen Sprachgruppen von Gläubigen, trägt, sofern nicht eine Personalpfarre [87] oder eine andere geeignete Lösung geschaffen wurde, der Pfarrer der Territorialpfarre als der eigenberechtigte Hirte [88] Sorge, die besonderen Bedürfnisse seiner Gläubigen zu respektieren, auch in Hinblick auf ihre spezifischen kulturellen Eigenheiten.

21. Bezüglich der gewöhnlichen Mittel der Heiligung schreibt Kanon 528 fest, daß sich der Pfarrer besonders einsetzen muß, damit die Eucharistie den Mittelpunkt der Pfarrgemeinde bilde und alle Gläubigen die Fülle des christlichen Lebens durch eine bewußte und tätige Teilnahme an der heiligen Liturgie und der Feier der Sakramente, am Gebetsleben und durch gute Werke erlangen können.

Beachtenswert ist, daß der Codex den häufigen Kommunionempfang und die ebenfalls häufige Praxis des Bußsakramentes erwähnt. Dadurch wird dem Pfarrer empfohlen, bei der Festlegung der Meß- und Beichtzeiten in der Pfarre in Erwägung zu ziehen, welche die günstigsten Zeiten für die Mehrheit der Gläubigen seien, doch soll er auch denjenigen, die besondere zeitliche Schwierigkeiten haben, einen leichten Zugang zu den Sakramente ermöglichen. Ganz besondere Sorge müssen die Pfarrer auf die Einzelbeichte gemäß dem Geist und der von der Kirche festgesetzten Form legen [89]. Außerdem sei daran erinnert, daß die Beichte verpflichtend der Erstkommunion der Kinder vorausgeht [90]. Weiters soll präsent gehalten werden, daß aus eindeutigen pastoralen Gründen zur Erleichterung der Gläubigen auch während der Meßfeier Einzelbeichten gehört werden können [91]. Darüber hinaus soll man sich bemühen „das Empfinden des Pönitenten bezüglich der Wahl der Art der Beichte zu respektieren, d. h. ob von Angesicht zu Angesicht oder durch das Gitter des Beichtstuhls“ [92]. Auch der Beichtpriester kann pastorale Gründe haben, den Gebrauch des Beichtstuhls mit Gitter vorzuziehen [93].

Man sollte auch die Praxis des Besuchs beim Allerheiligsten aufs höchste fördern, indem man möglichst lange Öffnungszeiten der Kirche verfügt und unveränderlich festlegt. Nicht wenige Pfarrer fördern löblicherweise die Anbetung mit feierlicher Aussetzung des Allerheiligsten und eucharistischem Segen, wovon sie Früchte in der Lebendigkeit ihrer Pfarre verspüren.

Die heilige Eucharistie wird mit Liebe im Tabernakel „wie das geistliche Herz der religiösen und pfarrlichen Gemeinschaft“ [94] aufbewahrt. „Ohne die Verehrung der Eucharistie als eigenes pulsierendes Herz verhärtet sich die Pfarre“ [95]. „Wenn ihr wollt, daß die Gläubigen gern und mit Frömmigkeit beten – sagte Papst Pius XII zum Klerus von Rom – geht ihnen in der Kirche mit Beispiel voran, indem ihr vor ihren Augen im Gebet verweilt. Ein Priester, der in würdiger Haltung und in tiefer Sammlung vor dem Tabernakel kniet, ist für das Volk ein Beispiel der Erbauung, eine Ermahnung und eine Einladung zum betenden Nacheifern“ [96].

22. Der Kanon 529 seinerseits berücksichtigt die Haupterfordernisse zur Erfüllung der pfarrlichen Hirtenfunktion und stellt in gewissem Sinne die Amtshaltung des Pfarrers dar. Als eigener Hirte bemüht er sich, die seiner Sorge anvertrauten Gläubigen zu kennen, und vermeidet, in die Gefahr des Funktionalismus zu geraten: Er ist kein Funktionär, der eine Rolle erfüllt und demjenigen Dienstleistungen anbietet, der ihn darum bittet. Als Mann Gottes übt er auf vollständige Weise sein eigenes Amt aus, indem er die Gläubigen sucht, die Familien besucht, an ihren Nöten und Freuden Anteil nimmt; er korrigiert mit Klugheit nimmt sich der Alten, der Schwachen, der Verlassenen und Kranken an und opfert sich für die Sterbenden auf; er schenkt den Armen und Bedrückten besondere Aufmerksamkeit; er bemüht sich um die Bekehrung der Sünder und jener, die im Irrtum sind, und hilft einem jeden, die eigene Pflicht zu erfüllen, indem er das Wachstum des christlichen Lebens in den Familien fördert [97].

Eine der pastoralen Prioritäten und Zeichen der Lebendigkeit einer christlichen Gemeinde bleibt die Erziehung zur Ausübung der Werke der geistigen und leiblichen Barmherzigkeit.

Bedeutend ist auch der dem Pfarrer anvertraute Auftrag zur Förderung der eigenen Aufgabe der Laien an der Sendung der Kirche, d. h. jene Aufgabe, die Ordnung der zeitlichen Dinge mit dem Geist des Evangeliums zu beseelen und zu vervollkommnen und dadurch Zeugnis für Christus abzulegen, insbesondere in der Ausübung der weltlichen Pflichten [98].

Andererseits muß der Pfarrer mit dem Bischof und den anderen Priestern der Diözese zusammenarbeiten, damit die Gläubigen, die an der Pfarrgemeinde teilhaben, sich auch als Glieder der Diözese und der Gesamtkirche fühlen [99]. Die zunehmende Mobilität der heutigen Gesellschaft macht es notwendig, daß sich die Pfarre nicht in sich selbst verschließt, sondern es versteht, Gläubige aus anderen Pfarren willkommen zu heißen, die sie besuchen, aber auch vermeidet, mit Mißtrauen zu verfolgen, daß manche Pfarrangehörige am Leben anderer Pfarren, Rektoratskirchen oder Seelsorgsstellen teilnehmen.

Es besteht auch die Pflicht, insbesondere für den Pfarrer, mit Eifer die Priesterberufungen zu fördern, zu stützen und mit besonderer Sorge zu begleiten [100]. Das persönliche Beispiel, die eigene Identität – auch sichtbar [101] – zu zeigen und ein dementsprechenden Leben zu führen, zusammen mit der Sorge um die Einzelbeichte und geistliche Leitung der Jugendlichen wie auch um die Katechese über das Weihepriestertum werden die unverzichtbare Berufungspastoral realistisch machen. „Es ist immer die besondere Aufgabe des priesterlichen Dienstes gewesen, den Samen des völlig gottgeweihten Lebens auszustreuen und die Liebe zur Jungräulichkeit zu wecken“ [102].

Die Amtshandlungen, die im Codex in besonderer Weise dem Pfarrer anvertraut werden [103], sind: die Spendung der Taufe; die Spendung der Firmung an jene, die sich in Todesgefahr befinden, nach Maßgabe des can. 883, n. 3 [104]; die Spendung der Wegzehrung sowie der Krankensalbung, unbeschadet der Vorschrift des can. 1003, §§ 2 und 3 [105], und die Erteilung des Apostolischen Segens; die Assistenz bei der Eheschließung und die Erteilung des Brautsegens; die Vornahme von Begräbnissen; die Segnung des Taufwassers zur österlichen Zeit, die Leitung von Prozessionen außerhalb der Kirche und die feierlichen Segnungen außerhalb der Kirche; die feierliche Zelebration der Eucharistie an Sonntagen und an den gebotenen Feiertagen.

Mehr als ausschließliche Amtshandlungen oder geradezu ausschließliche Rechte des Pfarrers sind ihm diese Aufgaben auf Grund seiner spezifischen Verantwortung auf besondere Weise anvertraut; er muß sie daher so weit als möglich persönlich verwirklichen oder zumindest ihren Verlauf verfolgen.

23. Wo Priestermangel herrscht, kann eventuell, wie mancherorts geschieht, der Bischof nach kluger Berücksichtigung aller Faktoren gemäß der kanonisch erlaubten Modalitäten einer oder mehreren verschiedenen Personen, die nicht mit dem priesterlichen Charakter bekleidet sind, eineMitarbeit „ad tempus“ in der Ausübung der Pfarrseelsorge anvertrauen [106]. In diesen Fällen müssen jedoch die ursprünglichen Eigenschaften der Verschiedenheit und Komplementarität zwischen den Gaben und Aufgaben der geweihten Amtsträger und der Laien, wie sie der Kirche, die Gott organisch strukturiert wollte, eigen sind, aufmerksam beachtet und geschützt werden. Es gibt objektiv außergewöhnliche Situationen, die eine solche Mitarbeit rechtfertigen. Doch kann diese die Grenzen der Besonderheiten des Priesteramtes und der Laien auf rechtmäßige Weise nicht überschreiten.

Mit dem Wunsch, eine Terminologie zu bereinigen, die zu Verwirrung führen könnte, hat die Kirche Ausdrücke, die eine „Eigenschaft als Haupt“ bezeichnen – wie „Pastor“, „Kaplan“, „Direktor“, „Koordinator“ oder gleichwertige Bezeichnungen – ausschließlich den Priestern vorbehalten [107].

In der Tat unterscheidet der Codex im Abschnitt über die Rechte und Pflichten der Laien die Aufgaben oder Funktionen, die als Recht und eigene Pflicht jedem Laien zukommen, von den anderen, die im Zusammenhang mit der Mitarbeit am Hirtenamt stehen. Diese bilden einecapacitas oder habilitas, deren Ausübung von der Berufung zur Übernahme seitens des rechtmäßigen Hirten abhängt [108]. Dennoch sind es keine Rechte.

24. Dies alles hat Papst Johannes Paul II. im nachsynodalen apostolischen SchreibenChristifideles laici zum Ausdruck gebracht: „Die Heilssendung der Kirche in der Welt wird nicht nur von den Amtsträgern aufgrund des Sakramentes des Ordo realisiert, sondern auch von allen Laien. Als Getaufte und aufgrund ihrer spezifischen Berufung nehmen diese in dem Maß, das einem jeden entspricht, am priesterlichen, prophetischen und königlichen Amt Christi teil. Darum müssen die Hirten die Dienste, Aufgaben und Funktionen der Laien anerkennen und fördern. Diese haben ihre sakramentale Grundlage in der Taufe und Firmung und vielfach auch in der Ehe. Wenn es zum Wohl der Kirche nützlich oder notwendig ist, können die Hirten entsprechend den Normen des Universalrechts den Laien bestimmte Aufgaben anvertrauen, die zwar mit ihrem eigenen Hirtenamt verbunden sind, aber den Charakter des Ordo nicht voraussetzen“ (Nr. 23). Dasselbe Dokument erinnert außerdem an das Grundprinzip, das diese Mitarbeit und seine unüberschreitbaren Grenzen leitet: „Die Erfüllung einer solchen Aufgabe macht den Laien aber nicht zum Hirten: Nicht eine Aufgabe konstituiert das Amt, sondern das Sakrament des Ordo. Nur das Sakrament des Ordo gewährt dem geweihten Amtsträger eine besondere Teilhabe am Amt Christi, des Hauptes und Hirten, und an seinem ewigen Priestertum. Die in Vertretung erfüllte Aufgabe leitet ihre Legitimität formell und unmittelbar von der offiziellen Beauftragung durch die Hirten ab. Ihre konkrete Erfüllung untersteht der Leitung der kirchlichen Autorität“ (Nr. 23) [109].

In den Fällen einer Übertragung an nicht geweihte Gläubige muß notwendigerweise als Moderator ein Priester eingesetzt werden, der mit der Vollmacht und den Pflichten eines Pfarrers ausgestattet ist und persönlich die Seelsorge leitet [110]. Selbstverständlich ist die Teilhabe am pfarrlichen Amt unterschiedlich im Falle eines zur Leitung der pastoralen Aktivitäten bestimmten Priesters – ausgestattet mit der Gewalt eines Pfarrers –, der die ausschließlich priesterlichen Aufgaben ausübt, und im Falle anderer Personen, die die Priesterweihe nicht empfangen haben und unterstützend an der Ausübung der übrigen Aufgaben teilnehmen [111]. Der Ordensmann, der nicht Priester ist, die Ordensfrau und der Laie, die gerufen sind, an der Ausübung der Seelsorge teilzunehmen, können Befugnisse administrativer Art sowie der Ausbildung und der geistlichen Animation ausüben, während sie Funktionen einer vollen Seelsorge, insofern diese den priesterlichen Charakter erfordert, selbstverständlich nicht ausführen können. Sie können jedenfalls die Abwesenheit des geweihten Amtsträgers in jenen liturgischen Feiern supplieren, die ihrer kanonischen Eigenheit entsprechen, wie sie in can. 230 § 3 aufgezählt werden: „nach Maßgabe der Rechtsvorschriften (…) den Dienst am Wort, die Leitung liturgischer Gebete, die Spendung der Taufe und die Austeilung der heiligen Kommunion" [112]. Die Diakone, obwohl sie mit den anderen Gläubigen nicht auf dieselbe Stufe gestellt werden können, können doch keine volle cura animarum ausüben [113].

Es ist angebracht, daß der Diözesanbischof mit größter Klugheit und pastoralem Weitblick vor allem die echte Notwendigkeit überprüft und dann die Bedingungen zur Befähigung der zu dieser Mitarbeit gerufenen Personen festlegt und die Aufgaben bestimmt, welche an jeden einzelnen gemäß den Umständen der jeweiligen Pfarrgemeinde zugeteilt werden müssen. In jedem Fall, mangels einer klaren Zuteilung der Aufgaben, obliegt es dem Moderator, der Priester ist, zu bestimmen, was zu machen ist. Der Ausnahmefall und die Vorläufigkeit dieser Formeln verlangt, innerhalb jener Pfarrgemeinden das Bewußtsein der absoluten Notwendigkeit von Priesterberufungen aufs höchste zu fördern, die Keime davon mit liebevoller Sorge zu pflegen und das gemeinschaftliche wie persönliche Gebet – auch für die Heiligung der Priester – zu fördern.

Damit die Priesterberufungen in einer Gemeinschaft leichter erblühen können, ist es von großem Nutzen, daß in ihnen das Empfinden echter Liebe, tiefer Ehrfurcht und großen Begeisterung für die Realität der Kirche, der Braut Christi und Mitarbeiterin des Heiligen Geistes im Heilswerk, lebendig und verbreitet ist.

Man sollte im Bewußtsein der Gläubigen immer jene Freude und jenen heiligen Stolz auf die kirchliche Zugehörigkeit wachhalten, wie sie zum Beispiel im ersten Petrusbrief und in der Offenbarung des Johannes so offenkundig ist (vgl. 1P 3,14 Ap 2,13 Ap 2,17 Ap 7,9 14,1ff; Ap 19,6 Ap 22,14). Ohne die Freude und den Stolz auf diese Zugehörigkeit wird es auf psychologischer Ebene schwierig, das Glaubensleben selbst zu bewahren und zu entfalten. Man darf sich nicht darüber wundern, daß die Priesterberufungen, zumindest auf psychologischer Ebene, in manchen Umfeldern mit Mühe heranwachsen und zur Reife gelangen.

„Es wäre ein verhängnisvoller Irrtum, sich mit den heutigen Schwierigkeiten abzufinden und so zu tun, als müsse man sich auf eine Kirche von morgen vorbereiten, die man sich gleichsam ohne Priester vorstellt. Auf diese Weise würden sich die Maßnahmen, die getroffen wurden, um derzeitige Mängel zu beheben, für die kirchliche Gemeinschaft trotz allem guten Willen tatsächlich als ernsthaft schädlich herausstellen“ [114]

25. „Wenn es darum geht, sich an der Wahrnehmung der Seelsorgsaufgaben in einer Pfarre zu beteiligen – für den Fall, daß diese wegen Priestermangels nicht über die direkte Seelsorge durch einen Pfarrer verfügt –, haben Ständige Diakone immer den Vortritt vor nicht geweihten Gläubigen“ [115]. Kraft der heiligen Weihe „leistet der Diakon den Dienst des Lehrens, da er das Wort Gottes verkündet und erläutert; des Heiligens, da er das Sakrament der Taufe, die Eucharistie und die Sakramentalien spendet, an der Feier der hl. Messe als ‚Diener des Blutes‘ teilnimmt, die Eucharistie bewahrt und austeilt; des Leitens als geistlicher Leiter der Gemeinde oder Bereichen des kirchlichen Lebens“ [116].

Großzügige Aufnahme sei den Diakonen, den Kandidaten für das Priestertum, gewährt, die ihren Pastoraldienst in der Pfarre verrichten. Für sie soll der Pfarrer, im Einverständnis mit dem Seminaroberen, Leiter und Meister sein, im Bewußtsein, daß auch von seinem Zeugnis an Übereinstimmung mit der eigenen Identität, an missionarischer Großzügigkeit im Dienst und an Liebe zur Pfarre die aufrichtige und völlige Hingabe an Christus seitens des Priesteramtskandidaten abhängen könnte.

26. Als Abbild des diözesanen Pastoralrates [117] ist von der kirchlichen Gesetzgebung die Möglichkeit vorgesehen – wenn dies vom Diözesanbischof, nach Anhörung des Priesterrates[118], als zweckmäßig angesehen wird – auch einen pfarrlichen Pastoralrat einzusetzen, dessen Grundzweck es ist, als institutionelle Einrichtung der geordneten Mitarbeit der Gläubigen in der Entfaltung der pastoralen Aktivität [119], die dem Priester eigen ist, zu dienen. Es handelt sich um ein beratendes Organ, das eingesetzt ist, damit die Gläubigen als Ausdruck ihrer Taufverantwortung dem Pfarrer, der dem Rat vorsteht [120], mit ihrer Beratung in pastoralen Belangen helfen können [121]. „Die Laien müssen immer mehr von der besonderen Bedeutung des apostolischen Einsatzes in ihrer Pfarre überzeugt werden“; man muß zu einer „überzeugten und breit angelegten Aufwertung der Pfarrpastoralräte“ [122] ermutigen. Der Grund dafür ist klar und übereinstimmend: „Unter den augenblicklichen Gegebenheiten können und müssen die Laien für das Wachsen einer wahren communio der Kirche innerhalb ihrer Pfarren und für die Erweckung des missionarischen Elans gegenüber Nichtglaubenden und den Glaubenden, die die religiöse Praxis teilweise oder gänzlich aufgegeben haben, viel investieren“ [123].

„Alle Gläubigen haben die Möglichkeit, ja manchmal auch die Pflicht, ihre Meinung über das Wohl der Kirche betreffende Angelegenheiten kundzutun, was auch durch Institutionen geschehen kann, die zu diesem Zwecke eingerichtet worden sind. […] Der Pastoralrat könnte eine sehr nützliche Hilfe leisten … durch Vorschläge und Empfehlungen bezüglich missionarischer, katechetischer und apostolischer Initiativen […], bezüglich der Förderung der Lehrausbildung und des sakramentalen Lebens der Gläubigen; bezüglich der Hilfe für die Hirtentätigkeit von Priestern in den verschiedenen sozialen Bereichen oder Gebieten; hinsichtlich des Modus‘, die öffentliche Meinung besser aufmerksam zu machen, etc.“ [124] Der Pastoralrat gehört zum Bereich der Beziehungen gegenseitiger Dienste zwischen dem Pfarrer und seiner Gläubigen, und daher hätte es keinen Sinn, ihn als ein Organ zu betrachten, das in der Leitung der Pfarre an des Pfarrers Stelle tritt oder unter dem Mehrheitskriterium die Leitung des Pfarrers praktisch konditioniert.

In demselben Sinn können die Beschlußmechanismen hinsichtlich ökonomischer Fragen der Pfarre – wobei die Maßgabe des Rechts zur rechten und ehrlichen Verwaltung gewahrt bleibt – die pastorale Rolle des Pfarrers, des gesetzlichen Vertreters und Verwalters der Pfarrgüter [125], nicht konditionieren


Instruktion: die Pfarrer