Vita consecrata DE 80

Die Inkulturation des geweihten Lebens


80 Das geweihte Leben, das an und für sich Träger der Werte des Evangeliums ist, kann seinerseits dort, wo es authentisch gelebt wird, einen originellen Beitrag zu den Herausforderungen der Inkulturation leisten. Da es in der Tat ein Zeichen für den Vorrang Gottes und seines Reiches ist, wird es zu einer Provokation, die im Dialog das Gewissen der Menschen aufrütteln kann. Wenn das geweihte Leben die ihm eigene prophetische Kraft bewahrt, wird es innerhalb einer Kultur zum Sauerteig des Evangeliums, der zu ihrer Reinigung und Entwicklung beizutragen vermag. Dies beweist die Geschichte zahlreicher heiliger Männer und Frauen, die es in verschiedenen Epochen verstanden, jeweils in ihre Zeit einzutauchen, ohne sich von ihr untertauchen zu lassen, wobei sie aber ihrer Generation neue Wege aufzeigten. Der evangeliumsgemäbe Lebensstil ist eine wichtige Quelle für den Vorschlag eines neuen Kulturmodells. Wie viele Stifter und Stifterinnen haben, wenn auch mit allen von ihnen selbst anerkannten Einschränkungen, manche Forderungen ihrer Zeit aufgegriffen und ihre Antwort darauf gegeben, die dann zu einem kulturellen Erneuerungsvorschlag geworden ist.Die Gemeinschaften der Ordensinstitute und der Gesellschaften des apostolischen Lebens können in der Tat konkrete und bedeutsame kulturelle Vorschläge anbieten, wenn sie von der Art des Evangeliums Zeugnis ablegen: die gegenseitige Annahme in der Verschiedenheit zu leben und die Autorität, die Teilung sowohl der materiellen wie der geistlichen Güter, die Internationalität, die Zusammenarbeit zwischen den Kongregationen sowie das Hinhören auf die Männer und Frauen unserer Zeit zu üben. Die Denk- und Handlungsweise dessen, der Christus mehr aus der Nähe folgt, bringt in der Tat eine echte und eigene Kultur der Beziehung hervor und dient dazu aufzudecken, was unmenschlich ist, und gibt Zeugnis davon, dab Gott allein den Werten Kraft und Erfüllung verleiht. Eine echte Inkulturation wird ihrerseits den Personen des geweihten Lebens helfen, entsprechend dem Charisma ihres Instituts und dem Wesen der Menschen, mit denen sie in Kontakt treten, die Radikalität des Evangeliums zu leben. Aus solch einer fruchtbaren Beziehung gehen Lebensweisen und pastorale Methoden hervor, die sich als echter Reichtum für das ganze Institut werden erweisen können, wenn sich deren Übereinstimmung mit dem vom Stifter vorgesehenen Charisma und mit dem Einheit stiftenden Wirken des Heiligen Geistes ergibt. In diesem Prozeb, der aus Unterscheidung und Unerschrockenheit, Dialog und Herausforderung im Geist des Evangeliums besteht, wird vom Heiligen Stuhl, dem die Aufgabe obliegt, die Evangelisierung der Kulturen zu ermutigen, die diesbezüglichen Entwicklungen für authentisch zu erklären und die Ergebnisse im Hinblick auf die Inkulturation zu bestätigen,eine Gewähr für den richtigen Weg angeboten, »eine schwierige und heikle Aufgabe, denn sie stellt die Treue der Kirche zum Evangelium und zur apostolischen Überlieferung in der ständigen Entwicklung der Kulturen in Frage«.

Die Neuevangelisierung


81 Um den groben Herausforderungen, die die gegenwärtige Geschichte an die Neuevangelisierung stellt, in angemessener Weise zu begegnen, bedarf es vor allem eines geweihten Lebens, das sich ständig vom geoffenbarten Wort und von den Zeichen der Zeit befragen läbt.Das Andenken der groben Verkünder des Evangeliums — Männer und Frauen —, die zuvor selbst evangelisiert worden waren, macht offenkundig, dab es zu einem Begegnen mit der heutigen Welt Personen bedarf, die sich voll Liebe dem Herrn und seinem Evangelium weihen. »Die Personen des geweihten Lebens sind auf Grund ihrer besonderen Berufung dazu aufgerufen, die Einheit zwischen Selbstevangelisierung und Zeugnis, zwischen innerer Erneuerung und apostolischem Eifer, zwischen Sein und Handeln sichtbar werden zu lassen, indem sie herausstellen, dab der Dynamismus stets aus dem ersten Element der Wortpaare herrührt«.ie die herkömmliche Evangelisierung, so wird auch die Neuevangelisierung dann wirksam sein, wenn sie von den Dächern zu verkünden vermag, was sie vorher in der innigen Vertraulichkeit mit dem Herrn gelebt hat. Gebraucht werden dafür zuverlässige, vom Eifer der Heiligen beseelte Persönlichkeiten. Die Neuevangelisierung erfordert von den Männern und Frauen des geweihten Lebens, dab sie sich der theologischen Bedeutung der Herausforderungen unserer Zeit voll bewubt sind. Diese Herausforderungen müssen im Hinblick auf die Erneuerung der Mission durch aufmerksame und gemeinsame Abwägung geprüft werden. Der Mut zur Verkündigung des Herrn Jesus mub von dem Vertrauen in das Wirken der Vorsehung begleitet sein, die in der Welt wirkt und »alles, auch menschliches Mibgeschick, zum gröberen Wohl der Kirche bereitstellt«.ichtige Elemente für eine nützliche Einbeziehung der Institute in den Prozeb der Neuevangelisierung sind die Treue zum Gründungscharisma, die Gemeinschaft mit all jenen in der Kirche, die in demselben Auftrag engagiert sind, besonders mit den Seelsorgern, und schlieblich die Zusammenarbeit mit allen Menschen guten Willens. Dies erfordert eine ernsthafte Beurteilung des Rufes, den der Geist an jedes einzelne Institut ergehen läbt, und zwar sowohl in jenen Gegenden, in denen keine groben Fortschritte unmittelbar vorherzusehen sind, als auch in anderen Regionen, in denen sich ein tröstliches Wiederaufleben ankündigt. Die Personen des geweihten Lebens sollen an jedem Ort und in jeder Situation leidenschaftliche Verkünder des Herrn Jesus sein, bereit, mit der Weisheit des Evangeliums auf die Fragen zu antworten, die heute von der Unruhe des menschlichen Herzens und dessen dringenden Bedürfnissen her gestellt werden.

Die Vorzugsoption für die Armen und die Förderung der Gerechtigkeit


82 Zu Beginn seines öffentlichen Wirkens sagt Jesus in der Synagoge von Nazaret, der Geist habe ihn gesalbt, damit er den Armen eine gute Nachricht bringe, den Gefangenen die Entlassung verkünde, den Blinden das Augenlicht zurückgebe, die Zerschlagenen in Freiheit setze und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe (vgl. Lk Lc 4,16-19). Die Kirche, die sich die Sendung des Herrn zu eigen macht, verkündet jedem Mann und jeder Frau das Evangelium und trägt damit Sorge für deren vollständiges Heil. Doch mit besonderer Aufmerksamkeit, ja mit einer echten »Vorzugsoption« wendet sie sich allen zu, die sich in einer Situation gröberer Schwachheit und daher einer schwerwiegenderen Not befinden. »Arme« in den vielfältigen Dimensionen der Armut sind die Unterdrückten, die Ausgegrenzten, die Alten, die Kranken, die Kleinen und alle, die als »Letzte« in der Gesellschaft angesehen und behandelt werden.Die Option für die Armen wohnt der Dynamik der nach dem Vorbild Christi gelebten Liebe inne. Zu dieser sind daher alle Jünger Christi verpflichtet; diejenigen jedoch, die dem Herrn durch Nachahmung seiner Verhaltensweisen mehr aus der Nähe folgen wollen, müssen sich in ganz besonderer Weise hingezogen fühlen. Die Ehrlichkeit ihrer Antwort auf die Liebe Christi regt sie an, als Arme zu leben und sich der Sache der Armen anzunehmen. Dies bringt für jedes Institut, je nach dem spezifischen Charisma, die Annahme eines bescheidenen und strengen Lebensstils sowohl im persönlichen als auch im Gemeinschaftsleben mit sich. Durch dieses gelebte Zeugnis gestärkt, werden die Personen des geweihten Lebens durch Wege, die mit ihrem Lebensweg übereinstimmen und indem sie gegenüber politischen Ideologien frei bleiben, die Ungerechtigkeiten anzeigen können, die gegen so viele Kinder Gottes begangen werden, und sich für die Förderung der Gerechtigkeit im sozialen Umfeld, in dem sie tätig sind, einsetzen können.Auf diese Weise wird die jenen Stiftern und Stifterinnen eigene Hingabe auch in der gegenwärtigen Lage durch das Zeugnis unzähliger Personen des geweihten Lebens eine Erneuerung erfahren, die ihr Leben einsetzten, um dem in den Armen gegenwärtigen Herrn zu dienen. In der Tat »findet man« Christus »auf Erden in der Person seiner Armen [...]. Als Gott reich und als Mensch arm. In der Tat ist der schon reiche Mensch zum Himmel aufgestiegen und sitzt zur Rechten des Vaters, doch hier unten leidet er noch in Armut Hunger und Durst und ist nackt«.as Evangelium wird durch die Liebe wirksam, die Ruhm der Kirche und Zeichen ihrer Treue zum Herrn ist. Das beweist die ganze Geschichte des geweihten Lebens, die man als eine lebendige Exegese des Wortes Jesu betrachten kann: »Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan« (Mt 25,40). Viele Institute, besonders in neuerer Zeit, sind entstanden, um eben dem einen oder anderen Bedürfnis der Armen entgegenzukommen. Aber auch dann, wenn diese Zielsetzung nicht bestimmend gewesen ist, waren die durch das Gebet, durch die Annahme und die Gastfreundschaft zum Ausdruck gebrachte Aufmerksamkeit und Sorge für die Bedürftigen stets mit den verschiedenen Formen des geweihten — auch des kontemplativen — Lebens ganz natürlich verbunden. Wie könnte es auch anders sein, da Christus, zu dem man in der Kontemplation gelangt ist, derselbe ist, der in den Armen lebt und leidet? Der hl. Paulinus von Nola, der seinen Besitz an die Armen verteilt hatte, um sich ganz Gott zu weihen, errichtete die Zellen seines Klosters über einem Hospiz, das für die Betreuung der Armen bestimmt war. Er freute sich bei dem Gedanken an diesen einzigartigen »Gabenaustausch«: die Armen, denen er geholfen hatte, festigten durch ihr Gebet die »Fundamente« seines Hauses, das ganz dem Lobpreis Gottes gewidmet war.Der hl. Vinzenz von Paul hat seinerseits gern gesagt, wenn er das Gebet unterbrechen mubte, um einem Armen in Not beizustehen, dab dies in Wirklichkeit keine Unterbrechung sei, »denn man läbt Gott für Gott zurück«.er Dienst an den Armen ist ein Akt der Evangelisierung und zugleich »Evangelizitäts«-Siegel für das geweihte Leben und Ansporn zu ständiger Bekehrung, denn — wie der hl. Gregor der Grobe sagt — »wenn die Liebe sich liebevoll herabneigt, um auch für die niedrigsten Bedürfnisse des Nächsten zu sorgen, dann lodert sie bis zu den höchsten Gipfeln empor. Und wenn sie wohlwollend der äubersten Not gehorcht, dann nimmt sie kraftvoll den Höhenflug wieder auf«.

Die Sorge für die Kranken


83 Einer ruhmvollen Tradition folgend üben unzählige Personen des geweihten Lebens, vor allem Frauen, ihr Apostolat, je nach dem Charisma ihres Instituts, in den Bereichen des Gesundheitswesens aus. Viele Personen des geweihten Lebens haben im Laufe der Jahrhunderteihr Leben im Dienst an den Opfern ansteckender Krankheiten geopfert und haben damit gezeigt, dab die Hingabe bis zum Heroismus zur prophetischen Natur des geweihten Lebens gehört.Die Kirche blickt mit Bewunderung und Dankbarkeit auf die vielen Personen des geweihten Lebens, die durch ihre Hilfe für die Kranken und Leidenden in bedeutsamer Weise zu ihrer Sendung beitragen. Sie setzen Christi Dienst der Barmherzigkeit fort, der »umherzog, Gutes tat und alle heilte« (Ac 10,38). Indem sie in seine, d. h. in die Fubstapfen des göttlichen Samariters, des Arztes der Seele und des Leibes,treten und dem Beispiel ihrer Stifter bzw. Stifterinnen folgen, sollen die Personen des geweihten Lebens, die vom Charisma ihres Instituts dazu hingeführt werden, in ihrem Zeugnis der Liebe zu den Kranken ausharren, indem sie sich ihnen mit einfühlendem Verständnis und mit tiefer Anteilnahme widmen. Bei ihren Auswahlentscheidungen sollen sie den ärmsten und verlassensten Kranken sowie den Alten, den Behinderten, den Ausgegrenzten, den unheilbar Kranken und den Opfern von Drogenmibbrauch und von neuen Infektionskrankheiten den Vorzug geben. Sie sollen in den Kranken die Aufopferung des eigenen Leidens in Gemeinschaft mit dem zum Heil aller gekreuzigten und verherrlichten Christus fördern,ja sie sollen in ihnen das Bewubtsein nähren, dab sie mit dem Gebet und mit dem Zeugnis ihres Wortes und Verhaltens durch das besondere Charisma des Kreuzes aktive Personen der Seelsorge sind.Auberdem erinnert die Kirche die Personen des geweihten Lebens daran, dab es zu ihrer Sendung gehört, die Bereiche des Gesundheitswesens, in denen sie tätig sind, zu evangelisieren, indem sie versuchen, durch die Vermittlung der Werte des Evangeliums das Leben, das Leiden und das Sterben der Menschen unserer Zeit zu erleuchten. Es ist ihre Aufgabe, sich im Dienst des Evangeliums vom Leben der Humanisierung der Medizin und der Vertiefung der Bioethik zu widmen. Daher sollen sie in voller Übereinstimmung mit der Morallehre der Kirche vor allem die Achtung vor der Person und vor dem menschlichen Leben, von der Empfängnis bis zum natürlichen Ende, fördernund dazu auch Ausbildungszentren einrichtenund mit den kirchlichen Einrichtungen der Krankenpastoral brüderlich zusammenarbeiten.


II. EIN PROPHETISCHES ZEUGNIS ANGESICHTS GROSSER HERAUSFORDERUNGEN

Das Prophetentum des geweihten Lebens


84 Der prophetische Charakter des geweihten Lebens wurde von den Synodenvätern nachdrücklich betont. Dieser stellt sich wie eine besondere Form der Teilhabe an dem prophetischen Amt Christi dar, die dem ganzen Volk Gottes vom Geist mitgeteilt wird. Es ist ein Prophetentum, das auf Grund der radikalen Christusnachfolge und der konsequenten Hingabe an die Sendung, die sie kennzeichnet, dem geweihten Leben als solchem innewohnt. Die Zeichenhaftigkeit, die das II. Vatikanische Konzil dem geweihten Leben zuerkennt,findet Ausdruck in dem prophetischen Zeugnis von der Vorrangstellung, die Gott und die Werte des Evangeliums im christlichen Leben haben. Kraft dieser Vorrangstellung darf nichts über die persönliche Liebe zu Christus und zu den Armen, in denen er lebt, gestellt werden.ie Tradition der Kirchenväter hat in Elija, dem furchtlosen Propheten und Gottesfreund, ein Vorbild des monastischen Ordenslebens gesehen.Er lebte in der Gegenwart des Herrn und betrachtete in der Stille seinen Vorübergang, legte Fürsprache für das Volk ein und verkündete mutig den Willen Gottes, verteidigte seine Rechte und erhob sich, um die Armen gegen die Mächtigen der Welt zu verteidigen (vgl. 1R 18-19). In der Kirchengeschichte hat es neben anderen Christen nicht an Männern und Frauen des gottgeweihten Lebens gefehlt, die kraft einer besonderen Gabe des Geistes ein glaubwürdiges Prophetenamt ausgeübt haben, wenn sie im Namen Gottes zu allen, auch zu den Hirten der Kirche sprachen. Die wahre Prophetie entsteht aus Gott , aus der Freundschaft mit ihm, aus dem aufmerksamen Hören seines Wortes in den verschiedenen geschichtlichen Gegebenheiten. Der Prophet fühlt in seinem Herzen die Leidenschaft für die Heiligkeit Gottes brennen und, nachdem er im Dialog des Gebets sein Wort vernommen hat, verkündet er es mit seinem Leben, mit seinen Lippen und Handlungen, indem er sich zum Sprecher Gottes gegen das Böse und die Sünde macht. Das prophetische Zeugnis erfordert die ständige, leidenschaftliche Suche nach dem Willen Gottes, die grobherzige und unverzichtbare kirchliche Gemeinschaft, die Übung der geistlichen Unterscheidung und die Liebe zur Wahrheit. Es drückt sich auch durch die Klarstellung von all dem aus, was im Gegensatz zum göttlichen Willen steht, und durch die Erkundung neuer Wege, um das Evangelium in der Geschichte im Hinblick auf das Reich Gottes zu verwirklichen.

Seine Bedeutung für die Welt von heute


85 In unserer heutigen Welt, in der sich die Spuren Gottes oft zu verlieren scheinen, erweist sich ein starkes prophetisches Zeugnis seitens der Personen des geweihten Lebens als dringend notwendig. Es wird vor allem die Bejahung der Vorrangstellung Gottes und der künftigen Güterbetreffen, wie diese sich aus der Nachfolge und Nachahmung des keuschen, armen und gehorsamen Christus erkennen läbt, der sich völlig der Verherrlichung des Vaters und der Liebe zu den Brüdern und Schwestern geweiht hat. Das geschwisterliche Leben ist verwirklichte gegenwärtige Prophetie im Kontext einer Gesellschaft, die ohne sich dessen manchmal bewubt zu sein, eine tiefe Sehnsucht nach einer Geschwisterlichkeit ohne Grenzen hat. Die Treue zum eigenen Charisma ermöglicht es den Personen des geweihten Lebens, an jedem Ort mit der Unerschrockenheit des Propheten, der sich nicht scheut, auch sein Leben zu riskieren, ein wahrhaftiges Zeugnis darzubringen.Eine innere Überzeugungskraft erwächst der Prophetie aus derÜbereinstimmung zwischen Verkündigung und Leben. Die Personen des geweihten Lebens werden ihrer Sendung in Kirche und Welt treu sein, wenn sie imstande sein werden, sich selbst ständig im Licht des Gotteswortes zu prüfen.Auf diese Weise können sie die anderen Gläubigen mit den empfangenen charismatischen Gaben bereichern, indem sie sich ihrerseits durch die von den anderen Gliedern der Kirche kommenden prophetischen Herausforderungen ansprechen lassen. In diesem Austausch der Gaben, der durch die völlige Übereinstimmung mit dem Lehramt und der Ordnung der Kirche sichergestellt ist, wird das Wirken des Hl. Geistes aufleuchten, der sie »in Gemeinschaft und Dienstleistung eint, sie durch die verschiedenen hierarchischen und charismatischen Gaben bereitet und lenkt«.

Eine Treue bis zum Martyrium


86 In unserem Jahrhundert wie in anderen Epochen der Geschichte haben Männer und Frauen des geweihten Lebens durch die Hingabe ihres Lebens Zeugnis von Christus, dem Herrn, gegeben. Tausende, die durch die Verfolgung seitens totalitärer Regime oder gewalttätiger Gruppen zum Leben im Untergrund gezwungen und in ihrer Missionstätigkeit, im Einsatz zugunsten der Armen, in der Sorge und Hilfe für die Kranken und die Menschen am Rande der Gesellschaft behindert waren, haben in langem und heroischem Leiden und oft durch Vergieben des Blutes ihre Weihe an Gott gelebt — und leben sie noch immer — und sind so ganz dem gekreuzigten Herrn gleichförmig geworden. Einigen von ihnen hat die Kirche bereits offiziell die Heiligkeit zuerkannt und ehrt sie damit als Märtyrer Christi. Sie erleuchten uns durch ihr Beispiel, sie leisten Fürbitte für unsere Treue, sie erwarten uns in der Herrlichkeit.Es besteht der lebhafte Wunsch, dab das Andenken so vieler Glaubenszeugen als Anregung zur Verehrung und Nachahmung im Bewubtsein der Kirche erhalten bleibe. Die Institute des geweihten Lebens und die Gesellschaften des apostolischen Lebens mögen hierzu beitragen, indem sie die Namen und Zeugnisse aller Personen des geweihten Lebens zusammenstellen, die in das Martyrologium des zwanzigsten Jahrhunderts aufgenommen werden können.

Die groben Herausforderungen des geweihten Lebens


87 Die prophetische Aufgabe des geweihten Lebens wird von drei hauptsächlichen Herausforderungen gestellt, die an die Kirche selbst gerichtet sind: es sind die schon immer dagewesenen Herausforderungen, die von der modernen Gesellschaft, zumindest in manchen Teilen der Welt, in neuer und vielleicht radikalerer Form gestellt werden. Sie berühren direkt die evangelischen Räte von Armut, Keuschheit, Gehorsam und spornen die Kirche und insbesondere die Personen des geweihten Lebens an, deren tiefe anthropologische Bedeutung zu erhellen und zu bezeugen. Weit davon entfernt, eine Verarmung echter menschlicher Werte zu begründen, erscheint die Wahl dieser Räte in der Tat vielmehr als ihre Verklärung. Die evangelischen Räte dürfen nicht als Leugnung der Werte angesehen werden, die der Sexualität, dem rechtmäbigen Wunsch nach materiellem Besitz und nach autonomer Selbstentscheidung innewohnen. Diese Neigungen sind, sofern sie in der Natur begründet sind, in sich gut. Der durch die Erbsünde geschwächte Mensch ist jedoch der Gefahr ausgesetzt, diese in einer die Norm übertretenden Weise in die Tat umzusetzen. Das Bekenntnis zu Keuschheit, Armut und Gehorsam wird zur Mahnung, die durch die Erbsünde verursachten Verletzungen nicht unterzubewerten, und esrelativiert die geschaffenen Güter, auch wenn es ihren Wert bejaht, weil es Gott als absolutes Gut zeigt. So sollen diejenigen, die den evangelischen Räten folgen, während sie nach der Heiligkeit für sich selbst streben, sozusagen eine »geistliche Therapie« für die Menschheit vorschreiben, da sie die Vergötterung der Schöpfung ablehnen und in irgendeiner Weise den lebendigen Gott sichtbar machen. Das geweihte Leben ist insbesondere in schwierigen Zeiten ein Segen für das menschliche und auch für das kirchliche Leben.

Die Herausforderung der geweihten Keuschheit


88 Die erste Herausforderung ist die einer hedonistischen Kultur, die die Sexualität jeder objektiven moralischen Norm entbindet, indem sie diese häufig auf das Niveau von Spiel und Konsum herabsetzt und in Komplizenschaft mit den sozialen Kommunikationsmitteln einer Art Vergötterung des Triebes frönt. Die Folgen davon sind für alle sichtbar: Pflichtverletzungen verschiedenster Art, mit denen unzählige psychische und moralische Leiden für die einzelnen und für die Familien einhergehen. Die Antwort des geweihten Lebens besteht vor allem in derfreudigen Übung der vollkommenen Keuschheit als Zeugnis für die Macht der Liebe Gottes in der Schwachheit des menschlichen Zustandes. Die Person des geweihten Lebens beweist: was von den meisten für unmöglich gehalten wurde, wird durch die Gnade des Herrn Jesus möglich und wirklich befreiend. Ja, in Christus ist es möglich, Gott mit ganzem Herzen zu lieben, indem man ihn über jede andere Liebe stellt, und so mit der Freiheit Gottes jeden Menschen zu lieben! Dies ist ein Zeugnis, das heute nötiger denn je ist, gerade weil es von unserer Welt so wenig verstanden wird. Es ist ein Angebot an jeden Menschen — an die Jugendlichen, an die Verlobten, an die Eheleute, an die christlichen Familien —, um zu beweisen, dab die Kraft der Liebe Gottesgerade in den Wechselfällen der menschlichen Liebe Grobes zu bewirken vermag. Es ist ein Zeugnis, das auch einem wachsenden Bedürfnis nach innerer Klarheit in den menschlichen Beziehungen entgegenkommt.Das geweihte Leben mub der Welt von heute Beispiele einer Keuschheit vor Augen führen, die von Männern und Frauen gelebt wird, die Ausgeglichenheit, Selbstbeherrschung, Unternehmungslust, psychische und affektive Reife beweisen.Kraft dieses Zeugnisses wird der menschlichen Liebe ein fester Bezugspunkt geboten, den die Person des geweihten Lebens aus der Betrachtung der uns in Christus offenbarten dreifaltigen Liebe erfährt. Da sie sich in dieses Geheimnis vertieft, fühlt sie sich zu einer radikalen und universalen Liebe fähig, die ihr die Kraft zur notwendigen Selbstbeherrschung und Disziplin gibt, um nicht der Knechtschaft der Sinne und der Triebe zu verfallen. Die geweihte Keuschheit erscheint somit als Erfahrung von Freude und Freiheit. Erleuchtet vom Glauben an den auferstandenen Herrn und von der Erwartung des neuen Himmels und der neuen Erde (vgl. Offb Ap 21,1), bietet sie auch für die Erziehung zur gebotenen Keuschheit in anderen Lebensformen wertvolle Anregungen.

Die Herausforderung der Armut


89 Eine andere Herausforderung ist heute die eines habgierigen Materialismus, der gegenüber den Bedürfnissen und Leiden der Schwächsten gleichgültig ist und sich nicht um das Gleichgewicht der natürlichen Hilfsquellen kümmert. Die Antwort des geweihten Lebens besteht im Bekenntnis zur evangelischen Armut, die in verschiedenen Formen gelebt wird und oft von einem aktiven Einsatz bei der Förderung von Solidarität und Nächstenliebe begleitet wird.Wie viele Institute widmen sich der Erziehung, dem Unterricht und der Berufsausbildung und versetzen dadurch junge und nicht mehr ganz junge Leute in die Lage, ihre Zukunft selbst in die Hand zu nehmen! Wie viele Personen des geweihten Lebens opfern sich für die Letzten und Geringsten dieser Erde, ohne ihre Kräfte zu schonen! Wie viele von ihnen sind in der Ausbildung künftiger Erzieher und Verantwortlicher im sozialen Leben in der Weise tätig, dab sie sich verpflichten, unterdrückende Strukturen zu beseitigen und Projekte der Solidarität zum Vorteil der Armen zu fördern! Sie kämpfen, um den Hunger und dessen Ursachen zu beseitigen, beleben das Wirken von freiwilligen Helfern und die humanitären Organisationen, sensibilisieren öffentliche und private Einrichtungen für die Förderung einer gerechten Verteilung der internationalen Hilfeleistungen. In der Tat haben die Nationen diesen unternehmungsfreudigen, im Namen der Nächstenliebe tätigen Männern und Frauen viel zu verdanken, die mit ihrer unermüdlichen Selbstlosigkeit einen spürbaren Beitrag zur Humanisierung der Welt geleistet haben und leisten.

Die evangelische Armut im Dienst an den Armen


90 In Wirklichkeit ist die evangelische Armut, noch ehe sie ein Dienst an den Armen ist, ein Wert an sich, ruft doch die erste Seligpreisung zur Nachahmung des armen Christus auf.Ihr erster Sinn besteht in der Tat darin, Gott als eigentlichen Reichtum des menschlichen Herzens zu bezeugen. Eben darum kämpft sie vehement gegen die Vergötterung des Mammons, indem sie als prophetischer Appell gegenüber einer Gesellschaft auftritt, die in so vielen Teilen der Welt des Wohlstands Gefahr läuft, den Sinn für das Mab und die eigentliche Bedeutung der Dinge zu verlieren. Deshalb findet ihr Ruf heute mehr als zu anderen Zeiten auch bei denjenigen Beachtung, die im Wissen um die Beschränktheit der Hilfsquellen des Planeten die Achtung und Bewahrung der Schöpfung durch Einschränkung des Konsums, durch Mäbigung und Auferlegung einer gehörigen Zügelung der eigenen Wünsche beschwören.Von den Personen des geweihten Lebens wird also ein erneuertes und kraftvolles evangelisches Zeugnis der Entsagung und der Mäbigung in einem von den Kriterien der Einfachheit und Gastfreundschaft inspirierten brüderlichen Lebensstil verlangt, auch als Beispiel für alle, die den Bedürfnissen des Nächsten gegenüber gleichgültig sind. Dieses Zeugnis wird natürlich mit der bevorzugten Liebe für die Armen einhergehen und in besonderer Weise dort in Erscheinung treten, wo die Lebensverhältnisse der Allerärmsten geteilt werden. Nicht wenige Gemeinschaften leben und arbeiten unter den Armen und den Ausgegrenzten der Gesellschaft, nehmen sich ihrer Situation an und teilen ihre Leiden, Probleme und Gefahren.Grobartige Seiten der Geschichte evangeliumsgemäber Solidarität und heroischer Hingabe sind in diesen Jahren tiefgreifender Veränderungen und grober Ungerechtigkeiten, Hoffnungen und Enttäuschungen, bedeutender Errungenschaften und bitterer Niederlagen von den Personen des geweihten Lebens geschrieben worden. Und nicht minder bedeutsame Seiten wurden und werden noch immer von zahllosen anderen Personen des geweihten Lebens geschrieben, die ihr »mit Christus in Gott verborgenes« Leben (Col 3,3) ganz für das Heil der Welt leben, zum Zeichen der Unentgeltlichkeit, der Hingabe des eigenen Lebens in wenig anerkannte und noch weniger mit Beifall bedachte Anliegen. Durch diese verschiedenen und einander ergänzenden Formen hat das geweihte Leben teil an der vom Herrn angenommenen äubersten Armut und lebt seine besondere Rolle im Heilsgeheimnis seiner Menschwerdung und seines Erlösertodes.

Die Herausforderung der Freiheit im Gehorsam


91 Die dritte Herausforderung kommt von jenen Auffassungen von Freiheit, die dieses fundamentale menschliche Vorrecht von seiner grundlegenden Beziehung zur Wahrheit und zur moralischen Norm loslösen.In Wirklichkeit ist die Kultur der Freiheit ein echter Wert, zuinnerst verbunden mit der Achtung vor der menschlichen Person. Wer aber sieht nicht, zu welchen abnormen Folgen von Ungerechtigkeit und sogar von Gewalt im Leben der einzelnen und der Völker der verfälschte Gebrauch der Freiheit führt?Eine wirkungsvolle Antwort auf diese Situation ist der Gehorsam, der für das geweihte Leben charakteristisch ist. Er stellt uns auf besonders lebendige Weise wieder den Gehorsam Christi gegenüber dem Vater vor Augen und bezeugt, eben von seinem Geheimnis ausgehend, dab kein Widerspruch zwischen Gehorsam und Freiheit besteht. Tatsächlich enthüllt das Verhalten des Sohnes das Geheimnis der menschlichen Freiheit als Weg des Gehorsams gegenüber dem Willen des Vaters und das Geheimnis des Gehorsams als Weg fortschreitender Eroberung der wahren Freiheit. Und genau diesem Geheimnis will die Person des geweihten Lebens durch dieses bestimmte Gelübde Ausdruck verleihen. Sie will dadurch bezeugen, dab sie sich einer Kindschaftsbeziehung bewubt ist, kraft derer sie den väterlichen Willen als tägliche Speise (vgl. Joh Jn 4,34), als ihren Felsen, ihre Freude, ihren Schild und Schutzwall (vgl. Ps Ps 18 [17],3) anzunehmen sucht. So beweist sie, dab sie in der vollen Wahrheit über sich selbst wächst, während sie mit der Quelle ihres Seins verbunden bleibt und darum die tröstliche Botschaft anbietet: »Alle, die deine Weisung lieben, empfangen Heil in Fülle; es trifft sie kein Unheil« (Ps 119 [118],165).

Miteinander den Willen des Vaters erfüllen


92 Besondere Bedeutung gewinnt dieses Zeugnis der geweihten Personen im Ordensleben auchfür die Dimension der Gemeinschaft, die zu seinen Wesensmerkmalen gehört. Das geschwisterliche Leben ist der bevorzugte Ort, um den Willen Gottes zu erkennen und anzunehmen und eines Sinnes und Herzens gemeinsam voranzugehen. Der von der Liebe belebte Gehorsam vereint trotz der Vielfalt der Gaben und der Achtung der individuellen Persönlichkeit der einzelnen die Mitglieder eines Instituts in demselben Zeugnis und in derselben Sendung. In der vom Geist beseelten Brüderlichkeit führt jeder mit dem anderen einen wertvollen Dialog, um den Willen des Vaters zu erkennen, und alle anerkennen in dem, der die Leitung innehat, den Ausdruck der Vaterschaft Gottes und die Ausübung der von Gott im Dienst der Unterscheidung und der Gemeinschaft empfangenen Autorität.as Gemeinschaftsleben ist sodann gegenüber der Kirche und der Gesellschaft in besonderer Weise das Zeichen der Verbundenheit, die aus derselben Berufung und aus dem gemeinsamen Willen, ihr zu gehorchen, jenseits aller Unterschiede von Rasse und Herkunft, Sprache und Kultur, erwächst. Gegen den Geist von Zwietracht und Spaltung leuchten Autorität und Gehorsam als ein Zeichen jener einzigartigen Vaterschaft, die von Gott stammt, der aus dem Geist geborenen Brüderlichkeit, der inneren Freiheit dessen, der auf Gott vertraut trotz der menschlichen Grenzen all derer, die ihn repräsentieren. Durch diesen Gehorsam, den manche als Lebensregel annehmen, wird die Seligkeit erfahren und zum Nutzen aller verkündet, die Jesus denen verheiben hat, »die das Wort Gottes hören und es befolgen« (Lc 11,28). Wer gehorcht, hat darüber hinaus die Gewähr, tatsächlich in Mission, in der Nachfolge des Herrn zu sein und nicht auf seinen eigenen Wünschen oder Erwartungen zu beharren. So kann er sich vom Geist des Herrn geführt und auch inmitten grober Schwierigkeiten von seiner sicheren Hand gehalten wissen (vgl. Apg 20,22f).

Eine entschiedene Verpflichtung zum geistlichen Leben


93 Eine der auf der Synode wiederholt geäuberten Sorgen war die um ein gottgeweihtes Leben, das sich an den Quellen einer starken und tiefen Spiritualität nährt. Hier handelt es sich tatsächlich um eine vorrangige Forderung, die dem Wesen des geweihten Lebens eingeschrieben ist, denn wer sich zu den evangelischen Räten bekennt, ist wie jeder Getaufte und sogar aus noch zwingenderen Gründen dazu verpflichtet, mit allen seinen Kräften nach der Vollkommenheit der Liebe zu streben.Das ist eine Verpflichtung, an die die unzähligen Beispiele heiliger Ordensstifter und -stifterinnen und vieler Personen des geweihten Lebens deutlich erinnern, die die Treue zu Christus bis hin zum Martyrium bezeugt haben.Streben nach Heiligkeit: das ist zusammengefabt das Programm jedes geweihten Lebens, auch im Hinblick auf dessen Erneuerung an der Schwelle des dritten Jahrtausends. Der Anfang dieses Programms besteht darin, dab um Christi willen alles verlassen (vgl. Mt Mt 4,18-22 Mt 19,21 Mt 19,27 Lc 5,11) und er allen Dingen vorgezogen wird, um voll an seinem Ostergeheimnis teilhaben zu können.Das hatte der hl. Paulus richtig verstanden, als er ausrief: »Ich sehe alles als Verlust an, weil die Erkenntnis Christi Jesu, meines Herrn, alles übertrifft [...] Christus will ich erkennen und die Macht seiner Auferstehung« (Ph 3,8 Ph 3,10). Es ist der von den Aposteln von Anfang an vorgezeichnete Weg, wie die christliche Tradition im Orient und im Abendland in Erinnerung ruft: »Diejenigen, die derzeit Jesus nachfolgen und um seinetwillen alles verlassen, erinnern an die Apostel, die seine Einladung annahmen und auf alles andere verzichteten. Traditionsgemäb spricht man deshalb gewöhnlich vom Ordensleben als einerapostolica vivendi forma «.Dieselbe Tradition hat im geweihten Leben auch die Dimension des besonderen Bundes mit Gott, ja des bräutlichen Bundes mit Christus herausgestellt, dessen Meister der hl. Paulus durch sein Beispiel (vgl. 1Co 7,7) und durch seine unter der Anleitung des Geistes dargebotene Lehre war (vgl. 1Co 7,40).Wir können sagen, dab das geistliche Leben, das als Leben in Christus, als Leben nach dem Geist verstanden wird, als ein Weg wachsender Treue Gestalt annimmt, auf dem die Person des geweihten Lebens in voller Gemeinschaft der Liebe und des Dienstes der Kirche vom Geist geleitet und von ihm Christus gleichförmig gestaltet wird.Alle diese in den verschiedenen Formen des geweihten Lebens sich begründenden Elemente bringeneine eigene Spiritualität hervor, das heibt einen konkreten Plan der Beziehung zu Gott und zur Umgebung, der von besonderen geistlichen Akzenten und Entscheidungen zum Handeln gekennzeichnet ist, die bald den einen, bald den anderen Aspekt des einen Geheimnisses Christi herausstellen und verkörpern. Wenn die Kirche eine Form des geweihten Lebens oder ein Institut anerkennt, garantiert sie, dab sich in deren geistlichem und apostolischem Charisma alle objektiven Anforderungen finden, um die persönliche und gemeinschaftliche Vollkommenheit im Sinne des Evangeliums zu erreichen.Das geistliche Leben mub also im Programm der Familien des geweihten Lebens an erster Stelle stehen, so dab jedes Institut und jede Kommunität sich als Schule einer echten evangeliumsgemäben Spiritualität darstellen. Von dieser Vorzugsoption, die im persönlichen und gemeinschaftlichen Engagement entfaltet wird, hängen die Fruchtbarkeit des Apostolats, die Selbstlosigkeit in der Liebe für die Armen und die Anziehungskraft der Berufung auf die jungen Generationen selber ab. Gerade die spirituelle Qualität des geweihten Lebensvermag die Menschen unserer Zeit, die ja auch Durst nach absoluten Werten haben, aufzurütteln, und sie wird auf diese Weise zu einem faszinierenden Zeugnis.


Vita consecrata DE 80