Verbum Domini DE


NACHSYNODALES

APOSTOLISCHES SCHREIBEN

VERBUM DOMINI

SEINER HEILIGKEIT

PAPST BENEDIKT XVI.

AN DIE BISCHÖFE, DEN KLERUS,

DIE PERSONEN GOTTGEWEIHTEN LEBENS

UND AN DIE CHRISTGLÄUBIGEN LAIEN

ÜBER DAS WORT GOTTES

IM LEBEN UND IN DER SENDUNG

DER KIRCHE



EINLEITUNG




1 »Das Wort des Herrnbleibt in Ewigkeit. Dieses Wort ist das Evangelium, das euch verkündet worden ist«(1P 1,25 vgl. Jes Is 40,8). Mit diesem Satz aus dem Ersten Petrusbrief, der die Worte des Propheten Jesaja aufgreift, stehen wir vor dem Geheimnis Gottes, der sich durch das Geschenk seines Wortes mitteilt. Dieses Wort, das in Ewigkeit bleibt, ist in die Zeit eingetreten. Gott hat sein ewiges Wort auf menschliche Weise ausgesprochen; sein Wort »ist Fleisch geworden« (Jn 1,14). Das ist die frohe Botschaft. Das ist die Verkündigung, die durch die Jahrhunderte hindurch bis zu uns in unsere Zeit gelangt. Die XII. Ordentliche Generalversammlung der Bischofssynode, die vom 5. bis zum 26. Oktober 2008 im Vatikan abgehalten wurde, stand unter dem Thema: Das Wort Gottes im Leben und in der Sendung der Kirche. Es war eine tiefe Erfahrung der Begegnung mit Christus, dem Wort des Vaters, der dort gegenwärtig ist, wo zwei oder drei in seinem Namen versammelt sind (vgl. Mt Mt 18,20). Mit diesem Nachsynodalen Apostolischen Schreiben komme ich gern der Bitte der Väter nach, den Reichtum, der in dieser Versammlung im Vatikan zum Vorschein gekommen ist, und die in gemeinsamer Arbeit formulierten Weisungen dem ganzen Gottesvolk zu übermitteln.[1] Unter diesem Gesichtspunkt möchte ich die Ergebnisse der Synode unter Bezugnahme auf die vorgelegten Dokumente aufgreifen: die Lineamenta, das Instrumentum laboris, die Vorträge ante und post disceptationem sowie die Texte der Wortmeldungen – der im Sitzungssaal verlesenen ebenso wie jener in scriptis –, die Berichte der Arbeitskreise und ihre Diskussionsbeiträge, die Schlußbotschaft an das Volk Gottes und vor allem einige spezifische Vorschläge (propositiones), die die Väter als besonders wichtig erachtet haben. Auf diese Weise möchte ich einige Grundlinien für eine Wiederentdeckung des göttlichen Wortes – Quelle ständiger Erneuerung – im Leben der Kirche aufzeigen und hoffe zugleich, daß es immer mehr zum Mittelpunkt allen kirchlichen Handelns werden möge.

Damit unsere Freude vollkommen ist


2 Zunächst möchte ich die Schönheit und die Anziehungskraft der erneuerten Begegnung mit dem Herrn Jesus in Erinnerung rufen, die in den Tagen der Synodenversammlung zu spüren war. Indem ich im Namen der Väter spreche, wende ich mich daher an alle Gläubigen mit den Worten aus dem Ersten Johannesbrief: Wir »verkünden euch das ewige Leben, das beim Vater war und uns offenbart wurde. Was wir gesehen und gehört haben, das verkünden wir auch euch, damit auch ihr Gemeinschaft mit uns habt. Wir aber haben Gemeinschaft mit dem Vater und mit seinem Sohn Jesus Christus« (1Jn 1,2-3). Der Apostel spricht davon, das Wort des Lebens zu hören, zu sehen,anzufassen und zu schauen (vgl. 1Joh 1Jn 1,1), denn das Leben selbst wurde in Christus offenbar. Und wir, die wir zur Gemeinschaft mit Gott und untereinander berufen sind, müssen Verkündiger dieses Geschenks sein. Unter diesem kerygmatischen Gesichtspunkt war die Synodenversammlung für die Kirche und für die Welt ein Zeugnis dafür, wie schön die Begegnung mit dem Wort Gottes in der kirchlichen Gemeinschaft ist. Ich rufe daher alle Gläubigen auf, die persönliche und gemeinschaftliche Begegnung mit Christus, dem sichtbar gewordenen Wort des Lebens, neu zu entdecken und ihn zu verkünden, damit das Geschenk des göttlichen Lebens, die Gemeinschaft, in der Welt immer mehr Verbreitung finden möge. Am Leben Gottes, der Dreifaltigkeit der Liebe, teilzuhaben, ist in der Tat »vollkommene Freude« (vgl. 1Joh 1Jn 1,4). Und es ist die Gabe und unverzichtbare Aufgabe der Kirche, die Freude zu vermitteln, die aus der Begegnung mit der Person Christi kommt, dem Wort Gottes, das mitten unter uns gegenwärtig ist. In einer Welt, die Gott oft als überflüssig oder fremd empfindet, bekennen wir wie Petrus, daß nur er »Worte des ewigen Lebens« (Jn 6,68) hat. Es gibt keine größere Priorität als diese: dem Menschen von heute den Zugang zu Gott wieder zu öffnen, zu dem Gott, der spricht und uns seine Liebe mitteilt, damit wir Leben in Fülle haben (vgl. Joh Jn 10,10).

Von der Konstitution »Dei Verbum« zur Synode über das Wort Gottes


3 Wir sind uns bewußt, daß wir mit der XII. Ordentlichen Generalversammlung der Bischofssynode über das Wort Gottes gewissermaßen das Herz des christlichen Lebens thematisiert haben, in Kontinuität mit der vorausgegangenen Synodenversammlung über die Eucharistie als Quelle und Höhepunkt des Lebens und der Sendung der Kirche. Die Kirche gründet in der Tat auf dem Wort Gottes, sie entsteht und lebt aus ihm.[2] In allen Jahrhunderten seiner Geschichte hat das Volk Gottes stets in ihm seine Kraft gefunden, und die kirchliche Gemeinschaft wächst auch heute im Hören, in der Feier und im Studium des Wortes Gottes. Man muß anerkennen, daß im kirchlichen Leben in den letzten Jahrzehnten die Sensibilität gegenüber diesem Thema zugenommen hat, besonders in bezug auf die christliche Offenbarung, die lebendige Überlieferung und die Heilige Schrift. Seit dem Pontifikat von Papst Leo XIII. kann man von einer Zunahme der Beiträge sprechen, die darauf ausgerichtet sind, die Bedeutung des Wortes Gottes und der biblischen Studien im Leben der Kirche stärker zu Bewußtsein zu führen.[3] Höhepunkt dieser Entwicklung war das Zweite Vatikanische Konzil, insbesondere die Promulgation der dogmatischen Konstitution über die göttliche Offenbarung Dei Verbum. Sie stellt einen Meilenstein auf dem Weg der Kirche dar: »Die Synodenväter … erkennen mit dankbarem Herzen den großen Nutzen an, den dieses Dokument dem Leben der Kirche auf exegetischer, theologischer, geistlicher, pastoraler und ökumenischer Ebene gebracht hat«.[4]Insbesondere ist in diesen Jahren das Bewußtsein um den »trinitarischen und heilsgeschichtlichen Horizont der Offenbarung«[5] gewachsen, in dem Jesus Christus als »der Mittler und die Fülle der ganzen Offenbarung«[6] erkannt wird. Die Kirche bekennt unablässig jeder Generation, daß er »durch sein ganzes Dasein und seine ganze Erscheinung, durch Worte und Werke, durch Zeichen und Wunder, vor allem aber durch seinen Tod und seine herrliche Auferstehung von den Toten, schließlich durch die Sendung des Geistes der Wahrheit die Offenbarung erfüllt und abschließt«.[7]

Es ist allgemein bekannt, daß die dogmatische Konstitution Dei Verbum der Wiederentdeckung des Wortes Gottes im Leben der Kirche, der theologischen Reflexion über die göttliche Offenbarung und dem Studium der Heiligen Schrift einen großen Impuls gegeben hat. So gab es dann auch in den letzten 40 Jahren auf diesem Gebiet nicht wenige Beiträge des kirchlichen Lehramts.[8] Im Bewußtsein der Kontinuität ihres Weges unter der Führung des Heiligen Geistes fühlte die Kirche sich durch die Feier dieser Synode berufen, das Thema des göttlichen Wortes weiter zu vertiefen, um sowohl die Umsetzung der Konzilsweisungen zu überprüfen als auch den neuen Herausforderungen zu begegnen, die die gegenwärtige Zeit denen stellt, die an Christus glauben.

Die Bischofssynode über das Wort Gottes


4 In der XII. Synodenversammlung haben sich Hirten aus aller Welt um das Wort Gottes geschart und den Bibeltext symbolisch in den Mittelpunkt der Versammlung gestellt, um das wiederzuentdecken, was wir im Alltag allzuleicht als selbstverständlich voraussetzen: daß Gott redet, daß er antwortet auf unser Fragen.[9] Gemeinsam haben wir das Wort des Herrn gehört und gefeiert. Wir haben einander erzählt, was der Herr im Gottesvolk wirkt, haben Hoffnungen und Sorgen miteinander geteilt. All das hat uns bewußt gemacht, daß wir unsere Beziehung zum Wort Gottes nur innerhalb des »Wir« der Kirche vertiefen können, im Hören aufeinander und in der gegenseitigen Annahme. Daher sind wir auch dankbar für die Zeugnisse über das kirchliche Leben in den verschiedenen Teilen der Welt, die aus den vielfältigen Beiträgen in der Synodenaula hervorgegangen sind. Ebenso bewegend war es, die Bruderdelegierten anzuhören, die die Einladung angenommen haben, an der Synodenversammlung teilzunehmen. Ich denke insbesondere an die Meditation Seiner Heiligkeit Bartholomaios I., des Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel, die bei den Synodenvätern tiefe Anerkennung gefunden hat.[10] Außerdem hat die Bischofssynode zum ersten Mal auch einen Rabbiner eingeladen, um von ihm ein wertvolles Zeugnis über die heiligen Schriften der Juden zu erhalten, die auch Teil unserer Heiligen Schrift sind.[11]

So konnten wir mit Freude und Dankbarkeit feststellen, daß »in der Kirche auch heute Pfingsten ist – das heißt, daß sie in vielen Sprachen redet und dies nicht nur in dem äußeren Sinne, daß alle großen Sprachen der Welt in ihr vertreten sind, sondern mehr noch in dem tieferen Sinn, daß die vielfältigen Weisen des Erfahrens von Gott und Welt, der Reichtum der Kulturen in ihr gegenwärtig ist und so erst die Weite des Menschseins und von ihr her die Weite von Gottes Wort erscheint«.[12] Außerdem haben wir festgestellt, daß Pfingsten noch in der Entfaltung begriffen ist: viele Völker warten noch darauf, daß das Wort Gottes in ihrer Sprache und in ihrer Kultur verkündet wird.

Natürlich hat uns auf der ganzen Synode das Zeugnis des Apostels Paulus begleitet. Die Vorsehung wollte es ja, daß die XII. Ordentliche Generalversammlung genau in dem Jahr stattfand, das der Gestalt des großen Völkerapostels anläßlich des 2000. Jahrestags seiner Geburt gewidmet war. Sein Leben war ganz vom Eifer für die Verbreitung des Wortes Gottes geprägt. Unweigerlich hören wir in unserem Herzen den Widerhall seiner eindrucksvollen Worte über seine Sendung als Verkündiger des göttlichen Wortes: »Alles aber tue ich um des Evangeliums willen« (
1Co 9,23). »Denn« – schreibt er im Brief an die Römer –»ich schäme mich des Evangeliums nicht: Es ist eine Kraft Gottes, die jeden rettet, der glaubt« (1,16). Wenn wir über das Wort Gottes im Leben und in der Sendung der Kirche nachdenken, dann können wir nicht umhin, an den hl. Paulus zu denken und an sein Leben, das er hingegeben hat, um allen Völkern das Heil Christi zu verkünden.

Der Prolog des Johannesevangeliums als Leittext


5 Ich möchte, daß durch dieses Apostolische Schreiben die Ergebnisse der Synode auf das Leben der Kirche nachhaltigen Einfluß nehmen: auf die persönliche Beziehung zur Heiligen Schrift, auf ihre Auslegung in der Liturgie und in der Katechese sowie in der wissenschaftlichen Forschung, damit die Bibel nicht ein Wort der Vergangenheit bleibt, sondern als lebendiges und aktuelles Wort wahrgenommen wird. Zu diesem Zweck möchte ich die Ergebnisse der Synode vorstellen und vertiefen, indem ich immer wieder Bezug nehme auf den Prolog des Johannesevangeliums (Jn 1,1-18), in dem uns die Grundlage unseres Lebens vermittelt wird: Das Wort, das von Anfang an bei Gott ist, ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt (vgl. Joh Jn 1,14). Es ist ein wunderbarer Text, der eine Synthese des gesamten christlichen Glaubens bietet. Aus der persönlichen Erfahrung der Begegnung mit Christus und der Nachfolge Christi heraus gewann Johannes, den die Überlieferung mit dem »Jünger, den Jesus liebte« (Jn 13,23 Jn 20,2 Jn 21,7 Jn 21,20), gleichsetzt, »eine innige Gewißheit: Jesus ist die fleischgewordene Weisheit Gottes, er ist sein ewiges Wort, das ein sterblicher Mensch geworden ist«.[13] Er, der »sah und glaubte« (Jn 20,8), möge auch uns helfen, das Haupt an die Brust Jesu zu lehnen (vgl. Joh Jn 13,25), aus dessen Seite Blut und Wasser geflossen sind (vgl.
Joh 19,34), Symbole der Sakramente der Kirche. Dem Vorbild des Apostels Johannes und der anderen inspirierten Autoren folgend, wollen wir uns vom Heiligen Geist leiten lassen, um in der Lage zu sein, das Wort Gottes immer mehr zu lieben.


ERSTER TEIL


VERBUM DEI


»Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott,

und das Wort war Gott...

Und das Wort ist Fleisch geworden\i« (@JN 1,1 JN 1,14@)

Der Gott, der spricht



Gott im Dialog


6 Das Neue der biblischen Offenbarung besteht darin, daß Gott sich im Dialog zu erkennen gibt, den er mit uns führen möchte.[14] Die dogmatische Konstitution Dei Verbum hatte diese Wirklichkeit herausgestellt, indem sie bekannte: So »redet der unsichtbare Gott aus überströmender Liebe die Menschen an wie Freunde und verkehrt mit ihnen, um sie in seine Gemeinschaft einzuladen und aufzunehmen«.[15] Wenn wir jedoch bei der Feststellung haltmachen würden, daß Gott sich uns liebevoll mitteilt, hätten wir die Botschaft des Prologs des hl. Johannes noch nicht ausreichend verstanden. In Wirklichkeit ist das Wort Gottes, durch das »alles geworden« (Jn 1,3) und das selbst »Fleisch geworden« ist (Jn 1,14), dasselbe, das »im Anfang« war (Jn 1,1). Wenn wir hier eine Anspielung auf den Beginn des Buches Genesis (vgl. Gen Gn 1,1) sehen, stehen wir in Wahrheit voreinem Anfang absoluter Natur, der uns vom innersten Leben Gottes spricht. Der johanneische Prolog stellt uns vor die Tatsache, daß der Logos von jeher bestanden hat, und daß er seit jeherselber Gott ist. Es gab also in Gott nie eine Zeit, in der der Logos nicht war. Das Wort bestand schon vor der Schöpfung. Das Innerste des göttlichen Lebens ist daher Gemeinschaft, ist das absolute Geschenk. »Gott ist die Liebe« (1Jn 4,16), sagt derselbe Apostel an anderer Stelle und kennzeichnet damit »das christliche Gottesbild und auch das daraus folgende Bild des Menschen und seines Weges«.[16] Gott gibt sich uns zu erkennen als Geheimnis unendlicher Liebe, in der der Vater von aller Ewigkeit her sein Wort im Heiligen Geist zum Ausdruck bringt. Das Wort, das von Anfang an bei Gott ist und das Gott ist, offenbart uns daher Gott selbst im Dialog der Liebe zwischen den göttlichen Personen und lädt uns ein, daran teilzuhaben. Als Abbild Gottes, der die Liebe ist, erschaffen und ihm ähnlich, können wir also uns selbst nur in der Annahme des Wortes und in der Fügsamkeit gegenüber dem Wirken des Heiligen Geistes verstehen. Im Licht der durch das göttliche Wort gewirkten Offenbarung klärt sich das Rätsel des menschlichen Daseins endgültig.

Die Analogie des Wortes Gottes


7 Von diesen Überlegungen aus, die sich aus der Betrachtung des im Johannesprolog ausgedrückten christlichen Geheimnisses ergeben, müssen jetzt die Aussagen der Synodenväter über die verschiedenen Weisen, mit denen wir den Ausdruck »Wort Gottes« benutzen, hervorgehoben werden. Zu Recht war die Rede von einer Symphonie des Wortes, eines einzigen Wortes, das sich auf verschiedene Weisen ausdrückt: als »ein mehrstimmiger Gesang«.[17] Die Synodenväter sprachen in diesem Zusammenhang von einem analogischen Gebrauch der menschlichen Sprache in bezug auf das Wort Gottes. Dieser Ausdruck betrifft einerseits die Mitteilung, die Gott über sich selbst macht, andererseits jedoch besitzt er verschiedene Bedeutungen, die sorgfältig betrachtet und zueinander in Beziehung gesetzt werden müssen, sowohl unter dem Gesichtspunkt der theologischen Reflexion als auch unter dem der Anwendung in der Seelsorge. Wie uns der Johannesprolog deutlich zeigt, bezeichnet der Logos ursprünglich das ewige Wort, also den eingeborenen Sohn, der vor aller Zeit aus dem Vater geboren und eines Wesens mit ihm ist: Das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott. Aber dasselbe Wort, so der hl. Johannes, »ist Fleisch geworden« (Jn 1,14); daher ist Jesus Christus, der aus der Jungfrau Maria geboren ist, wirklich das Wort Gottes, das uns wesensgleich geworden ist. Der Ausdruck »Wort Gottes« bezeichnet hier also die Person Jesu Christi, den menschgewordenen ewigen Sohn des Vaters.

Wenn im Mittelpunkt der göttlichen Offenbarung das Christusereignis steht, dann muß man ebenfalls erkennen, daß die Schöpfung selbst, der liber naturae, auch ein wesentlicher Teil dieser mehrstimmigen Symphonie ist, in der das einzige Wort seinen Ausdruck findet. Ebenso bekennen wir, daß Gott sein Wort in der Heilsgeschichte mitgeteilt hat, daß er seine Stimme vernehmen ließ und mit der Kraft seines Geistes »gesprochen hat durch die Propheten«.[18] Das göttliche Wort kommt also in der ganzen Heilsgeschichte zum Ausdruck und besitzt seine Fülle im Geheimnis der Menschwerdung, des Todes und der Auferstehung des Sohnes Gottes. Wort Gottes ist auch das von den Aposteln verkündete Wort, in Gehorsam gegenüber dem Gebot des auferstandenen Christus: »Geht hinaus in die ganze Welt, und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen!« (Mc 16,15). So wird das Wort Gottes also in der lebendigen Überlieferung der Kirche weitergegeben. Schließlich ist das bezeugte und göttlich inspirierte Wort Gottes die Heilige Schrift, das Alte und das Neue Testament. All das macht deutlich, warum wir in der Kirche die Heilige Schrift hoch verehren, obgleich der christliche Glaube keine »Buchreligion« ist: Das Christentum ist die »Religion des Wortes Gottes«, nicht »eines schriftlichen, stummen Wortes, sondern des menschgewordenen, lebendigen Wortes«.[19] Daher muß die Schrift als Wort Gottes verkündigt, gehört, gelesen, aufgenommen und gelebt werden, und zwar in der Spur der apostolischen Überlieferung, mit der es untrennbar verknüpft ist.[20]

Wie die Synodenväter gesagt haben, stehen wir wirklich einem analogen Gebrauch des Ausdrucks »Wort Gottes« gegenüber, und wir müssen uns dessen bewußt sein. Die Gläubigen müssen daher besser herangeführt werden, seine verschiedenen Bedeutungen zu erfassen und seinen einheitlichen Sinn zu verstehen. Auch vom theologischen Gesichtspunkt her ist es notwendig, die Artikulierung der verschiedenen Bedeutungen dieses Ausdrucks zu vertiefen, damit die Einheit des göttlichen Plans und in ihm die Zentralität der Person Christi besser aufscheint.[21]

Kosmische Dimension des Wortes


8 Im Wissen um die grundlegende Bedeutung des Wortes Gottes in bezug auf das fleischgewordene ewige Wort Gottes, den einzigen Retter und Mittler zwischen Gott und dem Menschen,[22] und im Hören auf dieses Wort werden wir durch die biblische Offenbarung zu der Einsicht geführt, daß es die Grundlage der ganzen Wirklichkeit ist. Im Prolog des Johannesevangeliums heißt es bezüglich des göttlichen Logos: »Alles ist durch das Wort geworden, und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist« (1,3); auch der Kolosserbrief verweist auf Christus, den »Erstgeborenen der ganzen Schöpfung« (1,15), und sagt: »Alles ist durch ihn und auf ihn hin geschaffen« (1,16). Und der Autor des Hebräerbriefes ruft in Erinnerung: »Aufgrund des Glaubens erkennen wir, daß die Welt durch Gottes Wort erschaffen worden und daß so aus Unsichtbarem das Sichtbare entstanden ist« (11,3).

Diese Verkündigung ist für uns ein befreiendes Wort. Denn die Aussagen der Schrift verweisen darauf, daß alles, was geworden ist, nicht Frucht eines irrationalen Zufalls, sondern von Gott gewollt ist, zu seinem Plan gehört, in dessen Mittelpunkt das Angebot steht, am göttlichen Leben in Christus teilzuhaben. Die Schöpfung entsteht aus dem Logos und trägt die unauslöschliche Spur derschöpferischen Vernunft, die ordnet und leitet. Diese frohe Gewißheit besingen die Psalmen: »Durch das Wort des Herrn wurden die Himmel geschaffen, ihr ganzes Heer durch den Hauch seines Mundes« (33,6), und: »Der Herr sprach, und sogleich geschah es; er gebot, und alles war da« (33,9). Die ganze Wirklichkeit bringt dieses Geheimnis zum Ausdruck: »Die Himmel rühmen die Herrlichkeit Gottes, vom Werk seiner Hände kündet das Firmament« (19,2). So lädt uns also die Heilige Schrift selbst ein, den Schöpfer kennenzulernen, indem wir die Schöpfung betrachten (vgl. Weish
Sg 13,5 Röm Rm 1,19-20). Die christliche Überlieferung hat dieses Schlüsselelement der Symphonie des Wortes vertieft. So sagt zum Beispiel der hl. Bonaventura, der zusammen mit der großen Überlieferung der griechischen Väter alle Möglichkeiten der Schöpfung im Logos sieht,[23] daß »jedes Geschöpf Wort Gottes ist, weil es Gott verkündigt«.[24] Die dogmatische Konstitution Dei Verbum hat dies so zusammengefaßt: »Gott, der durch das Wort alles erschafft (vgl. Joh Jn 1,3) und erhält, gibt den Menschen jederzeit in den geschaffenen Dingen Zeugnis von sich«.[25]

Die Erschaffung des Menschen


9 Die Wirklichkeit entsteht also aus dem Wort als creatura Verbi, und alles ist aufgerufen, dem Wort zu dienen. Die Schöpfung ist der Ort, an dem sich die ganze Geschichte der Liebe zwischen Gott und seinem Geschöpf entfaltet; das Heil des Menschen ist also der Beweggrund aller Dinge. Wenn wir den Kosmos vom heilsgeschichtlichen Gesichtspunkt her betrachten, entdecken wir die einzigartige Stellung, die der Mensch innerhalb der Schöpfung einnimmt: »Gott schuf also den Menschen als sein Abbild; als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie« (Gn 1,27). So können wir die kostbaren Gaben, die wir vom Schöpfer erhalten haben, in ihrer ganzen Tragweite erkennen: den Wert des eigenen Leibes, die Gabe der Vernunft, der Freiheit und des Gewissens. Darin finden wir auch das, was in der philosophischen Tradition als »Naturrecht« bezeichnet wird.[26] In der Tat »erfährt jeder Mensch, der auf das Gewissen hört und die Verantwortung wahrnimmt, einen inneren Ruf, Gutes zu tun«[27] und daher Böses zu vermeiden. Wie der hl. Thomas von Aquin sagt, gründen auf diesem Prinzip auch alle anderen Vorschriften des Naturrechts.[28] Das Hören auf das Wort Gottes lehrt uns zunächst einmal die Achtung gegenüber dem Anspruch, nach diesem Gesetz, das »ins Herz geschrieben« ist (vgl. Röm Rm 2,15 Rm 7,23),[29] zu leben. Jesus Christus gibt dann den Menschen das neue Gesetz, das Gesetz des Evangeliums, das das Naturrecht aufnimmt, es in überragender Weise zur Verwirklichung bringt und uns vom Gesetz der Sünde befreit, aufgrund dessen, wie der hl. Paulus sagt, »das Wollen bei mir vorhanden ist, ich das Gute aber nicht zu verwirklichen vermag« (Rm 7,18). Dieses Gesetz schenkt den Menschen durch die Gnade Anteil am göttlichen Leben und die Möglichkeit, den Egoismus zu überwinden.[30]

Der Realismus des Wortes


10 Wer das göttliche Wort kennt, kennt auch die tiefste Bedeutung eines jeden Geschöpfs. Wenn nämlich alles »Bestand« hat in ihm, der »vor aller Schöpfung« ist (vgl. Kol Col 1,17), dann schafft derjenige, der sein Leben auf diesem Wort aufbaut, einen wirklich soliden und dauerhaften Bau. Das Wort Gottes drängt uns zu einer Änderung unseres Begriffs von Realismus: Realist ist der, der im Wort Gottes das Fundament von allem erkennt.[31] Das brauchen wir besonders in unserer Zeit, in der viele Dinge, auf die man für den Aufbau des Lebens vertraut und seine Hoffnung zu setzen sucht ist, ihr vergängliches Wesen offenbaren. Haben, Genuß und Macht erweisen sich früher oder später als unfähig, das tiefste Verlangen des menschlichen Herzens zu stillen. Zum Aufbau seines Lebens braucht der Mensch solide Fundamente, die auch dann bestehen bleiben, wenn menschliche Gewißheiten schwinden. »Herr, dein Wort bleibt auf ewig, es steht fest wie der Himmel«, und die Treue des Herrn währt »von Geschlecht zu Geschlecht« (Ps 119,89-90): Wer auf dieses Wort baut, baut das Haus seines Lebens auf Fels (vgl. Mt Mt 7,24). Möge unser Herz
jeden Tag zu Gott sagen können: »Du bist mein Schutz und mein Schild, ich warte auf dein Wort« (Ps 119,114); mögen wir in der Lage sein, jeden Tag wie Petrus im Vertrauen auf den Herrn Jesus zu handeln: »Wenn du es sagst, werde ich die Netze auswerfen« (Lc 5,5).

Christologie des Wortes


11 Mit diesem Blick auf die Wirklichkeit als das durch das göttliche Wort vollbrachte Werk der Allerheiligsten Dreifaltigkeit können wir die Worte des Autors des Hebräerbriefes verstehen: »Viele Male und auf vielerlei Weise hat Gott einst zu den Vätern gesprochen durch die Propheten; in dieser Endzeit aber hat er zu uns gesprochen durch den Sohn, den er zum Erben des Alls eingesetzt und durch den er auch die Welt erschaffen hat« (1,1-2). Es ist sehr schön zu sehen, wie bereits das ganze Alte Testament sich uns als Geschichte darstellt, in der Gott sein Wort mitteilt: »Er schloß mit Abraham (vgl. Gen Gn 15,8) und durch Moses mit dem Volke Israel (vgl. Ex Ex 24,8) einen Bund. Dann hat er sich dem Volk, das er sich erworben hatte, durch Wort und Tat als einzigen, wahren und lebendigen Gott so geoffenbart, daß Israel Gottes Wege mit den Menschen an sich erfuhr, daß es sie durch Gottes Wort aus der Propheten Mund allmählich voller und klarer erkannte und sie unter den Völkern mehr und mehr sichtbar machte (vgl. Ps Ps 21,28-29 Ps 95,1-3 Jes Is 2,1-4 Jer Jr 3,17)«.[32]

Diese Herablassung Gottes erfüllt sich in unübertrefflicher Weise in der Fleischwerdung des Wortes. Das ewige Wort, das sich in der Schöpfung ausdrückt und sich in der Heilsgeschichte mitteilt, ist in Christus ein Mensch geworden, »geboren von einer Frau« (Ga 4,4). Hier äußert sich das Wort nicht vor allem in einer Rede, in Begriffen oder Regeln. Hier stehen wir vor der Person Jesu selbst. Seine einzigartige Geschichte ist das endgültige Wort, das Gott zur Menschheit spricht. Von da aus versteht man, warum »am Anfang des Christseins … nicht ein ethischer Entschluß oder eine große Idee [steht], sondern die Begegnung mit einem Ereignis, mit einer Person, die unserem Leben einen neuen Horizont und damit seine entscheidende Richtung gibt«.[33] Die Erneuerung dieser Begegnung und dieses Bewußtseins erzeugt in den Herzen der Gläubigen das Staunen über die göttliche Initiative, die der Mensch mit seinen rationalen Fähigkeiten und seiner Vorstellungskraft niemals hätte ersinnen können. Es ist eine nie dagewesene und menschlich betrachtet unfaßbare Neuheit: »Das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt« (? Jn 1,14). Diese Worte verweisen nicht auf eine rhetorische Figur, sondern auf eine gelebte Erfahrung! Sie wird vom hl. Johannes vermittelt, einem Augenzeugen: »Wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit«(? Jn 1,14). Der apostolische Glaube bezeugt, daß das ewige Wort einer von uns wurde. Das göttliche Wort drückt sich wirklich in menschlichen Worten aus.


12 In der Betrachtung dieser »Christologie des Wortes« hat die patristische und mittelalterliche Überlieferung ein eindrucksvolles Wort verwendet: Das Wort hat sich kurz gemacht:[34] »Die Kirchenväter lasen in ihrer griechischen Übersetzung des Alten Testaments ein Wort des Propheten Jesaja, das dann auch Paulus zitiert, um zu zeigen, wie die neuen Wege Gottes im Alten Testament schon vorhergesagt waren. „Gott hat sein Wort kurz gemacht, es abgekürzt“, hieß es da (? Is 10,23
Röm 9,28). … Der Sohn selbst ist das Wort, der Logos; das ewige Wort hat sich klein gemacht – so klein, daß es in eine Krippe paßte. Es hat sich zum Kind gemacht, damit uns das Wort faßbar werde«.[35]Nun ist das Wort nicht nur hörbar, besitzt es nicht nur eine Stimme, jetzt hat das Wort einGesicht, das wir sehen können: Jesus von Nazaret.[36]

Wenn wir die Erzählung der Evangelien verfolgen, stellen wir fest, wie die Menschheit Jesu gerade in bezug auf das Wort Gottes in ihrer ganzen Einzigartigkeit sichtbar wird. Denn in seinem vollkommenen Menschsein erfüllt er Augenblick für Augenblick den Willen des Vaters; Jesus hört sein Wort und gehorcht ihm mit seinem ganzen Sein; er kennt den Vater und hält an seinem Wort fest (vgl. Joh Jn 8,55); er berichtet uns vom Vater (vgl. Joh Jn 12,50): »Die Worte, die du mir gegeben hast, gab ich ihnen« (? Jn 17,8). Jesus zeigt also, daß er der göttliche Logos ist, der sich uns hinschenkt, aber auch der neue Adam, der wahre Mensch, der in jedem Augenblick nicht den eigenen Willen, sondern den des Vaters erfüllt. Er »wuchs heran, und seine Weisheit nahm zu, und er fand Gefallen bei Gott und den Menschen« (Lc 2,52). In vollkommener Weise hört er das göttliche Wort, verwirklicht es in sich selbst und teilt es uns mit (vgl. Lk Lc 5,1).

Die Sendung Jesu findet schließlich ihre Erfüllung im Ostergeheimnis: Hier stehen wir vor dem »Wort vom Kreuz« (1Co 1,18). Das Wort verstummt, wird zur Totenstille, denn es hat sich »ausgesagt« bis hin zum Schweigen, ohne irgend etwas zurückzuhalten, was es uns mitteilen sollte. In der Betrachtung dieses Geheimnisses legen die Kirchenväter der Mutter Gottes in eindrücklicher Weise diese Worte in den Mund: »Wortlos ist das Wort des Vaters, das jedes sprechende Geschöpf erschaffen hat; leblos sind die erloschenen Augen dessen, auf dessen Wort und Zeichen hin alles Lebendige sich bewegt«.[37] Hier wird uns wirklich die »größere« Liebe vermittelt, die das Leben für die Freunde hingibt (vgl. Joh Jn 15,13).

In diesem großen Geheimnis offenbart sich Jesus als das Wort des neuen und ewigen Bundes: Die Freiheit Gottes und die Freiheit des Menschen sind einander endgültig begegnet in seinem gekreuzigten Fleisch, in einem unauflöslichen, immerwährenden Bund. Beim Letzten Abendmahl, bei der Einsetzung der Eucharistie hatte Jesus selbst vom »neuen und ewigen Bund« gesprochen, der in seinem vergossenen Blut geschlossen wurde (vgl. Mt Mt 26,28 Mk Mc 14,24 Lk Lc 22,20), und sich so als das wahre Opferlamm erwiesen, in dem sich die endgültige Befreiung aus der Knechtschaft vollzieht.[38]

Im lichtvollen Geheimnis der Auferstehung offenbart sich dieses Schweigen des Wortes in seiner wahren und endgültigen Bedeutung. Christus, das fleischgewordene, gekreuzigte und auferstandene Wort Gottes, ist der Herr aller Dinge; er ist der Sieger, der Pantokrator, und so ist alles für immer in ihm vereint (vgl. Eph Ep 1,10). Christus ist also »das Licht der Welt« (? Jn 8,12), das Licht, das »leuchtet in der Finsternis« (? Jn 1,4) und das die Finsternis nicht erfaßt hat (vgl. Joh Jn 1,5). Hier verstehen wir die volle Bedeutung von Psalm 119: »Dein Wort ist meinem Fuß eine Leuchte, ein Licht für meine Pfade« (V. 105); das Wort, das aufersteht, ist dieses endgültige Licht auf unserem Weg. Von Anfang an wußten die Christen, daß das Wort Gottes in Christus als Person gegenwärtig ist. Das Wort Gottes ist das wahre Licht, das der Mensch braucht. Ja, in der Auferstehung ist der Sohn Gottes als Licht der Welt erstanden. Jetzt können wir, wenn wir mit ihm und für ihn leben, im Licht leben.


13 Sozusagen im Herzen der »Christologie des Wortes« angekommen, ist es wichtig, die Einheit des göttlichen Plans im fleischgewordenen Wort hervorzuheben: Daher präsentiert uns das Neue Testament das Ostergeheimnis in Übereinstimmung mit der Heiligen Schrift als ihre innerste Erfüllung. Der hl. Paulus sagt im Ersten Brief an die Korinther, daß Jesus Christus für unsere Sünden gestorben ist, »gemäß der Schrift« (15,3), und daß er am dritten Tag auferstanden ist, »gemäß der Schrift« (15,4). Damit stellt der Apostel das Ereignis des Todes und der Auferstehung des Herrn in Beziehung zur Geschichte des Alten Bundes Gottes mit seinem Volk. Mehr noch, er gibt uns zu verstehen, daß diese Geschichte aus ihm ihre Logik und ihre wahre Bedeutung erhält. »Im Ostergeheimnis erfüllen sich die Worte der Schrift. Dies heißt: Dieser Tod, der „gemäß der Schrift“geschehen ist, ist ein Ereignis, das einen „logos“, eine Logik in sich trägt: Der Tod Christi bezeugt, daß das Wort Gottes bis ins Innerste Fleisch, menschliche Geschichte, geworden ist«.[39] Auch die Auferstehung Jesu geschieht »am dritten Tag gemäß der Schrift«: Da nach jüdischer Auslegung die Verwesung nach dem dritten Tag einsetzte, erfüllt sich das Wort der Schrift in Jesus, der aufersteht, bevor die Verwesung einsetzt. Auf diese Weise unterstreicht der hl. Paulus, indem er die Lehre der Apostel getreu überliefert (vgl. 1Kor 1Co 15,3), daß der Sieg Christi über den Tod durch die schöpferische Macht des Wortes Gottes geschieht. Diese göttliche Macht weckt Hoffnung und Freude: Das ist letztlich der befreiende Inhalt der österlichen Offenbarung. An Ostern offenbart Gott sich selbst und die Macht der trinitarischen Liebe, die die zerstörerischen Kräfte des Bösen und des Todes vernichtet.

Wenn wir uns diese wesentlichen Elemente unseres Glaubens ins Gedächtnis rufen, können wir die tiefe Einheit zwischen Schöpfung und neuer Schöpfung und der ganzen Heilsgeschichte in Christus betrachten. Um es in einem Bild auszudrücken, können wir den Kosmos mit einem »Buch« vergleichen – so sagte es auch Galileo Galilei – und ihn als »das Werk eines Autors [betrachten], der sich durch die „Symphonie“ der Schöpfung kundtut. Innerhalb dieser Symphonie findet sich an einem bestimmten Punkt das, was man in der Sprache der Musik ein „Solo“ nennen würde: ein Thema, das einem einzelnen Instrument oder einer einzigen Stimme anvertraut ist. Und dieses Thema ist so wichtig, daß von ihm die Bedeutung des gesamten Werkes abhängt. Dieses „Solo“ ist Jesus … Der Menschensohn faßt in sich die Erde und den Himmel zusammen, die Schöpfung und den Schöpfer, das Fleisch und den Geist. Er ist der Mittelpunkt des Kosmos und der Geschichte, da sich in ihm der Autor und sein Werk vereinen, ohne sich zu vermischen«.[40]


Verbum Domini DE