Vita consecrata DE 44

Die Rolle der alten Leute


44 Die Sorge um die Alten und Kranken gehört ganz wesentlich zum geschwisterlichen Leben, besonders in einer Zeit wie der unseren, in der in manchen Gegenden der Welt die Zahl der Personen des geweihten Lebens zunimmt, die in den Jahren nunmehr fortgeschritten sind. Die zuvorkommende Aufmerksamkeit, die sie verdienen, entspricht nicht nur einer eindeutigen Verpflichtung zu Liebe und Anerkennung, sondern sie ist auch Ausdruck der Erkenntnis, dab ihr Zeugnis für die Kirche und die Institute sehr nützlich ist und ihre Sendung auch dann gültig und verdienstvoll bleibt, wenn sie wegen des Alters oder aus Krankheit ihre eigentliche Tätigkeit aufgeben müssen. Sie haben zweifellos der Gemeinschaft viel an Weisheit und Erfahrung zu geben, wenn diese imstande ist, ihnen voll Aufmerksamkeit und mit der Fähigkeit zum Zuhören nahezustehen.In der Tat besteht die apostolische Sendung noch vor dem Tun im Zeugnis der eigenen vollkommenen Hingabe an den Heilswillen des Herrn, einer Hingabe, die sich an den Quellen des Gebets und der Bube nährt. Es gibt daher viele Möglichkeiten, wie die alten Mitglieder ihre Berufung leben können: das eifrige Gebet, die geduldige Annahme der eigenen Situation, die Verfügbarkeit für den Dienst als Spiritual, als Beichtvater und Begleiter des Betens.

Als Abbild der apostolischen Gemeinschaft


45 Das geschwisterliche Leben spielt auf dem geistlichen Weg der Personen des geweihten Lebens eine grundlegende Rolle sowohl für ihre ständige Erneuerung als auch für die vollkommene Erfüllung ihrer Sendung in der Welt: dies läbt sich aus den theologischen Begründungen schlieben, die dem geschwisterlichen Leben zugrunde liegen, findet aber auch in der eigenen Erfahrung weitgehende Bestätigung. Ich ermahne daher die Personen des geweihten Lebens, das Gemeinschaftsleben eifrig zu pflegen und damit dem Beispiel der ersten Christen von Jerusalem zu folgen, die voll Eifer die Lehre der Apostel hörten, am gemeinsamen Gebet und an der Feier der Eucharistie teilnahmen und die materiellen Güter und Gnadengaben miteinander teilten (vgl. Apg Ac 2,42-47). Vor allem ermahne ich die Ordensleute und die Mitglieder der Gesellschaften des apostolischen Lebens, vorbehaltlos die gegenseitige Liebe zu leben und dieser durch die Bestimmungen, die der Natur eines jeden Instituts entsprechen, Ausdruck zu verleihen, damit sich jede Gemeinschaft als leuchtendes Zeichen des neuen Jerusalem, der »Wohnung Gottes unter den Menschen« (Ap 21,3), erweise.Denn die ganze Kirche zählt sehr auf das Zeugnis von Gemeinschaften, die »voll Freude und erfüllt vom Heiligen Geist« sind (Ac 13,52). Sie möchte die Welt auf das Beispiel von Gemeinschaften hinweisen, in denen die gegenseitige Aufmerksamkeit die Einsamkeit überwinden hilft, die Kommunikation alle dazu anspornt, sich mitverantwortlich zu fühlen, und in denen Vergebung die Wunden heilt und in jedem einzelnen den Vorsatz zur Gemeinschaft stärkt. In derartigen Gemeinschaften lenkt die Natur des Charismas die Kräfte, festigt die Treue und richtet die apostolische Arbeit aller auf die eine Sendung aus. Um der heutigen Menschheit ihr wahres Gesicht zu zeigen, braucht die Kirche dringend solche brüderliche Gemeinschaften, die schon allein durch ihr Bestehen einen Beitrag zur Neuevangelisierung leisten, da sie konkret die Früchte des »neuen Gebotes« erbringen.

Sentire cum Ecclesia


46 Eine grobe Aufgabe ist dem geweihten Leben auch im Lichte der vom II. Vatikanischen Konzil mit fester Entschiedenheit dargestellten Lehre von der Kirche als Gemeinschaft anvertraut. Von den Personen des geweihten Lebens wird verlangt, als »Zeugen und Baumeister jenes ‘göttlichen Planes für Gemeinschaft', der die Geschichte der Menschen krönen soll«,wirklich Experten der Gemeinschaft zu sein und deren Spiritualität in die Praxis umzusetzen.Der Sinn der kirchlichen Gemeinschaft, die sich zu einer Spiritualität der Gemeinschaft entwickelt, fördert eine Weise des Denkens, Sprechens und Handelns, die die Kirche an Tiefe und Weite wachsen läbt. Denn das Gemeinschaftsleben »wird zu einem Zeichen für die Welt, zur anziehenden Kraft , die zum Glauben an Christus führt [...] Auf diese Weise öffnet sich die communio der Sendung, wird selbst Sendung«, ja, » die communio schafft communio und stellt sich wesentlich alsmissionarische communio dar«.ei den Stiftern und Stifterinnen erscheint der Sinn für die Kirche immer lebendig und zeigt sich in ihrer vollkommenen Teilnahme am kirchlichen Leben in allen seinen Dimensionen und im bereitwilligen Gehorsam den Bischöfen, insbesondere dem Papst von Rom gegenüber. Vor diesem Horizont der Liebe zur heiligen Kirche, »Säule und Fundament der Wahrheit« (1Tm 3,15), begreifen wir die Ergebenheit eines Franz von Assisi dem »Herrn Papst« gegenüber,den kindlichen Unternehmungsgeist einer Katharina von Siena dem gegenüber, den sie den »süben Christus auf Erden nennt«,den apostolischen Gehorsam und das »Sentire cum Ecclesia«eines Ignatius von Loyola, das freudige Glaubensbekenntnis einer Theresia von Jesus: »Ich bin Tochter der Kirche«.Man versteht auch die Sehnsucht der Theresia von Lisieux: »Im Herzen der Kirche, meiner Mutter, werde ich die Liebe sein«.Ähnliche Zeugnisse stellen die volle kirchliche Gemeinschaft dar, die Heilige sowie Stifter und Stifterinnen zu ganz verschiedenen Zeiten und unter verschiedenen und oft sehr schwierigen Umständen gegeben haben. Auf diese Vorbilder müssen die Personen des geweihten Lebens immer wieder Bezug nehmen, um den heutzutage besonders aktiven zentrifugalen und zersetzenden Antriebskräften entgegenzuwirken.Ein Wesensmerkmal dieser kirchlichen communio ist das Festhalten mit Herz und Verstand am Lehramt der Bischöfe, das von allen Personen des geweihten Lebens, besonders jenen, die in der theologischen Forschung, in der Lehre, im Publikationswesen, in der Katechese, im Bereich der sozialen Kommunikationsmittel tätig sind, treu gelebt und vor dem Volk Gottes klar und deutlich bezeugt werden mub.Da die Personen des geweihten Lebens einen besonderen Platz in der Kirche einnehmen, kommt ihrer diesbezüglichen Haltung für das ganze Volk Gottes grobe Bedeutung zu. Ihr apostolisches Wirken, das sich im Rahmen der prophetischen Sendung aller Getauften im allgemeinen durch Aufgaben besonderer Zusammenarbeit mit der Hierarchie qualifiziert, gewinnt aus ihrem Zeugnis kindlicher Liebe Kraft und Schärfe.Auf diese Weise leisten sie mit dem Reichtum ihrer Charismen einen besonderen Beitrag, damit die Kirche ihr Wesen als Sakrament der innigen Vereinigung mit Gott und der Einheit des gesamten Menschengeschlechts immer vollkommener verwirkliche.

Die Brüderlichkeit in der Universalkirche


47 Die Personen des geweihten Lebens sind auf Grund der Tatsache selbst, dab die vielfältigen Charismen der jeweiligen Institute vom Heiligen Geist geschenkt werden im Hinblick auf das Wohl des ganzen mystischen Leibes, zu dessen Aufbau sie beitragen sollen (vgl. 1Co 12,4-11), dazu berufen, Sauerteig missionarischer Gemeinschaft in der Universalkirche zu sein. Bezeichnenderweise ist es die Liebe, die nach den Worten des Apostels »der Weg« ist, »der alles übersteigt« (1Co 12,31), die Wirklichkeit, die »die gröbte unter allen ist« (1Co 13,13), die alle Unterschiede harmonisch in Einklang bringt und allen die Kraft verleiht, im apostolischen Einsatz einander Stütze zu sein. Gerade danach strebt das besondere Band der Gemeinschaft, das die verschiedenen Formen des geweihten Lebens und die Gesellschaften des apostolischen Lebenszum Nachfolger Petri in seinem Dienst an der Einheit und der missionarischen Universalität haben. Die Geschichte der Spiritualität veranschaulicht dieses Band eingehend dadurch, dab sie deren günstige Aufgabe zeigt, um sowohl die dem geweihten Leben eigene Identität als auch die missionarische Ausbreitung des Evangeliums zu gewährleisten. Die machtvolle Verbreitung der evangelischen Botschaft ebenso wie die feste Verwurzelung der Kirche in so vielen Gegenden der Welt und der christliche Frühling, der heute in den jungen Kirchen festzustellen ist, wären — wie die Synodenväter festgestellt haben — ohne den Beitrag so vieler Institute des geweihten Lebens und der Gesellschaften des apostolischen Lebens undenkbar. Sie haben über Jahrhunderte hin die Gemeinschaft mit den Nachfolgern des hl. Petrus aufrechterhalten, die bei ihnen grobzügige Bereitschaft vorfanden, sich der Mission mit einer Verfügbarkeit zu widmen, die, wenn nötig, bis zum Heroismus reichen konnten.So ragt das Wesensmerkmal der Universalität und der Gemeinschaft hervor, das den Instituten des geweihten Lebens und den Gesellschaften des apostolischen Lebens eigen ist. Aufgrund des in ihrer besonderen Beziehung zum Petrusamt verwurzelten überdiözesanen Charakters stehen sie auch im Dienst der Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Teilkirchen,unter denen sie den »Austausch der Gaben« wirksam fördern und dadurch zu einer Inkulturation des Evangeliums beitragen können, die die Reichtümer der Kulturen aller Völker reinigen, bewerten und annehmen soll.Auch heute offenbart die Blüte an Berufungen zum geweihten Leben in den jungen Kirchen die Fähigkeit, die es besitzt, um innerhalb der katholischen Einheit die Erfordernisse der verschiedenen Völker und Kulturen zum Ausdruck zu bringen.

Das geweihte Leben und die Teilkirche


48 Eine bedeutsame Rolle kommt den Personen des geweihten Lebens auch innerhalb der Teilkirchen zu. Ausgehend von der Lehre des Konzils über die Kirche als Gemeinschaft und Geheimnis und über die Teilkirchen als Teil des Gottesvolkes, in denen »die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche Christi wahrhaft wirkt und gegenwärtig ist«,ist dieser Aspekt in verschiedenen Nachfolgedokumenten vertieft und kodifiziert worden. Im Lichte dieser Texte zeigt sich mit aller Klarheit die fundamentale Bedeutung, die der Zusammenarbeit der Personen des geweihten Lebens mit den Bischöfen für die harmonische Entwicklung der Pastoral in der Diözese zukommt. Die Charismen des geweihten Lebens können viel zum Aufbau der Liebe in der Teilkirche beitragen.Die verschiedenen Formen, in denen die evangelischen Räte gelebt werden, sind in der Tat Ausdruck und Frucht der von den Stiftern und Stifterinnen empfangenen geistlichen Gaben und stellen als solche eine »Erfahrung des Geistes [dar], die den eigenen Schülern überliefert wurde, damit sie von ihnen gelebt, bewahrt, vertieft und ständig weiterentwickelt werden in der Übereinstimmung mit dem Leib Christi, der ständig im Wachsen begriffen ist«.Der eigene Charakter jedes Instituts enthält einen besonderen Stil der Heiligung und des Apostolats, der sich in einer bestimmten, von objektiven Elementen geprägten Tradition zu festigen sucht.Darum sorgt die Kirche dafür, dab die Institute dem Geist der Stifter und Stifterinnen und ihren gesunden Überlieferungen gemäb wachsen und sich entfalten.emzufolge wird den einzelnen Instituten eine gebührende Autonomie zuerkannt, kraft derer sie sich eine eigene Ordnung zunutze machen und ihr spirituelles und apostolisches Erbe unversehrt bewahren können. Diese Autonomie zu wahren und zu schützen ist Aufgabe der Ortsordinarien.Die Bischöfe werden daher ersucht, die Charismen des geweihten Lebens anzunehmen und zu achten, indem sie ihnen in den Entwürfen der diözesanen Pastoral Raum geben. Besondere Aufmerksamkeit müssen sie den Instituten diözesanen Rechts widmen, die der besonderen Sorge des Ortsbischofs anvertraut sind. Eine Diözese ohne geweihtes Leben würde nicht nur vieler geistlicher Gaben, geeigneter Orte für die Suche nach Gott, spezifischer apostolischer Aktivitäten und pastoraler Methoden verlustig gehen, sondern sie würde darüber hinaus Gefahr laufen, in hohem Mabe in jenem missionarischen Geist geschwächt zu werden, der der Mehrheit der Institute eigen ist.Daher verlangt es die Pflicht, der Gabe des geweihten Lebens, die der Geist in der Teilkirche schenkt, dadurch zu entsprechen, dab man sie hochherzig und voll Dankbarkeit annimmt.

Eine fruchtbare und geordnete kirchliche Gemeinschaft


49 Der Bischof ist Vater und Hirt der ganzen Teilkirche. Seine Zuständigkeit ist es, die einzelnen Charismen anzuerkennen und zu beachten, sie zu fördern und zu koordinieren. Er wird also in seiner pastoralen Liebe das Charisma des geweihten Lebens als Gnade annehmen, die nicht nur ein Institut betrifft, sondern zum Vorteil der ganzen Kirche ausströmt. Er wird so versuchen, den Personen des geweihten Lebens beizustehen und zu helfen, sich in Gemeinschaft mit der Kirche den spirituellen und pastoralen Perspektiven, die den Erfordernissen unserer Zeit entsprechen, in Treue zur Gründungsinspiration zu öffnen. Die Personen des geweihten Lebens werden es ihrerseits nicht versäumen, nach den eigenen Kräften und unter Wahrung des eigenen Charismas der Teilkirche grobzügig ihre Mitarbeit anzubieten, wobei sie im Bereich der Evangelisierung, der Katechese, und des Lebens der Pfarrgemeinden in voller Gemeinschaft mit dem Bischof tätig sind.Es sei daran erinnert, dab sich die Institute bei der Koordination des Dienstes an der Universalkirche mit jenem an der Teilkirche nicht auf die gebührende Autonomie und auch nicht auf die Exemtion berufen können, die viele von ihnen genieben,um Entscheidungen zu rechtfertigen, die zu den von einem heilsamen kirchlichen Leben an eine organische Gemeinschaft gestellten Erfordernissen tatsächlich im Widerspruch stehen. Statt dessen müssen die pastoralen Initiativen der Personen des geweihten Lebens auf der Basis eines freundlichen und offenen Dialogs zwischen Bischöfen und Oberen der verschiedenen Institute entschieden und in die Tat umgesetzt werden. Die besondere Aufmerksamkeit der Bischöfe für die Berufung und Sendung der Institute und die Achtung vor dem Amt der Bischöfe von seiten der Institute, die mit der Annahmebereitschaft der konkreten pastoralen Anweisungen für das diözesane Leben verbunden ist, stellen zwei eng miteinander verknüpfte Formen jener einzigartigen kirchlichen Liebe dar, die alle zum Dienst an der — charismatischen und zugleich hierarchisch gegliederten — organischen Gemeinschaft des ganzen Gottesvolkes verpflichtet.

Ein beständiger, von der Liebe beseelter Dialog


50 Zur Förderung des gegenseitigen Kennenlernens als unerläblicher Voraussetzung für eine tatkräftige Zusammenarbeit vor allem auf pastoralem Gebiet erweist sich ein ständiger Dialog der Oberen und Oberinnen der Institute des geweihten Lebens und der Gesellschaften des apostolischen Lebens mit den Bischöfen angebrachter als je zuvor. Dank dieser regelmäbigen Kontakte werden Obere und Oberinnen die Bischöfe über die apostolischen Initiativen, die sie in ihren Diözesen in die Wege zu leiten beabsichtigen, informieren können, um mit ihnen zu den für die Durchführung notwendigen Vereinbarungen zu gelangen. In gleicher Weise ist es angebracht, dab von den Konferenzen der höheren Ordensoberen und -oberinnen delegierte Personen zur Teilnahme an den Versammlungen der Bischofskonferenzen und umgekehrt, dab Delegierte der Bischofskonferenzen zu Konferenzen der höheren Ordensoberen und -oberinnen eingeladen werden; die entsprechenden Modalitäten dafür sind noch festzulegen. So gesehen, wird es von grobem Nutzen sein, dab dort, wo dies noch nicht geschehen ist, auf nationaler Ebene gemischte Kommissionen aus Bischöfen und höheren Ordensoberen und -oberinnengebildet und tätig werden, um miteinander Probleme von gemeinsamem Interesse zu untersuchen. Zum besseren gegenseitigen Kennenlernen wird auch die Aufnahme der Theologie und der Spiritualität des geweihten Lebens in den theologischen Studienplan der Diözesanpriester beitragen; und dasselbe gilt für das Einbringen einer entsprechenden Behandlung der Theologie der Teilkirche und der Spiritualität des Diözesanklerus bei der Ausbildung der Personen des geweihten Lebens.röstlich ist schlieblich daran zu erinnern, dab es auf der Synode nicht nur zahlreiche Beiträge zur Lehre über die Gemeinschaft gegeben hat, sondern auch grobe Genugtuung angesichts der in einem Klima des gegenseitigen Vertrauens und der Offenheit erlebten Erfahrung des Dialogs zwischen den anwesenden Bischöfen und Ordensleuten. Dies löste den Wunsch aus, dab »diese geistliche Erfahrung von Gemeinschaft und Zusammenarbeit sich auch nach Abschlub der Synode auf die ganze Kirche erstrecken möge«.Ich wünsche mir, dab die Gesinnung und die Spiritualität der Gemeinschaft in allen wachsen möge.

Die Geschwisterlichkeit in einer gespaltenen und ungerechten Welt


51 Die Kirche vertraut den Gemeinschaften des geweihten Lebens die besondere Aufgabe an, die Spiritualität der Gemeinschaft vor allem innerhalb der eigenen Gemeinschaft und dann in der kirchlichen Gemeinschaft und über deren Grenzen hinaus dadurch zu stärken, dab sie vor allem dort, wo die heutige Welt von Rassenhab oder mörderischem Wahn zerrissen ist, den Dialog der Liebe eröffnet bzw. immer wieder aufnimmt. Inmitten der verschiedenen Gesellschaften unserer Erde — Gesellschaften, die häufig von Leidenschaften und entgegengesetzten Interessen beeinträchtigt sind, die sich nach Einheit sehnen, jedoch unsicher bezüglich der einzuschlagenden Wege sind — stehen die Gemeinschaften des geweihten Lebens, in denen sich Menschen unterschiedlichen Alters und verschiedener Sprache und Kultur als Brüder und Schwestern begegnen, als Zeichen für einen Dialog, der immer möglich ist, und für eine Gemeinschaft, die die Unterschiede in harmonischen Einklang zu bringen vermag.Die Gemeinschaften des geweihten Lebens sind gehalten, durch das Zeugnis ihres Lebens den Wert der christlichen Brüderlichkeit und die verändernde Kraft der Frohen Botschaft zu verkünden,die alle als Kinder Gottes anerkennt und zur aufopfernden Liebe gegenüber allen drängt, besonders gegenüber den Geringsten. Diese Gemeinschaften sind Orte der Hoffnung und der Entdeckung der Seligpreisungen, Orte, an denen die aus dem Gebet, der Quelle der Gemeinschaft schöpfende Liebe zur Logik des Lebens und Quelle der Freude werden soll.In dieser Zeit, die von der weltweiten Ausdehnung der Probleme und zugleich vom Rückfall in die Idole des Nationalismus gekennzeichnet ist, haben vor allem die internationalen Institute die Aufgabe, den Sinn für die Gemeinschaft unter den Völkern, Rassen und Kulturen lebendig zu erhalten und zu bezeugen. In einem Klima der Brüderlichkeit wird die Offenheit für die weltweite Dimension der Probleme den Reichtum der einzelnen nicht ersticken, noch wird die Bejahung einer Eigenart Gegensatz zu den anderen oder Zwiespalt mit der Einheit hervorrufen. Die internationalen Institute können dies wirksam tun, indem sie sich doch selbst auf kreative Weise der Herausforderung der Inkulturation bei gleichzeitiger Wahrung ihrer Identität stellen müssen.

Gemeinschaft unter den verschiedenen Instituten


52 Die brüderliche geistliche Beziehung und die gegenseitige Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Instituten des geweihten Lebens und den Gesellschaften des apostolischen Lebens werden vom kirchlichen Gemeinschaftssinn getragen und genährt. Personen, die durch die gemeinsame Verpflichtung zur Nachfolge Christi miteinander verbunden und vom selben Heiligen Geist beseelt sind, müssen als Reben des einen Weinstocks die Fülle des Evangeliums der Liebe sichtbar bekunden. Die verschiedenen Stifter und Stifterinnen sind berufen, eingedenk der geistlichen Freundschaft, die sie auf Erden oft miteinander verbunden hat, in Treue zum Wesen ihres Instituts eine vorbildliche Geschwisterlichkeit zum Ausdruck zu bringen, die den anderen Mitgliedern der Kirche in ihrem täglichen Bemühen um die Bezeugung des Evangeliums Ansporn sein möge.Die Worte des hl. Bernhard bezüglich der verschiedenen Orden sind nach wie vor aktuell: »Ich bewundere sie alle. Einem von ihnen gehöre ich durch die Befolgung der Regel an, allen aber in der Liebe. Wir alle brauchen einander: das geistliche Gut, das ich nicht habe und nicht besitze, empfange ich von den anderen [...]. Die Kirche ist hier im irdischen Leben noch unterwegs und, wenn ich so sagen darf, pluralisch: wir haben es mit einer einzigartigen Pluralität und mit einer pluralischen Einheit zu tun. Und alle unsere Verschiedenheiten, die die Fülle der Gaben Gottes offenkundig machen, werden in dem einen Haus des Vaters, das viele Wohnungen umfabt, anzutreffen sein. Jetzt gibt es unterschiedliche Gnadengaben: dann wird es unterschiedliche Seligkeiten geben. Die Einheit besteht hier wie dort in ein und derselben Liebe«.

Koordinierungsorgane


53 Einen beachtlichen Beitrag zur Gemeinschaft können die Konferenzen der höheren Ordensoberen und -oberinnen sowie der Säkularinstitute leisten. Hauptzweck dieser Organe, die vom II. Vatikanischen Konzilund von nachfolgenden Dokumentenermutigt und geregelt wurden, ist die Förderung des geweihten Lebens im Gesamtgefüge der kirchlichen Sendung.Durch diese Konferenzen bringen die Institute die Gemeinschaft unter ihnen zum Ausdruck und suchen nach den Mitteln, um sie unter Achtung und Erschliebung der Besonderheit der verschiedenen Charismen zu stärken, in denen sich das Geheimnis der Kirche und die vielgestaltige Weisheit Gottes widerspiegelt.Ich ermutige die Institute des geweihten Lebens zur gegenseitigen Zusammenarbeit, insbesondere in jenen Ländern, in denen wegen besonderer Schwierigkeiten die Versuchung stark sein mag, sich auf sich selbst zurückzuziehen, zum Schaden des geweihten Lebens und der Kirche. Es ist jedoch erforderlich, dab sie sich gegenseitig in dem Bemühen helfen, den Plan Gottes in den gegenwärtigen Lasten der Geschichte zu begreifen zu suchen, um mit geeigneten apostolischen Initiativen besser darauf zu antworten.Vor diesem Horizont der Gemeinschaft, der offen ist für die Herausforderungen unserer Zeit, mögen die Oberen und Oberinnen »in Abstimmung mit den Bischöfen« versuchen, »sich das Wirken der besten Mitarbeiter jedes Instituts zunutze zu machen und Dienste anzubieten, die nicht nur etwaige Grenzen überwinden helfen, sondern einen gültigen Stil von Ordensausbildung hervorbringen sollen«.ie Konferenzen der höheren Ordensoberen und -oberinnen und die Konferenzen der Säkularinstitute fordere ich auf, als Bekundung ihrer Gemeinschaft mit dem Heiligen Stuhl auch häufige und regelmäbige Kontakte mit der Kongregation für die Institute des geweihten Lebens und die Gesellschaften des apostolischen Lebens zu pflegen. Eine aktive und vertrauensvolle Beziehung wird auch zu den Bischofskonferenzen der einzelnen Länder gepflegt werden müssen. Diese Beziehung soll im Geiste des Dokumentes Mutuae relationes zweckmäbigerweise eine feste Form annehmen, um auf diese Weise die ständige und rechtzeitige Koordination der nach und nach anstehenden Initiativen zu ermöglichen. Wenn dies alles beharrlich und im Geist treuer Befolgung der Anweisungen des Lehramtes durchgeführt wird, werden sich die Verbindungs- und Gemeinschaftsorgane als besonders nützlich erweisen, um Lösungen zu finden, die Unverständnis und Spannungen sowohl im theoretischen als auch im praktischen Bereich vermeiden;auf diese Weise werden sie nicht nur für das Wachsen der Gemeinschaft zwischen den Instituten des geweihten Lebens und den Bischöfen eine Hilfe sein, sondern auch für die Erfüllung der eigentlichen Sendung der Teilkirchen.

Gemeinschaft und Zusammenarbeit mit den Laien


54 Zu den Früchten der Lehre von der Kirche als Gemeinschaft gehörte in diesen Jahren das Sich-Bewubtwerden der Tatsache, dab ihre verschiedenen Glieder ihre Kräfte durch Zusammenarbeit und Austausch der Gaben vereinen können und sollen, um wirksamer an der kirchlichen Sendung teilzuhaben. Dies trägt zu einem klarer umrissenen und vollständigeren Bild der Kirche selbst bei und macht darüber hinaus durch den einmütigen Beitrag der unterschiedlichen Gaben die Antwort auf die groben Herausforderungen unserer Zeit wirksamer.Die Beziehungen zu den Laien gestalten sich seitens der monastischen und kontemplativen Institute als vorwiegend geistlich, während sie bei den Instituten, die sich dem Apostolat widmen, die Form pastoraler Zusammenarbeit annehmen. Die Mitglieder der Sälularinstitute, Laien wie Kleriker, treten mit den anderen Gläubigen im gewöhnlichen Alltagsleben in Beziehung. Nicht wenige Institute sind heute, häufig auf Grund neuer Situationen, zu der Überzeugung gelangt, dab sich ihr Charisma mit den Laien teilen läbt. Diese werden daher eingeladen, intensiver an der Spiritualität und an der Sendung des betreffenden Instituts teilzunehmen. Man kann sagen, dab im Gefolge historischer Erfahrungen, wie jener der verschiedenen Säkular- oder Drittorden, ein neues, hoffnungsvolles Kapitel in der Geschichte der Beziehungen zwischen den Personen des geweihten Lebens und den Laien begonnen hat.

Für eine erneuerte geistliche und apostolische Tatkraft


55 Diese neuen Wege von Gemeinschaft und Zusammenarbeit verdienen aus verschiedenen Gründen ermutigt zu werden. Vor allem wird von diesen die Ausstrahlung tätiger Spiritualität über die Grenzen des Instituts hinaus gehen können, das auf diese Weise mit neuen Energien rechnen wird, auch um die Kontinuität mancher seiner typischen Formen des Dienstes für die Kirche sicherzustellen. Eine weitere positive Folge kann sodann die Erleichterung eines intensiveren Zusammenwirkens zwischen Personen des geweihten Lebens und den Laien im Hinblick auf die Mission sein: von den Beispielen der Heiligkeit von Personen des geweihten Lebens angeleitet, werden die Laien in die unmittelbare Erfahrung des Geistes der evangelischen Räte eingeführt und werden so ermutigt, den Geist der Seligpreisungen angesichts der Umgestaltung der Welt im Sinne Gottes zu leben und zu bezeugen.ie Beteiligung der Laien führt nicht selten zu unerwarteten und fruchtbaren Vertiefungen mancher Aspekte des Charismas, indem diese eine spirituellere Deutung dieses Charismas erweckt und den Anstob gibt, Hinweise für neue apostolische Tatkräfte zu geben. Die Personen des geweihten Lebens sollen sich daher bei jeder Tätigkeit und jedem Dienst, mit dem sie betraut sind, erinnern, dab sie vor allem erfahrene Führer und Begleiter des geistlichen Lebens sein müssen, und sie sollen unter dieser Perspektive »das kostbarste Talent: den Geist«pflegen. Die Laien ihrerseits sollen den Ordensfamilien den wertvollen Beitrag ihrer Weltlichkeit und ihres besonderen Dienstes anbieten.

Freiwillige und assoziierte Laien


56 Eine bedeutende Ausdrucksform der Teilnahme der Laien an den Reichtümern des geweihten Lebens ist der Beitritt der Gläubigen im Laienstand zu den verschiedenen Instituten in der neuen Form der sogenannten assoziierten Mitglieder oder, je nach den in einigen kulturellen Umfeldern vorhandenen Bedürfnissen, der Beitritt von Personen, die sich für einen bestimmten Zeitabschnitt der Aufgaben des Gemeinschaftslebens und der besonderen beschaulichen und apostolischen Hingabe annehmen, natürlich immer vorausgesetzt, dab die Identität des Instituts in seinem internen Leben dadurch keinen Schaden erleidet.s ist durchaus richtig, dem Volontariat, das aus den Reichtümern des geweihten Lebens schöpft, hohe Wertschätzung entgegenzubringen; es mub jedoch für dessen Formation gesorgt werden, damit die freiwilligen Laien auber der sachlichen Kompetenz immer tiefgründige übernatürliche Motivationen für ihre Vorhaben sowie einen lebendigen Sinn für Gemeinschaft und Kirche bei ihren Projekten haben.Ferner ist zu bedenken, dab Initiativen, bei denen auch auf Entscheidungsebene Laien mitwirken, damit diese als Werke eines bestimmten Instituts betrachtet werden, dessen Ziele verfolgen und unter dessen Verantwortung durchgeführt werden müssen. Wenn also Laien die Leitung übernehmen, werden sie den zuständigen Oberen und Oberinnen gegenüber die Verantwortung für diese Durchführung tragen. All dies sollte durch geeignete Vorschriften der einzelnen Institute geprüft und geregelt werden, die von der vorgesetzten Autorität genehmigt sind und in denen die jeweiligen Kompetenzen des Instituts selbst, der Kommunitäten und der assoziierten oder freiwilligen Mitglieder vorgesehen sind.Die von ihren Oberen und Oberinnen entsandten und abhängigen Personen des geweihten Lebens können sich mit Sonderformen von Zusammenarbeit an Laieninitiativen beteiligen, besonders in Organisationen und Einrichtungen, die sich der Randgruppen annehmen und sich die Linderung menschlichen Leides zum Ziel setzen. Wenn diese Zusammenarbeit von einer klaren und starken christlichen Identität beseelt und getragen wird und das dem geweihten Leben eigene Wesen berücksichtigt, vermag sie in den dunkelsten Situationen des menschlichen Daseins die Leuchtkraft des Evangeliums zum Strahlen zu bringen.In diesen Jahren sind zahlreiche Personen des geweihten Lebens einer der kirchlichen Bewegungenbeigetreten, die sich in unserer Zeit entwickelt haben. Aus solchen Erfahrungen ziehen die Interessierten im allgemeinen Nutzen, besonders auf der Ebene der geistlichen Erneuerung. Doch läbt sich nicht leugnen, dab dies in einigen Fällen Unbehagen und Verwirrung im persönlichen und kommunitären Bereich auslöst, besonders dann, wenn diese Erfahrungen mit den Anforderungen des Gemeinschaftslebens und der Spiritualität des Instituts in Konflikt geraten. Man wird daher Sorge tragen müssen, dab der Beitritt zu den kirchlichen Bewegungen unter Beachtung des Charismas und der Disziplin des eigenen Instituts,unter Zustimmung der Oberen und Oberinnen und in voller Verfügbarkeit zur Annahme ihrer Entscheidungen erfolgt.

Die Würde und die Rolle der Frau des geweihten Lebens


57 Die Kirche enthüllt vollständig ihren vielgestaltigen geistlichen Reichtum, wenn sie nach Überwindung der Diskriminierungen die von Gott sowohl auf die Männer als auch auf die Frauen ausgegossenen Gaben als wahren Segen empfängt und sie alle in ihrer gleichen Würde anerkennt. Die Frauen des geweihten Lebens sind in ganz besonderer Weise dazu berufen, durch ihre in Fülle und mit Freude gelebte Hingabe ein Zeichen für Gottes Zärtlichkeit gegenüber dem Menschengeschlecht und ein besonderes Zeugnis des Geheimnisses der Kirche zu sein, die Jungfrau, Braut und Mutter ist.Die Sendung der Frauen des geweihten Lebens trat natürlich auch bei der Synode zutage, an der sie in grober Zahl teilnahmen und sich zu Wort melden konnten –und ihre Stimme wurde gehört und von allen geschätzt. Auch aus ihren Beiträgen haben sich nützliche Anleitungen für das Leben der Kirche und deren Evangelisierungsauftrag ergeben. Sicher mub man viele Forderungen, die die Stellung der Frau in verschiedenen gesellschaftlichen und kirchlichen Bereichen betreffen, als berechtigt anerkennen. In gleicher Weise gilt es hervorzuheben, dab das neue Bewubtsein der Frau auch den Männern hilft, ihre Denkmuster, ihr Selbstverständnis und die Art und Weise zu überprüfen, wie sie sich in der Geschichte etablieren und diese auslegen, wie sie ihr soziales, politisches, wirtschaftliches, religiöses und kirchliches Leben gestalten.Die Kirche, die von Christus eine Botschaft der Befreiung empfangen hat, hat den Auftrag, diese prophetisch zu verbreiten, indem sie Denk- und Verhaltensweisen fördert, die dem Willen des Herrn entsprechen. In diesem Zusammenhang kann die Frau des geweihten Lebens, ausgehend von ihrer Erfahrung von Kirche und von der Frau in der Kirche, zur Beseitigung mancher einseitiger Ansichten beitragen, die nicht die volle Anerkennung ihrer Würde, ihres spezifischen Beitrags zum Leben und zum pastoralen und missionarischen Wirken der Kirche zum Ausdruck bringen. Deshalb ist das Bestreben der Frau des geweihten Lebens gerechtfertigt, ihre Identität, ihre Fähigkeit, ihre Sendung, ihre Verantwortung sowohl im Bewubtsein der Kirche als auch im täglichen Leben klarer anerkannt zu sehen.Auch die Zukunft der Neuevangelisierung, wie übrigens aller anderen Formen missionarischer Tätigkeit, ist ohne einen erneuerten Beitrag der Frauen, insbesondere der Frauen des geweihten Lebens undenkbar.


Vita consecrata DE 44