Vita consecrata DE 58

Neue Perspektiven für Präsenz und Tätigkeit


58 Es bedarf daher dringend einiger konkreter Schritte, davon ausgehend, dab den Frauen Räume zur Mitwirkung in verschiedenen Bereichen und auf allen Ebenen eröffnet werden, auch in den Prozessen der Entscheidungsfindung, vor allem dort, wo es um sie selbst geht.Notwendig ist auch, dab die Ausbildung der Frauen ebenso wie die der Männer des geweihten Lebens den neuen Erfordernissen angepabt wird und genügend Zeit und brauchbare institutionelle Möglichkeiten für eine systematische Erziehung vorgesehen sind, die alle Gebiete, von der theologisch-pastoralen Ausbildung bis zur beruflichen Praxis, umfassen soll. Die stets wichtige pastorale und katechetische Ausbildung gewinnt im Hinblick auf die Neuevangelisierung besondere Bedeutung, die auch von den Frauen neue Formen der Mitwirkung verlangt.Man kann davon ausgehen, dab die Vertiefung bei der Ausbildung der Frau des geweihten Lebens zu einem besseren Verständnis ihrer eigenen Gaben verhilft und auch Anregung zur notwendigen Gegenseitigkeit innerhalb der Kirche sein wird. Auch auf dem Gebiet der theologischen, kulturellen und spirituellen Reflexion darf man sich vom Genius der Frau viel erwarten, nicht nur in bezug auf die besondere Eigenart des geweihten Lebens, sondern auch was das Verständnis des Glaubens in allen seinen Ausdrucksformen betrifft. Wieviel hat in diesem Zusammenhang die Geschichte der Spiritualität einer hl. Theresia von Jesus und einer hl. Katharina von Siena, den beiden ersten mit dem Titel Kirchenlehrer ausgezeichneten Frauen, und vielen anderen Mystikerinnen zu verdanken, was die Erforschung des Geheimnisses Gottes und die Analyse seiner Wirkung auf den Gläubigen betrifft! Die Kirche zählt sehr auf die Frauen des geweihten Lebens wegen ihres ureigenen Beitrags in der Förderung der Lehre, der Bräuche, und selbst des Familien- und Gesellschaftslebens, besonders was die Würde der Frau und die Achtung vor dem menschlichen Leben angeht.Denn »die Frauenhaben einen einzigartigen und vielleicht entscheidenden Denk- und Handlungsspielraum: sie sind es, die einen ‘neuen Feminismus' fördern müssen, der, ohne in die Versuchung zu verfallen, ‘Männlichkeits'-Vorbildern nachzujagen, durch den Einsatz zur Überwindung jeder Form von Diskriminierung, Gewalt und Ausbeutung den echten weiblichen Geist in allen Ausdrucksformen des bürgerlichen Zusammenlebens zu erkennen und zu bekunden versteht«.s besteht Grund zu der Hoffnung, dab sich das geweihte Leben der Frau durch eine fundiertere Anerkennung der Sendung der Frau immer stärker der eigenen Rolle und ihrer gesteigerten Hingabe an das Gottesreiches bewubt wird. Das wird sich in vielfältige Werke umsetzen lassen, wie in den Einsatz für die Evangelisierung, die Erziehungstätigkeit, die Mitwirkung an der Ausbildung der künftigen Priester und der Personen des geweihten Lebens, die Beseelung der christlichen Gemeinde, die geistliche Begleitung und die Förderung der grundlegenden Güter des Lebens und des Friedens. Den Frauen des geweihten Lebens und ihrer aubergewöhnlichen Fähigkeit zur Hingabe spreche ich noch einmal die Bewunderung und Dankbarkeit der ganzen Kirche aus, die ihnen beisteht, damit sie ihre Berufung in Fülle und mit Freude leben und sich zu der erhabenen Aufgabe aufgefordert wissen, mitzuhelfen bei der Ausbildung der Frau von heute.


II. BESTANDIGKEIT IM WIRKEN DES GEISTES: TREUE IN DER NEUERUNG

Die Schwestern in der Klausur


59 Besondere Aufmerksamkeit verdienen das Klosterleben der Frau und die Schwestern in der Klausur wegen der Hochachtung, die die christliche Gemeinschaft dieser Lebensform entgegenbringt, die ein Zeichen der ausschlieblichen Vereinigung der bräutlichen Kirche mit dem über alles geliebten Herrn ist. Das Leben der Schwestern in der Klausur, die sich hauptsächlich dem Gebet, der Askese und dem leidenschaftlichen Vorankommen im geistlichen Leben widmen, ist in der Tat »nichts anderes als ein Streben nach dem himmlischen Jerusalem, eine Vorwegnahme der endzeitlichen Kirche, unverwandt ausgerichtet auf den Besitz und die Anschauung Gottes«.Im Lichte dieser kirchlichen Berufung und Sendung entspricht die Klausur dem als prioritär erkannten Bedürfnis, beim Herrn zu sein. Durch die Wahl eines begrenzten Raumes als Lebensort nehmen die Schwestern in der Klausur an der tiefen Demut Christi teil durch eine radikale Armut, die sich im Verzicht nicht nur auf Dinge, sondern auch auf den »Raum«, auf die Kontakte und auf so viele Güter der Schöpfung ausdrückt. Diese besondere Art, den »Leib« zu schenken, führt sie mit mehr Feingefühl in das eucharistische Geheimnis ein. Sie bringen sich mit Jesus für das Heil der Welt dar. Über den Aspekt des Opfers und der Sühne hinaus erwirbt ihre Hingabe auch den Aspekt der Danksagung an den Vater in der Teilhabe an der Danksagung des geliebten Sohnes.Die in dieser geistlichen Spannung verwurzelte Klausur ist nicht nur ein asketisches Mittel von sehr hohem Wert, sondern eine Art und Weise, das Ostern Christi zu leben.Aus Erfahrung des »Todes« wird die Klausur Überflub des Lebens, indem sie sich als frohe Ankündigung und prophetische Vorwegnahme der jedem einzelnen und der ganzen Menschheit angebotenen Möglichkeit darstellt, allein für Gott in Christus Jesus zu leben (vgl. Röm Rm 6,11). Die Klausur ruft also jene Kammer des Herzens wach, in der jeder berufen ist, die Einheit mit dem Herrn zu leben. Als Geschenk empfangen und als freie Antwort der Liebe gewählt ist die Klausur der Ort der geistlichen Gemeinschaft mit Gott und mit den Brüdern und Schwestern, wo die Raum- und Kontaktbeschränkung zum Vorteil der Verinnerlichung der evangelischen Räte gereicht (vgl. Joh Jn 13,34 Mt 5,3 Mt 5,8).Die Klausurgemeinschaften, die die Stadt auf dem Berg und das Licht auf dem Leuchter (vgl. Mt Mt 5,14-15) darstellen, versinnbildlichen bei aller Einfachheit ihres Lebens sichtbar das Ziel, auf das die ganze Gemeinschaft der Kirche zugeht, die »voll Eifer der Tätigkeit hingegeben und doch frei für die Beschauung«auf den Straben der Zeit vorwärtsgeht, den Blick fest auf die künftige Erneuerung von allem in Christus gerichtet, wenn die Kirche mit ihrem Bräutigam vereint in Herrlichkeit erscheint (vgl. Kol Col 3,1-4)«und Christus »jede Macht, Gewalt und Kraft vernichtet hat und seine Herrschaft Gott, dem Vater, übergibt [...], damit Gott herrscht über alles und in allem« (1Co 15,24 1Co 15,28).Diesen geliebten Schwestern gilt deshalb meine Dankbarkeit und die Ermunterung, dem Klausurleben gemäb ihrem Charisma treu zu bleiben. Dank ihres Beispiels verzeichnet diese Lebensform ständig zahlreiche Berufungen, die von der Radikalität eines »bräutlichen« Daseins angezogen sind, das sich Gott in der Kontemplation vollkommen hingibt. Als Ausdruck reiner Liebe, die mehr wert ist als jedes Werk, entfaltet das kontemplative Leben eine auberordentliche apostolische und missionarische Wirksamkeit.ie Synodenväter haben dem Wert des Klausurlebens gegenüber hohe Anerkennung zum Ausdruck gebracht und gleichzeitig die hie und da vorgetragenen Anfragen bezüglich dessen konkreter Ordnung geprüft. Die Hinweise der Synode zum Thema und besonders der Wunsch nach einem stärkeren Verantwortungsbewubtmachen der höheren Oberinnen auf dem Gebiet der Teilaufhebung der Klausur aus einem gerechten und schwerwiegenden Grundwerden zum Gegenstand einer organischen Überlegung auf der Linie des Weges der vom II. Vatikanischen Konzil ausgehenden und bereits verwirklichten Erneuerung.Auf diese Weise wird die Klausur in den verschiedenen Formen und Stufen– von der päpstlichen und der konstitutionsmäbigen bis hin zur monastischen Klausur– der Verschiedenheit der kontemplativen Institute und der Traditionen der Klöster besser entsprechen.Wie die Synode weiter betont hat, sollen darüber hinaus die Vereinigungen undFöderationen zwischen Klöstern gefördert werden, wie sie schon von Pius XII. und vom II. Vatikanischen Konzil empfohlen wurden,besonders dort, wo keine anderen wirksamen Formen der Koordinierung und der Hilfe bestehen, um die Werte des kontemplativen Lebens zu schützen und zu fördern. Unter Berücksichtigung der rechtmäbigen Autonomie der Klöster können derartige Organismen in der Tat eine wirksame Hilfe bieten zu angemessener Lösung gemeinsamer Probleme, wie der vorteilhaften Erneuerung der Aus- und Weiterbildung, der gegenseitigen wirtschaftlichen Unterstützung und auch der Reorganisation der Klöster selbst.

Die Ordensbrüder


60 Gemäb der überlieferten Lehre der Kirche ist das geweihte Leben seiner Natur nach weder laikal noch klerikal ,und darum stellt die »Weihe von Laien«, von Männern wie Frauen, einen in sich vollkommenen Stand der Gelübde der evangelischen Räte dar.Sie hat daher sowohl für die betreffende Person als auch für die Kirche einen eigenen Wert, unabhängig vom Weiheamt.Entsprechend der Lehre des II. Vatikanischen Konzilshat die Synode hohe Wertschätzung für diese Form des geweihten Lebens ausgesprochen, in der die Ordensbrüder innerhalb und auberhalb der Kommunität verschiedene und wertvolle Dienste vollbringen und so an dem Sendungsauftrag teilnehmen, das Evangelium zu verkünden und es im täglichen Leben durch die Liebe zu bezeugen. Denn einige dieser Dienste können als kirchliche Dienstämterbetrachtet werden, die die rechtmäbige Autorität ihnen überträgt. Dies erfordert eine angemessene und vollständige Ausbildung: menschlich, geistlich, theologisch, pastoral und beruflich.Nach geltendem Sprachgebrauch heiben die Institute, die durch Entscheidung des Stifters oder kraft einer rechtmäbigen Überlieferung eine Eigenart und Zielsetzung haben, die nicht die Ausübung der heiligen Weihe einschlieben, »laikale Institute«.Doch wurde auf der Synode klar herausgestellt, dab diese Bezeichnung die besondere Eigenart der Berufung der Mitglieder solcher Ordensinstitute nicht angemessen zum Ausdruck bringt. Denn auch wenn sie viele Dienste ausführen, die ebenso den gläubigen Laien gemeinsam sind, tun sie es mit ihrer Identität geweihter Personen und bringen so den Geist der Ganzhingabe an Christus und an die Kirche gemäb ihrem spezifischen Charisma zum Ausdruck.Um jede Zweideutigkeit und Verwechslung mit dem Weltcharakter der gläubigen Laien zu vermeiden,haben deshalb die Synodenväter die Bezeichnung Ordensinstitute der Brüdervorgeschlagen.Der Vorschlag ist bedeutungsvoll, vor allem wenn man bedenkt, dab die Bezeichnung »Bruder« auch auf eine reiche Spiritualität hinweist. »Diese Ordensmänner sind berufen, Brüder Christi zu sein, mit ihm, ‘dem Erstgeborenen von vielen Brüdern' (Rm 8,29), eng verbunden; Brüder untereinander zu sein in der gegenseitigen Liebe und in der Zusammenarbeit im selben Dienst zum Wohl der Kirche; Brüder eines jeden Menschen zu sein durch das Zeugnis der Liebe Christi zu allen, besonders den Niedrigsten und Bedürftigsten; Brüder zu sein für eine gröbere Brüderlichkeit in der Kirche«.Während die »Ordensbrüder« in besonderer Weise diesen Aspekt des christlichen und zugleich geweihten Lebens leben, erinnern sie die Ordenspriester wirksam an die fundamentale Dimension der Brüderlichkeit in Christus, die untereinander und mit jedem Menschen gelebt werden mub, und verkündigen allen das Wort des Herrn: »Ihr alle seid Brüder« (Mt 23,8).In diesen »Ordensinstituten der Brüder« hindert nichts daran, dab einige Mitglieder für den priesterlichen Dienst in der eigenen Ordenskommunität die heiligen Weihen empfangen,wenn das Generalkapitel dies festgelegt hat. Doch das II. Vatikanische Konzil bietet dazu keine ausdrückliche Ermutigung, eben weil es wünscht, dab die Institute der Brüder ihrer Berufung und Sendung treu bleiben. Das gilt auch für den Zugang zum Amt des Superiors, wenn man bedenkt, dab dies in besonderer Weise die Natur des Instituts widerspiegelt.Anders ist die Berufung der Brüder in jenen Instituten, die als »klerikal« bezeichnet werden, weil sie aufgrund des Planes des Stifters oder kraft einer rechtmäbigen Überlieferung die Ausübung der heiligen Weihe vorsehen, unter der Leitung von Klerikern stehen und von der Autorität der Kirche als solche anerkannt sind.In diesen Instituten ist das Weiheamt eben grundlegend für das Charisma und bestimmt dessen Eigenart, Zielsetzung und Geist. Die Anwesenheit von Brüdern stellt eine differenzierte Beteiligung am Auftrag des Instituts durch Dienste dar, die im Zusammenwirken mit jenen, die das Priesteramt ausüben, sowohl innerhalb der Kommunitäten als auch in den apostolischen Werken geleistet werden.

Gemischte Institute


61 Einige Ordensinstitute, die aufgrund des ursprünglichen Planes des Stifters die Gestalt von Brüdergemeinschaften hatten, in denen alle Mitglieder – Priester und Nichtpriester – untereinander als gleich angesehen wurden, haben im Laufe der Zeit einen verschiedenen Charakter angenommen. Diese sogenannten »gemischten« Institute sollen auf der Grundlage der Vertiefung des eigenen Gründungscharismas erwägen, ob eine Rückkehr zur ursprünglichen Inspiration angebracht und möglich ist.Die Synodenväter haben den Wunsch geäubert, dab in diesen Instituten allen Personen des geweihten Lebens gleiche Rechte und Pflichten zuerkannt werden, ausgenommen jene, die sich aus der heiligen Weihe ergeben.Zur Prüfung und Lösung der mit dieser Frage verbundenen Probleme ist eine eigene Kommission eingerichtet worden, deren Beschlüsse man abwarten sollte, um dann entsprechend der autoritätsgemäben Entscheidung die angebrachten Wahlen zu treffen.

Neue Formen evangelischen Lebens


62 Der Heilige Geist, der zu verschiedenen Zeiten zahlreiche Formen des geweihten Lebens geweckt hat, steht der Kirche unaufhörlich bei sowohl dadurch, dab er in den bereits bestehenden Instituten das Engagement zur Erneuerung in Treue zum ursprünglichen Charisma fördert, als auch dadurch, dab er Männern und Frauen unserer Zeit neue Charismen zuteilt, damit sie Institutionen ins Leben rufen, die auf die Herausforderungen von heute eine Antwort geben können. Ein Zeichen für dieses göttliche Eingreifen sind die sogenannten Neugründungen , die im Vergleich zu den herkömmlichen Instituten in gewisser Weise originelle Wesenszüge aufweisen.Die Originalität der neuen Gemeinschaften besteht häufig darin, dab es sich um gemischte Gruppen aus Frauen und Männern, aus Klerikern und Laien, aus Verheirateten und zölibatär Lebenden handelt, die einen besonderen Lebensstil befolgen, der sich bisweilen an der einen oder anderen traditionellen Form inspiriert oder sich an die Bedürfnisse der heutigen Gesellschaft anpabt. Auch die Verpflichtung zu einem Leben nach dem Evangelium findet in unterschiedlichen Formen Ausdruck, während als allgemeine Ausrichtung sich ein intensives Verlangen nach dem Gemeinschaftsleben, nach der Armut und nach dem Gebet abzeichnet. Die Leitung wird je nach ihren Kompetenzen Klerikern und Laien übertragen, und das apostolische Ziel öffnet sich den Erfordernissen der Neuevangelisierung.Wenn auch angesichts des Wirkens des Geistes einerseits Grund zur Freude besteht, mub man andererseits die Unterscheidung der Charismen vornehmen. Um von geweihtem Leben sprechen zu können, gilt grundsätzlich, dab sich die spezifischen Wesenszüge der neuen Gemeinschaften und Lebensformen tatsächlich auf die dem geweihten Leben eigenen wesentlichen theologischen und kanonischen Elemente gründen.Diese Unterscheidung ist sowohl auf Orts- als auch auf Universalebene notwendig, um dem einen Geist gemeinsam Gehorsam zu leisten. In den Diözesen überprüfe der Bischof das Lebenszeugnis und die Rechtgläubigkeit von Stiftern und Stifterinnen solcher Gemeinschaften, ihre Spiritualität, die kirchliche Gesinnung bei der Erfüllung ihrer Sendung, die Ausbildungsmethoden und die Formen der Eingliederung in die Gemeinschaft; er beurteile mit Weisheit eventuelle Schwachheiten, indem er geduldig auf die Überprüfung der Früchte wartet, um die Echtheit des Charismas erkennen zu können (vgl. Mt Mt 7,16).Insbesondere wird er ersucht, im Lichte klarer Kriterien die Eignung all derer in diesen Gemeinschaften festzustellen, die um Zulassung zu den heiligen Weihen bitten.raft desselben Unterscheidungsgrundsatzes können in die besondere Kategorie des geweihten Lebens jene an sich lobenswerten Formen des Engagements nicht einbezogen werden, das einige christliche Eheleute in kirchlichen Vereinigungen oder Bewegungen zeigen, wenn sie in der Absicht, ihre Liebe, die schon »geweiht« ist wie im Ehesakramentzur Vollkommenheit zu bringen, mit einem Gelübde die Pflicht der eigenen Keuschheit im Eheleben bestätigen und, ohne ihre Pflichten gegenüber den Kindern zu vernachlässigen, die Armut und den Gehorsam geloben.Die notwendige Präzisierung bezüglich der Art einer solchen Erfahrung möchte diesen besonderen, an seinen Gaben und Anregungen unendlich reichen Weg der Heiligung, an der das Wirken des Heiligen Geistes sicher nicht unbeteiligt ist, nicht unterbewerten.Angesichts des groben Reichtums an Gaben und Erneuerungsimpulsen scheint es zweckmäbig, eine Kommission für Fragen in bezug auf die neuen Formen des geweihten Lebens mit dem Ziel zu errichten, Kriterien für die Echtheit festzulegen, die bei der Unterscheidung und bei den Entscheidungen hilfreich sein sollen.Diese Kommission wird unter anderen Aufgaben im Lichte der Erfahrung der letzten Jahrzehnte bewerten müssen, welche neuen Weiheformen die kirchliche Autorität mit pastoraler Klugheit und zum allgemeinen Nutzen offiziell anerkennen und den Gläubigen, die nach einem vollkommeneren christlichen Leben verlangen, vorschlagen könne.Diese neuen Vereinigungen eines Lebens nach dem Evangelium sind keine Alternativen zu den früheren Institutionen, die weiter den hervorragenden Platz einnehmen, den die Überlieferung ihnen eingeräumt hat. Auch die neuen Formen sind eine Gabe des Geistes, damit die Kirche ihrem Herrn mit steter hochherziger Begeisterung folge und aufmerksam auf den Ruf Gottes achte, der sich durch die Zeichen der Zeit offenbart. So zeigt sie sich der Welt in der Mannigfaltigkeit der Formen von Heiligkeit und Diensten, was »Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit«ist. Die alten Institute, von denen viele zwar härteste Prüfungen durchgemacht, aber sich Jahrhunderte lang tapfer gehalten haben, können eine Bereicherung erfahren, wenn sie mit den in unserer Zeit entstehenden Gründungen den Dialog aufnehmen und Gaben austauschen.Auf diese Weise wird die Lebenskraft der verschiedenen Einrichtungen des geweihten Lebens, von den ältesten bis zu den jüngsten, ebenso wie die Lebendigkeit der neuen Gemeinschaften die Treue zum Heiligen Geist fördern, der Ursprung der Gemeinschaft und ewiger Erneuerung des Lebens ist.


III. DER BLICK IN DIE ZUKUNFT

Schwierigkeiten und Perspektiven


63 Die Veränderungen, die in der Gesellschaft in Gang sind, und der Rückgang an Berufungen lasten schwer auf dem geweihten Leben in einigen Gegenden der Welt. Die apostolischen Werke vieler Institute und selbst ihre Anwesenheit in manchen Ortskirchen stehen auf dem Spiel. Wie schon öfter in der Geschichte, gibt es sogar Institute, deren Existenz Gefahr läuft aufzuhören. Die Universalkirche ist ihnen auberordentlich dankbar für den grobartigen Beitrag, den sie durch ihr Zeugnis und ihren Dienst zum Aufbau der Kirche geleistet haben.Die heutige besorgniserregende Situation macht ihre Verdienste und die Früchte, die dank ihrer Mühen zur Reife gelangten, keineswegs zunichte.Für andere Institute wiederum stellt sich mehr das Problem der Reorganisation der Werke. Diese nicht einfache und nicht selten schmerzvolle Aufgabe erfordert Studium und Unterscheidung im Licht bestimmter Kriterien. So gilt es zum Beispiel den Sinn des eigenen Charismas zu wahren, das geschwisterliche Leben zu fördern, die Bedürfnisse sowohl der Gesamt- als auch der Teilkirche zu berücksichtigen, sich um das zu kümmern, was die Welt vernachlässigt, grobzügig und mutig, wenn auch mit notgedrungen spärlichen Eingriffen, auf die neuen Formen von Armut, vor allem an den verlassensten Orten, zu antworten.ie verschiedenen Schwierigkeiten, die vom Rückgang an Personal und an Initiativen herrühren, dürfen auf keinen Fall zu einem Vertrauensverlust in die evangelische Kraft des geweihten Lebens führen, die in der Kirche immer vorhanden und wirksam sein wird. Auch wenn die einzelnen Institute kein Vorrecht auf ihren Fortbestand haben, wird das geweihte Leben weiterhin unter den Gläubigen die Antwort der Liebe zu Gott und zu den Brüdern und Schwestern fördern. Darum gilt es, diehistorische Wechselfolge eines bestimmten Instituts oder einer Form des geweihten Lebens von der kirchlichen Sendung des geweihten Lebens als solchem zu unterscheiden. Ersteres kann sich mit der Veränderung der Situationen ändern, die zweite aber ist zum Nichtvergehen bestimmt.Das gilt sowohl für das geweihte Leben in der kontemplativen Form als auch für jenes, das sich den Werken des Apostolats widmet. Es ist in seiner Gesamtheit unter dem immer neuen Wirken des Geistes bestimmt, weiterzubestehen als leuchtendes Zeugnis der unauflöslichen Einheit von Gottesliebe und Nächstenliebe, als lebendige Erinnerung an die auch menschliche und soziale Fruchtbarkeit der Gottesliebe. Man mub sich daher den neuen Notsituationen mit der Gelassenheit desjenigen stellen, der weib, dab von jedem einzelnen nicht so sehr der Erfolg als die Verpflichtung zur Treue verlangt wird. Was unbedingt vermieden werden mub, ist die wirkliche Niederlage des geweihten Lebens, die nicht in der zahlenmäbigen Abnahme, sondern im Schwinden der geistlichen Hinwendung zum Herrn und zur eigenen Berufung und Sendung besteht. Hingegen wird durch treues Ausharren in ihr mit grober Wirksamkeit auch gegenüber der Welt das eigene feste Vertrauen in den Herrn der Geschichte bekannt, in dessen Händen die Zeit und die Geschicke der einzelnen, der Institutionen, der Völker und somit auch die geschichtliche Ausführung seiner Gaben liegen. Die schmerzlichen Krisensituationen sind für die Personen des geweihten Lebens ein Ansporn, mit Festigkeit den Glauben an den Tod und die Auferstehung Christi zu verkünden, um zum sichtbaren Zeichen des Durchgangs vom Tod zum Leben zu werden.

Neuaufschwung der Berufungspastoral


64 Die Sendung des geweihten Lebens und die Lebenskraft der Institute hängen gewib von der Treueverpflichtung ab, mit der die Personen des geweihten Lebens auf ihre Berufung antworten, sie haben aber nur in dem Mabe Zukunft, in dem andere Männer und Frauen den Ruf des Herrn hochherzig annehmen. Das Problem der Berufungen ist eine echte Herausforderung, die direkt die Institute betrifft, aber die ganze Kirche mit einbezieht. Auf dem Gebiet der Berufungspastoral werden grobe geistige und materielle Energien eingesetzt, doch die Ergebnisse entsprechen nicht immer den Erwartungen und Anstrengungen. So kann es geschehen, dab die Berufungen zum geweihten Leben in den jungen Kirchen und in jenen, die unter Verfolgungen durch totalitäre Regime gelitten haben, blühen, während es in den traditionellerweise an Berufungen– auch für die Mission– reichen Ländern mangelt.Diese schwierige Lage stellt die Personen des geweihten Lebens auf die Probe und sie fragen sich mitunter: haben wir etwa die Fähigkeit verloren, neue Berufungen anzuziehen? Man mub Vertrauen in den Herrn Jesus setzen, der immer noch in seine Nachfolge ruft, und sich dem Heiligen Geist anvertrauen, dem Urheber und Anstifter der Charismen des geweihten Lebens. Während wir uns also über das Wirken des Geistes freuen, der die Braut Christi dadurch verjüngt, dab er das geweihte Leben in vielen Nationen blühen läbt, müssen wir inständig zum Herrn der Ernte beten, damit er Arbeiter in seine Kirche sende, um sie für die dringenden Erfordernisse der Neuevangelisierung bereit zu machen (vgl. Mt Mt 9,37-38). Auber der Förderung des Gebets um Berufungen ist es dringend notwendig, sich durch eine klare Verkündigung und eine entsprechende Katechese darum zu bemühen, bei den zum geweihten Leben Berufenen jene freie, aber bereite und hochherzige Antwort zu fördern, die die Gnade der Berufung wirksam werden läbt.Die Einladung Jesu: »Kommt und seht!« (Jn 1,39) ist noch heutedie goldene Regel der Berufungspastoral. Diese setzt sich zum Ziel, nach dem Beispiel der Stifter und Stifterinnen den Glanz der Person des Herrn Jesus und die Schönheit der Ganzhingabe seiner selbst an die Sache des Evangeliums zu zeigen. Vorrangige Aufgabe aller Personen des geweihten Lebens ist es also, mutig durch Wort und Beispiel das Ideal der Nachfolge Christi vorzustellen und dann die Antwort auf die Impulse des Heiligen Geistes in den Herzen der Berufenen zu unterstützen.Auf die Begeisterung der ersten Begegnung mit Christus wird natürlich die geduldige Mühe um die Entsprechung im täglichen Leben folgen, das die Berufung zu einer Geschichte der Freundschaft mit dem Herrn macht. Zu diesem Zweck bedient sich die Berufungspastoral geeigneter Hilfsmittel, wie der geistlichen Führung , um jene persönliche Antwort der Liebe zum Herrn zu fördern, die wesentliche Bedingung ist, um Jünger und Apostel seines Reiches zu werden. Auch wenn das Blühen von Berufungen, wie es sich in verschiedenen Teilen der Welt zeigt, Optimismus und Hoffnung rechtfertigt, so darf der Mangel in anderen Regionen weder zur Mutlosigkeit noch zur Versuchung zu leichfertigen und unbedachten Anwerbungen verleiten. Die Aufgabe der Förderung von Berufungen mub so erfüllt werden, dab sie zunehmend als eine gemeinsame Verpflichtung der ganzen Kirche erscheint.Sie erfordert daher die aktive Zusammenarbeit von Seelsorgern, Ordensleuten, Familien und Erziehern, wie es einem Dienst zusteht, der integraler Bestandteil der Gesamtpastoral jeder Teilkirche ist. Es soll daher in jeder Diözese diesen gemeinsamen Dienst geben, der die Kräfte koordiniert und vermehrt, ohne jedoch die für Berufungen entwickelte Aktivität jedes einzelnen Instituts zu beeinträchtigen, ja vielmehr diese zu fördern.iese von der Vorsehung getragene tätige Zusammenarbeit des ganzen Gottesvolkes wird notwendigerweise die Fülle der göttlichen Gaben anregen. Die christliche Solidarität möge den Notwendigkeiten der Ausbildung von Berufungen in den wirtschaftlich ärmeren Ländern weithin entgegenkommen. Die Förderung von Berufungen in diesen Nationen soll von den verschiedenen Instituten in vollem Einklang mit den Ortskirchen auf der Grundlage einer aktiven und langfristigen Einbeziehung in ihre Pastoral vorgenommen werden.Die zutreffendste Art, das Wirken des Geistes zu unterstützen, wird es sein, grobzügig die besten Kräfte in die Berufungsaktivität zu investieren, besonders durch entsprechende Hingabe an die Jugendpastoral.

Die Aufgabe der Anfangsausbildung


65 Besondere Aufmerksamkeit hat die Synodenversammlung der Ausbildung dessen vorbehalten, der die Absicht hat, sich dem Herrn zu weihen,indem ihre entscheidende Bedeutung anerkannt wird. Zentrales Ziel des Ausbildungsweges ist die Vorbereitung des einzelnen auf seine Ganzhingabe an Gott in der Nachfolge Christi zum Dienst der Sendung. »Ja« zu sagen auf den Ruf des Herrn und persönlich die Dynamik des Wachsens der Berufung anzunehmen, liegt in der unveräuberlichen Verantwortung eines jeden Berufenen, der den Raum seines Lebens für das Wirken des Heiligen Geistes öffnen mub; es heibt, den Ausbildungsweg mit Edelmut beschreiten und in Treue die Fürsprache annehmen, die der Herr und die Kirche anbieten.ie Ausbildung wird daher die Person in ihrem tiefsten Inneren erreichen müssen, so dab jede ihrer Verhaltensweisen oder Gebärden sowohl in den wichtigen Augenblicken als auch in den gewöhnlichen Lebensumständen ihre volle und frohe Zugehörigkeit zu Gott enthülle.Da das Ziel des geweihten Lebens in der Gleichgestaltung mit dem Herrn Jesus und in der Ganzhingabe an ihnbesteht, mub die Ausbildung vor allem auf dieses abzielen. Es handelt sich um einen Weg der fortschreitenden Assimilierung der Gesinnung Christi an den Vater.Wenn dies der Zweck des geweihten Lebens ist, wird die Methode, die darauf vorbereitet, das Merkmal der Ganzheit annehmen und ausdrücken müssen. Sie mub Ausbildung der ganzen Personsein, in jedem Aspekt ihrer Individualität, im Verhalten wie in den Absichten. Es ist klar, dab gerade wegen des Strebens nach der Umgestaltung der ganzen Person die Aufgabe der Bildung niemals aufhört. Es ist tatsächlich notwendig, dab den Personen des geweihten Lebens bis zum Ende die Chance geboten wird, im Festhalten am Charisma und an der Sendung ihres Instituts zu wachsen.Die Ausbildung soll, um vollständig zu sein, alle Bereiche des christlichen Lebens und des geweihten Lebens umfassen. Es ist daher eine menschliche, kulturelle, spirituelle und pastorale Vorbereitung vorzusehen, wobei besonders darauf zu achten ist, dab die harmonische Integration der verschiedenen Aspekte begünstigt wird. Für die Anfangsausbildung, die als Entwicklungsprozeb verstanden wird, der jede Stufe der persönlichen Reifung – von der psychologischen und geistlichen bis hin zur theologischen und pastoralen – durchläuft, mub ein ausreichender Zeitraum vorgesehen werden. Im Fall der Berufungen zum Priestertum fällt dieser mit einem spezifischen Studienprogramm als Teil eines umfassenderen Ausbildungsganges zusammen und wird mit ihm in Einklang gebracht.

Das Werk der Ausbilder und Ausbilderinnen


66 Gott Vater ist in der ständigen Gabe Christi und des Geistes im wahrsten Sinne des Wortesder Ausbilder dessen, der sich ihm weiht. Aber bei diesem Werk bedient er sich der menschlichen Vermittlung, indem er dem, den er ruft, einige ältere Brüder und Schwestern an die Seite stellt. Die Ausbildung ist also Teilhabe am Handeln des Vaters, der durch den Geist im Herzen der jungen Männer und Frauen die Gesinnung des Sohnes formt. Die Ausbilder und Ausbilderinnen müssen daher erfahrene Personen auf dem Weg der Suche nach Gott sein, um auch andere auf diesem Weg begleiten zu können. Wenn sie auf das Wirken der Gnade achten, werden sie in der Lage sein, auch auf die weniger augenfälligen Hindernisse hinzuweisen, vor allem aber werden sie die Schönheit der Nachfolge des Herrn und den Wert des Charismas aufzeigen, in dem diese sich erfüllt. Im Licht geistlicher Weisheit werden sie das von den menschlichen Mitteln gebotene Wissen verbinden, das eine Hilfe sein kann sowohl in der Entscheidung bezüglich der Berufung als auch in der Ausbildung des neuen Menschen, damit er ganz frei werde. Ein wichtiges Mittel der Ausbildung ist das persönliche Gespräch, das als Gewohnheit von unersetzlicher und erprobter Wirksamkeit mit Regelmäbigkeit und einer gewissen Häufigkeit geführt werden soll.Angesichts so heikler Aufgaben erscheint die Ausbildung geeigneter Ausbilder wirklich wichtig, die in ihrem Dienst eine grobe Übereinstimmung mit dem Weg der ganzen Kirche gewährleisten sollen. Es wird notwendig sein, entsprechende Strukturen für die Ausbildung der Ausbilder möglichst an Orten zu errichten, wo der Kontakt mit der Kultur möglich ist, innerhalb der sie ihren pastoralen Dienst dann ausüben sollen. Bei diesem Ausbildungswerk sollen die Institute älterer und bewährter Tradition den Instituten jüngerer Gründung durch die Bereitstellung einiger ihrer besten Mitglieder Hilfe leisten.

Eine gemeinschaftliche und apostolische Ausbildung


67 Da die Ausbildung auch gemeinschaftlich sein soll, ist die Kommunität für die Institute des geweihten Lebens und die Gesellschaften des apostolischen Lebens der bevorzugte Ort. In ihr erfolgt die Einweihung in die Mühe und in die Freude des Zusammenlebens. In der Brüderlichkeit lernt ein jeder mit dem zu leben, den Gott neben ihn gestellt hat, indem er seine positiven Wesensmerkmale und zugleich seine Andersartigkeit und seine Grenzen annimmt. Insbesondere lernt er, die für die Erbauung aller empfangenen Gaben mit den anderen zu teilen, denn »jedem wird die Offenbarung des Geistes geschenkt, damit sie anderen nützt« (1Co 12,7).Gleichzeitig soll das Gemeinschaftsleben von der ersten Ausbildung an die missionarische Dimension der Weihe an Gott zeigen. Darum wird es während der Anfangsausbildung in den Instituten des geweihten Lebens nützlich sein, konkrete und vom Ausbilder bzw. von der Ausbilderin umsichtig begleitete Erfahrungen zu machen, um im Dialog mit der umgebenden Kultur apostolische Verhaltensweisen, Anpassungsfähigkeiten und Unternehmungsgeist zu üben.Wenn es einerseits wichtig ist, dab die Person des geweihten Lebens sich nach und nach ein im Sinne des Evangeliums kritisches Bewubtsein gegenüber den Werten und Unwerten der eigenen und jener Kultur bildet, der sie in ihrem künftigen Arbeitsbereich begegnen wird, so mub sie sich andererseits in der schwierigen Kunst der Einheit des Lebens, der gegenseitigen Durchdringung der Liebe zu Gott und der Liebe zu den Brüdern und Schwestern üben und dabei erfahren, dab das Gebet die Seele des Apostolates ist, aber auch, dab das Apostolat das Gebet belebt und anregt.


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