Sacramentum caritatis DE 55

Persönliche Bedingungen für eine „actuosa participatio“


55 Bei der Erörterung des Themas der actuosa participatio der Gläubigen am heiligen Ritus haben die Synodenväter auch die persönlichen Bedingungen hervorgehoben, die für jeden erforderlich sind, um fruchtbar teilnehmen zu können. [168] Ein Element dabei ist sicherlich der Geist fortwährender innerer Umkehr, der das Leben aller Gläubigen kennzeichnen muß. Man kann sich keine aktive Teilnahme an der eucharistischen Liturgie erwarten, wenn man nur oberflächlich dabei ist, ohne zuvor das eigene Leben überprüft zu haben. Eine solche innere Bereitschaft wird gefördert zum Beispiel durch Sammlung und Schweigen, zumindest einige Momente vor Beginn der Liturgie, durch Fasten und, wenn nötig, durch die sakramentale Beichte. Ein mit Gott versöhntes Herz befähigt zu wahrer Teilnahme. Im besonderen muß man die Gläubigen daran erinnern, daß eine actuosa paticipatio an den heiligen Mysterien nicht zu realisieren ist, wenn man nicht zugleich versucht, aktiv am kirchlichen Leben in seiner Ganzheit teilzunehmen, was auch den missionarischen Einsatz einschließt, die Liebe Christi in die Gesellschaft hineinzutragen.

Zweifellos ist die volle Teilnahme an der Eucharistie dann gegeben, wenn man auch selbst die Kommunion empfängt. [169] Trotzdem muß darauf geachtet werden, daß diese richtige Aussage bei den Gläubigen nicht zu einem gewissen Automatismus führt, so als habe man, nur weil man sich während der Liturgie in der Kirche befindet, das Recht oder vielleicht sogar die Pflicht, zum eucharistischen Mahl zu gehen. Auch wenn es nicht möglich ist, die sakramentale Kommunion zu empfangen, bleibt die Teilnahme an der heiligen Messe notwendig, gültig, bedeutungsvoll und fruchtbar. Unter diesen Umständen ist es gut, das Verlangen nach der vollen Vereinigung mit Christus zu pflegen, zum Beispiel mit der Praxis der geistlichen Kommunion, an die Johannes Paul II. erinnert [170] und die von heiligen Lehrmeistern des geistlichen Leben empfohlen wird.[171]

Die Teilnahme nicht katholischer Christen


56 Mit dem Thema der Teilnahme müssen wir unvermeidlich über die Christen sprechen, die Kirchen oder kirchlichen Gemeinschaften angehören, die nicht in voller Gemeinschaft mit der Katholischen Kirche stehen. In diesem Zusammenhang ist zu sagen, daß die innere Verbindung, die zwischen Eucharistie und Einheit der Kirche besteht, uns einerseits brennend den Tag herbeiwünschen läßt, an dem wir gemeinsam mit allen Christgläubigen die Eucharistie feiern und so die Fülle der von Christus für seine Jünger gewollten Einheit (vgl. Jn 17,21) ausdrücken können. Andererseits verbietet uns die Ehrfurcht, die wir dem Sakrament des Leibes und Blutes Christi schulden, daraus ein bloßes „Mittel“ zu machen, das unterschiedslos angewendet wird, um ebendiese Einheit zu erlangen. [172] Die Eucharistie drückt ja nicht nur unsere persönliche Gemeinschaft mit Jesus Christus aus, sondern schließt auch die volle Communio mit der Kirche ein. Das ist also das Motiv, warum wir mit Schmerz, doch nicht ohne Hoffnung, die nicht katholischen Christen bitten, unsere Überzeugung, die auf die Bibel und die Überlieferung zurückgreift, zu verstehen und zu respektieren. Wir meinen, daß die eucharistische Kommunion und die kirchliche Communio so zuinnerst einander angehören, daß es für nicht katholische Christen im allgemeinen unmöglich ist, die Kommunion zu empfangen, ohne die kirchlicheCommunio zu teilen. Noch sinnloser wäre eine regelrechte Konzelebration mit Amtsträgern anderer Kirchen oder kirchlicher Gemeinschaften, die nicht in voller Gemeinschaft mit der Katholischen Kirche stehen. Trotzdem bleibt gültig, daß im Hinblick auf das ewige Heil die Möglichkeit der Zulassung einzelner nicht katholischer Christen zur Eucharistie, zum Bußsakrament und zur Krankensalbung besteht. Das setzt jedoch voraus, daß bestimmte, außergewöhnliche, durch genaue Bedingungen gekennzeichnete Situationen gegeben sind. [173]Diese sind im Katechismus der Katholischen Kirche [174] und in seinem Kompendium [175]deutlich angegeben. Es ist die Pflicht eines jeden, sich treu daran zu halten.

Teilnahme über die Kommunikationsmittel


57 Aufgrund der gewaltigen Entwicklung der Kommunikationsmittel in den letzten Jahrzehnten hat das Wort „Teilnahme“ eine weitere Bedeutung angenommen als in der Vergangenheit. Wir alle anerkennen mit Zufriedenheit, daß diese Instrumente neue Möglichkeiten auch in bezug auf die Eucharistiefeier eröffnen. [176] Das erfordert von den pastoralen Mitarbeitern auf diesem Sektor eine spezifische Vorbereitung und ein waches Verantwortungsbewußtsein. Die im Fernsehen übertragene heilige Messe bekommt nämlich unvermeidlich einen gewissen Charakter der Vorbildlichkeit. Darum muß nicht nur besonders darauf geachtet werden, daß die Feier sich an würdigen und gut vorbereiteten Orten vollzieht, sondern daß sie zudem auch die liturgischen Normen berücksichtigt.

Was schließlich den Wert der durch die Kommunikationsmittel ermöglichten Teilnahme an der heiligen Messe betrifft, so muß, wer solchen Übertragungen beiwohnt, wissen, daß er unter normalen Voraussetzungen nicht die Sonntagspflicht erfüllt. Denn das Ausdrucksmittel Bild stellt zwar die Wirklichkeit dar, reproduziert sie aber nicht in sich selbst. [177] Wenn es sehr lobenswert ist, daß alte und kranke Menschen durch die Radio- und Fernsehübertragungen an der Sonntagsmesse teilnehmen, träfe das nicht in gleicher Weise zu für diejenigen, die sich durch solche Übertragungen davon dispensieren wollten, in die Kirche zu gehen, um an der Eucharistiefeier in der Versammlung der lebendigen Kirche teilzunehmen.

„Actuosa participatio“ der Kranken


58 In Anbetracht der Lage derer, die sich aus Krankheits- oder Altersgründen nicht zu den Orten des Gottesdienstes begeben können, möchte ich die gesamte kirchliche Gemeinschaft auf die pastorale Notwendigkeit aufmerksam machen, für die Kranken, die zu Hause sind oder sich im Krankenhaus befinden, den geistlichen Beistand sicherzustellen. Wiederholt wurde in der Bischofssynode ihre Lage angesprochen. Es muß dafür gesorgt werden, daß diese unsere Brüder und Schwestern häufig die heilige Kommunion empfangen können. Wenn sie auf diese Weise die Beziehung zum gekreuzigten und auferstandenen Christus stärken, können sie spüren, daß ihr Leben durch die Aufopferung des eigenen Leidens in Vereinigung mit dem Opfer unseres Herrn gänzlich in das Leben und in die Sendung der Kirche eingegliedert ist. Eine besondere Aufmerksamkeit muß den Behinderten vorbehalten sein; wo ihr Zustand es erlaubt, muß die christliche Gemeinschaft ihre Teilnahme am Ort des Gottesdienstes unterstützen. Zu diesem Zweck muß dafür gesorgt werden, daß in den Kirchen eventuelle architektonische Hindernisse beseitigt werden, die den Behinderten den Zugang erschweren. Schließlich sollte, so weit möglich, die Kommunion auch den getauften und gefirmten geistig Behinderten gewährleistet werden: Sie empfangen die Eucharistie auch im Glauben der Familie oder der Gemeinschaft, die sie begleitet. [178]

Die Aufmerksamkeit gegenüber den Gefangenen


59 Die geistliche Tradition der Kirche hat anhand eines eindeutigen Wortes Christi (vgl. Mt 25,36) in dem Besuch der Gefangenen eines der leiblichen Werke der Barmherzigkeit ausgemacht. Diejenigen, die sich in dieser Lage befinden, haben es besonders nötig, vom Herrn selbst im Sakrament der Eucharistie besucht zu werden. In einem so besonderen und schmerzlichen Lebensabschnitt die Nähe der kirchlichen Gemeinschaft zu spüren und die heilige Kommunion zu empfangen, kann sicherlich zur Qualität des eigenen Glaubensweges beitragen und die volle soziale Rehabilitation begünstigen. Indem ich den in der Synodenversammlung vorgetragenen Wünschen Ausdruck verleihe, bitte ich die Diözesen, im Bereich des Möglichen für einen angemessenen Einsatz von Kräften in der auf die geistliche Betreuung der Gefangenen ausgerichteten pastoralen Tätigkeit zu sorgen. [179]

Die Migranten und die Teilnahme an der Eucharistie


60 Als die Synode das Problem derer berührte, die aus verschiedenen Gründen gezwungen sind, ihr Land zu verlassen, hat sie einen besonderen Dank denen gegenüber ausgedrückt, die in der Migrantenseelsorge beschäftigt sind. In diesem Zusammenhang muß jenen Auswanderern eine besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden, die den katholischen Ostkirchen angehören und für die außer der Trennung vom eigenen Zuhause die zusätzliche Schwierigkeit besteht, daß sie nicht an der eucharistischen Liturgie nach dem eigenen Ritus teilnehmen können, dem sie angehören. Darum sei ihnen, wo dies möglich ist, die Betreuung durch Priester ihres Ritus gestattet. In jedem Fall bitte ich die Bischöfe, diese Brüder und Schwestern in der Liebe Christi aufzunehmen. Die Begegnung zwischen Gläubigen verschiedener Riten kann auch eine Gelegenheit zu gegenseitiger Bereicherung werden. Im besonderen denke ich an den Nutzen, der – vor allem für den Klerus – aus der Kenntnis der verschiedenen Traditionen hervorgehen kann.[180]

Die großen Konzelebrationen


61 Die Synodenversammlung hat eingehend erwogen, welchen Wert die Teilnahme an den großen Feiern besitzt, die zu besonderen Anlässen stattfinden und bei denen außer einer großen Anzahl von Gläubigen auch viele konzelebrierende Priester zugegen sind. [181] Einerseits ist die Bedeutung dieser Momente leicht erkennbar, besonders wenn der Bischof im Kreis seines Presbyteriums und der Diakone der Feier vorsteht. Andererseits können bei diesen Gelegenheiten Probleme auftreten in bezug auf den wahrnehmbaren Ausdruck der Einheit des Presbyteriums, speziell beim Hochgebet, und in bezug auf die Austeilung der heiligen Kommunion. Man muß vermeiden, daß diese großen Konzelebrationen Zerstreuung hervorrufen. Dafür ist mit angemessenen Mitteln der Koordination zu sorgen und indem man den Ort des Gottesdienstes so gestaltet, daß er Priestern und Gläubigen die volle, wirkliche Teilnahme ermöglicht. In jedem Fall muß man sich vor Augen halten, daß es sich um Konzelebrationen handelt, die einen Ausnahmecharakter besitzen und auf außergewöhnliche Situationen zu beschränken sind.

Die lateinische Sprache


62 Diese Aussagen sollen jedoch den Wert dieser großen Liturgien nicht schmälern. Ich denke in diesem Moment besonders an die Zelebrationen, die während der heute immer häufigeren internationalen Treffen stattfinden. Sie müssen in rechter Weise genutzt werden. Um die Einheit und die Universalität der Kirche besser zum Ausdruck zu bringen, möchte ich empfehlen, was die Bischofssynode in Übereinstimmung mit den Richtlinien des Zweiten Vatikanischen Konzils[182] vorgeschlagen hat: Es ist gut, wenn außer den Lesungen, der Predigt und den Fürbitten der Gläubigen die Feier in lateinischer Sprache gehalten wird; ebenso sollen die bekanntesten Gebete[183] aus der Überlieferung der Kirche in Latein gesprochen und eventuell einige Teile in gregorianischem Choral ausgeführt werden. Ganz allgemein bitte ich darum, daß die zukünftigen Priester von der Seminarzeit an darauf vorbereitet werden, die heilige Messe in Latein zu verstehen und zu zelebrieren sowie lateinische Texte zu nutzen und den gregorianischen Choral zu verwenden. Man sollte nicht die Möglichkeit außer Acht lassen, daß auch die Gläubigen angeleitet werden, die allgemeinsten Gebete in Latein zu kennen und gewisse Teile der Liturgie im gregorianischen Stil zu singen. [184]

Eucharistiefeiern in kleinen Gruppen


63 Eine ganz andere Situation ist die, welche sich bei einigen pastoralen Gelegenheiten ergibt, bei denen man gerade zugunsten einer bewußteren, aktiveren und fruchtbareren Teilnahme die Feier in kleinen Gruppen vorzieht. Trotz der Anerkennung des erzieherischen Wertes, den eine solche Wahl in sich birgt, ist es nötig zu klären, daß diese Zelebrationen mit der Gesamtheit des pastoralen Angebots der Diözese abgestimmt werden müssen. Diese Experimente würden nämlich ihren pädagogischen Charakter verlieren, wenn sie als Gegensatz oder als Parallelveranstaltung zur Teilkirche empfunden würden. In diesem Zusammenhang hat die Synode einige Kriterien hervorgehoben, an die man sich zu halten hat: Die kleinen Gruppen müssen dazu dienen, die Pfarrgemeinde zu einen, nicht sie zu zersplittern; das muß in der konkreten Praxis seine Bestätigung finden; diese Gruppen müssen die fruchtbare Teilnahme der ganzen Versammlung begünstigen und dabei so weit wie möglich die Einheit der einzelnen Familien im liturgischen Leben bewahren. [185]

Die mit innerer Teilnahme

erlebte liturgische Feier

Mystagogische Katechese


64 Die große liturgische Tradition der Kirche lehrt uns, daß es für eine fruchtbare Teilnahme nötig ist, persönlich dem gefeierten Mysterium zu entsprechen, indem man das eigene Leben in Einheit mit dem Opfer Christi hingibt für das Heil der ganzen Welt. Aus diesem Grund hat die Bischofssynode empfohlen, bei den Gläubigen für eine tiefe Übereinstimmung der inneren Verfassung mit den Gesten und Worten zu sorgen. Würde sie fehlen, liefen unsere Feiern, so lebendig sie auch sein mögen, Gefahr, in Ritualismus abzugleiten. Darum muß eine Erziehung zum eucharistischen Glauben gefördert werden, die die Gläubigen vorbereitet, persönlich zu erleben, was gefeiert wird. Welches können angesichts der wesentlichen Bedeutung dieser persönlichen und bewußten participatio die angemessenen Erziehungsmittel sein? Die Synodenväter haben diesbezüglich einstimmig den Weg einer Katechese mystagogischen Charakters empfohlen, die den Gläubigen dazu verhilft, immer besser in die gefeierten Mysterien einzudringen. [186] Besonders wegen der Verbindung zwischen ars celebrandi und actuosa participatio muß vor allem bekräftigt werden, daß „die beste Katechese über die Eucharistie die gut zelebrierte Eucharistie selbst ist“. [187] Die Liturgie besitzt nämlich von ihrem Wesen her eine pädagogische Wirksamkeit, die Gläubigen in die Kenntnis des gefeierten Mysteriums einzuführen. Gerade deswegen hatte in der ältesten Tradition der Kirche der Weg der christlichen Einführung, auch wenn er die systematische Einsicht in die Glaubensinhalte nicht vernachlässigte, doch immer den Erfahrungscharakter, in dem die lebendige und überzeugende Begegnung mit Christus ausschlaggebend war, die durch authentische Zeugen vermittelt wurde. Darum ist derjenige, der in die Mysterien einführt, zunächst der Zeuge. Diese Begegnung wird natürlich in der Katechese vertieft und findet ihre Quelle und ihren Höhepunkt in der Eucharistiefeier. Von dieser grundlegenden Struktur der christlichen Erfahrung geht das Erfordernis eines mystagogischen Weges aus, in dem drei Elemente immer gegenwärtig gehalten werden müssen:

a) Es geht vor allem um die Interpretation der Riten im Licht der Heilsereignisse, in Übereinstimmung mit der lebendigen Überlieferung der Kirche. Tatsächlich enthält die Eucharistiefeier in ihrem unendlichen Reichtum fortwährende Verweise auf die Heilsgeschichte. Im gekreuzigten und auferstandenen Christus können wir wirklich die alles vereinende Mitte der gesamten Wirklichkeit feiern (vgl.
Ep 1,10). Von Anfang an hat die christliche Gemeinde die Geschehnisse des Lebens Jesu – und besonders des Pascha-Mysteriums – in Beziehung zum ganzen alttestamentlichen Weg verstanden.

b) Die mystagogische Katechese muß sich außerdem darum sorgen, in den Sinn der Zeichen einzuführen, die in den Riten enthalten sind. Diese Aufgabe ist besonders dringend in einer stark technisierten Zeit wie der unsrigen, in der die Gefahr besteht, das Wahrnehmungsvermögen für Zeichen und Symbole zu verlieren. Mehr als zu informieren, muß die mystagogische Katechese die Sensibilität der Gläubigen für die Sprache der Zeichen und Gesten, die vereint mit dem Wort den Ritus bilden, wieder wecken und erziehen.

c) Schließlich muß die mystagogische Katechese darum bemüht sein, die Bedeutung der Riten im Verhältnis zum christlichen Leben in all seinen Dimensionen aufzuzeigen: in Arbeit und Verpflichtung, in Denken und Fühlen, in Tätigkeit und Ruhe. Es gehört zum mystagogischen Weg, die Verbindung der im Ritus gefeierten Mysterien mit der missionarischen Verantwortung der Gläubigen zu verdeutlichen. In diesem Sinn ist das ausgereifte Ergebnis der Mystagogie das Bewußtsein, daß das eigene Leben durch die gefeierten heiligen Mysterien fortschreitend verwandelt wird. Ziel aller christlichen Erziehung ist es im übrigen, den Gläubigen als „neuen Menschen“ heranzubilden zu einem erwachsenen Glauben, der ihn befähigt, in seiner Umgebung die christliche Hoffnung zu bezeugen, die ihn beseelt.

Um innerhalb unserer kirchlichen Gemeinden eine solche Erziehungsaufgabe leisten zu können, bedarf es entsprechend ausgebildeter Personen. Natürlich muß sich das ganze Gottesvolk in dieser Fortbildung engagiert fühlen. Jede christliche Gemeinde ist berufen, ein Ort pädagogischer Einführung in die Mysterien zu sein, die im Glauben gefeiert werden. Diesbezüglich haben die Väter während der Synode die Zweckmäßigkeit einer größeren Einbeziehung der Gemeinschaften gottgeweihten Lebens, der Bewegungen und der Gruppierungen unterstrichen, die kraft ihrer jeweiligen Charismen der christlichen Bildung neuen Schwung verleihen können. [188] Auch in unserer Zeit spart der Heilige Geist sicherlich nicht mit der Ausgießung seiner Gaben, um die apostolische Sendung der Kirche zu unterstützen, der es obliegt, den Glauben zu verbreiten und bis zu seiner Reife heranzubilden. [189]

Die Ehrfurcht vor der Eucharistie


65 Ein überzeugendes Zeichen für die Wirkung, die die eucharistische Katechese auf die Gläubigen ausübt, ist mit Sicherheit ihr zunehmendes Empfindungsvermögen für das Mysterium des unter uns gegenwärtigen Gottes. Das kann durch spezifische Ehrfurchtserweise gegenüber der Eucharistie festgestellt werden, in die der mystagogische Weg die Gläubigen einführen muß.[190] Ich denke ganz allgemein an die Bedeutung der Gesten und der Haltung wie das Knien während der wichtigen Augenblicke des eucharistischen Hochgebetes. In Anpassung an die legitime Verschiedenheit der Zeichen, die im Zusammenhang der unterschiedlichen Kulturen praktiziert werden, soll jeder das lebendige Bewußtsein haben und zum Ausdruck bringen, daß er sich in jeder Feier vor der unendlichen Majestät Gottes befindet, die auf demütige Weise in den sakramentalen Zeichen zu uns kommt.

Anbetung und eucharistische Frömmigkeit

Die innere Beziehung zwischen liturgischer Feier und Anbetung


66 Es war einer der intensivsten Momente der Synode, als wir uns gemeinsam mit vielen Gläubigen zur eucharistischen Anbetung in die Basilika von Sankt Peter begeben haben. Mit diesem Zeichen des Gebetes wollte die Versammlung der Bischöfe stärker als nur mit Worten die Aufmerksamkeit auf die Bedeutung der inneren Beziehung zwischen Eucharistiefeier und Anbetung lenken. In diesem bedeutungsvollen Aspekt des Glaubens der Kirche liegt eines der entscheidenden Elemente des kirchlichen Weges, der nach der vom Zweiten Vatikanischen Konzil angeregten liturgischen Erneuerung zurückgelegt wurde. Während der ersten Schritte dieser Reform wurde manchmal die innere Beziehung zwischen der heiligen Messe und der Anbetung des Allerheiligsten Sakramentes nicht genügend deutlich wahrgenommen. Ein damals verbreiteter Einwand ging zum Beispiel von der Bemerkung aus, das eucharistische Brot sei uns nicht zum Anschauen, sondern zum Essen gegeben. In Wirklichkeit erwies sich diese alternative Gegenüberstellung im Licht der Gebetserfahrung der Kirche als gänzlich unfundiert. Schon der hl. Augustinus hatte gesagt: „Nemo autem illam carnem manducat, nisi prius adoravit;… peccemus non adorando – Niemand ißt dieses Fleisch, ohne zuvor anzubeten;… wir würden sündigen, wenn wir es nicht anbeteten.“ [191] In der Eucharistie kommt uns ja der Sohn Gottes entgegen und möchte sich mit uns vereinigen; die eucharistische Anbetung ist nichts anderes als die natürliche Entfaltung der Eucharistiefeier, die in sich selbst der größte Anbetungsakt der Kirche ist. [192] Die Eucharistie empfangen heißt, den anbeten, den wir empfangen; gerade so, nur so werden wir eins mit ihm und bekommen in gewisser Weise einen Vorgeschmack der Schönheit der himmlischen Liturgie. Der Akt der Anbetung außerhalb der heiligen Messe verlängert und intensiviert, was in der liturgischen Feier selbst getan wurde: „Nur im Anbeten kann tiefes und wahres Empfangen reifen. Und gerade in diesem persönlichsten Akt der Begegnung mit dem Herrn reift dann auch die soziale Sendung, die in der Eucharistie enthalten ist und nicht nur die Grenze zwischen dem Herrn und uns, sondern vor allem auch die Grenzen aufreißen will, die uns voneinander trennen.“ [193]

Die Praxis der eucharistischen Anbetung


67 Gemeinsam mit der Synodenversammlung empfehle ich darum den Hirten der Kirche und dem Gottesvolk von Herzen die eucharistische Anbetung, sei es allein oder in Gemeinschaft.[194] In diesem Zusammenhang wird eine angemessene Katechese von großem Nutzen sein, in der den Gläubigen die Bedeutung dieses kultischen Aktes erklärt wird, der es ermöglicht, die liturgische Feier an sich tiefer und fruchtbringender zu erleben. Im Bereich des Möglichen sollten dann vor allem in den bevölkerungsreicheren Gebieten Kirchen oder Oratorien bestimmt und eigens für die ewige Anbetung bereitgestellt werden. Außerdem empfehle ich, den Kindern im katechistischen Unterricht und besonders in den Vorbereitungskursen zur Erstkommunion den Sinn und die Schönheit des Verweilens bei Jesus nahezubringen und das Staunen angesichts seiner Gegenwart in der Eucharistie zu pflegen.

Ich möchte hier allen Instituten gottgeweihten Lebens, deren Mitglieder einen bedeutenden Teil ihrer Zeit der eucharistischen Anbetung widmen, meine Bewunderung und Unterstützung zum Ausdruck bringen. Auf diese Weise bieten sie allen das Beispiel von Menschen, die sich von der wirklichen Gegenwart des Herrn formen lassen. Ebenso möchte ich die Vereinigungen von Gläubigen wie auch die Bruderschaften ermutigen, die diese Praxis als ihre besondere Verpflichtung übernommen haben; sie werden so zum Ferment der Betrachtung für die ganze Kirche und zum Hinweis auf die Zentralität Christi für das Leben des Einzelnen und der Gemeinschaften.

Formen eucharistischer Frömmigkeit


68 Die persönliche Beziehung, die der Einzelne mit dem in der Eucharistie gegenwärtigen Jesus herstellt, verweist ihn immer auf das Ganze der kirchlichen Gemeinschaft, indem sie in ihm das Bewußtsein seiner Zugehörigkeit zum Leib Christi nährt. Darum lade ich nicht nur die einzelnen Gläubigen ein, persönlich die Zeit zu finden, im Gebet vor dem Altarssakrament zu verweilen, sondern halte es für meine Pflicht, auch die Pfarreien und andere kirchliche Gruppierungen zu ersuchen, Momente gemeinschaftlicher Anbetung einzurichten. Selbstverständlich behalten alle bereits bestehenden Formen eucharistischer Frömmigkeit ihren Wert. Ich denke zum Beispiel an die eucharistischen Prozessionen, vor allem an die traditionelle Fronleichnamsprozession, an die fromme Praxis des vierzigstündigen Gebets, an die lokalen, nationalen und internationalen Eucharistischen Kongresse und an die anderen, ähnlichen Initiativen. In angemessener Weise aktualisiert und den verschiedenen Umständen angepaßt, verdienen diese Frömmigkeitsformen, auch heute gepflegt zu werden. [195]

Der Standort des Tabernakels in der Kirche


69 In Verbindung mit der Bedeutung der Aufbewahrung der Eucharistie sowie der Anbetung und Ehrfurcht vor dem Sakrament des Opfers Christi hat die Bischofssynode sich gefragt, welches der angemessene Standort des Tabernakels in unseren Kirchen ist. [196] Seine richtige Position hilft nämlich, die wirkliche Gegenwart Christi im Allerheiligsten Sakrament zu erkennen. Es ist nötig, daß der Ort, an dem die eucharistischen Gestalten aufbewahrt werden, für jeden, der in die Kirche eintritt, leicht auszumachen ist, nicht zuletzt auch durch das ewige Licht. Zu diesem Zweck muß die architektonische Anlage des sakralen Gebäudes berücksichtigt werden: In den Kirchen, in denen keine Sakramentskapelle existiert und der Hauptaltar mit dem Tabernakel fortbesteht, ist es zweckmäßig, sich zur Bewahrung und Anbetung der Eucharistie dieser Struktur zu bedienen und zu vermeiden, davor den Sitz des Zelebranten aufzustellen. In den neuen Kirchen ist es gut, die Sakramentskapelle in der Nähe des Presbyteriums zu planen; wo das nicht möglich ist, sollte der Tabernakel am besten im Presbyterium an einem ausreichend erhöhten Ort im Apsisbereich aufgestellt werden oder an einem anderen Punkt, wo er ebenso gut zu sehen ist. Solch umsichtige Maßnahmen tragen dazu bei, dem Tabernakel, der immer auch künstlerisch sorgsam gestaltet werden sollte, Würde zu verleihen. Natürlich ist es nötig, alles zu berücksichtigen, was die Allgemeine Einführung in das Römische Meßbuch zu diesem Thema sagt. [197] Das letzte Urteil in dieser Sache liegt in jedem Fall beim Diözesanbischof.

DRITTER TEIL

EUCHARISTIE, EIN GEHEIMNIS, DAS MAN LEBT


»Wie mich der lebendige Vater gesandt hat und wie ich durch den Vater lebe, so wird jeder, der mich ißt, durch mich leben«

(Jn 6,57)

Eucharistische Form des christlichen Lebens

Der geistige Gottesdienst – logiké latreía

(Rm 12,1)


70 Jesus, der Herr, der sich für uns zur Speise der Wahrheit und der Liebe gemacht hat, versichert uns, als er von der Hingabe seines Lebens spricht: „Wer von diesem Brot ißt, wird in Ewigkeit leben“ (Jn 6,51). Aber dieses „ewige Leben“ beginnt in uns schon in dieser Zeit durch die Veränderung, die die eucharistische Gabe in uns erzeugt: „Jeder, der mich ißt, wird durch mich leben“ (Jn 6,57). Diese Worte Jesu lassen uns begreifen, wie das „geglaubte“ und „gefeierte“ Mysterium eine Dynamik in sich birgt, die es in uns zum Ursprung neuen Lebens und christlicher Lebensform macht. Indem wir uns mit dem Leib und dem Blut Jesu Christi vereinen, werden wir nämlich in immer erwachsenerer und bewußterer Weise des göttlichen Lebens teilhaftig. Auch hier gilt, was der hl. Augustinus in seinen Bekenntnissen über den ewigen Logos, die Speise der Seele, sagt: Der heilige Kirchenlehrer betont den paradoxen Charakter dieser Speise, indem er eine Stimme zu hören meint, die zu ihm spricht: „Ich bin die Speise der Großen: Du wächst und wirst mich essen. Und nicht ich werde dir anverwandelt werden wie die Nahrung deines Leibes, sondern du wirst mir anverwandelt werden.“ [198] Tatsächlich ist es nicht die eucharistische Nahrung, die sich in uns verwandelt, sondern wir sind es, die durch sie geheimnisvoll verändert werden. Christus nährt uns, indem er uns mit sich vereint, uns „in sich hineinzieht“. [199]

Die Eucharistiefeier erscheint hier in ihrer ganzen Kraft als Quelle und Höhepunkt des kirchlichen Lebens, insofern sie zugleich sowohl den Ursprung als auch die Vollendung des neuen und endgültigen Gottesdienstes ausdrückt, die logiké latreía. [200] Die diesbezüglichen Worte des hl. Paulus an die Römer formulieren in gedrängtester Form, wie die Eucharistie unser ganzes Leben in einen geistigen Gottesdienst verwandelt, der Gott gefällt: „Angesichts des Erbarmens Gottes ermahne ich euch, meine Brüder, euch selbst [wörtlich: eure Leiber] als lebendiges und heiliges Opfer darzubringen, das Gott gefällt; das ist euer geistiger Gottesdienst“ (Rm 12,1). In diesem Aufruf erscheint das Bild des neuen Gottesdienstes als Ganzhingabe der eigenen Person in Gemeinschaft mit der gesamten Kirche. Das Bestehen des Apostels auf der Hingabe unseres Leibes unterstreicht die menschliche Konkretheit eines Kultes, der alles andere als unkörperlich ist. Wieder ist es der Heilige von Hippo, der uns in diesem Zusammenhang daran erinnert, daß „dieses das Opfer der Christen ist: viele und zugleich ein einziger Leib in Christus zu sein. Die Kirche feiert dieses Geheimnis mit dem Altarssakrament, das die Gläubigen gut kennen und in dem ihr deutlich gezeigt wird, daß in dem, was geopfert wird, sie selbst es ist, die geopfert wird.“ [201] Die katholische Lehre bekräftigt also, daß die Eucharistie, insofern sie das Opfer Christi ist, auch das Opfer der Kirche und somit der Gläubigen ist. [202] Das Beharren auf dem Opfer (lateinisch: sacri-ficium, was soviel bedeutet wie „heilig gemacht“) besagt hier die ganze existentielle Dichte, die in der Verwandlung unserer von Christus ergriffenen (vgl. Ph 3,12) menschlichen Natur enthalten ist.

Allumfassende Wirkkraft des eucharistischen Kultes


71 Der neue christliche Gottesdienst umfaßt jeden Aspekt des Daseins und verwandelt ihn: „Ob ihr also eßt oder trinkt oder etwas anderes tut: tut alles zur Verherrlichung Gottes“ (1Co 10,31). In jedem Akt seines Lebens ist der Christ berufen, die wahre Gottesverehrung auszudrücken. Von da her nimmt das zuinnerst eucharistische Wesen des christlichen Lebens Form an. Insofern die Eucharistie die menschliche Wirklichkeit des Gläubigen in ihrer alltäglichen Konkretheit mit einbezieht, ermöglicht sie Tag um Tag die fortschreitende Verwandlung des Menschen, der aus Gnade berufen ist, das Ebenbild des Sohnes Gottes zu sein (vgl. Rm 8,29f;). Es gibt nichts authentisch Menschliches – Gedanken und Gefühle, Worte und Werke –, was im Sakrament der Eucharistie nicht die passende Form findet, in Fülle gelebt zu werden. Hier tritt der ganze anthropologische Wert der von Christus mit der Eucharistie gebrachten Neuheit zutage: Der Gottesdienst kann im menschlichen Leben nicht auf einen besonderen privaten Moment beschränkt werden, sondern von seinem Wesen her neigt er dazu, jeden Aspekt der Wirklichkeit des Individuums zu durchdringen. Der Gottesdienst, der Gott gefällt, wird so zu einem neuen Erleben aller Gegebenheiten des Daseins, in dem jede Einzelheit eine innere Aufwertung erfährt, insofern sie in der Beziehung zu Christus und als Hingabe an Gott gelebt wird. „Die Verherrlichung Gottes ist der lebendige Mensch (vgl. 1Co 10,31). Und das Leben des Menschen ist die Schau Gottes.“ [203]

Iuxta dominicam viventes – sonntäglich leben


72 Diese radikale Neuheit, die die Eucharistie in das Leben des Menschen hineinträgt, ist dem christlichen Bewußtsein von Anfang an offenbar geworden. Die Gläubigen haben sofort den tiefen Einfluß wahrgenommen, den die Eucharistiefeier auf ihren Lebensstil ausübte. Der hl. Ignatius von Antiochien drückte diese Wahrheit aus, indem er die Christen als diejenigen bezeichnete, „die zur neuen Hoffnung gelangt sind“, und er stellte sie als diejenigen dar, die „sonntäglich leben“ (iuxta dominicam viventes). [204] Diese Formulierung des großen antiochenischen Märtyrers hebt die Verbindung zwischen der eucharistischen Realität und der christlichen Existenz in ihrer Alltäglichkeit klar hervor. Die charakteristische Gewohnheit der Christen, sich am ersten Tag nach dem Sabbat zu versammeln, um die Auferstehung Christi zu feiern, ist – nach dem Bericht des heiligen Märtyrers Justin [205] – auch das Faktum, welches die Lebensform bestimmt, die durch die Begegnung mit Christus erneuert ist. Die Formulierung des hl. Ignatius – „sonntäglich leben“ – unterstreicht auch den paradigmatischen Wert, den dieser heilige Tag für jeden anderen Tag der Woche besitzt. Er zeichnet sich nämlich nicht aufgrund der bloßen Unterbrechung der üblichen Tätigkeiten aus, wie eine Art Parenthese im gewöhnlichen Rhythmus der Tage. Die Christen haben diesen Tag immer als den ersten Tag der Woche empfunden, weil an ihm das Gedächtnis der von Christus gebrachten radikalen Neuheit gehalten wird. Darum ist der Sonntag der Tag, an dem der Christ jene eucharistische Form seines Lebens wiedererlangt, nach der ständig zu leben er berufen ist. „Sonntäglich leben“ heißt, im Bewußtsein der von Christus gebrachten Befreiung zu leben und das eigene Dasein zu entfalten als Selbsthingabe an Gott, damit sein Sieg durch ein von innen her erneuertes Verhalten allen Menschen gänzlich offenbar werde.


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