(Contra Haereses) 324

24. Kapitel: Die Kirche bleibt sich in der Verkündigung der Wahrheit immer gleich; die Häretiker suchen immer Neues

324 1.

Wir haben nunmehr alle die verkehrten Lehren über unsern Urheber und Schöpfer, der auch diese Welt geschaffen hat, und über dem kein anderer ist, zurückgewiesen und haben mit ihren eigenen Beweisen die widerlegt, die über das Wesen des Herrn und seine Heilsordnung hinsichtlich des Menschen Falsches lehren. Die Predigt der Kirche aber ist in jeder Hinsicht unveränderlich und gleichmäßig; sie hat für sich, wie nachgewiesen, das Zeugnis der Propheten und Apostel und aller Jünger, wie am Anfang der Zeiten, so in der Mitte und am Ende, die ganze Heilsordnung Gottes hindurch und in all dem, was er zum Heil der Menschen zu tun gewohnt war, wie unser Glaube es lehrt. Diesen haben wir von der Kirche empfangen und bewahren ihn so auf. Ihn hat der Hl. Geist gleichsam in ein ganz kostbares Gefäß jugendfrisch hineingetan, und jugendfrisch erhält er das Gefäß, in dem er sich befindet. Dieses göttliche Geschenk nämlich ist der Kirche anvertraut, damit gleichsam das Geschöpf beseelt werde und alle Glieder, die an ihr Anteil haben, das Leben empfangen. In ihr ist niedergelegt die Gemeinschaft mit Christus, d. h. der Hl. Geist, die unverwesliche Arche, die Befestigung unseres Glaubens, die Himmelsleiter zu Gott. „In der Kirche nämlich“, heißt es, „hat Gott eingesetzt Apostel, Propheten, Lehrer und die gesamte übrige Wirksamkeit des Geistes“ (
1Co 12,28), an der keinen Anteil haben, die sich von der Kirche fernhalten und durch ihre schlechte Lehre und ihr ganz schlechtes Leben sich selber des Lebens berauben. Wo die Kirche, da ist auch der Geist Gottes; und wo der Geist Gottes, dort ist die Kirche und alle Gnade; der Geist aber ist Wahrheit. Die den Geist der Wahrheit nicht aufnehmen, empfangen von den Brüsten der Mutter keine Nahrung zum Leben, noch das von dem Leibe Christi ausgehende, hellsprudelnde Quellwasser, sondern „graben sich durchlöcherte Zisternen aus Erdlöchern“ (Jr 2,13), und trinken aus Gruben faules Wasser. Um nicht widerlegt zu werden, fliehen sie vor dem Glauben der Kirche; um nicht belehrt zu werden, verwerfen sie den Hl. Geist.



2.

Fern aber von dem Hause der Wahrheit, müssen sie sich in jeglichem Irrtum winden und wälzen, indem sie im Lauf der Zeiten über dieselben Dinge verschiedene Lehren aufstellen, aber niemals zu einer gefestigten Meinung gelangen. Gelehrte von Worten wollen sie lieber sein als Schüler der Wahrheit. Sie sind nicht gegründet auf dem einen Felsen, sondern gebaut auf Sand mit vielen Steinen (Mt 7,24 Mt 26) . Deswegen erdichten sie sich auch mehrere Götter und suchen in ihrer Blindheit zu ihrer Entschuldigung immer zu, können aber niemals etwas finden. Sie lästern den Schöpfer, d. h. den wahren Gott, der auch das Finden verleiht, und meinen, sie hätten über diesem noch einen andern gefunden oder ein anderes Pleroma oder eine andere Anordnung. Deshalb leuchtet auch das Licht, das von Gott kommt, ihnen nicht, da sie Gott verunehrt und verachtet haben, indem sie ihn deswegen für ganz klein halten, weil er wegen seiner Liebe und unendlichen Güte in die Erkenntnis der Menschen eingeht. Und doch geschieht das nicht nach seiner Größe und Wesenheit, die niemand gemessen noch betastet hat, sondern bloß, damit wir wissen, daß der, welcher die Menschen erschaffen und gebildet hat und den Hauch des Lebens ihnen verlieh und durch die Schöpfung sie ernährt, durch sein Wort alles befestigt und durch seinen Geist alles gestaltet, der allein wahre Gott ist. Sie aber erträumen sich einen, der nicht ist, über diesem, damit sie den Anschein erwecken, als ob sie einen großen Gott gefunden hätten, den niemand weder in seiner Beziehung zum Menschengeschlechte noch in seiner Weltregierung erkennen könnte. Damit sind sie auf den Gott Epikurs gestoßen, der weder ihnen noch anderen etwas gewährt, d. h. keine Vorsehung kennt.





25. Kapitel: Gott ist zugleich gerecht und gut

325 1.

Die Vorsehung Gottes erstreckt sich aber auf alles, und deswegen erteilt er auch seinen Rat. Als Ratgeber steht er denen bei, die für ihre Sitten Sorge tragen. Deshalb muß das, was geleitet und geführt wird, auch seinen Leiter erkennen, insofern es wenigstens nicht eitel und unverständig ist, sondern die Vorsehung Gottes fühlt. Deshalb haben auch einige Heiden, die weniger den Eitelkeiten und Vergnügungen dienten und nicht gar so tief in den götzendienerischen Aberglauben versunken waren, durch seine Vorsehung dazu bewegen, wenn auch nur schwach, sich dazu verstanden, zu bekennen, daß der Schöpfer dieser Welt der fürsorgliche Vater aller sei und mit Rücksicht auf uns die Welt leite.



2.

Die Häretiker hingegen hielten es für unwürdig, daß Gott straft und richtet, und glaubten, daß sie einen guten Gott ohne Zorn gefunden hätten. Deswegen lehrten sie, daß ein anderer richte und ein anderer erlöse, ohne dabei zu bedenken, daß sie dadurch Verstand und Gerechtigkeit beider aufhoben. Wenn nämlich der Richtergott nicht zugleich gut ist und je nach Verdienst belohnt und bestraft, so wird er weder als ein gerechter noch weiser Richter erscheinen. Wiederum wird der gute Gott, wenn er nur gut ist und nicht prüft, wem er seine Güte zuwenden soll, außerhalb der Gerechtigkeit und Güte stehen, und seine Güte wird als Schwäche erscheinen, wenn er nicht alle erlöst ohne Rücksicht auf das Gericht.



3.

Wenn nun Markion Gott in zwei Teile zerlegt und einen den guten und den anderen den gerechten nennt, so zerstört er in beiden die Gottheit. Denn der Richtergott ist nicht Gott, wenn er nicht zugleich gut ist, und das ist kein Gott, dem die Güte abgeht, und ebenso wenig kann der gute Gott als Gott gelten, wenn er nicht zugleich gerecht ist. Wie können sie auch den Allvater weise nennen, wenn sie ihn nicht zugleich als gerecht bezeichnen? Ist er weise, dann muß er auch prüfen, das Prüfen aber ist eine Sache des Richtens; damit er gerecht prüft, folgt dem Richten die Gerechtigkeit, die Gerechtigkeit erfordert das Urteil, das Urteil aber, wenn es mit Gerechtigkeit geschieht, ist ein Ausfluß der Weisheit. Also muß hinsichtlich der Weisheit der Vater alle Weisheit der Menschen und Engel übertreffen, da er ja über sie alle Herr und Richter und gerecht und Herrscher ist. Er ist nämlich gut und barmherzig und geduldig und rettet, welche es verdienen. So ist seine Güte gerecht und seine Weisheit unbegrenzt; er rettet die, welche er retten muß, und richtet die, welche das Gericht verdienen. Darum kann auch seine Gerechtigkeit nicht grausam erscheinen, da ihr die Güte stets voranschreitet.



4.

Die seine Güte in gleicher Weise genossen haben, aber keineswegs dementsprechend gelebt, sondern sich trotz seiner Güte den Lüsten und der Schwelgerei ergeben haben, ja sogar den noch lästern, der ihnen so große Wohltaten erwiesen hat, die wird der Gott richten, der gnädig „seine Sonne über alle aufgehen lässt und regnen läßt über Gerechte und Gottlose“ (Vgl. Mt.
Mt 5,45).



5.

Da erweist sich doch Plato frömmer als diese, indem er ein und denselben Gott als gerecht und gut bekennt und ihm die Macht über alles und das Gericht zuspricht mit den Worten: „Gott, wie auch das alte Wort sagt, umfaßt den Anfang und das Ende und die Mitte aller Dinge, die da sind, bringt sie glücklich zustande und umgibt sie gemäß seiner Natur; ihm folgt aber beständig die Gerechtigkeit als Rächerin gegen die, welche vom göttlichen Gesetz abweichen“[81] . Und an einer anderen Stelle zeigt er ihn als den guten Schöpfer und Urheber des Universums, indem er sagt: „In dem Guten aber entsteht niemals irgend welcher Neid über jemanden“[82] , wodurch er als Anfang und Grund für die Schöpfung des Weltalls die Güte Gottes hinstellt, aber nicht die Unwissenheit oder einen irrenden Äonen oder die Frucht des Fehltrittes oder eine weinende und wehklagende Mutter oder einen andern Gott und Vater.



6.

Mit Recht aber wird ihre Mutter über sie wehklagen als die Erfinder und Erdichter solcher Lehren. Haben sie doch so recht auf ihr eigenes Haupt erklärt und gelogen (Da 13,55) , daß ihre Mutter außerhalb des Pleroma sei, d. h. außerhalb der Erkenntnis Gottes. Und ihre Genossenschaft ist die ungeschlachte, häßliche Frühgeburt geworden; sie nämlich begriff nichts von der Wahrheit, fiel in die Leere und in den Schatten, und leer ist ihre Lehre und schattenvoll. Und wenn ihr Horos ihre Mutter in das Pleroma nicht eingehen ließ, dann nahm sie der Geist nicht in die Ruhe auf. Und wenn ihr Vater die Unwissenheit hervorbrachte, dann bewirkte er in ihnen die Leidenschaften des Todes. Mit diesen Sätzen verleumden nicht wir sie, sondern sie selbst behaupten es und lehren es und rühmen sich dessen. Geheimnisvoll lehren sie von ihrer Mutter, sie sei ohne Vater, d, h. ohne Gott, erzeugt, also ein Weib bloß vom Weibe, d. h. eine Verderbnis aus dem Irrtum.



7.

Wir aber flehen, daß sie nicht verharren möchten in der Grube, die sie sich gegraben, sondern sich trennen von einer solchen Mutter, aus dem Bythos herauskommen, von der Leere abstehen und den Schatten verlassen, daß sie rechtzeitig wiedergeboren werden und zur Kirche Gottes sich bekehren möchten, daß Christus in ihnen Gestalt annehme und sie erkennen als den Schöpfer und Urheber dieses Weltalls den allein wahren Gott und Herrn von allem. Dies erflehen wir für sie und lieben sie mit größerem Nutzen, als sie sich selbst zu lieben glauben. Denn da unsere Liebe zu ihnen wahr ist, gereicht sie ihnen zum Heile, wenn sie dieselbe nur annehmen. Sie ist aber einer scharfen Arznei ähnlich, die das wilde und überflüssige Fleisch einer Wunde fortbeizt, sie verjagt nämlich ihren Hochmut und Stolz. Deshalb wollen wir versuchen und uns nicht scheuen, mit aller Kraft ihnen unsere Hand entgegenzustrecken. Weiterhin wollen wir dann in dem folgenden Buche die Reden des Herrn anführen, ob wir nicht vielleicht durch Christi Lehre einige von ihnen überzeugen und sie bewegen können, von ihrem argen Irrtum abzulassen und ihre Gotteslästerung aufzugeben, die sie gegen ihren Schöpfer richten, der doch der einzige Gott ist und der Vater unseres Herrn Jesu Christi. 

   Amen.







Viertes Buch



Vorrede

1.

Hiermit übersenden wir Dir, Geliebtester, das vierte Buch unseres Werkes über die Entlarvung und Widerlegung der falschen Erkenntnis. Wie wir Dir versprochen haben, werden wir unsere vorausgegangenen Ausführungen durch die Reden des Herrn bekräftigen, damit Du Deinem Wunsche gemäß von uns nach jeder Richtung hin die Hilfsmittel empfangest, um die Häretiker zu widerlegen. Hast Du sie alsdann in jedem Punkte widerlegt, dann wirst Du sie nicht weiter in den Abgrund des Irrtums vordringen, noch in dem Meer der Unwissenheit versinken lassen, sondern wirst sie in den Hafen der Wahrheit geleiten und hinführen zu ihrem Heile.



2.

Um sie aber zu bekehren, muß man ihre Dogmen oder Lehrsätze genau kennen. Ist es doch auch unmöglich, einen Kranken zu heilen, wenn man seinen Zustand nicht genau kennt. Deswegen vermochten unsere Vorgänger, obwohl sie in mancher Hinsicht uns übertrafen, den Valentinianern nicht genugsam zu begegnen, weil ihnen ihr Lehrgebäude unbekannt war, das wir mit aller Sorgfalt im ersten Buche Dir dargestellt haben. Du hast daraus ersehen, daß ihre Lehre bloß eine Zusammenfassung aller Häresien ist. Deshalb dienten sie uns im zweiten Buche gleichsam als Zielscheibe der gesamten Widerlegung. Hat man nämlich diese gehörig widerlegt, so gilt das allen Irrlehrern; stürzt man diese, so stürzen auch die übrigen Häresien.



3.

Mehr als alle anderen ist ihre Lehre gotteslästerlich, da sie, wie gesagt, behaupten, der Schöpfer und Urheber, d.i. Gott, sei aus dem Fehltritt oder Mangel entstanden. Sie lästern aber auch unsern Herrn, indem sie Jesum gewaltsam von Christus und Christus von dem Erlöser und den Erlöser wiederum von dem Worte und das Wort von dem Eingeborenen unterscheiden. Und wie der Schöpfer oder Urheber aus dem Mangel oder Fehltritt entstanden sein soll, so lehrten sie auch, daß Christus und der Hl. Geist wegen des Fehltritts ausgesandt seien, und daß der Erlöser die Frucht der von dem Fehltritt ausgegangenen Äonen sei, damit doch ja nichts bei ihnen ohne Lästerung ausgehe. In dem vorigen Buche haben wir Dir also gezeigt, daß die Apostel, die „von Anfang an Augenzeugen und Diener des Wortes“ (Lc 1,24)der Wahrheit gewesen sind, nicht nur nichts Derartiges gelehrt oder gewußt haben, sondern uns sogar ermahnt haben, vor derartigen Lehren auf der Hut zu sein, indem sie im Geiste jene vorausschauten, welche die Harmlosen verführen würden.



4.

Wie nämlich die Schlange Eva verführte (Gn 3,5) , indem sie ihr versprach, was sie selbst nicht hatte, so machen auch diese Anspruch auf eine höhere Erkenntnis und unaussprechliche Geheimnisse und verheißen die Aufnahme in ihr sogenanntes Pleroma, stürzen aber die, welche ihnen Glauben schenken, in den Tod und machen sie abtrünnig von ihrem Schöpfer. Als damals der böse Geist durch die Schlange den Ungehorsam der Menschen bewirkte, glaubte er, sich vor Gott verbergen zu können, weshalb ihm auch Gott die Form und Anrede der Schlange erteilte. Jetzt aber in den letzten Zeiten dehnt sich das Übel auf die Menschen weiter aus: nicht nur abtrünnig macht sie der Teufel, sondern durch viele Kunstgriffe, d. h. durch all die vorgenannten Häretiker, bringt er sie sogar zur Lästerung gegen ihren Schöpfer. Denn obwohl diese aus verschiedenen Orten herstammen und Verschiedenes lehren, so stimmen sie doch in der vorsätzlichen Gotteslästerung überein und bringen tödliche Wunden bei, indem sie Gotteslästerung gegen Gott, unsern Schöpfer und Ernährer lehren, und die Erlösung des Menschen abschaffen. Der Mensch ist aber eine Mischung von Seele und Fleisch, gebildet nach dem Ebenbilde Gottes und geformt durch seine Hände, d. h. den Sohn und den Geist, zu denen er auch sprach: „Lasset uns den Menschen machen“ (Ebd. 1,26). Jener, der uns um unser Leben beneidet, hat sich daher vorgenommen, den Menschen den Glauben an ihre Erlösung zu rauben und sie zur Lästerung gegen Gott ihren Schöpfer zu verführen. Denn was auch sonst immer die Häretiker mit der größten Wichtigtuerei lehren, schließlich kommen sie darin überein, daß sie den Schöpfer lästern und dem Geschöpfe Gottes, d. h. dem Fleische, die Erlösung absprechen, weshalb doch, wie wir auf vielfache Weise gezeigt haben, der Sohn Gottes die ganze Heilsordnung gemacht hat. Auch haben wir nachgewiesen, daß niemand anders von den Schriften Gott genannt werde als der Vater aller und der Sohn und die, welche an Kindesstatt angenommen sind.





1. Kapitel: Christus kennt und lehrt nur einen Gott

401 1.

Dies also steht fest, daß der Geist keinen andern als Gott und Herrn verkündet hat als den Gott, der mit seinem Worte über alles herrscht und diejenigen, welche den Geist der Kindschaft empfangen haben (Vgl. oben III, 6, 1) , d.h. diejenigen, welche an den einen wahren Gott und Christum Jesum, den Sohn Gottes, glauben. Ähnlich haben auch die Apostel für ihre Person keinen anderen Gott angerufen oder Herrn genannt; und noch viel weniger unser Herr, der uns befohlen hat, keinen andern Vater zu nennen als den, welcher im Himmel ist (
Mt 23,9) , den einzigen Gott und einzigen Vater. Also sind offenbar jene Lehren falsch, welche die Schwarmgeister und verdrehten Sophisten vorbringen, indem sie sagen, die Natur sei Gott, und Vater nur der, den sie gefunden hätten; der Weltenschöpfer sei von Natur weder Gott noch Vater, sondern werde nur so geheißen, weil er über die Schöpfung herrsche. So lästern sie Gott, indem sie die Worte verkehrt deuten, und auch die Lehre Christi geben sie preis, indem sie ihre falschen Lehren erträumen. So erheben sie sich gegen den gesamten Heilsplan Gottes. Denn ihre Äonen wollen sie Götter und Väter und Herren und sogar auch Himmel nennen, und ihre Mutter heißen sie Erde und Jerusalem und nennen sie auch sonst noch mit vielen andern Namen.



2.

Wem aber ist es nicht klar, daß der Herr seinen Jüngern nicht befohlen hätte, einen Gott anzuerkennen und diesen allein Vater zu nennen, wenn er viele Väter und Götter gekannt hätte? Vielmehr unterschied er die, welche nur dem Worte nach Götter sind, von dem, welcher in Wahrheit Gott ist, damit sie in seiner Lehre nicht irrten und die beiden Begriffe vertauschten. Wenn er uns nun befiehlt, nur einen Vater und Gott zu nennen (Jn 10,35) , selbst aber noch andere Väter und Götter in demselben Sinne bekennt, dann stimmen seine Worte offenbar mit den Taten nicht überein. So macht es aber kein guter Lehrer, sondern nur ein Neidhammel und Verführer. Dann würden auch die Apostel als Übertreter des Gebotes sich erweisen, wenn sie den Weltenschöpfer als Gott und Herrn und Vater bekennen, wie wir gezeigt haben, wo er doch nicht der einzige Gott und Vater ist. Jesus aber wäre der Urheber und Lehrer dieser Übertretung, da er ihnen befohlen hat, nur einen Vater zu nennen, und ihnen den Zwang auferlegte, den Weltenschöpfer als ihren Vater zu bekennen, wie gezeigt worden ist.





2. Kapitel: Auch die Propheten kannten nur diesen einen Gott

402 1.

Indem Moses das gesamte Gesetz, das er von dem Weltenschöpfer empfangen hatte, im Deuteronomium zusammenfaßt, spricht er: „Merke auf, o Himmel, ich werde reden, und die Erde höre die Worte aus meinem Munde!“ (
Dt 32,1) Und indem David sagt, daß seine Hilfe vom Herrn komme, spricht er: „Meine Hilfe ist vom Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat“ (Ps 7,11). Auch Isaias bezeugt, daß der Gott, der Himmel und Erde gemacht hat und über sie herrscht,[83] spreche: „Höre“, sagt er, „Himmel, und vernimm mit den Ohren, Erde, denn der Herr spricht“ (Is 1,2). Und wiederum: „So spricht der Herr, der Gott, der den Himmel gemacht hat und ihn befestigt, der die Erde festgelegt hat, und was in ihr ist, der den Odem gibt dem Volke, das auf ihr wandelt, und den Geist denen, die auf ihr wallen“ (Is 42,5).



2.

Ebenso bekennt unser Herr Jesus Christus ihn als seinen Vater, indem er spricht: „Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde“ (Mt 11,25). Welchen Vater sollen wir denn darunter verstehen, ihr ganz verkehrten Sophisten der Pandora? Etwa den Bythos, den ihr euch erdacht habt? Oder eure Mutter oder den Eingeborenen oder den Gott der Markioniten oder der übrigen, von dem wir doch auf vielerlei Weise gezeigt haben, daß er kein Gott ist, oder endlich der Wahrheit gemäß den Schöpfer des Himmels und der Erde, den die Propheten verkündet, Christus als seinen Vater bekennt und das Gesetz anzeigt mit den Worten: „Höre, Israel, der Herr, dein Gott, ist der einzige Gott!“ (Dt 6,4)



3.

Daß aber die Schriften des Moses Worte Christi sind, sagt er selbst den Juden, wie Johannes in seinem Evangelium berichtet: „Wenn ihr dem Moses glaubtet, würdet ihr auch mir glauben; denn von mir hat jener geschrieben. Wenn ihr aber seinen Schriften nicht glaubet, werdet ihr auch meinen Worten nicht glauben“ (Jn 5,45 f.). Damit gab er auf das deutlichste zu wissen, daß die Schriften des Moses seine Worte sind. Also sind die Worte des Moses und der übrigen Propheten ohne Zweifel seine, wie wir gezeigt haben. Und wiederum lehrt der Herr, Abraham habe dem Reichen mit Bezug auf alle, die noch am Leben sind, gesagt: „Wenn sie dem Moses und den Propheten nicht gehorchen, so würden sie auch nicht glauben, wenn einer von den Toten auferstände und zu ihnen käme“ (Lc 16,31).



4.

Er hat uns aber nicht bloß die Geschichte von einem Armen und einem Reichen erzählt, sondern zunächst uns gelehrt, daß niemand die Freuden und Lüsten der Welt genießen und in Schmausereien leben und seinen Vergnügungen dienen darf und dabei Gott vergessen. „Es war“, sagt er, „ein Reicher, der kleidete sich in Purpur und Byssus und ergötzte sich an glänzenden Gastmählern“ (Lc 16,19). Von solchen spricht auch der Geist des Isaias: „Bei Zithern und Pauken, Harfen und Flöten trinken sie Wein; aber die Werke Gottes betrachten sie nicht, und die Werke seiner Hände überlegen sie nicht“ (Is 5,12). Damit wir nicht in dieselbe Strafe wie jene verfallen, zeigt uns der Herr ihr Ende, indem er zugleich darauf hinweist, daß sie an ihn glauben würden, wenn sie auf Moses und die Propheten hörten, die von ihm gepredigt hätten, der als Sohn Gottes von den Toten auferstanden ist und uns das Leben verleiht. Auch weist er darauf hin, daß aus einer Wesenheit Abraham und Moses und die Propheten, ja der Herr selber ist, der auferstand von den Toten, und an den auch viele aus der Beschneidung glauben, weil sie auf Moses und die Propheten hörten, welche die Ankunft des Sohnes Gottes verkündeten. Die aber diese verachten und sagen, daß sie von einer andern Wesenheit seien, die kennen auch nicht den Erstgeborenen von den Toten; sie unterscheiden Christus, der leidensunfähig verblieben sein soll, von dem Jesus, der gelitten hat.



5.

Denn der Vater verleiht ihnen nicht, den Sohn zu erkennen, noch lernen sie von dem Sohne den Vater, den er klar und ohne Parabeln als den wahren Gott lehrt. „Ihr sollt überhaupt nicht schwören“, so spricht er, „weder bei dem Himmel, da er der Thron Gottes ist, noch bei der Erde, da sie der Schemel seiner Füße ist, noch bei Jerusalem, da es die Stadt des großen Königs ist“ (Mt 5,34 f.). Das bezieht sich deutlich auf den Schöpfer, wie auch Isaias sagt: „Der Himmel ist mir Sitz, und die Erde der Schemel meiner Füße“ (Is 66,1). Außer diesem gibt es keinen andern Gott, sonst würde der Herr ihn nicht Gott oder großen König nennen, denn bei ihm gibt es keine derartige Steigerung noch Übertreibung. Wer nämlich über sich noch einen höheren Herrn hat und unter der Macht eines andern steht, der kann weder Gott, noch großer König genannt werden.



6.

Sie können aber auch nicht sagen, daß diese Worte ironisch zu verstehen seien, denn durch die Worte selbst werden sie widerlegt, die in voller Wahrheit gesprochen sind. Denn die Wahrheit selbst sprach sie und verteidigte in Wahrheit ihr eigenes Haus, als er die Wechsler und Käufer und Verkäufer hinaustrieb, indem er zu ihnen sprach: „Es stehet geschrieben: Mein Haus wird ein Haus des Gebetes genannt werden, ihr aber habt es zu einer Räuberhöhle gemacht“ (Mt 21,13). Welche Ursache hätte er gehabt, so zu handeln und zu sprechen und sein Haus zu reklamieren, wenn er einen andern Gott verkündete? Doch nur, um sie als Übertreter des Gesetzes seines Vaters hinzustellen. Nicht das Haus schalt er, noch tadelte er das Gesetz, das zu erfüllen er gekommen war (Mt 5,17) , sondern die, welche von dem Hause keinen guten Gebrauch machten; und denen, welche das Gesetz übertraten, machte er Vorwürfe. Deshalb nahmen auch die Schriftgelehrten und Pharisäer, die von den Zeiten des Gesetzes angefangen hatten Gott zu verachten, sein Wort nicht auf, d. h. sie glaubten nicht an Christus. Von ihnen sagt Isaias: „Deine Führer sind ungehorsam, Diebsgesellen, lieben die Geschenke, trachten nach Vergeltung; den Waisen schaffen sie nicht Recht, und auf das Recht der Witwen geben sie nicht acht“ (Is 1,23) . Und ähnlich Jeremias: „Die meinem Volke vorstehen, kannten mich nicht, unverständige Söhne und unklug sind sie, weise in Bosheiten, aber Gutes zu tun, verstehen sie nicht“ (Jr 4,22) .



7.

Alle aber, die Gott fürchteten und um sein Gesetz besorgt waren, die eilten zu Christus und wurden gerettet. „Gehet“, so spricht er zu seinen Jüngern, „zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel“ (Mt 10,6). Und von den Samaritern, als der Herr zwei Tage bei ihnen geblieben war, heißt es: „Es glaubten noch viel mehr an ihn wegen seiner Worte, und sie sprachen zu dem Weibe: Schon nicht mehr wegen deiner Rede glauben wir, denn wir selbst haben gehört und wissen es, daß dieser in Wahrheit der Erlöser der Welt ist“ (Jn 4,41 f.). Auch Paulus sagt: „Und so wird ganz Israel gerettet werden“ (Rm 11,26). Auch nannte er das Gesetz unsern Erzieher auf Christus Jesus (Ga 3,27) . Der Unglaube einiger ist also nicht dem Gesetze zur Last zu legen. Weit entfernt, sie von dem Glauben an den Sohn Gottes abzuhalten, ermahnte es sie sogar dazu, indem es sagte, daß die Menschen nicht anders von der alten Wunde dar Schlange geheilt werden könnten (Nb 21,8) , als durch den Glauben an den, der nach der Ähnlichkeit des sündigen Fleisches an dem Marterholze von der Erde werde erhöht werden (Jn 3,14) und alles an sich ziehen (Ebd. 12,32) und die Toten lebendig machen werde.





3. Kapitel: Himmel und Erde vergehen, Gott nicht

403 1.

Böswillige sagen: Wenn der Himmel der Thron Gottes ist und die Erde sein Schemel, und geschrieben steht, daß Himmel und Erde vergehen sollen (
Lc 21,36) , dann muß auch, wenn diese untergehen, der Gott untergehen, der auf ihnen sitzt; folglich ist er nicht der Allerhöchste, Erstlich wissen diese nicht, was es bedeuten soll, wenn es heißt, der Himmel ist sein Thron und die Erde sein Fußschemel. Auch wissen sie nicht, was Gott ist, sondern meinen, daß er nach Art der Menschen sitze und getragen werde, nicht aber trage. Ferner kennen sie auch nicht den Weltenuntergang; Paulus aber kannte ihn wohl, wenn er sagte: „Es vergeht nämlich die Gestalt dieser Welt“ (1Co 7,34). Dann löst ihre Frage David. Wenn nämlich die Gestalt dieser Welt vergeht, dauert nicht nur Gott fort, sondern auch seine Diener, wie er im hundertundersten Psalme sagt: „Im Anfang hast Du die Erde gegründet, o Herr, und die Werke Deiner Hände sind die Himmel. Sie vergehen, Du aber bleibst; und alle altern wie ein Gewand, und wie eine Decke änderst Du sie, und sie werden verändert werden. Du aber bist immer derselbe, und Deine Jahre nehmen nicht ab. Die Söhne Deiner Diener werden dort wohnen, und ihr Same wird in Ewigkeit gelenkt werden“ (Ps 101,26 ff.). Damit zeigt er deutlich, was das ist und vergehen wird, und was das ist und immer bleiben wird, nämlich Gott mit seinen Dienern. Ähnlich sagt auch Isaias: „Erhebet euere Augen zum Himmel und gebet acht auf die Erde unten, daß die Erde wie Rauch befestigt ist und die Erde wie ein Gewand altert; die aber auf ihnen wohnen, sterben wie diese. Mein Heil aber wird ewiglich sein, und meine Gerechtigkeit wird nicht abnehmen“ (Is 15,6).





4. Kapitel: Warum Jerusalem fallen mußte

404 1.

In Betreff Jerusalems aber und in Betreff des Herrn wagen sie zu sagen, daß die Stadt nicht verlassen worden wäre, wenn sie „die Stadt des großen Königs“ (
Mt 5,35)gewesen wäre. Mit gleichem Rechte könnte man sagen, daß der Strohhalm niemals von dem Getreide verlassen würde, wenn er ein Geschöpf Gottes wäre, und daß die Rebzweige niemals, nachdem sie der Trauben beraubt, abgeschnitten würden, wenn sie von Gott gemacht wären. Wie aber diese Dinge nicht hauptsächlich ihretwegen, sondern wegen der an ihnen wachsenden Frucht gemacht worden sind, und wenn diese reif geworden und abgenommen ist, als wertlos für den Fruchtertrag fortgetan und beiseite geschafft werden, so ging es auch mit Jerusalem. Es hatte in sich das Joch der Knechtschaft getragen, in welchem der Mensch gezähmt wurde, der sich vorher Gott nicht unterwarf, solange der Tod herrschte, und danach erst zur Freiheit fähig wurde. Als aber die Frucht der Freiheit kam und wuchs und abgemäht und in die Scheune gebracht wurde, da wurden die, welche Frucht bringen konnten, von dort fortgenommen und in die ganze Welt zerstreut. So sagt Isaias: „Die Söhne Jakobs werden sprossen, und blühen wird Israel, und von seiner Frucht wird erfüllt werden die ganze Erde“ (Is 27,6). Als nun aber über die ganze Erde die Frucht ausgesät war, da wurde es mit Recht verlassen und fortgenommen, nachdem es zu seiner Zeit gute Frucht gebracht hatte. Denn aus Jerusalem ist hervorgegangen Christus dem Fleische nach und die Apostel. Nunmehr aber ist es wertlos und nicht mehr imstande, Frucht zu bringen. Denn was einen zeitlichen Anfang genommen hat, muß auch ein zeitliches Ende haben.



2.

Wie also das Gesetz mit Moses seinen Anfang nahm, so muß es dementsprechend mit Johannes aufhören. Um es zu erfüllen, war Christus gekommen, und deshalb währten Gesetz und Propheten bei ihnen bis auf Johannes (Lc 16,16) . So erfüllte auch Jerusalem seine Zeit, wie es mit David begonnen hatte, und fand das Gesetz notwendig sein Ende, nachdem der Neue Bund offenbart war. Denn alles macht Gott nach Maß und Ordnung, und nichts ist bei ihm ohne Berechnung oder Plan; und recht hat der, welcher sagt, daß selbst der unermeßliche Vater im Sohne gemessen sei — denn das Maß des Vaters ist der Sohn, da er ihn ja umfängt. Daß aber jene Dinge nur auf Zeit angeordnet waren, das sagt Isaias: „Verlassen wird die Tochter Sions wie eine Hütte im Weinberge und wie ein Wächterhaus im Kürbisgarten“ (Is 1,8). Wann aber wird dies geschehen? Doch wohl dann, wann die Frucht abgenommen wird und die Blätter allein bleiben, die keine Frucht mehr bringen können.



3.

Doch wozu von Jerusalem sprechen« da doch auch die Gestalt der ganzen Welt (1Co 7,31) zugrunde gehen muß, wenn die Zeit ihres Unterganges gekommen ist, damit die Frucht in die Scheune gebracht, die leere Spreu aber verbrannt werde! (Vgl. Mt. Mt 13,30) Denn der Tag des Herrn ist wie eine glühende Esse, und Stroh werden sein alle Sünder, die Unrecht tun, und der kommende Tag wird sie verbrennen (Ml 4,1) . Wer aber der Herr ist, der solchen Tag hereinbringt, das verkündet Johannes der Täufer, indem er von Christus sagt: „Er wird euch mit dem Hl. Geiste und Feuer taufen, indem er die Wurfschaufel in seiner Hand hat, um seine Tenne zu reinigen, und die Frucht wird er sammeln in die Scheune, die Spreu aber verbrennen in unauslöschlichem Feuer“ (Mt 3,11 f.). Nicht also macht einer den Weizen, ein anderer die Spreu, sondern ein und derselbe, der sie auch richten wird, d. h. trennen. Weizen und Spreu aber, die ohne Leben und Verstand sind, wurden von Natur aus so; der vernünftige Mensch jedoch, hierdurch das Ebenbild Gottes, daß er frei wählen und sich selbst bestimmen kann, trägt in sich die Ursache, wenn er einmal Weizen, das anderemal Spreu wird. Deshalb wird er auch mit Recht verdammt werden, wenn er trotz seines Verstandes den wahren Verstand verloren hat, und unverständig lebend, die Gerechtigkeit Gottes herausforderte, indem er sich allem Erdengeiste ergab und allen Lüsten diente, nach dem Worte des Propheten, der da sagt: „Da der Mensch in Ehre war, hat er es nicht verstanden; er ist gleich geworden den unverständigen Tieren und ihnen ähnlich geworden“ (Ps 48,13).





5. Kapitel: Die Einheit der beiden Testamente

405 1.

Es ist also ein und derselbe Gott, der „den Himmel aufwickelt wie eine Schriftrolle“ (
Is 34,4)und „das Angesicht der Erde erneuert“ (Ps 105,30). Er machte das Zeitliche wegen des Menschen, damit er, darin heranreifend, unsterbliche Frucht bringe, und umkleidet ihn mit Ewigem wegen seiner Güte, damit er den nachkommenden Zeiten die unaussprechlichen Reichtümer seiner Güte zeige“ (Ep 2,7). Er wurde vom Gesetz und den Propheten verkündet und von Christus als Vater bekannt. Er ist auch der Schöpf er und Gott über alles, wie Isaias sagt: „Ich bin Zeuge, spricht Gott, der Herr, und mein Knecht, den ich erwählte, damit ihr erkennet, glaubt und versteht, daß ich es bin. Vor mir war kein anderer Gott, und nach mir wird keiner kommen. Ich bin Gott und außer mir ist keiner, der da rettet. Ich habe verheißen, und ich habe gerettet“ (Is 44,10 ff.). Und wiederum: „Ich bin der erste und der letzte“ (Ebd. 41,4). So spricht er nicht in eitlem, aufgeblasenem Stolze, sondern weil es unmöglich war, ohne Gott Gott kennen zu lernen, lehrte er durch sein Wort die Menschen die Kenntnis Gottes. Denen aber, die das nicht verstehen und deswegen glauben, einen andern Vater erfunden zu haben, ruft jemand mit Recht zu: „Ihr irrt, da ihr weder die Schriften noch die Kraft Gottes kennet.“



2.

So antwortete nämlich unser Herr und Lehrer den Sadduzäern, die da sagten, es gebe keine Auferstehung von den Toten, und dadurch Gott verunehrten und das Gesetz schmähten. Indem er ihnen die Auferstehung verkündete und Gott offenbarte, sprach er zu ihnen: „Ihr irrt, da ihr weder die Schriften noch die Kraft Gottes kennet. In Betreff der Auferstehung der Toten habt ihr nicht gelesen, was von Gott gesagt ist, der da spricht: Ich bin der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs?“ Und er fügte hinzu: „Er ist aber nicht ein Gott der Toten, sondern der Lebenden, denn ihm leben alle“ (Mt 22,29 ff.). Damit ist klar ausgesprochen, daß der, welcher zu Moses aus dem Dornbusche redete und sich als der Gott der Väter ihm offenbarte, der Gott der Lebenden ist. Denn wer soll er sonst sein, wenn nicht der, über dem es keinen andern Gott gibt? Diesen verkündete auch der Prophet Daniel, als Cyrus, der König der Perser, ihn fragte: „Warum betest du Bel nicht an?“ Da sagte er ihm: „Ich verehre nicht Götzen, die mit der Hand gemacht sind, sondern den lebendigen Gott, der Himmel und Erde gemacht hat und die Herrschaft besitzt über alles Fleisch“ Und weiter: „Den Herrn meinen Gott werde ich anbeten, denn dieser ist der lebendige Gott“ (Da 14,3 ff.; 24). Das ist also der lebendige Gott, der von den Propheten als Gott angebetet wurde; und sein Wort hat zu Moses gesprochen und die Sadduzäer widerlegt und die Auferstehung verheißen. Beides, die Auferstehung und Gott, schenkt es denen, die blind sind. Denn wenn es keinen Gott der Toten, sondern nur einen der Lebendigen gibt, dieser aber der Gott der schlafenden Väter genannt wird, dann loben diese zweifelsohne Gott und sind nicht untergegangen und sind Söhne der Auferstehung. Die Auferstehung aber ist unser Herr selber, wie er sagt: „Ich bin die Auferstehung und das Leben“ (Jn 11,25). Die Väter aber sind seine Söhne nach dem Worte des Propheten: „Für deine Väter sind dir Söhne geboren“ (Ps 44,17). Also ist Christus selbst mit dem Vater der Lebendigen der Gott, der zu Moses sprach und sich den Vätern offenbarte.



3.

Dasselbe lehrte er den Juden mit den Worten: „Abraham, euer Vater, freute sich, daß er meinen Tag sehen werde, er sah ihn und freute sich“ (Jn 8,56). Wie denn? „Es glaubte Abraham Gott, und angerechnet wurde es ihm zur Gerechtigkeit“ (Rm 4,3). Erstlich glaubte er ihm, dass er, der Schöpfer des Himmels und der Erde, der einzige Gott ist, und zweitens, daß er seinen Samen machen würde wie die Sterne des Himmels, d. h. nach den Worten Pauli: „Wie Himmelslichter in der Welt“ (Ph 2,15). Billigerweise also verließ er seine irdische Verwandtschaft und folgte dem Worte und wanderte mit ihm in die Fremde aus, um mit dem Worte zu wohnen.



4.

Demgemäß verließen auch die Apostel, die von Abraham abstammten, ihr Schiff und ihren Vater und folgten dem Worte Gottes. Ebenso nehmen auch wir demgemäß, die wir denselben Glauben empfangen haben, den Abraham hatte, unser Kreuz auf uns nach dem Beispiel Isaaks und folgen ihm nach. Denn in Abraham hatte der Mensch zuerst gelernt und sich gewöhnt, dem Worte Gottes nachzufolgen. Befolgte doch Abraham gemäß seinem Glauben den Befehl des Wortes Gottes und willigte willigen Herzens darin ein, seinen eingeborenen und geliebten Sohn Gott als Opfer zu bringen, damit es auch Gott gefallen möge, für dessen ganze Nachkommenschaft seinen eingeborenen und geliebten Sohn zu unserer Erlösung als Opfer darzubringen.



5.

Da also Abraham ein Prophet war und im Geiste den Tag der Ankunft des Herrn sah und die Anordnung seines Leidens, durch welches er und alle gerettet werden sollten, die ähnlich wie er Gott glaubten, so frohlockte er überaus. Also war dem Abraham der Herr nicht unbekannt, dessen Tag er zu sehen wünschte, noch der Vater des Herrn. Denn er hatte es von dem Worte des Herrn gehört und glaubte ihm, und das wurde ihm zur Gerechtigkeit vom Herrn angerechnet. Denn der Glaube an den höchsten Gott rechtfertigt den Menschen, und deswegen sprach er: „Ich will ausstrecken meine Hand zu dem höchsten Gott, der Himmel und Erde gemacht hat“ (Gn 14,22). Diese Aussprüche alle wollen jene Irrlehrer wegen eines einzigen Wortes umdrehen, das sie bloß nicht recht verstanden haben.






(Contra Haereses) 324