(Contra Haereses) 418

18. Kapitel: Nur das reine Opfer der Kirche ist Gott wohlgefällig

418 1.

Daher ist die Opfergabe der Kirche, die nach dem Auftrag des Herrn in der gesamten Welt dargebracht wird, als ein reines Opfer bei Gott angesehen und ihm angenehm, nicht als ob er ein Opfer von uns gebrauchte, sondern weil der, welcher es darbringt, selbst verherrlicht wird durch das, was er darbringt, wenn seine Gabe angenommen wird. Indem wir dem Könige etwas schenken, zeigen wir ihm unsere Verehrung und Zuneigung. Der Herr will aber, daß wir in aller Einfalt und Unschuld opfern; deshalb sagt er mit nachdrücklichen Worten: „Wenn du also deine Gabe darbringst vor dem Altare und dich erinnerst, daß dein Bruder etwas gegen dich hat, dann laß deine Gabe vor dem Altar und geh dich zuerst versöhnen mit deinem Bruder and dann komme zurück und opfere deine Gabe!“ (
Mt 5,23 f.) Also soll man dem Herrn die Erstlinge der Schöpfung opfern, wie auch Moses sagt: „Du sollst nicht leer erscheinen vor dem Angesichte des Herrn, deines Gottes“ (Dt 16,16). Insofern der Mensch sich dankbar erweist, wird ihm das zum Danke angerechnet, damit er von ihm Ehre empfange.



2.

Also der Opfergedanke ist nicht verworfen worden, denn Opfer sind hier wie da, Opfer in der Synagoge, Opfer in der Kirche — nur die Art und Weise der Opfer hat sich geändert, da sie nicht mehr von Sklaven, sondern von den Kindern dargebracht werden. Der Herr ist ein und derselbe geblieben; anders geartet aber ist die Gabe der Knechte und anders die Gabe der Kinder, damit auch die Gaben das Zeichen der Freiheit tragen. Denn nichts ist bei ihm überflüssig, bedeutungslos und ohne Grund. Darum hatten jene den Zehnten dem Herrn geweiht; die aber die Freiheit empfangen haben, die widmen ihren gesamten Besitz dem Herrn und geben ihn freudig und freiwillig hin, nicht bloß den kleineren Teil, da sie ja die Hoffnung auf größeres haben. Hier legt die Witwe und der Arme seinen ganzen Lebensunterhalt (Lc 21,4) in den Schatzkasten des Herrn.



3.

Schon im Anfang schaute der Herr auf Abels Gaben, da er sie in Einfalt und Gerechtigkeit darbrachte; auf Kains Opfer aber schaute er nicht (Gn 4,4 f.) , weil sein Herz durch Neid und Bosheit gegen den Bruder gespalten war. Diese verborgenen Fehler tadelte der Herr, indem er zu ihm sprach: „Hast du nicht, wenn du recht opfertest, aber unrecht teiltest, gesündigt? Laß davon ab!“ (Ebd. 4,7 nach der LXX.) Denn durch Opfer wird Gott nicht versöhnt. Wenn nämlich jemand nur nach dem äußeren Schein rein, recht und gesetzmäßig opfern wollte, in seinem Herzen aber in seinen Beziehungen zum Nächsten nicht recht teilen wollte und keine Gottesfurcht hätte, so kann er, innerlich mit Sünde behaftet, Gott nicht täuschen, noch wird ihm solch ein Opfer etwas nützen, sondern nur die Abkehr von dem Bösen, das innerlich empfangen war. Durch die heuchlerische Handlung noch mehr natürlich durch die Sünde selbst, machte sich der Mensch zum Menschenmörder an sich selbst. Deshalb sprach auch der Herr: „Weh euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer, ihr Heuchler, ihr seid ähnlich übertünchten Gräbern. Äußerlich nämlich erscheint das Grab schön, innen aber ist es voll von Totengebein und allerlei Unrat. So erscheint auch ihr den Menschen von außen als Gerechte, innen aber seid ihr voll von Bosheit und Heuchelei“ (Mt 23,27 f.). Da ihre Opfer von außen recht erschienen, hatten sie in sich eine ähnliche Absicht wie Kain. Deswegen ermordeten sie auch den Gerechten und verachteten auch wie Kain den Rat Gottes. Denn zu jenem sprach er: „Laß davon ab!“ aber jener hörte nicht darauf. Wovon anders sollte er denn ablassen, als von seinem geplanten Überfall? Und zu diesem spricht er ähnlich. „Du blinder Pharisäer“, sagt er, „mach das Innere des Kelches rein, damit auch, was innen ist, rein sei“ (Ebd. 23,26). Aber sie hörten nicht. „Denn siehe“, sagt Jeremias, „nicht deine Augen, noch dein Herz ist gut, sondern voll Begierde auf das gerechte Blut, um es zu vergießen, und auf Ungerechtigkeit und auf Menschenmord, ihn zu verüben“ (Jr 22,17). Und wiederum sagt Isaias: „Ihr habt einen Plan gemacht, nicht durch mich, und einen Bund, nicht durch meinen Geist“ (Is 30,1). Damit nun ihr innerer Wille und ihre ans Licht gezogenen Gedanken zeigen, daß Gott, der das Verborgene offenbar macht and das Böse nicht bewirkt, ohne Schuld und nicht die Veranlassung des Bösen sei, sprach er zu Kain, der keineswegs aufhörte: „Du kannst sie umwandeln und sollst über sie herrschen“ (Vgl. Gn 4,7). Ähnlich sprach er auch zu Pilatus: „Du hättest keine Gewalt über mich, wenn sie dir nicht gegeben wäre von oben her“ (Jn 19,11). Denn immer gibt Gott den Gerechten hin, damit dieser durch seine Leiden und Mühen erprobt und angenommen wird, der Böse aber gemäß seiner Taten gerichtet und hinausgestoßen wird. Also nicht die Opfer machen den Menschen heilig, denn keines Opfers bedarf Gott, sondern das Gewissen des Opfernden heiligt das Opfer, wenn ersteres rein ist, und bewirkt, daß es Gott wie von einem Freunde annimmt. „Wenn der Sünder aber mir ein Kalb schlachtet, ist es, als ob er einen Hund schlachtet“, heißt es (Is 66,3) .



4.

Weil also die Kirche in Einfalt opfert, so wird ihre Gabe mit Recht von Gott als reines Opfer angesehen. So sagt auch Paulus zu den Philippern: „Ich bin angefüllt, nachdem ich von Epaphroditus empfangen habe, was ihr mir schicktet, einen lieblichen Geruch, ein angenehmes und wohlgefälliges Opfer für Gott“ (Ph 4,13). Denn es geziemt sich, daß wir Gott Opfer darbringen und in allen Stücken gegen Gott, unsern Schöpfer, als dankbar erfunden werden, in reiner Absicht und aufrichtigem Glauben, in fester Hoffnung, in glühender Liebe die Erstlinge seiner Geschöpfe ihm darbringend. Und dieses reine Opfer bringt allein die Kirche dem Schöpfer dar, indem sie ihm unter Danksagung aus seinen Geschöpfen opfert. Das tun die Juden nicht, denn ihre Hände sind voll von Blut, weil sie das Wort nicht aufnahmen, das Gott geopfert wird. Und ebensowenig die Versammlungen der Häretiker. Denn die einen nennen den Schöpfer einen anderen als den Vater und stellen diesen also, indem sie ihm Gaben aus unserer Schöpfung darbringen, als einen solchen dar, der nach Fremdem verlangt und nach Fremdem begierig ist. Die anderen aber, die da sagen, daß diese unsere Schöpfung aus dem Fehltritt, der Unwissenheit und Leidenschaft entstanden sei, sündigen gegen ihren Vater, indem sie ihm die Früchte der Unwissenheit, Leidenschaft und des Fehltrittes darbringen und fügen ihm mehr Schmach zu, als sie ihm Dank sagen. Natürlich ist ihnen auch das Brot, über dem Dank gesagt worden ist, nicht der Leib ihres Herrn, noch der Kelch in seinem Blute, wenn sie ihn nicht als den Sohn des Weltenschöpfers betrachten, d. h. als sein Wort, durch welches das Holz Frucht bringt und die Quellen fließen und die Erde zuerst den Halm, dann die Ähren und zuletzt den vollen Weizen in der Ähre hervorbringt.



5.

Wie aber können sie wiederum sagen, das Fleisch verwese und habe keinen Anteil am Leben, wenn es mit dem Leibe und Blute des Herrn ernährt wird? Also mögen sie diese Lehre abändern oder nicht mehr die genannten Gaben darbringen! Unsere Lehre aber stimmt mit der Eucharistie überein, und die Eucharistie wiederum bestätigt unsere Lehre. Von dem Seinigen nämlich opfern wir ihm, indem wir geziemenderweise die unauflösliche Einheit von Fleisch und Geist verkünden. Denn wie das von der Erde stammende Brot, wenn es die Anrufung Gottes empfängt, nicht mehr gewöhnliches Brot ist, sondern die Eucharistie, die aus zwei Elementen, einem irdischen und einem himmlischen besteht, so gehören auch unsere Körper, wenn sie die Eucharistie empfangen, nicht mehr der Verweslichkeit an, sondern haben die Hoffnung auf Auferstehung.



6.

Nicht wegen seines Bedürfnisses opfern wir ihm also, sondern um seiner Herrschaft Dank zu sagen und seine Gabe zu heiligen. Denn wie Gott kein Bedürfnis hat für unsere Gaben, so haben wir das Bedürfnis, Gott etwas zu opfern. So sagt Salomon: „Wer sich der Armen erbarmt, leiht Gott auf Zinsen“ (Pr 19,17). Obwohl Gott nämlich nichts gebraucht, nimmt er für sich unsere guten Werke an, um uns zum Entgelt von seinen Gütern mitzuteilen, wie unser Herr sagt: „Kommet, ihr Gesegneten meines Vaters, empfanget das euch zubereitete Reich! Denn ich war hungrig, und ihr gabt mir zu essen; ich war durstig, und ihr habt mich getränkt; ich war ein Fremdling, und ihr habt mich aufgenommen; ich war nackt, und ihr habt mich bedeckt; ich war krank, und ihr habt mich besucht; ich war im Gefängnisse, und ihr seid zu mir gekommen“ (Mt 25,34 ff.). Obwohl er also dessen nicht bedarf, will er dennoch, daß wir es unseretwegen tun, damit wir nicht unfruchtbar bleiben. So gab ebendasselbe Wort dem Volke das Gebot für die Darbringung der Opfer, nicht weil er dessen bedurfte, sondern damit sie lernen sollten, Gott zu dienen. Deshalb verlangt er auch von uns, daß wir ihm immerdar ohne Unterlaß am Altare das Opfer darbringen. Der eigentliche Altar aber ist im Himmel, wohin auch unsere Gebete und Opfer zielen, und der Tempel, von dem Johannes sagt: „Und geöffnet wurde der Tempel Gottes und der Tabernakel (Ap 11,19) , Siehe, sagt er, hier ist der Tabernakel Gottes, in welchem er wohnen wird mit den Menschen“ (Ebd. 21,3).





19. Kapitel: Gottes Wesen ist unergründlich

419 1.

Die Gaben aber und Weihegeschenke und alle Opfer empfing das Volk unter einem Bilde, wie es dem Moses auf dem Berge ebenderselbe Gott zeigte, dessen Namen auch jetzt in der Kirche unter allen Völkern verherrlicht wird. Diese irdischen, uns betreffenden Anordnungen sind natürlich ein Abbild der himmlischen Dinge und gehen auf denselben Gott zurück. Denn anders konnte er das Bild der geistigen Dinge nicht wiedergeben. Wenn nun aber die überhimmlischen und geistigen Dinge, die für uns unsichtbar und unaussprechlich sind, wiederum ein Typus anderer, himmlischer Dinge und eines anderen Pleroma sein sollen und Gott das Abbild eines anderen Vaters, dann ist das eine ganz irrige, törichte und stumpfsinnige Behauptung. Denn dann müßte man, wie wir schon oftmals gezeigt haben, für die Typen immer andere Typen und für die Abbilder immer andere Urbilder erfinden, und so würde der Geist niemals bei dem einen und wahren Gott haltmachen. So haben sich ihre Gedanken über Gott erhoben, und in ihren Herzen haben sie sich über den Meister verstiegen, wenigstens ihrer Idee nach, in Wahrheit aber sind sie abgewichen von dem wahren Gott.



2.

Ihnen könnte man gerechterweise entgegenhalten, was die Schrift zu verstehen gibt: Warum erhebt ihr eure Gedanken über Gott, ihr unvernünftigen Toren? Ihr habt gehört, „daß die Himmel gemessen sind in seiner Hand“ (
Is 40,12). Sagt mir denn doch das Maß und gebt mir an die unaussprechliche Menge der Ellen! Setzt mir auseinander die Fülle und Breite und Länge und die Höhe, den Anfang und das Ende der Abmessung, was des Menschen Herz nicht begreift noch versteht! Denn wahrhaft groß sind die himmlischen Schatzkammern; unausmeßbar im Herzen ist Gott und unbegreiflich im Gemüte, der die Erde mit seiner Faust umfaßt. Wer überschaut das Maß seiner Rechten, wer kennt seinen Finger, wer versteht seine Hand, die das Unermeßliche mißt, die mit ihrem Maße das Maß der Himmel mißt und mit der Faust die Erde samt ihren Abgründen umschließt, die in sich enthält die Breite und Weite, die Tiefe nach unten, die Höhe nach oben, für die gesamte sichtbare, hörbare, erkennbare und unsichtbare Schöpfung? „Über allem Anfang und aller Macht und Herrschaft und jedem Namen, der genannt wird“ (Ep 1,21), höher als alles, was gemacht und erschaffen ist, steht Gott. Er erfüllt die Himmel und durchschaut die Abgründe und ist mit einem jeden von uns. „Ich bin ein Gott, der nahe ist“, spricht er nämlich, „und nicht ein Gott aus der Ferne. Wenn ein Mensch sich im Verborgenen verbirgt, soll ich ihn nicht sehen?“ (Jr 23,23 f.) Seine Hand umfaßt ja alles, sie erleuchtet die Himmel und das, was unter dem Himmel ist, sie „erforschet Nieren und Herzen“ (Ps 7,10), ist in unserem Verborgenen und Geheimen und nährt uns offenkundig und erhält uns.



3.

Wenn aber der Mensch nicht einmal die Fülle und Größe seiner Hand begreifen kann, wie wird er dann in seinem Herzen den so großen Gott fassen und verstehen können? Und gleich als ob sie diesen schon gemessen und durchschaut hätten und ihn ganz durchforscht hätten, erdichten sie über ihm noch ein anderes Pleroma von Äonen und einen anderen Vater, obwohl sie nicht einmal zum Himmel hinaufschauen, sondern wahrhaftig nur in den bodenlosen Bythos ihrer Verrücktheit hinabsteigen. So muß denn ihr Vater dort, wo das Pleroma anfängt, ein Ende haben, ihr Demiurg kann aber nicht einmal bis dorthin reichen. Und so ist nach ihrer Behauptung keiner von beiden vollkommen und allumfassend. Fehlt ihm doch die gesamte Schöpfung, die außerhalb des Pleroma ist, jenem aber das, was innerhalb desselben ist, und keiner von ihnen ist Gott über das Ganze. Daß aber die Größe Gottes aus der Schöpfung niemand angeben kann, ist allen klar; und ebenso wird jeder, der eine würdige Vorstellung von Gott hat, zugeben, daß seine Größe kein Ende kennt, sondern alles umfaßt und bis zu uns reicht und bei uns ist.





20. Kapitel: Der Vater, das Wort und der Geist haben alles erschaffen. — Die Anschauung Gottes

420 1.

In seiner Größe also können wir Gott nicht erkennen, denn unmöglich ist es, den Vater zu messen. In seiner Liebe aber, die uns durch das Wort zu Gott hinführt, werden wir, wenn wir ihm gehorchen, immer besser verstehen, daß Gott so groß ist und durch sich selbst alles beschlossen, erwählt und ausgeschmückt hat und alles umfängt. Somit auch diese Welt hienieden. Und unter dem, was von ihm umfaßt wird, sind auch wir erschaffen. Hierüber sagt die Schrift: „Und es bildete Gott den Menschen, indem er den Schlamm der Erde nahm, und er hauchte in sein Antlitz den Hauch des Lebens“ (
Gn 2,7). Die Engel also haben uns nicht gemacht, noch gebildet, noch konnten sie uns nach dem Bilde Gottes machen, noch irgend ein anderer außer dem Worte des Herrn, noch irgend eine Kraft, die von dem Vater des Weltalls weit entfernt war. Auch bedurfte Gott keiner solchen Hilfe, um das zu machen, was er bei sich beschlossen hatte, gleich als ob er selbst keine Hände hätte. Denn immer ist bei ihm das Wort und die Weisheit, der Sohn und der Geist, durch die und in denen er alles aus freiem Willen und Entschluß geschaffen hat. Zu ihnen spricht er auch: „Laßt uns den Menschen machen nach unserm Bild und Gleichnis“ (Gn 1,26), indem er aus sich selbst die Substanz der Geschöpfe und ihre Idee und ihre schöne reale Gestalt hernahm.



2.

Es gibt einen schönen Ausspruch der Schrift, welcher lautet: „Zuerst vor allem glaube, daß es einen Gott gibt, der das Weltall geschaffen und aus dem Nichtsein alles Sein gemacht und vollendet hat. Alles umfaßt er, und von niemand wird er umfaßt“[87] . Schön heißt es aber auch bei dem Propheten Malachias: „Ist nicht einer Gott, der uns erschaffen hat? Ist nicht einer der Vater von uns allen?“ (Ml 2,10) Desgleichen sagt auch der Apostel: „Ein Gott Vater, der über allem und in uns allen ist“ (Ep 4,6). In gleicher Weise spricht auch der Herr: „Alles ist mir von meinem Vater übergeben worden“ (Mt 11,27); offenbar von dem, welcher alles gemacht hat. Denn nicht Fremdes, sondern das Eigene übergab er ihm. Wenn aber alles, dann ist nichts seiner Macht entzogen, und deshalb ist er auch der Richter der Lebendigen und der Toten; „er hat den Schlüssel Davids, er öffnet, und niemand schließt, er schließt, und niemand öffnet“ (Ap 3,7). Kein anderer weder im Himmel, noch auf der Erde, noch unter der Erde konnte das Buch des Vaters öffnen, noch ihn sehen, als das Lamm, welches geschlachtet wurde und mit seinem Blute uns erlöste. Von ebendemselben, der alles durch das Wort gemacht und mit seiner Weisheit geschmückt hat, empfing er auch die Gewalt über alles, als das Wort Fleisch wurde. Nun herrscht das Wort auch auf Erden, wie es im Himmel geherrscht hat, denn als gerechter Mensch „tut es keine Sünde, noch wird in seinem Munde Falsch gefunden“ (1P 2,22), herrscht auch unter der Erde, da es der Erstgeborene der Toten geworden ist. So sah, wie wir gesagt haben, alles seinen König, und im Fleische des Herrn begegnete uns das Licht des Vaters, strahlte von seinem Fleische auf uns aus, und so kam der Mensch zur Unverweslichkeit, indem er von dem väterlichen Lichte umgeben wurde.



3.

Und daß das Wort, d. h. der Sohn, immer bei dem Vater war, haben wir vielfach dargetan. Daß aber auch die Weisheit, d. h. der Geist, bei ihm vor aller Schöpfung war, sagt er durch Salomon: „Gott hat durch die Weisheit die Erde gegründet, den Himmel bereitet durch die Klugheit. Durch seinen Geist brachen die Abgründe hervor und die Wolken träufelten Tau“ (Pr 3,19 f.).Und wiederum; „Der Herr schuf mich am Anfang seiner Wege zu seinen Werken, vor der Ewigkeit gründete er mich, im Anfang, bevor er die Erde machte, bevor er die Abgründe festlegte, und bevor die Wasserquellen hervorgingen und die Berge befestigt wurden, vor allen Hügeln erzeugte er mich“ (Ebd. 8,22 ff.). Und wiederum: „Als er den Himmel bereitete, war ich bei ihm, und als er die festen Quellen des Abgrundes machte, als er die starken Fundamente der Erde legte, war ich bei ihm helfend. Ich war es, mit dem er sich freute, täglich aber freute ich mich vor seinem Angesichte zu jeder Zeit, als er sich freute über die Vollendung des Erdkreises, und er ergötzte sich unter den Menschenkindern“ (Ebd. 8,27 ff.).



4.

Der eine Gott also, der durch sein Wort und die Weisheit alles gemacht und geordnet hat, ist auch der Demiurg, der diese Welt dem Menschengeschlechte angewiesen hat. In seiner Größe ist er allen denen, die er gemacht hat, unbekannt, denn keiner von den Alten, die dahingegangen sind, noch von denen, die jetzt noch leben, hat seine Höhe erforscht; in seiner Liebe aber wird er immer von dem erkannt, durch den er alles gemacht hat. Das ist aber sein Wort, unser Herr Jesus Christus, der in den letzten Zeiten Mensch unter Menschen geworden ist, um das Ende mit dem Anfang zu verbinden, d. h. den Menschen mit Gott. Deswegen empfingen die Propheten von demselben Worte die Prophetengabe und verkündeten seine Ankunft im Fleische, wodurch die Vermischung und Vereinigung des Menschen mit Gott nach dem Wohlgefallen des Vaters bewirkt wurde. Hatte doch das Wort von Anfang an vorherverkündigt, daß „Gott von den Menschen geschaut werden“ (Ba 3,37)und mit ihnen auf Erden verkehren und sprechen wird und beistehen seinem Geschöpfe, und es retten und von ihm sich aufnehmen lassen wird und uns „erretten werde aus den Händen aller, die uns hassen“ (Lc 1,71), d. h. von jedem Geist des Ungehorsams, and bewirken, daß wir „ihm dienen in Heiligkeit und Gerechtigkeit alle unsere Tage“ (Ebd. 1,75), damit der Mensch den Geist Gottes umarme und eingehe in die Herrlichkeit des Vaters.



5.

Das verkündeten die Propheten prophetisch. Einige aber, die überhaupt nicht wissen, was eine Prophetie ist, behaupten nun, daß der Vater, der von den Propheten gesehen wurde, mit dem unsichtbaren Allvater nicht identisch sei. Eine Prophetie ist nämlich die Verkündigung künftiger Dinge, d. h. die Vorhersage dessen, was später sein wird. Es verkündeten also die Propheten im voraus, daß Gott von den Menschen gesehen werden wird, wie auch der Herr sagte: „Selig, die reinen Herzens, denn sie werden Gott sehen“ (Mt 5,8). In seiner Größe aber und wunderbaren Herrlichkeit „wird niemand Gott sehen und leben“ (Ex 33,20), denn unfaßbar ist der Vater. In seiner Liebe und Freundlichkeit aber läßt er sich, weil er alles kann, von denen sehen, die ihn lieben, wie es die Propheten verkündeten. Denn „was unmöglich ist bei den Menschen, ist möglich bei Gott“ (Lc 18,27). Aus sich selbst nämlich sieht der Mensch Gott nicht. Wenn er es aber will, wird er von den Menschen gesehen, von denen er es will, wann und wie er es will. Denn Gott vermag alles. Ehemals wurde er im Geiste prophetisch geschaut, dann durch den Sohn, wie es angenommenen Kindern zukommt, schließlich wird er gesehen werden im Himmelreiche als Vater. Denn der Geist bereitet den Menschen vor im Sohne Gottes, der Sohn führt ihn hin zum Vater, der Vater aber schenkt ihm Unverweslichkeit zum ewigen Leben, das jedem deswegen zuteil wird, weil er Gott schaut. Denn wie die, welche das Licht schauen, in dem Lichte sind und an seinem Glanze teilnehmen, so sind die, welche Gott schauen, in Gott und haben teil an seiner Herrlichkeit. Diese Herrlichkeit aber macht sie lebendig, denn das Leben empfangen, die Gott schauen. Und auf diese Weise macht sich der Unfaßbare und Unbegreifbare und Unsichtbare sichtbar, begreifbar und faßbar für die Gläubigen, damit er lebendig macht, die ihn durch den Glauben fassen und schauen. Denn wie seine Größe unerforschbar ist, so ist seine Güte unaussprechbar, durch die er sich sehen läßt und Leben verleiht denen, die ihn sehen. Denn zu leben ohne das Leben ist unmöglich; die Subsistenz des Lebens aber kommt her von der Teilnahme an Gott. An Gott aber teilnehmen, heißt ihn schauen und seine Güter genießen.



6.

Die Menschen also werden Gott sehen, damit sie leben, indem sie durch das Schauen unsterblich geworden sind und in Gott eintauchen. Durch die Propheten wurde, wie ich bereits gesagt habe, in Bildern verkündet, daß die Menschen Gott sehen werden, die seinen Geist tragen und immer seine Ankunft erwarten. So spricht Moses im Deuteronomium: „An jenem Tage werden wir sehen, daß Gott zu den Menschen sprechen wird, und er wird leben“ (Dt 5,24). Einige nämlich von ihnen sahen den prophetischen Geist und seine Wirkungen, die sich in die verschiedenen Charismen ergossen. Andere die Ankunft des Herrn und sein Walten von Anbeginn, durch welches er den Willen des Vaters im Himmel und auf Erden vollzog. Andere wieder die Herrlichkeit des Vaters, wie sie den Zeiten angepaßt war und den Menschen, die sie sahen und hörten und fortan hören sollten. So also offenbarte sich Gott. Denn in all diesem offenbart sich der Vater, indem der Geist wirkt, der Sohn dient, der Vater bestätigt, der Mensch aber zum Heile vollendet wird. So spricht er auch durch den Propheten Oseas: „Ich habe die Gesichte vervielfältigt und in den Händen der Propheten mich abgebildet“ (Os 12,10). Das erläutert der Apostel, indem er sagt: „Verschieden sind die Charismen, aber es ist derselbe Geist. Und verschieden sind die Dienstleistungen, aber es ist derselbe Herr; verschieden sind die Tätigkeiten, aber es ist derselbe Gott, der alles in allen wirkt. Einem jeden aber wird die Offenbarung des Geistes zum Nutzen gegeben“ (1Co 12,4 ff.). Da aber der, welcher alles in allem wirkt, Gott ist, so ist er in seiner Beschaffenheit und Größe für alles, was von ihm gemacht ist, unsichtbar und unaussprechbar, jedoch keineswegs unbekannt. Denn alles lernt es von seinem Worte, daß es einen Gott Vater gibt, der alles umfaßt und allen das Dasein verleiht, wie im Evangelium geschrieben steht: „Gott sah niemand jemals als der eingeborene Sohn, der im Schoße des Vaters ist, der hat es erzählt“ (Jn 1,18).



7.

Es erzählt also von Anfang an der Sohn des Vaters, da er ja von Anfang an bei dem Vater ist. Er hat ja auch die prophetischen Gesichte, die Verteilung der Charismen, seine Dienstleistungen und die Verherrlichung des Vaters dem Menschengeschlechte zum Nutzen zur rechten Zeit angepaßt und zusammengestellt. Wo nämlich Zusammenhang, da auch Beständigkeit, wo Beständigkeit, da ist auch alles zur rechten Zeit, wo alles zur rechten Zeit, da auch Nutzen. Deswegen verteilte das Wort die Gnaden des Vaters zum Nutzen und traf wegen der Menschen seine gesamten Anordnungen, indem es ihnen Gott zeigte und sie dem Herrn darstellte. Dennoch bewahrte es aber die Unsichtbarkeit Gottes, damit der Mensch Gott nicht verachte und nicht aufhöre, nach ihm vorwärts zu streben. Durch vielerlei Anordnungen jedoch machte es andrerseits Gott für die Menschen sichtbar, damit der Mensch nicht gänzlich von Gott abfalle und aufhöre zu sein. Denn Gottes Ruhm ist der lebendige Mensch, das Leben des Menschen aber ist die Anschauung Gottes. Wenn nämlich die Erkenntnis Gottes mittels der Schöpfung allen, die auf Erden leben, das Leben verleiht, dann muß umsomehr die Offenbarung des Vaters durch den Sohn das Leben denen verleihen, die ihn schauen.



8.

Da nun also der Geist Gottes durch die Propheten das Zukünftige verkündete, uns im voraus formend und anpassend zur Hingabe an Gott, dem Menschen aber nach dem Wohlgefallen des Hl. Geistes bestimmt war, Gott zu schauen, so mußten ganz notwendig die Propheten den Gott schauen, dessen Anschauung sie den Menschen verhießen. Gott und der Sohn Gottes, der Sohn und der Vater sollten doch nicht nur prophetisch verkündet, sondern von allen Gliedern, die geheiligt und über Gott belehrt waren, auch geschaut werden. Im voraus sollte der Mensch geschult und geübt werden, sich auf die Herrlichkeit vorzubereiten, die später denen offenbart werden sollte, die Gott lieben. Nicht nur durch Reden, sondern auch durch Gesichte, Unterredungen und Handlungen, die sie setzten, je nachdem es ihnen der Geist eingab, prophezeiten die Propheten. In diesem Sinne also sahen sie den unsichtbaren Gott, wie Isaias sagt: „Den König, den Herrn Sabaoth, sah ich mit meinen Augen“ (Is 6,5), d.h., daß der Mensch mit seinen Augen Gott sehen und daß er seine Stimme hören wird. In diesem Sinne sahen sie auch bereits den Sohn Gottes als Menschen mit den Menschen verkehren, d. h., sie verkündeten das Zukünftige, indem sie sagten, daß der, welcher noch nicht da war, schon erschienen sei, und indem sie die Leiden des Leidensunfähigen verkündeten und sagten, daß der, welcher damals im Himmel war, „in den Schoß des Todes hinabgestiegen“ (Ps 21,16)sei. Und von seinen übrigen Anordnungen der Rekapitulation sahen sie einige im Gesichte, andere verkündeten sie mit Worten, andere zeigten sie durch vorbildliche Handlungen an. Was sichtbar war, schauten sie sichtbar, was hörbar war, verkündeten sie mit Worten, was durch Taten sich äußern sollte, durch Taten: alles aber verkündeten sie prophetisch. Deswegen sprach Moses zu dem Volke, das das Gesetz übertrat, von dem „feurigen Gotte“ (Dt 4,24)und drohte ihm, daß Gott einen Feuertag über sie schicken werde; zu denen aber, die Gott fürchteten, sprach er: „Gott der Herr ist barmherzig und gnädig, langmütig und von großem Erbarmen, er ist wahrhaft und liebt die Gerechtigkeit und Barmherzigkeit gegen Tausende, er nimmt fort die Ungerechtigkeiten und Bosheiten und Sünden“ (Ex 34,6 f.).



9.

Als Moses vor seinem Angesichte stand, sprach das Wort zu ihm, wie wenn „jemand zu seinem Freunde redet“ (Ebd. 33,11). Als er aber wünschte, den deutlich zu sehen, der mit ihm sprach, da wurde ihm gesagt: „Steh auf dem hohen Orte des Felsens, und meine Hand will ich decken über dich. Wann aber vorübergeht meine Herrlichkeit, dann wirst du meinen Rücken sehen; aber mein Angesicht wird sich dir nicht zeigen, denn kein Mensch sieht mein Angesicht und wird leben“ (Ebd. 33,21 ff.). Das bedeutet zweierlei: Einmal, daß es dem Menschen unmöglich ist, Gott zu sehen, und dann, daß durch Gottes Weisheit in den letzten Zeiten der Mensch ihn sehen wird auf der Höhe des Felsens, d. h. wenn er als Mensch ankommen wird. Deshalb sprach er auch mit ihm von Angesicht zu Angesicht auf der Höhe des Berges, indem nach dem Bericht des Evangeliums noch Elias dabei war (Mt 17,3) , und erfüllte am Ende seine frühere Verheißung.



10.

Also sahen die Propheten das Angesicht Gottes nicht deutlich, sondern nur seine Anordnungen und Geheimnisse, durch die der Mensch dazu gelangen sollte, Gott zu schauen. So wurde dem Elias gesagt: „Gehe morgen hinaus und tritt vor das Angesicht des Herrn, und siehe, der Herr wird vorübergehen. Und siehe, ein großer und starker Geist, der die Berge zerstäubt und die Felsen zermalmt im Angesichte des Herrn, und nicht in dem Geiste ist der Herr. Und nach dem Geiste ein Erdbeben, und in dem Erdbeben nicht der Herr und nach dem Erdbeben Feuer, und in dem Feuer nicht der Herr, und nach dem Feuer die Stimme eines sanften Lufthauches“ (2R 19,11 f.). Hierdurch wurde der Prophet, der sehr unwillig war wegen der Übertretung des Volkes und wegen der Ermordung der Propheten, belehrt, sanfter vorzugehen, und zugleich wurde darauf hingewiesen, daß der nach dem mosaischen Gesetz kommende Erlöser sanftmütig und ruhig sein werde, „kein geknicktes Rohr brechen und den rauchenden Docht nicht auslöschen werde“ (Mt 12,20 nach Is 42,3). Auch wurde dadurch die sanfte und friedliche Ruhe seines Reiches angezeigt. Denn nach dem Geiste, der die Berge zerstäubte, und nach dem Erdbeben und nach dem Feuer, da kommen die ruhigen und friedlichen Zeiten seines Reiches, in denen mit aller Ruhe der Geist Gottes den Menschen lebendig macht und erhebt. Noch deutlicher weist Ezechiel darauf hin, daß die Propheten nicht eigentlich Gott selber, sondern nur einen Teil seiner Anordnungen schauten. Denn als er die Vision gesehen und die Cherubim mit ihren Rädern und das Geheimnis ihres ganzen Dahinschreitens erzählt und über ihnen das Bild des Thrones gesehen und über dem Throne etwas wie das Bild eines Menschen, und das, was über seinen Lenden war, wie das Bild des Bernsteins, was aber darunter war, wie Feuer, und indem er dann die ganze übrige Vision der Throne kundtut, fährt er fort, damit niemand glaube, er habe auf ihnen Gott eigentlich gesehen: „Dies ist die Vision von dem Bilde der Herrlichkeit Gottes“ (Ez 2,1).



11.

Wenn also weder Moses, noch Elias, noch Ezechiel Gott sahen, die doch vieles von himmlischen Dingen schauten, und wenn das, was sie sahen, nur ein Bild von der Herrlichkeit des Herrn oder eine Prophezeiung zukünftiger Güter war, dann ist offenbar der Vater unsichtbar, wie auch der Herr von ihm sagt: „Gott sah niemals jemand“ (Jn 1,18). Sein Wort aber zeigte nach seinem Belieben und zum Nutzen des Schauenden die Herrlichkeit des Vaters und erklärte seine Anordnungen. So sagt der Herr: „Der eingeborene Gott, der im Schoß des Vaters ist, hat es selbst erzählt“ (Ebd.). So nennt sich das Wort des Vaters selber, da es ja reich und vielgestaltig ist. Nicht in einer Gestalt oder einer Form ließ er sich erblicken, sondern je nach den Ursachen oder Veranlassungen seiner Erscheinung, wie bei Daniel geschrieben ist. Einmal wurde er mit denen, die bei Ananias, Azarias und Misael waren, gesehen, wie er ihnen in dem Feuerofen und in der Esse beistand, und sie aus dem Feuer errettete. Da heißt es: „Und die Vision des vierten war ähnlich dem Sohne Gottes“ (Da 3,92). Ein andermal zerschmettert er, als der Stein, der ohne Hände vom Berge losgerissen ist, die irdischen Reiche und zerstäubt sie und erfüllt die ganze Erde (Ebd. 2,34 f.) . Noch ein andermal wird er gesehen als der Menschensohn, der auf den Wolken des Himmels kommt, dem Alten der Tage sich nähert und von ihm die gesamte Macht und Herrlichkeit und das Reich empfängt. „Und seine ewige Macht und sein Reich wird nicht unter gehen“ (Ebd. 6,13 f.). Johannes, der Schüler des Herrn, schaut in der Apokalypse die priesterliche und herrliche Ankunft seines Reiches. Er sagt: „Ich wandte mich um, um die Stimme zu sehen, die mit mir sprach, und alsdann sah ich sieben goldene Kandelaber und zwischen den Kandelabern einen, der ähnlich war dem Menschensohne, angetan mit langem Gewande und umgürtet an den Brüsten mit goldenem Gürtel. Sein Haupt aber und die Haare waren weiß wie weiße Wolle und wie der Schnee, und seine Augen wie die Flamme des Feuers, und seine Füße ähnlich dem Erz, wie es im Ofen glüht, und seine Stimme wie die Stimme der Wasser, und sieben Sterne hat er in seiner rechten Hand, und von seinem Munde ging ein nach beiden Seiten scharfes Schwert aus, und sein Angesicht leuchtend wie die Sonne in ihrer Kraft“ (Ap 1,12 ff.). In dieser Stelle bezeichnet das Haupt die Herrlichkeit vom Vater, das Gewand seine priesterliche Würde — deswegen bekleidete Moses den Hohenpriester nach diesem Bilde — anderes wieder weist hin auf das Ende, wie das im Ofen glühende Erz, welches die Stärke des Glaubens und die Beharrlichkeit im Gebet bedeutet. Daher auch am Ende der Welt der große Feuerbrand. Da aber Johannes die Vision nicht ertrug — „ich fiel“, sagt er, „zu seinen Füßen wie tot nieder, damit nach dem Worte geschehe: Niemand sieht Gott und wird leben“ — so belebte ihn das Wort und erinnerte ihn, daß er es sei, an dessen Brust er beim Abendmahl ruhte, als er fragte, wer es sei, der ihn verraten würde, und sprach zu ihm: „Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige; ich war tot und siehe, ich lebe in alle Ewigkeit und habe die Schlüssel des Todes und der Hölle“ (Ap 1,17 f.). Darauf sah er in einer zweiten Vision denselben Herrn. „Ich sah nämlich“, sagt er, „in der Mitte des Thrones und der vier Lebewesen und in der Mitte der vier Ältesten ein Lamm stehen, wie geschlachtet, das sieben Hörner und sieben Augen hatte, welches sind die sieben Geister Gottes, ausgesandt über die ganze Erde“ (Ebd. 5,6). Und wiederum sagt er von demselben Lamme: „Und siehe, ein weißes Pferd, und der auf ihm saß, wurde genannt der Treue und Wahre, und mit Gerechtigkeit richtet und kämpft er; and seine Augen sind wie die Flamme des Feuers, und auf seinem Haupte sind viele Diademe, und er trug einen Namen geschrieben, den niemand weiß als er selbst, und umgeben ist er mit einem Gewande, besprengt mit Blut, und sein Name wird genannt das Wort Gottes. Und die Heere des Himmels folgten auf weißen Pferden, bekleidet mit weißem, reinen Linnen, und von seinem Munde geht aus ein scharfes Schwert, um damit die Heiden zu schlagen. Und er selbst wird sie weiden mit eisernem Stabe, und er tritt den Weinkelter der Wut, des Zornes des allmächtigen Gottes. Und er trägt auf seinem Kleide und auf seiner Hüfte geschrieben den Namen: König der Könige und Herr der Herren“ (Ebd. 19,11 ff.). So hat immer das Wort Gottes gleichsam die Umrisse der zukünftigen Dinge, und indem es den Menschen gleichsam die Bilder der göttlichen Anordnungen zeigte, lehrte es uns die Pflichten gegen Gott.



12.

Doch nicht bloß Visionen, die gesehen wurden, und Worte, die gesprochen wurden, sondern auch in Handlungen wurde er von den Propheten gesehen, damit er durch die Propheten das Künftige im voraus verkünde und zeige. Deswegen bekam auch der Prophet Oseas das Weib der Hurerei, hierdurch prophezeiend, „daß durch Hurerei die Erde sich hinweghuren werde von Gott“ (Os 1,2), d. h., die Menschen, die auf der Erde sind, und daß aus solchen Menschen es Gott gefallen werde, die Kirche zu entnehmen, um sie durch die Gemeinschaft mit dem Sohne zu heiligen, wie sie auch geheiligt wurde durch die Gemeinschaft mit dem Propheten. Deshalb sagt auch Paulus, daß „das ungläubige Weib geheiligt sei in dem gläubigen Manne“ (1Co 7,14). Weiter nannte der Prophet seine Kinder: Die nicht Barmherzigkeit erlangt haben, und Nichtvolk (Os 1,6 Os 9) , damit wie Paulus sagt, „das Nichtvolk zum Volke und die Nichtbegnadigte zur Begnadigten werde, und an dem Orte, wo es hieß Nichtvolk, da werden sie genannt werden Söhne des lebendigen Gottes“ (Rm 9,25 f.). Das, was der Prophet in einem vorbildlichen Akt getan hat, das machte also Christus, wie der Apostel nachweist, in Wirklichkeit in seiner Kirche. So nahm auch Moses eine Äthiopierin zum Weibe (Ex 2,21) , die er erst zur Israelitin machte, indem er dadurch anzeigte, daß der wilde Ölbaum in die Olive eingepflanzt wird (Rm 11,17) , um teilzunehmen an seinem Safte. So sollte Christus, als er im Fleische erschienen war, von dem jüdischen Volke gesucht werden, um den Tod zu erleiden, in Ägypten aber, d. h. bei den Heiden, befreit werden, um ihre Kinder dort zu heiligen, und er stiftete dort deshalb seine Kirche — Ägypten war nämlich wie Äthiopien anfangs heidnisch —. Also wurde durch die Verbindung des Moses die Verbindung Christi angezeigt, und die äthiopische Gattin bedeutete die Kirche unter den Heiden. Wer sie verkleinert, lästert oder verspottet, wird unrein sein und als Aussätziger aus dem Lager der Gerechten entfernt werden (Nb 12,14) . So beschuldigte sich auch die Hure Rahab, eine Heidin und arge Sünderin zu sein, verbarg aber dennoch die drei Kundschafter, die das ganze Land auskundschaften sollten, bei sich (Jos 2,1) . Sie bedeuten den Vater samt dem Sohne und dem Heiligen Geiste. Und als die ganze Stadt, in der sie wohnte, unter dem Schall der sieben Trompeten in Trümmer fiel, wurde die Hure Rahab mit ihrem gesamten Hause durch den Glauben an das rote Zeichen unter den letzten gerettet. Deshalb sagte der Herr denen, die seine Ankunft nicht annahmen und das rote Zeichen vereitelten, welches das Pascha, die Erlösung und den Auszug des Volkes aus Ägypten bedeutete, den Pharisäern nämlich: „Die öffentlichen Sünder und Huren werden euch im Himmelreiche vorangehen“ (Mt 21,31).






(Contra Haereses) 418