(Contra Haereses) 16

16 Kapitel: Schluß der Zahlenspielerei

1.

Die Erschaffung der Äonen und die Geschichte vom Schaf, das verloren ging und wieder gefunden wurde, ist ihnen ein und dasselbe, und sie versuchen sie mystisch zu deuten, da sie ja alles auf Zahlen zurückführen, indem sie sagen, aus der Einheit und Zweiheit sei das All entstanden; und von der Einheit bis vier zählend, bringen sie die Zahl zehn zustande, denn die Summe von 1 und 2 und 3 und 4 ergibt die Zahl der zehn Äonen, Indem aber die Zweiheit ihrerseits bis zum Haltezeichen von sich ausging, brachte sie die Zwölfheit hervor, d. h. 2 und 4 und 6. Zählen wir aber wiederum in ähnlicher Weise von zwei bis zehn, so kommt dreißig heraus, worin die Achtheit und Zehnheit und Zwölfheit enthalten ist. Die Zwölfheit aber, die das Haltezeichen bei sich hat, nennen sie Leidenschaft, weil es immer hinter ihr her läuft. Darauf weise deswegen das Schaf hin, das fortlief und sich verirrte, weil von der Zwölfheit der Abfall sich vollzog. Und wie von der Zwölfheit eine Kraft sich abwandte und verloren ging, das beziehen sie auf das Weib, welches eine Drachme verlor, ein Licht nahm und sie wiederfand. Nun blieben aber von den Drachmen neun, von den Schafen elf zurück; diese Zahlen miteinander multipliziert ergeben 99, das ist genau der Zahlenwert des Amen[35] .



2.

Ich will aber nicht zögern, Dir noch ihre andern Erklärungen kundzutun, damit Du ihre Frucht von allen Seiten kennen lernst. Der Buchstabe Eta ergibt mit dem Haltezeichen eine Achtheit, da es im Alphabet an achter Stelle steht. Indem sie dann wieder den Zahlenwert der einzelnen Buchstaben ohne das Haltezeichen zusammenzählen, erhalten sie die berühmte Dreißig. Bei Alpha nämlich beginnend und bei Eta aufhörend, erhält man durch Einsetzung des Zahlenwertes, wenn das Haltezeichen[36] wegfällt, durch Addieren wirklich die Zahl dreißig. Denn bis Epsilon macht es fünfzehn, dazu Zeta = 7 macht zweiundzwanzig, dazu Eta = 8 — siehe, da hast du die wunderbare Dreißig! Also sei die Achtheit die Mutter der dreißig Äonen! Da nun aus drei Mächten die Zahl dreißig vereint ist, so ergibt sie dreimal genommen die Neunzig. So macht auch die Dreiheit mit sich selbst multipliziert neun aus — also stammt von der Achtheit die Zahl neunundneunzig. Und da nach dem Abfall des zwölften Äonen oben bloß zwölf blieben, so entspreche der Typus der Buchstaben völlig dem Schema der Rechnung: der elfte Buchstabe nämlich ist das Lambda, das den Wert dreißig hat, das stimmt zu dem Bild der oberen Heilsordnung, denn von Alpha bis Lambda, ohne das Haltezeichen und Lambda miteingerechnet, beträgt der Zahlenwert dieser Buchstaben neunundneunzig. Die Figur dieses Buchstabens aber zeigt an, daß er, der in der Reihe der elfte ist, zur Suche des ihm Ähnlichen hinabstieg, um die Zahl zwölf wieder voll zu machen und dann selbst voll zu werden. Das Lambda hat gleichsam auf der Suche des ihm Ähnlichen dieses gefunden und es an sich gezogen und den Platz des zwölften Buchstabens ausgefüllt, denn My ist aus zwei Lambda zusammengesetzt. Wegen dieser Erkenntnis fliehen sie auch den Ort der Neunundneunzig, d. h. die Mangelhaftigkeit, das Abbild der linken Hand. Sie streben aber nach dem Hen, der Eins, die zu den neunundneunzig hinzugelegt, sie zu der rechten Hand hinüberführt.



3.

Wenn Du, mein Lieber, dieses durchgehst, dann wirst Du, wie ich wohl weiß, herzlich lachen über diese sich weise dünkende Torheit. Aber bemitleidenswert sind sie doch, die ihre Gottesverehrung und die Majestät der allerdings unaussprechlichen Macht und die ganze Heilsordnung Gottes durch Alpha und Beta und Zahlen so kalt und gewaltsam verhöhnen. Die aber von der Kirche abfallen und diesen grauen Mythen Glauben schenken, die sind wahrlich selbst gerichtet, und Paulus befiehlt uns, sie nach ein- und zweimaliger Ermahnung zu meiden (
Tt 3,10) . Johannes aber, der Schüler des Herrn, dehnte ihre Verurteilung noch weiter aus, indem er nicht einmal will, daß wir sie grüßen. „Wer sie nämlich grüßt“, sagt er, „nimmt teil an ihren schändlichen Werken“ (2Jn 11). Und mit Recht: „Denn die Gottlosen haben keinen Frieden“ (Vgl. Is 43,22), sagt der Herr. Gottlos aber und mehr als gottlos sind die, welche den Schöpfer des Himmels und der Erde, den einen allmächtigen Gott, über den es keinen Gott gibt, aus einem Fehltritt und diesen wiederum aus einem andern Fehltritt hervorgehen lassen, so daß er nach ihnen der Ausfluß eines dritten Gebrechens wäre. Solche Lehre müssen wir verabscheuen und verdammen und weit von ihnen uns entfernen. Ja, je mehr sie ihrer Erfindungen sich rühmen und freuen, um so mehr sollen wir wissen, daß sie um so ärger von der Achtheit der bösen Geister besessen sind; wie die Verrückten um so kränker sind, je mehr sie lachen und sich für gesund halten und alles vernünftig, manches sogar übervernünftig machen. Geradeso haben auch diese um so weniger den rechten Verstand, je mehr sie sich für klug halten und, den Bogen überspannend, sich entnerven. Denn als der unreine Geist der Unwissenheit auszog, fand er sie nicht mit Gott, sondern mit diesen weltlichen Untersuchungen beschäftigt; da nahm er sieben andere Geister, ärger als er selbst, hinzu und betörte ihren Verstand, als könnten sie noch über Gott hinausdenken. So schnappten sie notwendigerweise über, und die Achtheit des Unverstandes der bösen Geister nahm in ihnen Wohnung.






17 Kapitel: Erklärung der Himmelserscheinungen

1.

Es ist nun meine Absicht, Dir auch zu berichten, wie die Schöpfung selbst nach dem Bilde der unsichtbaren Dinge von dem Demiurgen ohne sein Wissen durch die Mutter zustande kam. Zuerst sind die vier Urstoffe Feuer, Wasser, Luft und Erde als Abbild der oberen Vierheit hervorgebracht worden; rechnet man ihre Wirkungen hinzu, nämlich das Warme und Kalte, das Trockene und Feuchte, so stellen sie genau die Achtheit dar. Aus dieser rechnen sie die zehn Kräfte also heraus: kreisförmige Körper, die sie auch Himmel nennen, sieben; der sie umgebende Himmel oder Kreis macht acht; dazu Sonne und Mond gibt zehn. Das sind die Abbilder der unsichtbaren Zehnheit, die von dem Logos und der Zoe ausging. Die Zwölfheit aber wird durch den sogenannten Tierkreis dargestellt; denn ganz augenscheinlich stellen die zwölf Tierbilder die zwölf Sprößlinge des Anthropos und der Ekklesia im Schattenriß dar. Weil aber der oberste Himmel mit der überaus schnellen Bewegung des Weltalls in Verbindung steht und an seine Wölbung anstößt, so wirkt er durch seine Langsamkeit der Schnelligkeit des andern entgegen, so daß er in dreißig Jahren den Umlauf von Zeichen zu Zeichen vollende. Deshalb soll er ein Abbild des Horos sein, der ihre Mutter festhielt. Der Mond aber wiederum, der den Umlauf an ihrem Himmel in dreißig Tagen vollendet, stellt durch die Zahl seiner Tage die dreißig Äonen vor. Und die Sonne, die in zwölf Monaten herumkommt und ihre Kreisbahn beendet, bekundet durch die zwölf Monate die Zwölfheit. Ebenso sind die Tage, wenn sie nach zwölf Stunden gemessen werden, das Abbild der berühmten Zwölfheit. Aber schau, auch die Stunden, die Zwölftel des Tages, stellen nach dem Bilde der Dreißig einen Winkel von dreißig Graden dar. Ebenso beträgt der Durchmesser des ganzen Tierkreises 360 Grade, also kommt auf jedes Bild des Tierkreises 30 Grad. Dadurch wird im Bilde die Gemeinschaft der Zwölf und Dreißig dargestellt. Schließlich ist auch die Erde in zwölf Gegenden eingeteilt, nimmt in jeder Gegend ihre besondere Kraft von dem gegenüberliegenden Himmel auf und zeugt Kinder, die der ihren Saft herabsendenden Kraft ähnlich sind. Das soll nun wieder ein ganz deutliches Bild von der Zwölfheit und ihren Kindern sein.



4.

Als nun zu diesem noch der Demiurg das Unbegrenzte, Ewige, Unendliche, Zeitlose der oberen Achtheit nachmachen wollte, aber ihr ewiges, unveränderliches Wesen nicht ausdrücken konnte, weil er doch nur eine Frucht der Übertretung war, da habe er ihr ewiges Sein in Zeiten, Zeitabschnitte und Zahlen von vielen Jahren niedergelegt, indem er wähnte, durch die Fülle der Zeiten ihre Unbegrenztheit darzustellen. So entging ihm die Wahrheit, und der Lüge lief er nach. Darum muß sein Werk zerfallen, wenn sich die Zeiten erfüllt haben.






18 Kapitel: Die Schöpfungsgeschichte nach gnostischer Erklärung

1.

Indem sie nun über die Schöpfung solcherlei lehren, erzeugt jeden Tag jeder von ihnen etwas Neues, so gut er kann. Denn als vollkommen gilt niemand, wenn er nicht an dicken Lügen fruchtbar ist. Wie sie aber mit den prophetischen Reden umgehen, das soll nicht unerwähnt und ungerügt bleiben. 

   Moses hat nach ihnen gleich bei der Schöpfungsgeschichte zu Anfang auf die Mutter des Weltalls hingewiesen, indem er sagte: „Im Anfang schuf Gott den Himmel und die Erde“ (
Gn 1,1). Diese vier Worte: Anfang, Gott, Himmel und Erde drücken nach ihnen die Vierheit aus. Das Unsichtbare und Verborgene tut er mit den Worten kund: „Die Erde aber war unsichtbar und wüst“ (Vgl. Gen. Gn 1,2). Die zweite Vierheit, die aus der ersten hervorging, deutete er an, indem er den Abgrund und die Finsternis nebst dem Wasser und dem über dem Wasser schwebenden Geist erwähnte. Die Zehnheit bedeuten die Worte Licht, Tag, Nacht, Firmament, Abend und der sogenannte Morgen, Festland, Meer, Pflanze und an zehnter Stelle Baum. Diese zehn Namen offenbaren die zehn Äonen. Die Kraft der Zwölfheit ist bei ihm so abgebildet: Sonne und Mond, Sterne und Zeiten, Jahre und Walfische, Fische und Gewürm, Vögel und Vierfüßer, wilde Tiere und als zwölftes der Mensch. So soll vom Geist durch Moses die Dreißig geoffenbart sein. 

   Ferner hat der nach der oberen Kraft gestaltete Mensch in sich die von einer Quelle stammende Kraft, die in der Gegend des Gehirnes sitzt. Von ihr gehen vier Kräfte aus nach dem Ebenbild der oberen Vierheit: Gesicht, Gehör, Geruch, Geschmack. Die Achtheit wird durch den Menschen folgendermaßen dargestellt: zwei Ohren, zwei Augen, zwei Nasenlöcher und ein doppelter Geschmack für das Saure und Süße. Der ganze Mensch aber hat das Ebenbild der Dreißig auf diese Weise: An den Händen trägt er durch die Finger die Zehnheit; an dem ganzen Leibe, der in zwölf Glieder zerfällt, die Zwölfheit[37] ; die Achtheit alsdann hat man sich in den Eingeweiden verborgen zu denken.



2.

Die Sonne hinwiederum, das große Licht, ist mit Rücksicht auf die Zahl der Vierheit am vierten Tage entstanden. Die Vorhänge an der Stiftshütte des Moses bestanden aus viererlei: Byssus, Hyazinth, Purpur und Karmesin (Vgl. Ex 36,8) — das weist gleichfalls darauf hin. Das lange Gewand des[38] Priesters solle mit vier Reihen kostbarer Steine geschmückt gewesen sein (Vgl. Ex. Ex 28,17) — das bedeute ebenfalls die Vierheit. Und wenn sonst irgend etwas in den Schriften vorkommt, was man auf die Vierzahl zurückführen kann, dann soll das immer wegen ihrer Vierheit geschehen sein. 

   Die Achtheit hinwiederum wird so gedeutet: Am achten Tage soll der Mensch erschaffen sein, bald aber auch am sechsten Tage. Aber möglicherweise lassen sie an diesem Tage bloß den materiellen und am achten Tage den fleischlichen gestaltet werden. Andere wollen wieder, daß der nach dem Bild und Gleichnis Gottes geschaffene Mensch mannweiblich gewesen sei, und dies sei der geistige Mensch, und ein anderer sei der aus Erde gebildete.



3.

Aufs deutlichste sei die heilbringende Achtheit auch durch die acht Menschen angedeutet, die bei der Sintflut in der Arche gemäß der Heilsordnung gerettet wurden. Dasselbe bezeichne auch David, welcher der achtjüngste seiner Brüder war. Daß die Beschneidung am achten Tage geschehen mußte, weist auch hin auf die Abtrennung der oberen Achtheit. Kurz, was immer aus den Schriften in die Achtzahl sich bringen läßt, ist die Erfüllung des Geheimnisses der Achtheit. 

   Ebenso wird die Zehnheit durch die zehn Völker angedeutet, welche Gott dem Abraham zum Besitz zu geben versprach (Gen. 15,19ff.) . Auch daß Sarah gemäß der Offenbarung nach zehn Jahren ihm ihre Magd Hagar gibt, damit er aus ihr Kinder erzeuge, weist darauf hin (Gn 16,3) . Ferner gab der Knecht des Abraham, der zu Rebekka geschickt wurde, ihr am Brunnen zehn goldene Armbänder, und ihre Brüder behielten sie noch zehn Tage zurück. Jeroboam bekam zehn Szepter, die Stiftshütte hatte zehn Vorhänge, ihre Säulen waren zehn Ellen hoch, Jakob hatte zehn Söhne, die er um Getreide zu kaufen nach Ägypten schickte, die Apostel waren ihrer zehn, als ihnen nach seiner Auferstehung der Herr in Abwesenheit des Thomas erschien — das alles drückt die unsichtbare Zehnheit aus!



4.

Die Zwölfheit aber, über die das Geheimnis des Leidens und des Fehltritts kam, woraus denn die sichtbaren Dinge entstanden, tritt überall deutlich und sichtbar zu Tage: in den zwölf Söhnen Jakobs und den zwölf Stämmen, in den zwölf Steinen des bunten Brustschildes und den zwölf Glöcklein, in den zwölf Steinen, die Moses am Fuße des Berges und die Josue im Flusse und jenseits des Flusses errichtete, in den zwölf Trägern der Bundeslade, in den zwölf Steinen, aus denen Elias den Brandopferaltar erbaute, in der Zahl der Apostel, und wo sonst die Zahl zwölf noch vorkommt. 

   Die Einheit aber von all diesem, welche die Dreißig genannt wird, ist dargestellt durch die dreißig Ellen, welche die Arche hoch war, durch die dreißig Geladenen, unter denen Saul den ersten Platz einnahm (1R 9,22) , durch die dreißig Tage, welche sich David auf dem Felde verbarg (Vgl. 1R 20,5) , durch die dreißig Männer, die mit ihm in die Höhle gingen (Vgl. 2R 23,13) , und durch die dreißig Ellen, die das hl. Zelt lang war — und wo sonst noch die gleiche Zahl sich vorfindet, da muß sie sich auf ihre Dreißig beziehen.






19 Kapitel: Der unsichtbare Vorvater

1.

Nicht überflüssig dürfte es sein, nunmehr noch das anzuführen, was sie über ihren Vorvater, der allen bis auf die Ankunft Christi unbekannt war, aus den Schriften zusammensuchen, um darzutun, daß außer dem Urheber dieses Weltalls, der, wie gesagt, eine Frucht jenes Fehltrittes nach ihrer gottlosen Behauptung sein soll, unser Herr noch einen andern Vater verkünde. Wenn also der Prophet Isaias sagt: „Israel kennt mich nicht, und mein Volk hat mich nicht verstanden“ (
Is 1,3), so machen sie daraus, er habe von der Unerkennbarkeit des unsichtbaren Bythos gesprochen. Auch das Wort des Oseas: „Keine Wahrheit ist in ihnen und keine Erkenntnis Gottes“ (Os 4,1), muß sich auf dasselbe beziehen. Das Wort: „Keiner ist, der Verstand hat und nach Gott fragt; alle sind abgewichen, allzumal sind sie unnütz geworden“ (Ps 13,3), deuten sie auf die Unerkennbarkeit des Bythos. Ebenso soll das Wort des Moses: „Niemand wird Gott schauen und leben“ (Ex 33,20)einen Hinweis auf jenen enthalten.



2.

Der Schöpfer, so sagen sie lügnerisch, wurde von den Propheten gesehen, darum kann sich das Wort: “Niemand wird Gott sehen und leben“ nur auf die für alle unsichtbare und unerkennbare Majestät beziehen. Daß nun die zitierte Stelle von dem unsichtbaren Vater und Schöpfer des Weltalls gesagt ist, das ist uns allen klar; daß sie also nicht auf den von jenen ausgedachten Bythos, sondern vielmehr auf den Weltenschöpfer, der ja eben der unsichtbare Gott ist, geht, das wird im weiteren Verlauf unserer Abhandlung gezeigt werden. Eben dasselbe tue auch Daniel kund, als er den Engel bittet, ihm die Gleichnisreden zu erklären, die er nicht verstehe. Da habe der Engel, indem er vor ihm das große Geheimnis des Bythos verborgen hielt, zu ihm gesprochen: „Geh, Daniel, denn verschlossen bleiben die Worte, ... bis die Verständigen sie verstehen und die Erleuchteten erleuchtet werden“ (Vgl. Dan. 12,9f.). Und die Erleuchteten und Verständigen, das wollen sie in ihrer Eitelkeit selber sein.






20 Kapitel: Der Vorvater in den Apokryphen und im Neuen Testament

1.

Außerdem bringen sie eine unzählige Menge von apokryphen und unechten Schriften vor, die sie selbst erdichtet haben, um die Unverständigen und die, welche die Schriften der Wahrheit nicht kennen, in Erstaunen zu setzen. Dazu nehmen sie noch allerlei leichtsinniges Geschwätz hinzu. So z.B. daß der Herr, als er noch Kind war und buchstabieren lernte, wie der Lehrer der Gewohnheit nach zu ihm sprach: „Sag Alpha!“ auch Alpha geantwortet habe. Wie ihn der Lehrer dann wiederum Beta sagen ließ, da soll der Herr geantwortet haben: „Sag du mir zuerst, was Alpha bedeutet, dann werde ich dir sagen, was das Beta ist.“ Das bedeute, er allein habe das Unbekannte gekannt, das durch das Alpha versinnbildet werde.



2.

Aber auch einiges von dem, was in den Evangelien steht, wandeln sie auf diese Art um, so beispielsweise seine Antwort an seine Mutter, als er zwölf Jahre alt war: „Wisset ihr nicht, daß ich in dem sein muß, was meines Vaters ist?“ (
Lc 2,49) . Damit soll er ihnen den Vater verkündet haben, den sie nicht kannten, und eben deswegen soll er auch seine Jünger zu den zwölf Stämmen ausgesandt haben, damit sie ihnen den unbekannten Gott verkündeten. Diesen in Wahrheit guten Gott habe er auch dem kundgetan, der zu ihm sprach: „Guter Meister!“ indem er ihm antwortete: „Was nennst du mich gut? Einer ist gut, nämlich der Vater im Himmel“ (Vgl. Mk. 10,17f; Mt. 19,16f.). Unter diesen Himmeln nun seien die Äonen verstanden. Denen, die zu ihm sagten: „In welcher Kraft tust du dies“ (Vgl. Mt. Mt 21,23), gab er keine Antwort, sondern brachte sie durch seine Gegenfrage in Verlegenheit; durch dieses Schweigen habe er das unaussprechliche Wesen des Vaters gelehrt. Sein Wort: „Oftmals habe ich verlangt, eins von diesen Worten zu hören, und ich hatte niemanden, der es mir sagte“[39] deute in dem „Eins“ den wahrhaft einen Gott an, den sie nicht erkannten. Gleichfalls, als er Jerusalem sich näherte und über die Stadt weinte und sprach: „Wenn doch du es heute erkenntest, was dir zum Frieden dient, aber es ist vor dir verborgen“ (Lc 19,42), da hat er durch das Wort „verborgen“ den verborgenen Bythos geoffenbart. Wiederum spricht er: „Kommet zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken! . . . Lernet von mir!“ (Mt. 11,28f.) Mit diesen Worten habe er ihnen den Vater der Wahrheit verkündet und ihnen versprochen, sie den zu lehren, den sie nicht kannten. 

   Als Haupt- und Kronbeweis aber für ihre Lehre führen sie folgende Stelle an: „Ich will Dich preisen, Vater, Herr der Himmel und der Erde, daß Du es verborgen hast vor den Weisen und Klugen, den Unmündigen aber es geoffenbart hast. Ja, mein Vater, so war es wohlgefällig von Dir. Alles ist mir von meinem Vater übergeben worden. Und niemand erkannte den Vater als der Sohn, und den Sohn als der Vater und wem es der Sohn geoffenbart hat“ (Vgl. Mt. 11,25ff; Lk. 10,21ff). Mit diesen Worten habe er ausdrücklich gelehrt, daß der von ihnen gefundene Vater der Wahrheit vor seiner Ankunft von niemand jemals erkannt worden sei. Der Schöpfer und Gründer der Welt sei immer von allen erkannt worden; dies habe der Herr nur sagen können von dem allen unbekannten Vater. So lautet ihre gekünstelte Erklärung!






21 Kapitel: Die Erlösung bei den Irrlehrern

1.

Was sie nun über die Erlösung mündlich überliefern, das kann nicht anders als wesenlos und unverständlich sein. Ist doch auch ihre Mutter wesenlos und unbegreiflich! Da sie nun also kein festes Gefüge hat, so ist es nicht möglich, sie klar und mit einem Satze wiederzugeben, denn jeder erklärt sie, wie es ihm gefällt. Soviel Erklärer, so viel Erlösungen! Dies Trugbild aber hat ihnen der Teufel selber untergeschoben, um die Taufe zur Wiedergeburt in Gott und den gesamten Glauben zu vernichten — das werden wir an geeigneter Stelle darlegen.



2.

Die Erlösung, sagen sie, sei notwendig für die, welche die vollkommene Gnosis erlangt hätten, damit sie für die allerhöchste Kraft wiedergeboren würden. Denn anders sei es nicht möglich, in das Pleroma zu gelangen, da nur die Erlösung sie in die Tiefe der Tiefe hinabführt. Die Taufe des fleischgewordenen Jesus bewirke Nachlassung der Sünden, die Erlösung des in ihm herabgestiegenen Christus bewirke die Vollendung. Jene sei seelisch, diese geistig. Die Taufe Johannis sei verkündet worden zur Buße, die Erlösung aber sei von Jesus angeordnet zur Vollendung. Hiervon gerade spreche er mit den Worten: „Mit einer andern Taufe muß ich getauft werden, und wie sehr sehne ich mich danach“ (
Lc 12,50). Aber auch den Söhnen des Zebedäus, als ihre Muter ihn bat, sie mit ihm zu seiner Rechten und Linken im Himmelreiche sitzen zu lassen, hat der Herr diese Erlösung nahe gelegt, indem er zu ihnen sprach: “Könnet ihr... mit der Taufe getauft werden, mit der ich getauft werden soll?“ (Mc 10,38) . Auch Paulus hat oft und deutlich von der Erlösung in Christo Jesu gesprochen, und es ist immer die ihrige, über die sie mündlich ja so Verschiedenes lehren.



3.

Die einen nämlich bereiten ein Brautgemach und vollenden die Weihe der zu Vollendenden unter gewissen Besprechungen, und diesen Vorgang nennen sie geistige Vermählung nach dem Vorbilde der oberen Verbindungen. Andere führen sie zum Wasser und sprechen bei der Taufe also: „Im Namen des unbekannten Vaters des Weltalls, in der Wahrheit, der Mutter des Ganzen, in dem, der auf Jesus herabkam, zur Vereinigung und Erlösung und der Gemeinschaft der Kräfte.“ Andere wieder sprechen, um die zu Vollendenden in um so größeres Erstaunen zu versetzen, hebräische Worte wie: „Basema chamosse baaianoora mistadia rouada kousta babophor kalachthei.“ Verdolmetscht etwa: „Was über alle Kraft des Vaters geht, das rufe ich an; Licht wird es genannt und guter Geist und Leben, da du ja herrschest in dem Leibe!“ — Andere wieder sprechen zu der Erlösung folgendes: „Der Name, der verborgen war vor aller Gottheit und Herrschaft und Wahrheit, den annahm Jesus von Nazareth in den Lichtzonen Christi, der da lebt durch den heiligen Geist zu der Erlösung der Engel.“ — Die Formel der Vollendung lautet: „Messia ouphareg namempsaiman chaldaian mosomedaea akpharnai pseuousa Jesu Nazaria.“ Das ist verdolmetscht: „Nicht trenne ich den Geist, das Herz und die überhimmlische Kraft voll Erbarmen. Deines Namens will ich mich freuen, Du Heiland der Wahrheit.“ So sprechen die Vollendenden. Der Vollendete aber antwortet: „Gefirmt bin ich und erlöst, und ich erlöse meine Seele von diesem Äon und von allem, was von ihm stammt, im Namen des Jao, der dessen Seele erlöste zur Erlösung in Christus, dem lebendigen.“ Dazu sprechen die Anwesenden: „Friede allen, auf welche dieser Name sich niederläßt.“ Alsdann salben sie den Vollendeten mit Balsamöl, weil diese Salbe ein Abbild des überirdischen Wohlgeruches ist.



4.

Andere behaupten, es sei überflüssig, den zu Vollendenden zum Wasser zu führen; sie mischen unter ähnlichen Weiheformeln Öl und Wasser zusammen und gießen dies auf sein Haupt, dann gilt dies bei ihnen auch als Erlösung. Sie salben auch noch mit dem Balsam. Wieder andere verwerfen diese Gebräuche alle und sagen, man dürfe das Geheimnis der unaussprechbaren and unsichtbaren Macht nicht durch sichtbare und vergängliche Geschöpfe, noch das der unausdenkbaren und unkörperlichen Wesen durch sinnliche und materielle Dinge darstellen wollen. Die bloße Erkenntnis der unaussprechlichen Größe sei die vollkommene Erlösung. Von der Unwissenheit kam die Verfehlung und die Leidenschaft, durch die Gnosis werden die Folgen der Unwissenheit wieder aufgehoben. Daher ist die Gnosis die Erlösung des inneren Menschen. Sie ist nichts Körperliches wie der vergängliche Leib, noch etwas Seelisches, wie die aus der Verfehlung herstammende Seele, die doch nur des Geistes Wohnung ist, sondern notwendigerweise etwas Geistiges. Die Gnosis erlöst den innern, geistigen Menschen; in der Erkenntnis des Ganzen hat er sein Genügen, und dies ist die wahre Erlösung.



5.

Andere erlösen die Toten bei ihrem Hinscheiden, indem sie auf das Haupt Öl und Wasser oder auch die oben erwähnte Salbe mit Wasser unter den erwähnten Formeln gießen, damit sie für die Fürsten und Mächte ungreifbar und unsichtbar werden und ihr innerer Mensch über das Unsichtbare hinwegkomme, während ihr Leib der erschaffenen Welt zurückgegeben wird und die Seele dem Demiurgen anheimfällt. Wenn sie dann nach ihrem Tode zu den Mächten kommen, sollen sie sprechen: „Ich bin der Sohn vom Vater, vom Vater, der vorher war, sein Sohn durch den, der vorher gewesen ist. Ich bin gekommen, um zu schauen, was mein ist und was fremdes; doch nicht ist es mir ganz fremd, denn es gehört der Achamoth, die als Weib es sich gemacht hat. Daher stammt es von dem, der vorher gewesen ist, und ich komme nur in mein Eigentum, von wo ich ausgegangen.“ Auf solche Rede hin sollen sie den Mächten entgehen und entkommen. Wenn sie dann zu den Genossen des Demiurgen gelangen, sollen sie sprechen: „Ich bin ein Gefäß kostbarer als das Weib, das euch gemacht hat. Eure Mutter kennt nicht ihren Ursprung, ich aber kenne mich selbst und weiß, woher ich komme. Ich rufe die unvergängliche Sophia an, die im Vater und die Mutter eurer Mutter ist, die weder Vater noch Gatten hat, sondern, als Weib vom Weibe geboren, euch erzeugt hat, ohne ihre Mutter zu kennen, weil sie glaubt, von sich selbst zu sein; diese rufe ich als meine Mutter an.“ Sobald solches die Genossen des Demiurgen hören, erschrecken sie gewaltig und verachten den Ursprung und die Abstammung ihrer Mutter; jene aber ziehen in ihr Eigentum ein und werfen ab ihre Fesseln, d. h. ihre Seele. — So viel ist auf uns gekommen von ihrer Lehre über die Erlösung. Da aber ihre Lehre und Überlieferung bei den einzelnen abweicht und die Neueren alle Tage etwas Neues zu erdenken und nie Gedachtes hervorzubringen sich bemühen, so müssen wir auf Vollständigkeit verzichten.






22 Kapitel: Der alte Glaube und die Häretiker

1.

Wir halten an der Richtschnur der Wahrheit fest: Es gibt nur einen Gott, der alles durch sein Wort erschaffen und geordnet hat, der ihm aus dem Nichtsein das Dasein verliehen hat gemäß dem Worte der Schrift: „Durch das Wort des Herrn sind die Himmel gefestigt worden, und von dem Hauche seines Mundes ist all ihre Kraft“ (
Ps 32,6); und abermals: „Alles ist durch ihn gemacht worden, und ohne ihn ist nichts gemacht worden“ (Jn 1,3). Alles ohne Ausnahme — denn alles machte der Vater durch ihn, das Sichtbare und Unsichtbare, die Sinnendinge und die Gedankendinge, was gewisse Zeit dauern soll gemäß seiner Anordnung und was ewig bestehen soll. Dies alles aber nicht durch Engel oder von seiner Erkenntnis abgesonderte Kräfte, denn Gott bedarf keiner Hilfe, vielmehr durch sein Wort und seinen Geist macht er alles und lenkt und leitet alles und gibt allem das Dasein: Er, der die Welt gemacht hat, die ja aus allem besteht, er, der den Menschen erschaffen hat, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs, über den es keinen andern Gott gibt, noch einen Anfang, noch eine Kraft, noch ein Pleroma, der Vater unseres Herrn Jesu Christi, wie wir zeigen werden. Das ist die Glaubensregel, die wir festhalten, mögen jene auch so viel Verschiedenes reden, und mühelos überführen wir sie der Abweichung von der Wahrheit. Zwar sprechen alle die verschiedenen Häresien von einem Gott, aber undankbar gegen den Schöpfer entstellen sie ihn durch ihre verkehrten Anschauungen, wie auch die Heiden in ihrem Götzendienst. Was Gott gebildet hat, verachten sie, stehen ihrem eigenen Heile im Wege, machen sich selbst zu ihren bittersten Anklägern und falschen Zeugen. Denn auch sie werden, wenn auch gegen ihren Willen, in ihrem Fleische auferstehen, um die Kraft dessen zu erkennen, der sie von den Toten auferweckt; aber weil sie nicht geglaubt haben, werden sie zu den Gerechten nicht hinzugezählt werden,



2.

Doch gegen alle Häretiker ist die Enthüllung und Überführung verschieden und anders geartet; und da wir uns vorgenommen haben, ihnen allen je nach ihrem besonderen Charakter entgegenzutreten, so hielten wir es für notwendig, zunächst ihre Quelle und Wurzel bloßzulegen. Kennst du erst ihren tief erhabenen Bythos, so wirst du auch leicht den Baum verstehen, von dem solche Früchte geflossen sind.






23 Kapitel: Simon, der Zauberer, und Menander

1.

Lukas, der Schüler und Begleiter der Apostel, sagt von einem gewissen Simon aus Samaria, einem Magier, folgendes: „Es war aber ein Mann mit Namen Simon, der zuvor in dieser Stadt Zauberei trieb, das Volk Samariens irre führte und sich für etwas Großes ausgab, dem alle angehangen hatten vom Kleinsten bis zum Größten, sagend: ‚Dieser ist die Kraft Gottes, die da heißt die Große.’ Sie hingen ihm an, weil er sie lange Zeit mit seinen Zaubereien betört hatte“ (Apg. 8,9ff). Dieser Simon stellte sich gläubig, weil er meinte, daß auch die Apostel nicht durch Gotteskraft, sondern durch Zauberei die Kranken heilten, und daß durch die Auflegung der Hände die Gläubigen mit dem Hl. Geiste erfüllt würden durch den von ihnen gepredigten Christus Jesus. Weil er nun glaubte, daß dies durch eine noch größere Kenntnis in der Zauberei geschehe, so bot er den Aposteln Geld, um auch diese Kraft zu empfangen, daß er den Hl. Geist geben könne, welchen er wolle. Da sprach zu ihm Petrus: „Ins Verderben mit deinem Gelde und mit dir, weil du meintest, die Gabe Gottes zu bekommen für Geld! Du hast keinen Anteil daran noch Erwerb, denn dein Herz ist nicht rechtschaffen vor Gott … Denn ich sehe, du bist voll bitterer Galle und in Banden der Ungerechtigkeit“ (Ebd. 8,20ff.). Nun glaubte er erst recht nicht an Gott und begann mit Eifer gegen die Apostel zu streiten. Um gleichfalls zu Ansehen zu gelangen, verlegte er sich noch mehr auf die gesamte Zauberei und versetzte viele Menschen in Erstaunen. Ja, er soll sogar von dem Kaiser Klaudius, zu dessen Zeiten er lebte, mit einem Standbild geehrt worden sein. Dieser Mann nun, der von vielen wie ein Gott verherrlicht wurde, lehrte von sich selbst, er sei unter den Juden als Sohn erschienen, in Samaria als Vater herabgestiegen und bei den übrigen Völkern als der Heilige Geist angekommen. Er sei die allerhöchste Kraft, d. h. der über alles erhabene Vater, and lasse es sich gefallen, unter jedem beliebigen Namen von den Menschen angerufen zu werden.



2.

Dieser Simon von Samaria, von dem sämtliche Sekten abstammen, trägt folgende Irrlehre vor: Mit einer gewissen Helena, die er zu Tyrus in Phönizien als Lohndirne erstand, zog er herum und sagte, dies sei die erste Vorstellung seines Geistes, die Mutter aller, durch die er im Anfang gedachte, Engel und Erzengel zu erschaffen. Indem diese Ennoia von ihm ausging und erkannte, was der Vater wollte, stieg sie in die unteren Regionen hinab und zeugte die Engel und Mächte, von denen diese Welt gemacht worden sein soll. Dann aber wurde sie aus Neid von ihren eigenen Kindern zurückgehalten, da diese nicht für die Kinder irgend jemandes gehalten werden wollten. Er selbst blieb ihnen gänzlich unbekannt, die Ennoia aber hielten die Engel und Mächte zurück, die sie selbst geboren hatte, und jegliche Schmach mußte sie von ihnen erleiden, so daß sie nicht zu ihrem Vater zurückkehren konnte und sogar in menschlichem Körper eingeschlossen, in Ewigkeit wie von einem Gefäß in das andere in weibliche Körper überging. So war sie auch in dem Leib der Helena, deretwegen der trojanische Krieg unternommen wurde. Stesichorus, der auf sie Schmählieder dichtete, wurde deswegen geblendet, und erst als er reuevoll durch Gegenlieder Abbitte leistete, bekam er das Augenlicht wieder. Bei ihrer Wanderung von Körper zu Körper erlitt sie in jedem immer neue Schmach und landete zuletzt in einem öffentlichen Hause — sie ist das verlorene Schaf.



3.

Da kam er nun selber, um sie zunächst zu erheben und von ihren Fesseln zu befreien, aber auch den Menschen durch die eigene Erkenntnis das Heil zu bringen Die Engel nämlich regierten die Welt schlecht, weil jeder von ihnen der erste sein wollte. Deshalb kam er, um die Welt aufzurichten, wurde umgestaltet und ähnlich den Mächten, Kräften und Engeln, so daß er wie ein Mensch aussah und doch keiner war, in Judäa gelitten zu haben schien und doch nicht gelitten hatte. Die Propheten haben gesprochen, indem sie von den Engeln inspiriert wurden, welche die Welt gemacht hatten. Wer darum an ihn und an seine Helena glaube, der braucht sich um sie nicht weiter zu kümmern, sondern kann als Freier tun, was ihm beliebt. Durch seine Gnade werden die Menschen gerettet und nicht durch die Werke ihrer Gerechtigkeit. Die Werke sind nicht gut per se, sondern nur per Akzidens. Die entgegengesetzte Lehre haben die Engel, die die Welt gemacht haben, erfunden, um durch solche Vorschriften die Menschen zu knechten. Wenn aber die Welt aufgelöst werde, dann versprach er ihnen, sollten sie von der Herrschaft jener Engel befreit werden.



4.

Ihre Geheimpriester dienen daher der Sinnenlust und treiben nach Kräften Zauberei, gebrauchen Beschwörungen und Zaubersprüche, üben sich in Liebestränken und Verführungsmitteln, Geisterspuk und Traumdeuterei und in ähnlichen Taschenspielerkünsten. Auch haben sie ein Standbild des Simon nach der Art des Zeus und eins der Helena nach Art der Minerva, und die beten sie an. Nach dem Urheber der fluchwürdigen Irrlehre, dem Simon, nennen sie sich Simonianer. Von ihnen hat die fälschlich so genannte Gnosis ihren Anfang genommen, wie man aus ihren eigenen Behauptungen entnehmen kann.



5.

Simons Nachfolger war der Samaritaner Menander, gleichfalls ein Oberkünstler in der Zauberei. Nach ihm ist die erste Kraft allen unbekannt; er wurde von den unsichtbaren Kräften als Erlöser für das Heil der Menschen abgesandt. Die Welt wurde von den Engeln gemacht, die ähnlich wie bei Simon von der Ennoia ausgesandt sein sollen. Er fügte hinzu, daß die von ihm gelehrte Zauberkunst Gewalt über die Engel verleihe, welche die Welt gemacht haben. Durch seine Taufe nämlich empfangen seine Schüler die Auferstehung, können fortab nicht sterben, sind unvergänglich, ewig jung und unsterblich.






24 Kapitel: Saturninus and Basilides

1.

Saturninus aus Antiochia bei Daphne und Basilides, der eine in Syrien, der andere in Alexandrien, empfingen von diesen ihre Anregungen, brachten aber abweichende Lehren vor. Saturninus lehrte ähnlich wie Menander, daß der eine unbekannte Vater die Engel, Erzengel, Kräfte und Mächte gemacht habe. Die Welt aber und alles, was in ihr ist, sei von sieben bestimmten Engeln gemacht worden, und ebenso sei der Mensch ein Gebilde der Engel. Als diese das von obenher von der höchsten Macht erscheinende leuchtende Bild nicht festhalten konnten, weil es sogleich wieder emporstieg, ermahnten sie einander mit den Worten: „Laßt uns den Menschen machen nach dem Bild und Gleichnis“ (
Gn 1,26). — Aber wegen der Schwäche der Engel konnte sich dies Gebilde nach seiner Erschaffung nicht aufrichten, sondern es kroch wie ein Wurm daher. Da erbarmte sich seiner die Kraft von oben und entsandte einen Funken des Lebens; dieser richtete den Menschen auf, gab ihm die Glieder und das Leben. Nach dem Tode aber kehrt der Lebensfunke zu seiner Art wieder zurück, und die übrigen Bestandteile zerfallen.



2.

Der Heiland, lehrt er, ist ungeboren, unkörperlich; fälschlich glaubt man, er sei als Mensch erschienen. Der jüdische Gott ist einer von den Engeln; weil aber alle Mächte den Vater stürzen wollten, ist Christus erschienen, um den Judengott zu stürzen und zu retten, die an ihn glauben würden, d. h. die, welche den Funken des Lebens in sich haben. Die Engel haben nämlich zwei Arten von Menschen erschaffen, die guten und die bösen, und da die Dämonen den Bösen halfen, ist der Erlöser erschienen, um die Bösen samt den Dämonen zu vernichten, die Guten aber zu retten. Heiraten und Zeugen stammt vom Teufel. Die meisten von ihnen enthalten sich der Fleischspeisen, und durch diese scheinbare Enthaltsamkeit verführen sie viele. Die Prophezeiungen sind teils von den Engeln gegeben, die die Welt machten, teils vom Teufel; dieser ist ein Engel, der jenen Engeln und dem Judengott feindlich gesinnt ist.



3.

Basilides dehnt seine Lehrmeinung ins Unendliche aus, um den Schein größerer Tiefe und Glaubwürdigkeit zu erwecken. Er lehrt folgendes: Von dem ungezeugten Vater ist zunächst der Nous gezeugt, von diesem der Logos, von dem Logos die Phronesis, von der Phronesis die Sophia und Dynamis, von der Sophia und Dynamis die Kräfte, Mächte und Engel, die er die ersten nennt, und von diesen ist der erste Himmel erschaffen. Von ihnen sind andere Engel abgeleitet und erschaffen, diese machten einen zweiten Himmel ähnlich dem ersten. Von diesen entstanden auf ähnliche Weise durch Ableitung wieder andere, als Abbilder der oberen, und diese machten einen dritten Himmel. Aus dem dritten Himmel entstand der vierte und so fort auf dieselbe Weise immer weitere Fürsten und Engel und 365 Himmel. Nach dieser Himmelszahl hat denn auch das Jahr ebenso viele Tage.



4.

Den letzten Himmel, den wir sehen, erfüllen die Engel, welche alles, was in der Welt ist, gemacht haben. Sie haben die Erde und die Völker, die auf der Erde sind, unter sich verteilt. Ihr Anführer ist der Gott der Juden. Da dieser nun seinen Leuten, d. h. den Juden, die andern Völker unterwerfen wollte, erhoben sich die andern Fürsten gegen ihn und durchkreuzten seine Pläne. Deshalb sind auch die andern Völker seinem Volke feindlich gesonnen. 

   Wie aber der ungezeugte und unnennbare Vater ihre Verderbtheit sah, sandte er seinen eingeborenen Nous, der Christus genannt wird, um die, welche an ihn glauben würden, von der Herrschaft jener zu befreien, die die Welt gemacht haben. Er erschien auch ihren Völkern auf Erden als Mensch und vollendete die Kräfte. Aber er hat nicht gelitten, sondern ein gewisser Simon von Cyrene, den man zwang, für ihn das Kreuz zu tragen. Dieser wurde irrtümlich und unwissentlich gekreuzigt, nachdem er von ihm verwandelt war, so daß er für Jesus gehalten wurde. Jesus aber nahm die Gestalt des Simon an und lachte sie aus, indem er dabeistand. Er war ja die unkörperliche Kraft und der Nous des ungezeugten Vaters, deswegen konnte er sich nach Belieben verwandeln und stieg so wieder zu dem hinauf, der ihn gesandt hatte, indem er derer spottete, die ihn nicht halten konnten, und unsichtbar für alle war. Befreit also sind, die dies wissen, von den Schöpferfürsten der Welt. Nicht den Gekreuzigten darf man bekennen, sondern den, der anscheinend gekreuzigt wurde, Jesus hieß und vom Vater gesandt wurde, um durch diese Veranstaltung die Werke derer zu zerstören, die die Welt gemacht haben. Wer also noch den Gekreuzigten bekennt, der ist ein Sklave und unter der Gewalt jener, welche die Körperwelt gemacht haben; die andern aber sind ihrer Macht ledig, sie wissen, wie es der ungezeugte Vater geordnet hat.



5.

Die Erlösung aber erstreckt sich nur auf die Seele, denn der Körper kann nicht anders, als seiner Natur nach zerfallen, — Die Prophezeiungen stammen gleichfalls von ihren Fürsten, die die Welt gemacht haben, besonders aber das Gesetz von dem, der das Volk aus Ägypten hinausführte. Die Götzenopfer könne man verachten und für nichts halten, dürfe aber an ihnen ohne Scheu teilnehmen; ebenso gleichgültig sei jegliche Handlung und die Verübung jedweder Lust. Zauberei, Gespenstererscheinungen, Beschwörungen, Anrufungen und die übrigen Kunststücke sind bei ihnen gleichfalls in Übung; auch erdichten sie allerlei Namen von Engeln und lassen diese im ersten, jenen im zweiten Himmel sein, und bemühen sich, die Namen, Anfänge, Engel und Kräfte ihrer erlogenen 365 Himmel auseinanderzulegen. So soll beispielsweise die Welt, wo der Heiland hinab- und hinaufstieg, Kaulakau heißen.



6.

Wer also dies weiß und alle Engel kennt und ihren Ursprung, der wird für alle Engel und Mächte unsichtbar und unfaßbar wie Kaulakau. Wie der Sohn allen unbekannt war, so dürfen auch sie von niemand erkannt werden, sind für alle unsichtbar und unerkennbar, während sie selbst alle kennen und durch alle hindurchgehen. „Du nämlich erkenne alle, “ so sprechen sie, “dich aber soll niemand erkennen!“ Solche Leute verlangen natürlich auch keine Glaubenstreue, noch können sie etwas für ihr Bekenntnis leiden, da sie allen ähnlich sind. Nicht viele können diese Erkenntnis haben, sondern nur einer aus tausend, zwei aus zehntausend. Juden seien sie nicht mehr, Christen noch nicht. Ihre Geheimnisse brauche man nicht zu verkünden, sondern könne sie schweigend im Verborgenen bewahren,



7.

Die örtliche Lage der 365 Himmel bestimmen sie ähnlich wie die Mathematiker. Ihre Lehrsätze haben sie übernommen und verwenden sie für die besondere Art ihrer Lehre. Ihr Fürst heißt Abraxas; der Zahlenwert der Buchstaben dieses Namens beträgt 365.






25 Kapitel: Karpokrates

1.

Karpokrates und seine Schüler lehren, daß die Welt und was in ihr ist von Engeln gemacht sei, die viel niedriger sind als der ungezeugte Vater. Jesus sei Josephs Sohn, ähnlich den übrigen Menschen, nur gerechter als sie; seine Seele sei stark und rein geblieben in der Erinnerung an das, was sie während ihres Aufenthaltes bei dem ungezeugten Vater geschaut habe. Deshalb habe sie von ihm eine Kraft empfangen, so daß sie denen entfliehen konnte, die die Welt gemacht haben. So ging sie durch diese hindurch, wurde in allen befreit und stieg zu ihm empor. Ähnlich gehe es mit den Seelen, die seiner Seele ähnlich sind. Die Seele Jesu wurde in den Lebensgewohnheiten der Juden erzogen, verachtete jedoch diese und empfing deshalb besondere Kräfte, durch die sie die strafbaren Leidenschaften des Menschen überwand.



2.

Die Seele, die ähnliche Kräfte, um ähnliches zu wirken, empfängt, kann wie jene die fürstlichen Schöpfer dieser Welt verachten. Daher verstiegen sich einige in ihrem Hochmut so weit, daß sie behaupteten, Jesu gleich zu sein; andere sagten sogar, sie seien in gewisser Hinsicht mächtiger als er, andere klüger als seine Jünger, wie Petrus, Paulus und die übrigen Apostel, und stünden Jesu in nichts nach. Denn ihre Seelen wären in demselben Kreise gewesen, hätten dieselbe Kraft empfangen und gingen ebendorthin zurück und hätten auch die Weltenschöpfer verachtet. Wer aber in dieser Verachtung noch weiter vorgeschritten sei, der könne auch ihn übertreffen.



3.

Zaubereien, Beschwörungen, Liebestränke und -feiern, Gespenstererscheinungen und Traumgeister und die andern schwarzen Künste treiben sie gleichfalls, indem sie sagen, sie hätten die Macht, über die Fürsten und Schöpfer dieser Welt zu herrschen und darüber hinaus über alle Geschöpfe in der Welt. Wahrlich, der Teufel hat sie wie die Heiden zur Lästerung des heiligen Namens der Kirche ausgesandt, damit die Menschen ihre Ohren abwenden von der Verkündigung der Wahrheit, wenn sie ihre verschiedenen Lehrweisen vernehmen und meinen, wir alle seien von jener Art. Ja, wenn sie ihre Sachen bloß sehen, lästern sie uns alle, die wir doch mit ihnen weder in der Lehre noch in den Sitten noch im täglichen Umgang irgendwelche Gemeinschaft haben. Führen sie doch ein üppiges Leben, und gottlos ist ihre Lehre, und den[40] Namen mißbrauchen sie nur zum Deckmantel ihrer Bosheit. Aber gerecht ist ihre Verdammung (
Rm 3,8) , und gerechten Lohn werden sie für ihre Werke empfangen.



4.

So sehr haben sie der Verrücktheit die Zügel schießen lassen, daß sie behaupten, es stehe ihnen frei, jede beliebige irreligiöse und gottlose Handlung zu begehen; denn nur das menschliche Urteil unterscheide zwischen guten und bösen Handlungen. Müßten doch die Seelen bei ihren Wanderungen durch die Körper jegliches Leben und jegliche Handlung durchmachen, wenn nicht jemand gerade gleich beim erstenmal alles erlebt hätte.[41] Aber ihre Schriften lehren, daß die Seelen vor ihrem Abscheiden alles bis auf den letzten Rest durchgemacht haben müssen, damit sie nicht, weil sie ihre Freiheit noch nicht ausgekostet hätten, noch einmal in einen Körper übergehen müßten. Das habe Jesus mit dem Gleichnis angedeutet: „Wenn du mit deinem Gegner auf dem Wege bist, gib dir Mühe, von ihm frei zu werden, damit er dich nicht etwa dem Richter übergebe und der Richter dem Diener und er dich in den Kerker werfe. Wahrlich, ich sage dir, du wirst von da nicht herauskommen, bis du den letzten Heller bezahlt hast“ (Vgl. Lk. 12,58f.). Der Gegner, das sei einer von den Engeln der Welt, den sie den Teufel nennen, der dazu geschaffen ist, daß er die verlorenen Seelen aus der Welt zum Fürsten führe, dem ersten von den Engeln, die die Welt gemacht haben. Der übergebe solche Seelen einem andern Engel, der ihm dient, damit er sie in andere Körper einschließe, denn ein Kerker sei der Körper. Und das Wort: „Du wirst von dort nicht herauskommen, bis du den letzten Heller bezahlt hast“ bedeute, daß er von der Macht der Engel, die die Welt gemacht haben, nicht loskommen werde. Vielmehr werde er in andere Körper versetzt, bis er jede Tat verübt hat, die es in der Welt gibt, und erst wenn daran gar nichts mehr fehlt, dann sei die Seele frei und ledig für jenen Gott, der über den Fürsten der Welt steht. So würden also die Seelen erlöst und befreit, indem sie entweder gleich von vornherein beim erstenmal sich in allen Handlungen betätigt hätten, oder indem sie von Körper zu Körper wandernd und in jede Art des Lebens versenkt, ihre Schuld abgetragen und erfüllt hätten. Dann brauchten sie nicht mehr in einem Körper zu weilen.



5.

Ob nun wirklich diese gottlosen, frevelhaften und verbotenen Dinge sich bei ihnen zutragen, das möchte ich wohl bezweifeln. Aber in ihren Schriften steht es geschrieben, und selber legen sie es so aus, indem sie sagen, Jesus habe seinen Aposteln und Jüngern im Geheimen besondere Lehren gegeben und sie beauftragt, diese den Gläubigen und den Würdigen anzuvertrauen. Der Glaube und die Liebe mache selig, das übrige sei gleichgültig und nur nach dem Urteil der Menschen werde es gut oder böse genannt, während es doch von Natur nichts Böses gebe.



6.

Einige von ihnen zeichnen ihre Schüler, indem sie ihnen an der hinteren Seite des rechten Ohrläppchens ein Brandmal beibringen. So hat Marzellina, die als Anhängerin dieser Lehre unter Anicet nach Rom kam, viele betört. Sie nennen sich Gnostiker und haben gemalte oder sonstwie hergestellte Bilder Christi, dessen Typus von Pilatus gemacht sein soll zu der Zeit, da Jesus unter den Menschen wandelte. Diese krönen sie und stellen sie gleichzeitig mit den Bildern weltlicher Philosophen wie des Pythagoras, Plato, Aristoteles und anderer aus und unterscheiden sich in solchen Gebräuchen wenig von den Heiden.






26 Kapitel: Cerinth, die Ebioniten und Nikolaiten

1.

Ein gewisser Cerinth aus Asien lehrte, nicht von dem ersten Gott sei die Welt gemacht worden, sondern von einer Kraft, die von dem Urprinzip des Universums weit entfernt und getrennt war und den über alles erhabenen Gott nicht einmal kannte. Jesus aber sei nicht aus einer Jungfrau geboren[42] , vielmehr sei er der Sohn Josephs und Mariens, gezeugt wie die übrigen Menschen, übertreffe jedoch alle an Gerechtigkeit, Klugheit und Weisheit. Nach der Taufe sei auf ihn von dem erhabenen Urprinzip Christus in Gestalt einer Taube herabgestiegen, und dann habe er den unbekannten Vater gepredigt und Gewaltiges vollbracht; zum Schluß aber sei der Christus wieder von Jesus gewichen, und Jesus habe gelitten und sei von den Toten auferstanden. Christus aber sei von Leiden verschont geblieben, da er geistig war.



2.

Die sogenannten Ebioniten geben zwar zu, dass die Welt von Gott gemacht ist; über unsern Herrn aber haben sie ähnliche Ansichten wie Cerinth und Karpokrates. Sie lassen nur das Evangelium Matthäi gelten und verwerfen Paulus, den sie einen Verächter des Gesetzes nennen. Die Prophezeiungen legen sie gar zu seltsam aus. Die Beschneidung und die übrigen Gebräuche nach dem Gesetze und die jüdischen Lebensformen haben sie beibehalten, wie sie auch Jerusalem als das Haus Gottes verehren.



3.

Die Nikolaiten haben als Lehrer Nikolaus, einen von den sieben, welche zuerst von den Aposteln zu Diakonen geweiht wurden (Vgl. Apg.
Ac 6,5) . Ihr Leben ist zügellos. Sie lehren, es habe nichts zu bedeuten, wenn man ehebreche oder von den Götzenopfern esse. Am deutlichsten ist ihr Leben durch die Offenbarung Johannis kundgetan, der von ihnen sagt: „Aber das hast du, daß du die Werke der Nikolaiten haßt, die ich auch hasse;“ (Ap 2,6) .






27 Kapitel: Kerdon und Markion

1.

Ein gewisser Kerdon, der mit den Simonianern zusammenhängt, kam unter Hyginus, dem achten Bischof apostolischer Nachfolge, nach Rom. Er lehrte, der von Moses und den Propheten verkündete Gott sei nicht der Vater unseres Herrn Jesu Christi; dieser sei erkennbar, jener nicht, dieser bloß gerecht, jener aber gut.



2.

Markion aus Pontus, der ihm nachfolgte, erweiterte seine Lehre. Schamlos und gotteslästerlich, wie er war, bezeichnete er den Gott des Gesetzes und der Propheten als den Urheber des Übels, den Anstifter der Kriege, der unbeständig in seinem Entschlüsse sei und sich selbst widerspreche. Jesus stamme ab von jenem Vater, der über dem Schöpfer der Welt stehe; unter dem Landpfleger Pontius Pilatus, welcher der Prokurator des Kaisers Tiberius war, sei er nach Judäa gekommen, und indem er sich denen offenbarte, die in Judäa waren, habe er die Propheten, das Gesetz und alle Werke des Gottes aufgehoben, den er den Beherrscher der Welt nennt. Dazu beschnitt er das Evangelium nach Lukas, merzte alles aus, was über die Geburt des Herrn dort geschrieben ist, und strich aus den Lehrreden des Herrn jene zahlreichen Stellen, in denen der Herr gemäß der Schrift den Schöpfer dieses Weltalls als seinen Vater bekennt. Er brachte seinen Schülern die Meinung bei, daß er mehr Glauben verdiene als die Apostel, die das Evangelium überliefert haben, obwohl er ihnen nicht das Evangelium, sondern nur einen kleinen Teil davon überlieferte. Ebenso kürzte er auch die Briefe des Apostels Paulus und strich alle die Stellen, in denen derselbe Gott den Schöpfer der Welt nennt und diesen als den Vater unseres Herrn Jesu Christi bezeichnet, und ebenso die prophetischen Stellen, die der Apostel auf die Ankunft des Herrn bezieht.



3.

Erlöst würden nur die Seelen, die seine Lehre gelernt hätten; der Leib, der Erde entnommen, könne unmöglich daran teilnehmen. Aber über diese Gotteslästerungen ging er noch hinaus und schlug als des Teufels Sprachrohr überall der Wahrheit ins Gesicht: Kain und seinesgleichen, die Sodomiter und Ägypter und die andern dieser Art und alle Heiden, die im Sumpf jeglicher Bosheit wandelten, die seien vom Herrn erlöst worden, als er zur Hölle hinabfuhr! Abel hingegen und Henoch und Noe und die übrigen Gerechten und die Patriarchen, die zu Abraham gehören, samt den Propheten und denen, die Gott gefielen, die hätten das Heil nicht erlangt, wie die Schlange durch Markion verkündet habe. Weil sie nämlich wußten, daß Gott sie immer versuche, hätten sie auch damals eine Versuchung vermutet; darum seien sie Jesu nicht entgegengeeilt und hätten seiner Verkündigung nicht geglaubt, und so seien ihre Seelen in der Hölle geblieben.



4.

Diesen Markion, der allein es gewagt hat, die Schriften zu beschneiden und den höchsten Gott schamlos zu verkleinern, wollen wir in einer besondern Abhandlung widerlegen, indem wir aus seinen eigenen Schriften ihn anklagen und aus den Reden des Herrn und des Apostels, die er selber anführt, ihn überführen — so Gott will! Bei dieser Gelegenheit mußten wir ihn erwähnen, um Dir zu zeigen, daß alle, die wie auch immer die Wahrheit fälschen und gegen die Predigt der Kirche verstoßen, Schüler und Nachfolger des Magiers Simon aus Samaria sind. 

   Zwar verschweigen sie den Namen ihres Lehrers, um die übrigen irrezuführen. Aber dennoch, was sie sagen, ist seine Lehre, und Christi Jesu Namen führen sie bloß betrügerisch im Munde. Simons Gottlosigkeit bringen sie auf mannigfache Weise vor und morden viele, indem sie unter guter Flagge falsche Lehre führen und unter dem süßen und holden Namen[43] das böse und bittere Gift der Schlange, des Erzbösewichtes, den Menschen darreichen.






28 Kapitel: Tatian, die Enkratiten und andere

1.

Viele, viele Häresien sind aus den vorgenannten schon entsprossen. Denn viele, oder besser, alle wollen Lehrer sein und sich von der Häresie, in der sie gewesen sind, trennen. Indem sie eine Lehre aus der andern und wieder andere zusammenstellen, bemühen sie sich, dies auf neue Weise wenigstens zu lehren, damit sie als Erfinder ihres Lehrgebäudes gelten können. 

   So stammen beispielsweise von Saturninus und Markion die sogenannten Enkratiten oder Enthaltsamen, welche die Pflicht der Ehelosigkeit verkünden. Damit verwerfen sie die alte Einrichtung Gottes und klagen den ungerechterweise an, der Mann und Weib zur Erhaltung des Menschengeschlechtes geschaffen hat. Ihre sogenannten Seelischen also, welche die Ehelosigkeit eingeführt haben, sind undankbar gegen Gott, der alles gemacht hat. Tatian, der Schüler Justins, brachte diese Gotteslästerung auf. Solange er bei Justin war, hat er nichts Derartiges gelehrt; erst nach dessen Märtyrertode trennte er sich von der Kirche, wollte als großer Lehrer gelten, wurde hochmütig und aufgeblasen, als ob er etwas besseres als die andern wäre, und stellte seine Sonderlehren auf. Nun erdichtete er sich ähnlich wie die Valentinianer Äonen und erklärte ähnlich wie Markion und Saturninus Ehe wie Unzucht als gleich verderblich. Aus sich selbst aber behauptete er, auch Adam sei nicht gerettet worden.



2.

Wieder andere, die von Basilides und Karpokrates den Anstoß empfingen, lehrten Weibergemeinschaft und Vielweiberei; auch um die Teilnahme an den Opfermahlzeiten der Heiden kümmere sich Gott nicht. Aber nun genug, denn wer kann die Zahl derer angeben, die auf irgend eine Weise von der Wahrheit abwichen?






29 Kapitel: Die Barbelioten

1.

Außer den vorgenannten Simonianern gibt es nun noch eine Reihe von Barbeliotischen Gnostikern, die wie Pilze aus der Erde hervorschossen. Ihre hauptsächlichsten Lehren sind folgende: 

   In dem jungfräulichen Geiste befindet sich ein nie alternder Äon, den sie Barbelo nennen. Dort ist auch ein unnennbarer Vater, der sich des Barbelo offenbaren wollte. Die Barbelo oder Ennoia trat vor sein Angesicht und forderte von ihm die Prognosis. Da nun die Prognosis hervorgegangen war, erschien weiter auf Bitten beider die Aphtharsia, darauf das ewige Leben. Wie sie aber hierüber sich mächtig freute und erhob und über ihre Empfängnis sich ergötzte, da schuf er in sie hinein ein ihr ähnliches Licht. Das ist der Anfang aller Erleuchtung und Schöpfung. Wie der Vater das Licht erblickte, da salbte er es mit seiner Güte, damit es vollkommen werde. So wurde Christus[44] . Der wiederum verlangte, daß ihm der Nous gegeben werde, und der Nous ging hervor. Alsdann sandte der Vater den Logos aus. Darauf kamen die Verbindungen zustande zwischen der Ennoia und dem Logos, zwischen der Aphtharsia und Christus; das ewige Leben aber wurde mit dem Thelema verbunden und der Nous mit der Prognosis. Diese priesen das große Licht und die Barbelo.



2.

Darauf wurde von der Ennoia und dem Logos der Autogenes zur Darstellung des großen Lichtes ausgesandt und hoch geehrt, und alles wurde ihm unterworfen. Zugleich aber ging aus die Aletheia, die sich mit dem Autogenes verband. Von dem Lichte aber, das Christus ist, und der Aphtharsia sind vier Lichter aus gegangen, die den Autogenes umstehen; ebenso vier von dem Thelema und dem ewigen Leben, die wieder die vier Lichter umstehen, sie heißen Charis, Thelesis, Synesis und Phronesis. Die Charis wurde dem großen Urlichte beigegeben, das ist der Heiland, der Harmozel genannt wird; die Thelesis dem zweiten, das Oroiae heißt; die Synesis dem dritten, das Daveithe heißt; die Phronesis dem vierten, das man Eleleth nennt[45] .



3.

Nachdem so alle befestigt waren, brachte der Autogenes den vollkommenen und wahren Menschen hervor, den man Adamas nennt, weil sowohl er unbezwinglich war, als auch die, von denen er stammte. Er wurde mit dem Urlichte von Harmozel entfernt. Mit ihm wurde von Autogenes die vollkommene Erkenntnis ausgesandt und ihm verbunden. Deshalb habe er auch den Allerhöchsten erkannt und von dem jungfräulichen Geiste unbesiegliche Kraft empfangen. So verharren sie in dem Lobpreise des großen Äonen. Dadurch wurde offenbart die Mutter, der Vater, der Sohn. Aus dem Menschen aber und der Gnosis wurde der Baum geboren, den sie auch Gnosis nennen.



4.

Darauf wurde von dem ersten Engel der Hl. Geist ausgesandt, den sie auch Sophia und Prounikos nennen. Wie die Sophia sah, daß alles übrige vermählt sei, sie selbst aber unvermählt, da suchte sie sich einen passenden Gefährten; wie sie aber keinen fand, da dehnte sie sich mit allen Kräften aus und schaute nach unten in der Meinung, hier etwas Passendes zu finden; aber umsonst. Da tat sie einen Sprung und wurde von Ekel erfaßt, weil sie es ohne die Zustimmung des Vaters gewagt hatte. Alsdann von Einfalt und Güte getrieben, brachte sie ein Werk hervor, in dem Unwissenheit und Kühnheit zusammen waren. Das war der Proarchon, der Urheber dieser Schöpfung. Von seiner Mutter ererbte er eine große Kraft, begab sich von ihr fort nach unten und schuf das Firmament des Himmels, wo er auch wohnt. In seiner Unwissenheit schuf er die unter ihm stehenden Mächte und Engel, die Firmamente und alles Irdische. Darauf verband er sich mit der Authadia[46] und zeugte die Bosheit, die Eifersucht, den Neid, die Rache und die Begierde. Nunmehr floh seine Mutter Sophia traurig von dannen und zog sich nach oben zurück. So entsteht, wenn man rückwärts zählt, die Achtheit. Als diese aber entwichen war, glaubte der Protarchon allein zu sein und sprach deswegen: „Ich bin ein eifersüchtiger Gott, und außer mir ist niemand“ (
Ex 20,5). So weit ihre Lügen.






30 Kapitel: Die Ophiten und die Sethianer

1.

Noch andere erzählen Ungeheuerliches. In der Kraft des Bythos existiere ein Urlicht, selig, unvergänglich und unendlich, das sei der Vater von allem und heiße Urmensch. Die aus ihm hervorgehende Ennoia nennen sie seinen Sohn, und dieser Sohn des Menschen sei der zweite Mensch. Unter beiden befinde sich der Heilige Geist, unter dem oberen Geiste aber befänden sich abgesondert die Elemente Wasser, Finsternis, Abgrund, Chaos, worüber der Geist schwebe (
Gn 1,2) , den sie das erste Weib nennen. Als später der erste Mensch mit seinem Sohne über die Schönheit des Geistes, d. h. des Weibes, frohlockte und diesen erleuchtete, da zeugte er aus ihm ein unvergängliches Licht, den dritten Menschen, den sie Christus nennen, den Sohn des ersten und zweiten Menschen und des Hl. Geistes, des ersten Weibes. Vater und Sohn also taten sich zusammen mit dem Weibe, das sie auch Mutter der Lebendigen nennen.



2.

Als sie aber die Größe des Lichtes weder ertragen noch fassen konnte, floß und strömte sie nach der linken Seite über. So sei ihr einziger, gleichsam rechter Sohn Christus; der stieg in die Höhe und wurde samt seiner Mutter zu einem unvergänglichen Äon erhoben. Das sei die wahre und heilige Kirche, die Benennung, Verbindung und Vereinigung des Allvaters, des ersten Menschen und seines Sohnes, des zweiten Menschen, und Christi, des Sohnes beider, und des genannten Weibes.



3.

Die Kraft aber, die aus dem Weibe überfloß, besaß einen Lichttau; sie stürzte hinunter von ihren Vätern, trug aber aus eigenem Willen in sich den Lichttau. Diese heißt die Linke oder Prounikos oder Sophia oder Mannweib. Nun warf sie sich einfach in die Gewässer, die unbeweglich waren, setzte sie in Bewegung, indem sie mutig bis auf den Grund tauchte und nahm aus ihnen einen Leib an. Denn an den Lichttau hängte sich alles schleunigst an und umgab ihn; ja, hätte sie diesen nicht besessen, so wäre sie wohl gänzlich von der Materie verschlungen und verschluckt worden. Da sie nun von dem materiellen Körper gefesselt und gar sehr beschwert war, da kam sie zur Besinnung und versuchte aus dem Wasser loszukommen und sich zur Mutter zu erheben, doch es war wegen der Schwere des sie umgebenden Körpers vergeblich. Nun wurde ihr schlecht zumute, und sie trachtete, das innere Licht zu verbergen, aus Furcht, es könne von den unteren Elementen wie sie selber verletzt werden. Da erhielt sie Kraft von ihrem Lichttau, sprang auf und erhob sich in die Höhe, und dort erweiterte sie sich wie zu einer Decke und schuf den sichtbaren Himmel aus ihrem Körper. Nun blieb sie zunächst unter dem Himmel, den sie gemacht hatte und der noch heute die Gestalt eines wässerigen Körpers hat. Dann aber bekam sie eine Begierde nach dem oberen Lichte und erlangte durch all dieses Kraft; und sie legte ab ihren Körper und wurde davon befreit. Den Körper aber, den sie auszog, nennen sie Weib vom Weibe.



4.

Aber auch ihr Sohn empfing als Erbteil von der Mutter so eine Art Hauch von Unsterblichkeit. Durch diesen wirkt er und bringt, zu Kräften gekommen, aus den Wassern ohne Mutter einen Sohn hervor, denn die Mutter erkannte er nicht. Dessen Sohn brachte nun wie der Vater einen weiteren Sohn hervor. Dieser dritte erzeugte einen vierten, und der vierte wieder einen Sohn, von dem fünften wurde der sechste erzeugt, und der sechste erzeugte den siebenten. So wurde bei ihnen die Achtheit vollendet, indem die Mutter den achten Platz einnimmt. Wie nach dem Ursprunge, so geht denn auch nach seinen Kräften und Würden einer von dem andern hervor.



5.

Folgende Namen haben sie ihrem Lügengewebe gegeben: Der erste, der von der Mutter stammt, heißt Ialdabaoth, dessen Sohn Iao, dessen Sohn der große Sabaoth, der vierte Adonai, der fünfte Elohim, der sechste Hor, der siebente und allerjüngste Astaphäus. Diese Himmel und Mächte und Kräfte und Engel sitzen nach ihrer Annahme in der Reihenfolge ihrer Abstammung unsichtbar im Himmel, regieren Himmel und Erde. Ihr Anführer aber, Ialdabaoth, verachtete seine Mutter, indem er ohne irgend eine Erlaubnis Söhne und Enkel zeugte, ja sogar Engel und Erzengel, Kräfte, Mächte und Herrschaften schuf. Darauf wandten sich wegen der Herrschaft in Zank und Streit seine Söhne gegen ihn. Und Ialdabaoth wurde traurig und verzagt, schaute auf die Hefe der Materie zu seinen Füßen und verkörperte sein Empfinden in sie hinein. So entstand wieder ein Sohn, und zwar der schlangenförmig gewundene Nous; alsdann Geist und Seele und was von dieser Welt ist: Vergeßlichkeit, Bosheit, Eifersucht, Neid und Tod. Dieser schlangenförmig gewundene Nous aber hat durch seine Verschlagenheit ihren Vater in noch tieferes Verderben gestürzt, als er mit ihrem Vater im Himmel und im Paradiese weilte.



6.

Da frohlockte laldabaoth und brüstete sich dessen, was zu seinen Füßen geschah, und sprach: „Ich bin ihr Vater und Gott, und über mir ist niemand.“ Wie aber seine Mutter dies hörte, entgegnete sie ihm: „Lüge nicht, Ialdabaoth, denn über dir ist der Allvater, der erste Mensch und der Mensch, der Sohn des Menschen.“ Bei diesem neuen Worte und unerwarteten Ausspruch wurden alle verwirrt und forschten nach, woher er komme. Aber um sie davon abzuhalten und zu verführen, sprach Ialdabaoth zu ihnen: „Kommet, lasset uns den Menschen machen nach unserm Bilde!“ (Gn 1,26) Als nun die sechs Mächte dies hörten, ließ die Mutter sie den Menschen ausdenken, um sie von ihrer Urkraft zu entleeren. Die traten dann zusammen und bildeten einen Menschen von ungeheurer Länge und Breite. Aber siehe, der konnte nur kriechen. Da schleppten sie ihn zu ihrem Vater, indem die Sophia dies bewirkte, um jenen von seinem Lichttau zu entleeren, auf daß er nicht weiter die Kraft habe, sich gegen die Oberen aufzulehnen. In dem nun jener in den Menschen den Hauch des Lebens einhauchte, wurde er heimlich von seiner Kraft entleert, der Mensch aber empfing den Nous und die Enthymesis — dies wird erlöst — und brachte, ohne sich um seine Schöpfer zu bekümmern, dem ersten Menschen seinen Dank dar.



7.

Voll Neid wollte nun Ialdabaoth etwas ausdenken, um den Menschen durch ein Weib zu entleeren; und er zog aus seiner Enthymesis ein Weib hervor, das jene Prounikos sogleich aufnahm und unsichtbar der Kraft beraubte. Wie die andern nun hinzutraten, wunderten sie sich über ihre Schönheit und nannten sie Eva. Sie begehrten aber ihrer und zeugten aus ihr Söhne, die sie Engel nennen. Nun gedachte ihre Mutter, Eva und Adam durch die Schlange zu verführen, das Gebot Ialdabaoths zu übertreten. Eva, wähnend, daß sie die Stimme des Sohnes Gottes vernehme, glaubte leicht und riet auch dem Adam, von dem Baume zu essen, von dem Gott zu essen verboten hatte. Als sie aber gegessen hatten, da erkannten sie die himmlische Kraft und wandten sich von ihren Schöpfern ab. Wie nun die Prounikos dies sah, daß sie sogar von ihrem eigenen Gebilde verlassen worden, da jubelte sie und rief wiederum aus: „Gelogen hat, der sich einstens selbst Vater nannte, da doch der Vater unvergänglich ist, und das erste Weib, das doch zum ersten Manne gehörte, ist eine Ehebrecherin!“



8.

Weil jedoch Ialdabaoth so sehr in sich versunken war, daß sie darauf gar nicht achtgab, trieb er Adam und Eva aus dem Paradiese, weil sie sein Gebot übertreten hatten. Er wollte nämlich, daß dem Adam aus Eva Kinder erzeugt würden, konnte es aber nicht erreichen, weil ihm seine Mutter in allem entgegenhandelte und Adam und Eva heimlich ihres Lichttaues entleerte, damit der ursprüngliche Geist von dem Fluch und der Schmach nicht seinen Teil empfange. Nachdem sie dergestalt von der göttlichen Substanz entleert waren, fluchte er ihnen und warf sie vom Himmel auf diese Erde hinab. Doch auch die Schlange erlitt dasselbe Geschick, da sie gegen den Vater gehandelt hatte; indem sie aber die Engel hienieden in ihre Gewalt brachte, zeugte sie sechs Söhne, So entstand, wenn man sie selbst mit einrechnet, die Nachbildung der Siebenheit, die bei dem Vater ist. Diese sieben Geister der Welt sind die beständigen Feinde und Widersacher des menschlichen Geschlechtes, weil ihretwegen ihr Vater hinabgestürzt wurde.



9.

Früher waren gemäß ihrer Erschaffung die Leiber Adams und Evas leicht, leuchtend und gleichsam geistig; bei ihrem Sturz aber wurden sie dunkler, dicker und träger. Doch auch die Seele wurde zerstreut und schlapp, denn sie hatte von ihrem Schöpfer ja nur einen Hauch von dieser Welt; Prounikos aber erbarmte sich ihrer und gab ihnen den lieblichen Geruch des Lichttaues wieder. So konnten sie sich auf sich selbst besinnen und erkennen, daß sie aus sich nackt und stofflich seien und den Tod in sich trügen. So wurden sie auch geduldig in der Erkenntnis, daß sie nur eine Zeitlang mit dem Körper bekleidet sind. Unter der Leitung der Sophia fanden sie Speisen und sättigten sich und zeugten den Kain, den die gestürzte Schlange sogleich mit ihren Söhnen in Empfang nahm und betörte und mit weltlicher Verblendung erfüllte und in Torheit und Frechheit stürzte, sodaß er als erster Neid und Tod in die Welt brachte, indem er seinen Bruder erschlug. Nach diesen soll gemäß der Vorsehung der Prounikos Seth erzeugt worden sein, darauf die Noreah; von diesen stammt die übrige Menschenmenge, die von der unteren Siebenzahl in jegliche Bosheit und Abfall von der oberen heiligen Siebenzahl, in Götzendienst und alle andere Schlechtigkeit gestürzt wurde, da ihnen die Mutter immer unsichtbar entgegen war und nur das Ihrige, nämlich den Lichttau, rettete. Die heilige Siebenzahl aber, das sind nach ihnen die sieben sogenannten Planeten, und die niedergeworfene Schlange hat zwei Namen, Michael und Samael.



10.

Aus Zorn aber über die Menschen, die ihn nicht ehrten noch verehrten, sandte ihnen Ialdabaoth als ihr Vater und Gott die Sintflut, um alle auf einmal zu vernichten. Da jedoch auch hier die Sophia sich widersetzte, wurden die gerettet, die bei Noe in der Arche waren, und zwar wegen jenes Lichttaues, der von ihr stammte, und durch diesen ist die Welt wiederum mit Menschen erfüllt worden. Aus diesen wählte Ialdabaoth selber einen gewissen Abraham aus und schloß mit ihm einen Bund: wenn sein Same in seinem Dienste verharre, wolle er ihm die Erde zum Erbe geben. Später führte er die Nachkommen Abrahams aus Ägypten hinaus und gab ihnen das Gesetz und machte sie zu Juden. Von diesen wählte er sieben Götter aus, die sie die heilige Siebenzahl nennen. Jeder von ihnen wählte sich, damit sein Ruhm und seine Gottheit verkündet werde, einen besonderen Propheten aus, damit auch die übrigen, den Lobpreis hörend, den Göttern dienten, die von den Propheten verkündet wurden.



11.

Auf folgende Weise werden nun die Propheten verteilt: Zu Ialdabaoth gehört Moses, Jesus Nave, Amos und Habakuk; zu Iao Samuel, Nathan, Jonas und Michäas; zu Sabaoth Elias, Joel und Zacharias; zu Adonai Isaias, Ezechiel, Jeremias und Daniel; zu Eloi Tobias und Aggäus; zu Hor Michäas und Nahum; zu Astaphäus Esdras und Sophonias. Von diesen verherrlichte nun ein jeder seinen Gott und Vater. Aber die Sophia verkündete ihrerseits durch ihren Mund vielerlei über den ersten Menschen und den unvergänglichen Äon, über den himmlischen Christus, indem sie die Menschen ermahnte und an das unvergängliche Licht erinnerte, den ersten Menschen und die Herabkunft Christi. Da nun durch diese Worte die Mächte erschreckt wurden und sich wunderten ob der neuen Verkündigungen der Propheten, da bewirkte die Prounikos durch den ahnungslosen Ialdabaoth, daß zwei neue Menschen ausgesandt wurden, der eine von der unfruchtbaren Elisabeth, der andere aus Maria, der Jungfrau.



12.

Aber weder im Himmel noch auf der Erde hatte sie Ruhe. Deshalb rief sie in ihrer Trauer ihre Mutter zu Hilfe. Diese, das erste Weib, erbarmte sich ob der Reue ihrer Tochter und forderte von dem ersten Menschen, daß ihr Christus zu Hilfe gesandt werde. So ging dieser aus und stieg hinab zu seiner Schwester und dem Lichttau. Als nun die untere Weisheit erkannte, daß zu ihr ihr Bruder herabsteigen wolle, da verkündete sie seine Ankunft durch Johannes, bereitete die Bußtaufe vor und richtete Jesus im voraus darauf ein, daß bei seiner Herabkunft Christus ein reines Gefäß fände und daß durch Ialdabaoth, ihren Sohn, das Weib von Christus verkündet werde. Nun stieg er durch die sieben Himmel hinab, wurde ähnlich ihren Söhnen und schöpfte allmählich ihre Kraft aus. Zu ihm strömte der ganze Lichttau zusammen, und als der Christus dann in diese Welt kam, legte er zuerst seine Schwester Sophia an, und es jubelten beide, übereinander erschauernd — und dies erklären sie für den Bräutigam und die Braut. Jesus war gerechter, reiner und weiser als alle Menschen; ist er doch aus einer Jungfrau durch die Wirkung eines Gottes geboren. Mit der Sophia verbunden, stieg der Christus auf ihn herab — und so wurde Jesus zum Christus.



13.

Vielen von Jesu Schülern blieb es unbekannt, daß Christus auf Jesus herabgestiegen ist — und doch hat Jesus erst danach angefangen, Wunder zu wirken, zu heilen, den unbekannten Vater zu verkündigen und sich offen als den Sohn des ersten Menschen zu bekennen. Darob erzürnten die Mächte und der Vater Jesu und taten sich zusammen, um ihn zu töten. Als er dazu abgeführt wurde, da ist der Christus samt der Sophia von ihm in einen unvergänglichen Äon übergegangen, Jesus aber wurde gekreuzigt. Doch Christus vergaß seiner nicht, sondern schickte ihm von oben her eine Kraft, die ihn dem Leibe nach auf erweckte. Dieser Leib war ein seelischer und geistiger, denn das Weltliche ließ er in der Welt zurück. Als die Jünger sahen, daß er auferstanden war, haben sie ihn nicht erkannt, ja nicht einmal Jesum, um dessentwillen er auferstanden ist. Das war gerade der größte Irrtum unter seinen Schülern, daß sie wähnten, er sei in dem weltlichen Leibe auferstanden; sie wußten also nicht, daß „Fleisch und Blut das Reich Gottes nicht besitzen können“ (1Co 15,50).



14.

Daß der Christus auf Jesus herab und von ihm aufgestiegen sei, wollen sie damit beweisen, daß nach dem Zeugnis der Jünger Jesus weder vor der Taufe noch nach seiner Auferstehung etwas Großes getan habe; sie wissen nämlich nicht, daß Jesus mit Christus vereint war und der unvergängliche Äon mit der Siebenfaltigkeit, und nennen seinen weltlichen Körper einen seelischen. Nach seiner Auferstehung habe er noch achtzehn Monate verweilt und, indem die Aisthesis auf ihn herniederstieg, erfahren, was die Wahrheit ist — aber das teilte er nur den wenigen seiner Schüler mit, von denen er wußte, daß sie so große Geheimnisse fassen konnten. Also ist er in den Himmel aufgenommen, intern Christus zur Rechten seines Vaters Ialdabaoth saß, um die Seelen derer, die ihn und Christus erkannt haben, nachdem sie ihr weltliches Fleisch abgelegt haben, in sich aufzunehmen und sich dadurch zu bereichern. Der Vater aber ahnt und sieht nicht, daß, wie Jesus sich selbst mit den heiligen Seelen bereichert, er um ebensoviel Verlust erleidet, da er durch die Seelen von seiner eigenen Kraft verliert. So wird er zuletzt nicht mehr imstande sein, heilige Seelen in die Welt zu entsenden, sondern nur solche, die von seiner Wesenheit sind, d. h. solche, die aus der Einhauchung stammen. — Die Vollendung wird dann eintreten, wenn der gesamte Tau des Lichtgeistes gesammelt und in den unvergänglichen Äon übertragen ist...



15.

Das also sind ihre Lehren; ein vielköpfiges Ungeheuer gleich der lernäischen Schlange, das aus der Schule des Valentinus entstanden ist. Einige nämlich sagen, die Sophia selbst sei zur Schlange geworden; deshalb habe sie sich gegen den Schöpfer des Adam erhoben und den Menschen die Erkenntnis gebracht, denn die Schlange wird ja das klügste von allen Geschöpfen genannt. Und die gewundene Lage unserer Eingeweide welche die Speise befördern, soll die in uns verborgene Zeugekraft der Schlangengestalt in uns anzeigen.






31 Kapitel: Die Kainiten. — Schlußbetrachtung

1.

Andere wiederum lassen den Kain von der oberen Macht abstammen und bekennen Esau, Kore, die Sodomiten und ähnliche als ihre Verwandten, die zwar von ihrem Schöpfer gehaßt würden, aber doch nichts Schlimmes von ihm erlitten hätten. Denn die Sophia nahm das von ihnen, was ihr Eigentum war, zu sich. Das habe auch der Verräter Judas genau gewußt; er allein habe die Wahrheit erkannt und das Geheimnis des Verrates vollendet; er habe alles Irdische und Himmlische getrennt. Diese Dichtung nennen sie das Evangelium des Judas.



2.

Ich habe sogar Schriften von ihnen gesammelt, in denen sie mahnen, die Werke der Hystera[47] aufzulösen. Hystera nennen sie den Schöpfer des Himmels und der Erde; anders könne man nicht gerettet werden, als wenn man durch alles hindurchgehe, wie auch Karpokrates gesagt hat. Bei jeder sündhaften und schändlichen Handlung stehe ein Engel dabei, und der hebe alle Bedenken hinweg und treibe zur Unreinheit an, die in jener Handlung liegt, und lasse im Namen des Engels sagen: „O du Engel, ich wirke dein Werk, o du Macht da, ich vollbringe deine Handlung!“ Das sei die vollkommene Wissenschaft, ohne jede Furcht in solche Handlungen sich zu verirren, die man nicht einmal nennen darf.



3.

Notwendig war es, offen darzulegen, daß von solchen Müttern und Vätern und Großeltern die Valentinianer stammen, wie ihre Lehren und Regeln selbst sie zeigen, und ihre Dogmen ans Licht zu bringen. Vielleicht, daß einige von ihnen Buße tun, sich zu dem einen Gott und Schöpfer des Weltalls bekehren und gerettet werden, fürderhin aber sich niemand mehr von ihrer verkehrten und täuschenden Beredsamkeit verführen lasse, indem er glaubt, daß er von ihnen ein größeres und irgendwie höheres Geheimnis erfahren könne. Mögen sie von uns gut lernen, was von ihnen schlecht gelehrt wird, ihre Lehre verlachen und Mitleid mit jenen empfinden, die bei ihren so elenden und schwankenden Fabeln so stolz geworden sind, daß sie sich wegen solcher Kenntnis oder vielmehr Unkenntnis für besser als die übrigen halten. Nun sind sie entlarvt, ja völlig besiegt durch die bloße Darlegung ihrer Lehre!



4.

So haben wir es gewagt, das gesamte, schlecht zurechtgemachte Körperchen dieses Füchsleins ans Licht zu ziehen und öffentlich auszustellen. Nicht vieler Worte wird es noch bedürfen, um ihre Lehre zu widerlegen, nachdem sie bekannt gegeben. Wie wenn ein wildes Tier, das sich in einem Walde verborgen hält, von dort viele anfällt und zerreißt, jemand, der den Wald aushaut und das Tier so ans Licht bringt, sich nicht mehr Mühe gibt, es zu fangen, wo alle sehen, daß das Tier eben ein Tier ist, und es sehen und sich vor ihm hüten und es von allen Seiten beschießen und verwunden und jene mörderische Bestie töten können, so brauchen auch wir, nachdem wir ihre versteckten und sorgfältig gehüteten Geheimnisse ans Licht gebracht haben, nicht noch mit vielen Worten ihre Lehre widerlegen. Du und alles die bei Dir sind, können sich an das Gesagte heranmachen, ihre nichtsnutzigen und törichten Lehren widerlegen und die der Wahrheit entsprechenden Dogmen dartun. Aber trotzdem wollen wir nach unserem Versprechen und gemäß unserer Kraft die Widerlegung ihrer Lehren beifügen und sie im folgenden Buche allseitig abführen. So zieht sich, wie Du siehst, unsere Arbeit in die Länge. Wir wollen Dir auch auf den Weg helfen, sie zu überführen, indem wir nach der Reihenfolge unserer Darstellung ihnen in allen Stücken entgegentreten. Nicht nur aufzeigen, sondern auch von allen Seiten verwunden wollen wir die Bestie.







Zweites Buch



Vorrede

1.

In dem vorausgehenden ersten Buche stellten wir die fälschlich so genannte Gnosis bloß und zeigten Dir, Geliebtester, daß die verschiedenen und sich widersprechenden Erfindungen der Valentinianer Lügengerede sind; ebenso zeigten wir Dir, daß die Lehren ihrer Vorgänger mit sich selbst und noch viel mehr mit der Wahrheit in Widerspruch stehen. Auch des Magiers Markus Lehre, der zu ihnen gehört, samt seinen Werken legten wir mit aller Sorgfalt auseinander und berichteten genau, was sie alles aus den Schriften aussuchen und ihrem Lehrgebäude anzupassen versuchen; bis ins einzelnste besprachen wir, wie sie durch die Zahlen und die vierundzwanzig Buchstaben des Alphabets die Wahrheit ihrer Lehre zu bekräftigen frech sich vermaßen. Wir legten dar, wie sie die Schöpfung nach dem Ebenbild des unsichtbaren Pleroma geschehen sein lassen, was sie von dem Demiurg meinen und lehren; wir offenbarten die Lehren ihres Stifters, des Magiers Simon aus Samaria, und seiner Nachfolger. Wir sprachen dann von der Menge Gnostiker, die von ihnen abstammen und gaben ihre Unterscheidungslehren und Entwicklungen an; wir führten an die von ihnen gestifteten Häresien. Wir zeigten, daß die von Simon abstammenden Häretiker mit ihren gottlosen und irreligiösen Dogmen dieses Leben beeinflussen; wir offenbarten ihre Erlösung, wie sie ihre Adepten einweihen, ihre Anrufungen und Geheimnisse, daß der eine Schöpfergott weder die Frucht des Hysterema ist, noch etwas über ihm, noch etwas nach ihm.



2.

In diesem Buche werden wir das Passende beibringen und, soweit es die Zeit gestattet, in langen Hauptstücken ihre ganze Lehre widerlegen. Deshalb soll auch der Titel dieses Werkes lauten: Entlarvung und Widerlegung ihrer Lehre. Ihre verborgenen Verbindungen nämlich muß man auflösen durch den Hinweis auf ihre offenkundigen Verbindungen und den Bythos vernichten durch den Beweis, daß er weder war noch ist.




201

1. Kapitel: Gott, der einzige Gott


(Contra Haereses) 16