Generalaudienzen 2005-2013 8079

Mittwoch, 8. Juli 2009: Caritas in veritate

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Liebe Brüder und Schwestern!

Meine neue Enzyklika Caritas in veritate, die gestern offiziell vorgestellt wurde, ist in ihrer grundlegenden Sicht von einem Abschnitt aus dem Brief des hl. Paulus an die Epheser inspiriert, wo der Apostel vom Handeln gemäß der Liebe in der Wahrheit spricht: »Wir wollen uns« - wir haben es eben gehört -, »von der Liebe geleitet, an die Wahrheit halten und in allem wachsen, bis wir ihn erreicht haben. Er, Christus, ist das Haupt« (4,15). Die Liebe in der Wahrheit ist also die Hauptantriebskraft für die wahre Entwicklung jeder Person und der ganzen Menschheit. Deshalb kreist die gesamte Soziallehre der Kirche um das Prinzip »caritas in veritate«. Nur mit der von der Vernunft und vom Glauben erleuchteten Liebe ist es möglich, Entwicklungsziele zu erreichen, die einen menschlichen und vermenschlichenden Wert aufweisen. Die Liebe in der Wahrheit »ist das Prinzip, um das die Soziallehre der Kirche kreist, ein Prinzip, das in Orientierungsmaßstäben für das moralische Handeln wirksame Gestalt annimmt« (). Die Enzyklika erinnert gleich in der Einleitung an zwei grundlegende Kriterien: die Gerechtigkeit und das Gemeinwohl. Die Gerechtigkeit ist ein wesentlicher Bestandteil jener Liebe »in Tat und Wahrheit« (
1Jn 3,18), zu der der Apostel Johannes aufruft (vgl. ). Und: »Jemanden lieben heißt sein Wohl im Auge haben und sich wirkungsvoll dafür einsetzen. Neben dem individuellen Wohl gibt es eines, das an das Leben der Menschen in Gesellschaft gebunden ist … Man liebt den Nächsten um so wirkungsvoller, je mehr man sich für das Gemeinwohl einsetzt«. Es gibt daher zwei operative Kriterien, die Gerechtigkeit und das Gemeinwohl; dank dieses letzteren nimmt die Liebe eine soziale Dimension an. Jeder Christ - sagt die Enzyklika - ist zu dieser Liebe aufgerufen, und fügt hinzu: »Das ist der institutionelle Weg …der Nächstenliebe« (vgl. ).

Wie andere Dokumente des Lehramtes greift auch diese Enzyklika die Analyse und Überlegung der Kirche über soziale Themenkreise auf, die für die Menschheit unseres Jahrhunderts von lebenswichtigem Interesse sind, setzt sie fort und vertieft sie. In besonderer Weise beruft sie sich auf das, was Paul VI. vor über 40 Jahren in der Enzyklika Populorum progressio geschrieben hat, einem Meilenstein der Soziallehre der Kirche, in der der große Papst einige entscheidende und immer aktuelle Linien für die ganzheitliche Entwicklung des Menschen und der modernen Welt festlegt. Wie die Berichterstattung über die Ereignisse der letzten Monate ausgiebig zeigt, weist die Situation der Welt weiterhin große Probleme und den »Skandal« schreiender Ungerechtigkeiten auf, die trotz der in der Vergangenheit unternommenen Bemühungen andauern. Einerseits sind Anzeichen ernster sozialer und wirtschaftlicher Unausgeglichenheiten zu verzeichnen; andererseits werden von mehreren Seiten nicht mehr aufschiebbare Reformen gefordert, um das Gefälle in der Entwicklung der Völker auszugleichen. Das Phänomen der Globalisierung kann dafür eine echte Gelegenheit bilden, aber dafür ist es wichtig, Hand an eine tiefgreifende moralische und kulturelle Erneuerung und an eine verantwortliche Unterscheidung hinsichtlich der für das Gemeinwohl zu treffenden Entscheidungen zu legen. Eine bessere Zukunft für alle ist möglich, wenn sie auf der Wiederentdeckung der fundamentalen ethischen Werte gründet. Das heißt, es bedarf einer neuen wirtschaftlichen Planung, die die Entwicklung in globaler Weise neu festlegt und sich dabei auf das ethische Fundament der Verantwortung vor Gott und dem Menschen als Geschöpf Gottes stützt.

Die Enzyklika zielt sicher nicht darauf ab, technische Lösungen für die umfassenden sozialen Problemstellungen der heutigen Welt anzubieten - das fällt nicht in die Zuständigkeit des Lehramtes der Kirche (vgl. ). Sie ruft jedoch die großen Prinzipien in Erinnerung, die sich für den Aufbau der menschlichen Entwicklung der nächsten Jahre als unverzichtbar herausstellen. Darunter an erster Stelle die Aufmerksamkeit für das Leben des Menschen, das als Mittelpunkt jedes wahren Fortschritts angesehen wird; die Achtung des Rechts auf Religionsfreiheit, immer in enger Verbindung mit der Entwicklung des Menschen; die Ablehnung einer prometheischen Sicht des Menschen, die ihn für den absoluten Urheber seines Schicksals hält. Ein unbegrenztes Vertrauen in die Möglichkeiten der Technologie würde sich am Ende als illusorisch erweisen. Sowohl in der Politik wie in der Wirtschaft braucht es rechtschaffene Menschen, die gewissenhaft auf das Gemeinwohl achten. Besonders mit Blick auf die weltweiten Notstände ist es dringend erforderlich, die Aufmerksamkeit der öffentlichen Meinung auf das Drama des Hungers und der Unsicherheit auf dem Gebiet der Ernährung zu lenken, das einen beachtlichen Teil der Menschheit betrifft. Ein Drama von solchen Ausmaßen fordert unser Gewissen heraus: Es ist notwendig, ihm mit Entschlossenheit entgegenzutreten, indem man die strukturellen Ursachen, die es auslösen, beseitigt und die Entwicklung der Landwirtschaft der ärmsten Länder fördert. Ich bin sicher, daß dieser solidarische Weg zur Entwicklung der ärmsten Länder gewiß behilflich sein wird, ein Projekt zur Lösung der aktuellen globalen Krise zu erarbeiten. Zweifellos müssen die Rolle und die politische Macht der Staaten sorgfältig neu bewertet werden, in einer Zeit, in der de facto Beschränkungen ihrer Souveränität wegen des neuen internationalen ökonomisch-kommerziellen und finanziellen Kontextes bestehen. Und auf der anderen Seite darf die verantwortliche Teilnahme der Bürger an der nationalen und internationalen Politik nicht fehlen, auch dank eines erneuerten Engagements der Arbeitnehmervereinigungen, die aufgerufen sind, neue Formen des Zusammenwirkens auf lokaler und internationaler Ebene einzuführen. Eine vorrangige Rolle spielen auch in diesem Bereich die sozialen Kommunikationsmittel für die Intensivierung des Dialogs zwischen verschiedenen Kulturen und Traditionen.

Wenn man also eine Entwicklung programmieren will, die nicht von den heute weithin vorhandenen Mißständen und Verzerrungen geschädigt ist, so ist von seiten aller ein ernsthaftes Nachdenken über den Sinn der Wirtschaft und ihre Zielsetzungen geboten. Das erfordert der ökologische Gesundheitszustand des Planeten; das erfordert die kulturelle und moralische Krise des Menschen, die immer deutlicher in jedem Teil der Welt zutage tritt. Die Wirtschaft braucht für ihr korrektes Funktionieren eine Ethik; sie muß den wichtigen Beitrag des Prinzips der Unentgeltlichkeit und der »Logik des Gebens« in der Marktwirtschaft wiederentdecken, wo die Regel nicht allein der Profit sein darf. Dies ist aber nur dank des Einsatzes aller möglich, der Wirtschaftsfachleute und der Politiker, der Erzeuger und der Verbraucher, und es setzt eine Gewissensbildung voraus, die den moralischen Kriterien bei der Ausarbeitung der politischen und wirtschaftlichen Vorhaben Kraft verleiht. Mit Recht wird von mehreren Seiten an die Tatsache appelliert, daß die Rechte entsprechende Pflichten voraussetzen, ohne die die Rechte Gefahr laufen, zur Willkür zu werden. Die ganze Menschheit bedarf - so wird immer öfter wiederholt - eines anderen Lebensstils, in dem sich die Pflichten eines jeden gegenüber der Umwelt mit den Pflichten gegenüber dem Menschen an sich und in Beziehung zu den anderen verbinden. Die Menschheit ist eine einzige Familie, und der fruchtbare Dialog zwischen Glaube und Vernunft kann sie nur bereichern, indem er das Werk der Nächstenliebe im Sozialen wirksamer macht und den sachgemäßen Rahmen bildet, um die Zusammenarbeit zwischen Gläubigen und Nichtgläubigen in der gemeinsamen Sicht zu fördern, für die Gerechtigkeit und den Frieden in der Welt zu arbeiten. Als Leitkriterium für diese brüderliche Zusammenarbeit verweise ich in der Enzyklika auf die Prinzipien der Subsidiarität und Solidarität, die eng miteinander verbunden sind. Schließlich habe ich angesichts der so weitreichenden und tiefen Probleme der Welt von heute auf die Notwendigkeit einer dem Recht untergeordneten politischen Weltautorität hingewiesen, die sich an die genannten Prinzipien der Subsidiarität und Solidarität hält und fest auf die Verwirklichung des Gemeinwohls ausgerichtet ist, unter Wahrung der großen moralischen und religiösen Traditionen der Menschheit.

Das Evangelium erinnert uns daran, daß der Mensch nicht von Brot allein lebt: Mit materiellen Gütern allein läßt sich der tiefe Durst seines Herzens nicht stillen. Der Horizont des Menschen ist zweifellos höher und weiter; deshalb muß jedes Entwicklungsprogramm neben dem materiellen auch dem geistlichen Wachstum der Person Rechnung tragen, die eben mit Seele und Leib ausgestattet ist. Das ist die ganzheitliche Entwicklung, auf die die Soziallehre der Kirche ständig Bezug nimmt, eine Entwicklung, die ihr Orientierungskriterium in der Antriebskraft der »Liebe in der Wahrheit« hat. Liebe Brüder und Schwestern, beten wir dafür, daß auch diese Enzyklika der Menschheit helfen kann, sich als eine einzige Familie zu fühlen, die sich darum bemüht, eine Welt der Gerechtigkeit und des Friedens zu verwirklichen. Beten wir dafür, daß die Gläubigen, die in den Bereichen der Wirtschaft und der Politik tätig sind, sich bewußt machen, wie wichtig ihr konsequentes Zeugnis für das Evangelium in dem Dienst ist, den sie für die Gesellschaft leisten. Im besonderen lade ich euch ein, für die Staatsoberhäupter und Regierungschefs der G8-Gipfels zu beten, die sich in diesen Tagen in L’Aquila treffen. Mögen von diesem bedeutenden Weltgipfel brauchbare Entscheidungen und Orientierungen für den wahren Fortschritt aller Völker, besonders der ärmsten, ausgehen. Wir vertrauen diese Anliegen der mütterlichen Fürsprache Mariens an, Mutter der Kirche und der Menschheit.

Gestern wurde meine neue Enzyklika Caritas in veritate - die Liebe in der Wahrheit - veröffentlicht. In dieser Enzyklika über die ganzheitliche Entwicklung des Menschen geht es nicht darum, technisch-praktische Lösungen für die großen wirtschaftlichen Probleme unserer Zeit anzubieten. Die wichtigen Fragen unserer Gesellschaft reichen weit über die rein operative Ebene hinaus und müssen im größeren Gesamtzusammenhang gesehen werden. Daher wollte ich in Erinnerung rufen, daß die umfassende Entwicklung eines jeden Menschen und der ganzen Menschheit nur in Christus und auf Christus hin erfolgen kann. Der hauptsächliche Antrieb dazu ist die Liebe in der Wahrheit, nämlich die Bereitschaft, sich auf die Logik des unentgeltlichen Schenkens einzulassen und das wirtschaftliche und soziale Leben nach den bleibenden großen Prinzipien auszurichten: die Achtung vor dem menschlichen Leben, die wahren Menschenrechte und - pflichten, die notwendige Tugendhaftigkeit der Wirtschaftstreibenden und der Verantwortlichen in der Politik, das Streben nach dem Gemeinwohl auch auf weltweiter Ebene, der ethische Umgang mit der Technologie und den Medien. Die Erneuerung unserer Gesellschaft, die vielerorts krankt, bedarf eines ernsthaften Nachdenkens über den tiefen Sinn der Wirtschaft, der Finanzen und der Politik. Dieses Nachdenken muß auf der Wahrheit über den Menschen als solchen und seiner Beziehung zu den Mitmenschen beruhen. Dazu gehört, daß der Mensch nicht nur Leib, sondern auch Seele ist und seine ganzheitliche Entwicklung daher das geistige Wachstum einschließt.
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Von Herzen grüße ich alle Pilger und Besucher aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Die sozialen Probleme unserer Zeit erfordern, daß wir alle in der Gerechtigkeit und in der Liebe wachsen und uns aus dem Glauben heraus für unsere Mitmenschen einsetzen. In diesen Tagen beten wir besonders für die Hauptverantwortlichen in der Wirtschaft und in der Politik, die zur Zeit in L'Aquila versammelt sind, damit ihr Wirken der wahren Entwicklung der Völker dient. Euch allen wünsche ich einen gesegneten Aufenthalt in Rom.



Mittwoch, 5. August 2009: Hl. Jean-Marie Vianney, des Pfarrers von Ars

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Liebe Brüder und Schwestern!

In der heutigen Katechese möchte ich kurz auf das Leben des heiligen Pfarrers von Ars eingehen und dabei einige Aspekte hervorheben, die auch den Priestern unserer Zeit als Vorbild dienen können. Gewiß unterscheidet sich unsere Zeit von der, in der er lebte, aber sie ist in vielerlei Hinsicht von den gleichen grundlegenden menschlichen und geistlichen Herausforderungen geprägt. Gestern war der 150. Jahrestag seiner Geburt zum Himmel: Am 4. August 1859, um zwei Uhr morgens, ging Johannes Maria Vianney nach Beendigung seines irdischen Lebens dem himmlischen Vater entgegen, um das Reich in Besitz zu nehmen, das seit Erschaffung der Welt für jene bestimmt ist, die treu seiner Lehre folgen (vgl.
Mt 25,34). Welch großes Fest muß im Paradies gewesen sein bei der Ankunft eines so eifrigen Hirten! Welch einen Empfang muß ihm die Schar der Kinder bereitet haben, die durch seine Arbeit als Pfarrer und Beichtvater mit dem himmlischen Vater versöhnt wurden! Ich habe diesen Jahrestag zum Anlaß genommen, um das Priester-Jahr auszurufen, das bekanntlich unter dem Thema steht: »Treue Christi, Treue des Priesters«. Von der Heiligkeit hängt die Glaubwürdigkeit des Zeugnisses und letztlich auch die Wirkkraft der Sendung eines jeden Priesters ab.

Johannes Maria Vianney wurde am 8. Mai 1786 in dem kleinen Dorf Dardilly in einer Bauernfamilie geboren, die arm war an materiellen Gütern, aber reich an Menschlichkeit und Glauben. Wie es in der Zeit guter Brauch war, wurde er noch am Tag seiner Geburt getauft. Die Jahre seiner Kindheit und Jugend verbrachte er mit Feldarbeit und beim Weiden der Tiere, und so war er im Alter von 17 Jahren noch Analphabet. Er wußte jedoch die Gebete auswendig, die seine fromme Mutter ihm beigebracht hatte, und er nährte sich von der religiösen Atmosphäre, die bei ihm zu Hause herrschte. Die Biographen berichten, daß er von frühester Jugend an versuchte, auch bei der Verrichtung der bescheidensten Aufgaben den Willen Gottes zu erfüllen. Im Herzen hegte er den Wunsch, Priester zu werden, aber es fiel ihm nicht leicht, ihn zu verwirklichen. Erst nachdem er nicht wenige Widrigkeiten und viel Unverständnis überwunden hatte, gelangte er zur Priesterweihe, dank der Hilfe weiser Priester, die nicht bei der Betrachtung seiner menschlichen Grenzen stehenblieben, sondern darüber hinausblickten und intuitiv den Horizont der Heiligkeit wahrnahmen, der sich in diesem wirklich einzigartigen jungen Mann abzeichnete. So wurde er am 23. Juni 1815 zum Diakon geweiht und am 13. August desselben Jahres zum Priester. Im Alter von 29 Jahren konnte er endlich nach vielen Ungewißheiten, nicht wenigen Mißerfolgen und vielen Tränen an den Altar des Herrn treten und seinen Lebenstraum verwirklichen.

Der heilige Pfarrer von Ars bewies stets große Hochachtung vor dem Geschenk, das er erhalten hatte. Er sagte: »Wie großartig ist doch das Priestertum! Man wird es erst im Himmel wirklich verstehen … und verstünde man es auf Erden, so würde man sterben, nicht vor Angst, sondern aus Liebe!« (Abbé Monnin, Esprit du Curé d’Ars, S. 113). Als kleiner Junge hatte er sich auch der Mutter anvertraut: »Wenn ich Priester wäre, wollte ich viele Seelen gewinnen« (Abbé Monnin, Procès de l’ordinaire, S. 1064). Und so war es. Im Hirtendienst, der ebenso einfach wie außergewöhnlich fruchtbar war, konnte dieser unbekannte Pfarrer eines abgelegenen Dorfes in Südfrankreich sich so sehr mit seinem Priesteramt identifizieren, daß er - auch sichtbar und allgemein erkenntlich - zum »alter Christus« wurde, zum Bild des guten Hirten, der im Gegensatz zum bezahlten Knecht sein Leben hingibt für die Schafe (vgl. Jn 10,11). Nach dem Vorbild des guten Hirten gab er in den Jahrzehnten seines priesterlichen Dienstes sein Leben hin. Seine ganze Existenz war eine lebendige Katechese, die ganz besondere Wirkkraft bekam, wenn die Menschen sahen, wie er die Messe feierte, in Anbetung vor dem Tabernakel kniete oder viele Stunden im Beichtstuhl verbrachte.

Der Mittelpunkt seines ganzen Lebens war also die Eucharistie, die er mit frommer Hochachtung feierte und anbetete. Ein weiteres Grundmerkmal dieses außergewöhnlichen Priesters war der unermüdliche Dienst im Beichtstuhl. In der Praxis des Bußsakraments erkannte er die logische und natürliche Erfüllung des priesterlichen Apostolats, gehorsam gegenüber dem Auftrag Christi: »Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben; wem ihr die Vergebung verweigert, dem ist sie verweigert« (Jn 20,23). Der hl. Johannes Maria Vianney zeichnete sich also als hervorragender und unermüdlicher Beichtvater und geistlicher Lehrer aus. »In einer einzigen inneren Bewegung« ging er über »vom Altar zum Beichtstuhl«, wo er einen großen Teil des Tages verbrachte, und »versuchte auf alle Arten, durch Predigt und überzeugenden Ratschlag, die Mitglieder seiner Pfarrei die Bedeutung und die Schönheit der sakramentalen Buße neu entdecken zu lassen, indem er sie als eine mit der eucharistischen Gegenwart innerlich verbundene Notwendigkeit darstellte« (vgl. Schreiben zum Beginn des Priesterjahres).

Die pastoralen Methoden des hl. Johannes Maria Vianney mögen für die gegenwärtigen gesellschaftlichen und kulturellen Verhältnisse wenig geeignet erscheinen. Wie soll ein heutiger Priester ihn nachahmen, in einer Welt, die sich so sehr verändert hat? Es ist wahr, daß die Zeiten sich ändern und viele Charismen personengebunden, also unnachahmlich sind. Dennoch gibt es einen Lebensstil und eine tiefe Sehnsucht, die zu pflegen wir alle berufen sind. Genauer betrachtet war das, was den Pfarrer von Ars heiliggemacht hat, seine demütige Treue zu der Sendung, zu der Gott ihn berufen hatte, seine immerwährende vertrauensvolle Hingabe in die Hände der göttlichen Vorsehung. Nicht kraft seiner menschlichen Fähigkeiten und auch nicht ausschließlich durch den Einsatz seines Willenseifers - so lobenswert dieser auch sein mag - gelang es ihm, die Herzen der Menschen zu berühren. Er eroberte die Seelen, auch die widerspenstigsten, indem er ihnen das vermittelte, was er im Innersten lebte: seine Freundschaft mit Christus. Er war in Christus »verliebt«, und das wahre Geheimnis seines pastoralen Erfolgs war seine Liebe zum verkündigten, gefeierten und gelebten eucharistischen Geheimnis. Sie wurde zur Liebe für die Herde Christi, für die Christen und für alle Menschen, die Gott suchen. Sein Zeugnis erinnert uns daran, liebe Brüder und Schwestern, daß für jeden Getauften, und noch mehr für den Priester, die Eucharistie »nie bloß ein Geschehen zu zweien, ein Dialog zwischen Christus und mir [ist]. Die eucharistische Kommunion zielt auf eine totale Umgestaltung des eigenen Lebens ab. Sie bricht das ganze Ich des Menschen auf und schafft ein neues Wir« (Joseph Ratzinger, Weggemeinschaft des Glaubens. Kirche als Communio, S. 69).

Die Gestalt des hl. Johannes Maria Vianney darf also keinesfalls auf ein - wenn auch bewundernswertes - Beispiel für die durch Frömmigkeit geprägte Spiritualität des 19. Jahrhunderts reduziert werden. Im Gegenteil: man muß die prophetische Kraft wahrnehmen, die seine äußerst aktuelle Persönlichkeit als Mensch und Priester auszeichnet. Im nachrevolutionären Frankreich, das eine Art von »Diktatur des Rationalismus« erlebte, die darauf ausgerichtet war, die Anwesenheit der Priester und der Kirche in der Gesellschaft auszulöschen, lebte er zunächst - in seiner Jugendzeit - einen heroischen Glauben im Untergrund und ging in der Nacht kilometerweit, um an der heiligen Messe teilzunehmen. Dann - als Priester - zeichnete er sich durch eine einzigartige und fruchtbare pastorale Schaffenskraft aus, was beweist, daß der damals vorherrschende Rationalismus in Wahrheit weit davon entfernt war, die wahren Bedürfnisse des Menschen zu stillen und daß er daher letztendlich nicht lebbar war.

Liebe Brüder und Schwestern, 150 Jahre nach dem Tod des heiligen Pfarrers von Ars sind die Herausforderungen der heutigen Gesellschaft nicht weniger anspruchsvoll; vielleicht sind sie sogar komplexer geworden. Wenn es damals die »Diktatur des Rationalismus« gab, so läßt sich in der heutigen Zeit in vielen Bereichen eine Art »Diktatur des Relativismus« verzeichnen. Beide sind keine geeignete Antwort auf den berechtigten Wunsch des Menschen, seine Vernunft in vollem Maße einzusetzen als charakteristisches und formendes Element seiner eigenen Identität. Der Rationalismus war dafür ungeeignet, weil er die Grenzen des Menschen außer Acht ließ und den Anspruch erhob, nur die Vernunft zum Maß aller Dinge zu erheben, die er so zur Göttin machte; der gegenwärtige Relativismus demütigt die Vernunft, weil er soweit geht zu behaupten, daß der Mensch nichts mit Gewißheit erkennen kann, was über den empirischen wissenschaftlichen Bereich hinausgeht. Ebenso wie damals ist der Mensch, der »nach Sinn und Erfüllung fleht« auch heute ständig auf der Suche nach erschöpfenden Antworten auf die grundlegenden Fragen, die er sich unablässig stellt.

Die Väter des Zweiten Vatikanischen Ökumenischen Konzils hatten diesen »Durst nach Wahrheit«, der im Herzen eines jeden Menschen brennt, präsent, als sie sagten, daß den Priestern als »Erziehern im Glauben« die »Bildung einer echten christlichen Gemeinschaft« obliegt, die »allen Menschen den Weg zu Christus ebnet«, ihnen »eine echte Mütterlichkeit« bezeigt und denen, die nicht glauben, »den Weg zu Christus« und zu seiner Kirche »weist und bahnt« und »auch die Gläubigen anregt, stärkt und zum geistlichen Kampf rüstet« (vgl. Presbyterorum ordinis PO 6). Der heilige Pfarrer von Ars lehrt uns in diesem Zusammenhang auch weiterhin, daß der Priester an die Basis eines solchen pastoralen Einsatzes die innige persönliche Vereinigung mit Christus stellen muß, die Tag für Tag gepflegt und vertieft werden muß. Nur wenn er in Christus verliebt ist, kann der Priester allen diese Vereinigung lehren, diese enge Freundschaft mit dem göttlichen Meister, kann er die Herzen der Menschen berühren und sie öffnen für die barmherzige Liebe des Herrn. Nur so kann er folglich in den Gemeinden, die der Herr ihm anvertraut, Begeisterung und geistliche Lebenskraft erwecken. Beten wir darum, daß durch die Fürsprache des hl. Johannes Maria Vianney Gott seiner Kirche heilige Priester schenken möge und daß in den Gläubigen der Wunsch erwachsen möge, ihren Dienst durch ihre Mitarbeit zu unterstützen. Diese Bitte wollen wir Maria anvertrauen, die wir heute als »Muttergottes vom Schnee« verehren.

Ganz herzlich begrüße ich die vielen deutschsprachigen Besucher hier in Castel Gandolfo. Besonders heiße ich die Behindertengruppe aus Augsburg und die St.-Georgs-Pfadfinder willkommen. Gestern haben wir des 150. Todestags des heiligen Pfarrers von Ars gedacht. Jean-Marie Vianney hat die Liebe Christi wirklich verkörpert, die er in der Predigt verkündete und in den Sakramenten feierte. Dadurch, daß er wirklich von innen durchdrungen war, vom Licht des Herrn, konnte er viele Menschen zur Umkehr und zur Heiligkeit führen. So beten wir in diesem Jahr für alle Priester, lassen sie unsere Wertschätzung und unsere Unterstützung erfahren und beten darum, daß der Herr auch unseren Zeiten und unseren Landen wieder heilige Priester schenke. Euch allen schenke der Herr die Gnade einer innigen Freundschaft mit Christus, er segne euch und eure Familien.



Mittwoch, 12. August 2009

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Liebe Brüder und Schwestern!

Die Feier des Hochfestes der Aufnahme Mariens in den Himmel, am kommenden Samstag, steht unmittelbar bevor. Außerdem befinden wir uns im Priester-Jahr, und so möchte ich von der Beziehung zwischen der Gottesmutter und dem Priestertum sprechen. Diese Beziehung ist tief im Geheimnis der Menschwerdung verwurzelt. Als Gott den Entschluß faßte, in seinem Sohn Mensch zu werden, brauchte er das freie »Ja« eines seiner Geschöpfe. Gott handelt nicht gegen unsere Freiheit. Und es geschieht etwas wirklich Außerordentliches: Gott macht sich von der Freiheit, vom »Ja« seines Geschöpfes, abhängig; er wartet auf dieses »Ja«. Der hl. Bernhard von Clairvaux hat in einer seiner Predigten diesen entscheidenden Augenblick der Weltgeschichte, in dem der Himmel, die Erde und Gott selbst darauf warten, was dieses Geschöpf sagen wird, in dramatischer Weise dargelegt.

Das »Ja« Mariens ist also die Tür, durch die Gott in die Welt kommen und Mensch werden konnte. So ist Maria wirklich und zutiefst in das Geheimnis der Menschwerdung, in das Geheimnis unseres Heils, eingebunden. Und die Inkarnation, die Menschwerdung des Sohnes, war von Anfang an auf die Selbsthingabe ausgerichtet, auf das Sich-Hinschenken am Kreuz in großer Liebe, um zum Brot für das Leben der Welt zu werden. So gehören Opfer, Priestertum und Menschwerdung zusammen, und Maria steht im Mittelpunkt dieses Geheimnisses.

Gehen wir jetzt zum Kreuz. Bevor er stirbt, sieht Jesus unter dem Kreuz seine Mutter. Er sieht auch den geliebten Sohn, und dieser geliebte Sohn ist natürlich eine sehr wichtige Person, ein sehr wichtiges Individuum, aber er ist noch mehr: Er ist ein Vorbild, eine Vorwegnahme aller geliebten Jünger, aller Menschen, die vom Herrn berufen sind, »geliebte Jünger« zu sein und daher ganz besonders auch der Priester. Jesus sagt zu Maria: »Frau, siehe, dein Sohn« (
Jn 19,26). Es ist eine Art Testament: Er vertraut seine Mutter der Fürsorge des Sohnes, des Jüngers an. Aber er sagt auch zum Jünger: »Siehe, deine Mutter« (Jn 19,27). Das Evangelium sagt uns, daß der hl. Johannes, der geliebte Sohn, die Mutter Maria von jener Stunde an »zu sich nahm«. So heißt es in der Übersetzung; aber der griechische Text ist viel tiefer und viel reicher. Wir könnten ihn so übersetzen: Er nahm Maria auf in sein innerstes Leben, sein innerstes Sein, »eis tà ìdia«: in die Tiefe seines Seins. Maria zu sich zu nehmen bedeutet, sie hineinzunehmen in die Dynamik der gesamten eigenen Existenz - es ist keine äußerliche Angelegenheit - und in all das, was den Horizont des eigenen Apostolats ausmacht. Ich glaube, man erkennt auf dieser Weise, daß die besondere Beziehung der Mutterschaft, die zwischen Maria und den Priestern besteht, die wesentliche Quelle, das grundlegende Motiv für die Liebe darstellt, die sie einem jeden von ihnen entgegenbringt. Maria bringt ihnen nämlich aus zwei Gründen besondere Liebe entgegen: weil sie Jesus, der höchsten Liebe ihres Herzens, ähnlicher sind, und weil auch sie, wie sie selbst, in die Sendung eingebunden sind, der Welt Christus zu verkündigen, zu bezeugen und zu schenken. Durch seine Identifizierung und sakramentale Gleichgestaltung mit Jesus, dem Sohn Gottes und Sohn Marias, kann und muß jeder Priester sich wirklich als besonders geliebter Sohn dieser erhabenen und zutiefst demütigen Mutter fühlen.

Das Zweite Vatikanische Konzil lädt die Priester ein, Maria als vollkommenes Vorbild des eigenen Lebens zu betrachten und sie anzurufen als »Mutter des höchsten und ewigen Priesters, die Königin der Apostel und Schützerin ihres Dienstes«. Und die Priester - so das Konzil weiter - sollen sie daher »mit kindlicher Ergebung und Verehrung hochschätzen und lieben« (vgl. Presbyterorum ordinis PO 18). Der heilige Pfarrer von Ars, dessen wir in diesem Jahr ganz besonders gedenken, pflegte zu sagen: »Nachdem Jesus Christus uns alles gegeben hat, was er uns geben konnte, will uns noch das Kostbarste hinterlassen, was er hat: seine heilige Mutter« (B. Nodet, Jean-Marie Vianney, curé d’Ars. Sa pensée - son coeur, Le Puy 1958). Das gilt für jeden Christen, für uns alle, aber insbesondere für die Priester. Liebe Brüder und Schwestern, beten wir darum, daß Maria alle Priester, in allen Problemen der heutigen Welt, dem Bild ihres Sohnes Jesus gleichgestalten möge, als Verwalter des unermeßlichen Schatzes seiner Liebe, der Liebe des guten Hirten. Maria, Mutter der Priester, bete für uns!

Mit Freude begrüße ich die Pilger und Besucher aus den Ländern deutscher Sprache und unter ihnen besonders die vielen Jugendlichen aus dem Ferienlager in Ostia. Bei seiner Menschwerdung erwählte sich Jesus Christus eine leibliche Mutter, deren Ja zum Willen Gottes ihm überhaupt erst das Menschwerden ermöglichte, Fleisch und Blut eines Menschen gab. Vom Kreuz herab hat der Erlöser uns allen Maria als geistliche Mutter geschenkt, und ihre Fürsorge gilt insbesondere den Priestern, die durch ihre Berufung und Weihe ihrem Sohn in besonderer Weise ähnlich geworden sind und mit ihrem ganzen Leben den Menschen die Liebe Christi erfahren lassen sollen. Das Hochfest der Aufnahme Mariens in den Himmel am kommenden Samstag erinnert uns daran, daß die Gemeinschaft unter uns Christen mit dem Tod nicht endet, sondern sich intensiviert, weil die Heiligen im Himmel noch fester mit Gott verbunden und daher uns noch näher sind und für uns Fürsprache leisten. So begleite uns Maria, unsere himmlische Mutter, mit ihrem Segen. Euch allen wünsche ich erholsame Ferien.



Mittwoch, 19. August 2009

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Liebe Brüder und Schwestern!

Heute begehen wir den liturgischen Gedenktag des hl. Johannes Eudes, des unermüdlichen Apostels der Verehrung der Heiligsten Herzen Jesu und Mariä. Er lebte in Frankreich im 17. Jahrhundert, einem Jahrhundert, das von gegensätzlichen religiösen Phänomenen und auch von schweren politischen Problemen gezeichnet war. Es ist die Zeit des Dreißigjährigen Krieges, der nicht nur einen großen Teil Mitteleuropas verwüstet, sondern auch den Seelen großen Schaden zugefügt hat. Während sich die Verachtung des christlichen Glaubens von seiten einiger der damals vorherrschenden Denkströmungen ausbreitete, rief der Heilige Geist eine von Eifer erfüllte geistliche Erneuerung hervor, durch Persönlichkeiten von hoher Bedeutung wie Pierre de Bérulle, den hl. Vinzenz von Paul, den hl. Ludwig Maria Grignon de Montfort und den hl. Johannes Eudes. Zu den Früchten dieser großen »französischen Schule« der Heiligkeit gehört auch der hl. Johannes Maria Vianney. Durch einen geheimnisvollen Plan der Vorsehung hat mein verehrter Vorgänger Pius XI. am 31. Mai 1925 Johannes Eudes und den Pfarrer von Ars gemeinsam heiliggesprochen und so der Kirche und der ganzen Welt zwei außerordentliche Vorbilder priesterlicher Heiligkeit geschenkt.

Im Rahmen des Priester-Jahres möchte ich gern den apostolischen Eifer des hl. Johannes Eudes hervorheben, der besonders auf die Ausbildung des Diözesanklerus ausgerichtet war. Die Heiligen sind die wahre Auslegung der Heiligen Schrift. In ihrer Lebenserfahrung haben die Heiligen die Wahrheit des Evangeliums bestätigt; so führen sie uns dahin, das Evangelium kennenzulernen und zu verstehen. Im Jahr 1563 hatte das Konzil von Trient Normen für die Errichtung der Diözesanseminare und für die Ausbildung der Priester erlassen, weil das Konzil sehr gut wußte, daß die ganze Krise der Reformation auch durch eine unzureichende Ausbildung der Priester bedingt war, die nicht richtig - intellektuell und spirituell, im Herzen und in der Seele - auf das Priesteramt vorbereitet wurden. Das war 1563. Die Anwendung und Umsetzung der Normen verzögerte sich jedoch sowohl in Deutschland als auch in Frankreich, und so erlebte der hl. Johannes Eudes die Folgen dieses Versäumnisses. Getrieben von dem klaren Bewußtsein um die große Not an geistlichem Beistand, in der sich die Seelen aufgrund der Unzulänglichkeit eines großen Teils des Klerus befanden, gründete der Heilige, der als Pfarrer tätig war, eine Kongregation, die sich besonders der Priesterausbildung widmete. In der Universitätsstadt Caen gründete er sein erstes Seminar - eine Erfahrung, die äußerst großen Zuspruch bekam und sich schon bald auf andere Diözesen ausweitete. Der Weg der Heiligkeit, den er ging und seinen Schülern vorschlug, hatte als Grundlage ein festes Vertrauen auf die Liebe, die Gott im priesterlichen Herzen Jesu und im mütterlichen Herzen Mariä der Menschheit offenbart hat. In jener Zeit der Grausamkeit, des Verlustes der Innerlichkeit, wandte er sich an das Herz, um dem Herzen ein Psalmwort zu übermitteln, das der hl. Augustinus sehr gut ausgelegt hatte. Er wollte die Personen, die Menschen und vor allem die zukünftigen Priester an das Herz erinnern, indem er ihnen das priesterliche Herz Jesu und das mütterliche Herz Mariä zeigte. Von dieser Liebe der Herzen Christi und Mariä muß jeder Priester Zeuge und Apostel sein. Und hier kommen wir zu unserer Zeit.

Auch heute spürt man, wie notwendig es ist, daß die Priester die unendliche Barmherzigkeit Gottes bezeugen durch ein Leben, das ganz von Christus »erobert« ist, und daß sie dies von den Jahren ihrer Ausbildung im Seminar an lernen. Papst Johannes Paul II. hat nach der Synode von 1990 das Apostolische Schreiben Pastores dabo vobis veröffentlicht, in dem er die Normen des Konzils von Trient wieder aufgreift und aktualisiert und vor allem die notwendige Kontinuität zwischen der anfänglichen Ausbildung und der ständigen Weiterbildung hervorhebt. Das ist für ihn, für uns ein wahrer Ausgangspunkt für eine echte Reform des Lebens und des Apostolats der Priester, und es ist auch der entscheidende Punkt, damit die »Neuevangelisierung« nicht einfach nur ein attraktiver Slogan bleibt, sondern Wirklichkeit wird. Die Grundlagen, die in der Ausbildung im Seminar gelegt werden, sind der unersetzliche »geistliche Nährboden«, auf dem man »Christus lernt«, indem man sich ihm, dem einzigen Hohenpriester und Guten Hirten, nach und nach gleichgestalten läßt. Die Zeit im Seminar muß daher als Verwirklichung des Augenblicks betrachtet werden, in dem der Herr Jesus die Apostel - nachdem er sie eingesetzt hat und bevor er sie aussendet, damit sie predigen - bittet, bei ihm zu sein (vgl.
Mc 3,14). In seinem Bericht über die Einsetzung der zwölf Apostel sagt uns der hl. Markus, daß Jesus ein zweifaches Ziel hatte: Erstens sollten sie bei ihm sein, und zweitens sollten sie ausgesandt werden, damit sie predigen. Indem sie jedoch stets mit ihm gehen, verkündigen sie wirklich Christus und bringen der Welt die Wirklichkeit des Evangeliums.

Liebe Brüder und Schwestern, im derzeitigen Priester-Jahr lade ich euch ein, für die Priester zu beten und für alle, die sich darauf vorbereiten, das außerordentliche Geschenk des Priesteramtes zu empfangen. Zum Abschluß richte ich an alle die Worte, mit denen sich der hl. Johannes Eudes an die Priester wandte: »Schenkt euch Jesus hin, um einzugehen in die Unermeßlichkeit seines großen Herzens, das das Herz seiner heiligen Mutter und aller Heiligen enthält, und euch zu verlieren in diesem Abgrund der Liebe, der Güte, der Barmherzigkeit, der Demut, der Reinheit, der Geduld, der Fügsamkeit und der Heiligkeit« (Coeur admirable, III, 2).

In diesem Sinne singen wir jetzt gemeinsam das Vaterunser auf lateinisch.

Von Herzen heiße ich die Pilger und Besucher deutscher Sprache willkommen. Heute feiert die Kirche den Gedenktag des heiligen Johannes Eudes, einer großen Priestergestalt wie der Pfarrer von Ars, mit dem er zusammen im Jahre 1925 heiliggesprochen wurde. Johannes Eudes im 17. Jh. hatte erkannt, daß die geistliche Not der Menschen seiner Zeit zu einem guten Teil auf Unzulänglichkeiten in der Ausbildung und dann im Dienst der Priester zurückzuführen war. Sein ganzes Bemühen ging dahin, die geistliche Lebensführung der Priester zu verbessern, sie zu wahrhaft geistlichen Menschen zu machen. Der Weg der Heiligung — davon war er überzeugt — besteht in der vorbehaltlosen Antwort und Hingabe an die Liebe, die Gott der Menschheit im priesterlichen Herzen Jesu und im mütterlichen Herzen Marias offenbart. In diesem Sinn wollen wir alle Priester und uns selber dieser Herzensliebe unseres Herrn und seiner Mutter anvertrauen, damit auch durch uns Gottes Erbarmen in dieser Welt sichtbar wird. Der Heilige Geist stärke euch und begleite euch auf allen euren Wegen.




Apostolischer Palast, Castelgandolfo

Mittwoch, 26. August 2009: Eine verantwortungsvolle Herrschaft über die Schöpfung ausüben


Generalaudienzen 2005-2013 8079