Generalaudienzen 2005-2013 26089

Mittwoch, 26. August 2009: Eine verantwortungsvolle Herrschaft über die Schöpfung ausüben

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Liebe Brüder und Schwestern!

Wir nähern uns nunmehr dem Ende des Monats August, was für viele das Ende der Sommerferien bedeutet. Wie könnten wir bei der Rückkehr in den Arbeitsalltag nicht Gott danken für das kostbare Geschenk der Schöpfung, an dem wir uns erfreuen dürfen, und das nicht nur in der Ferienzeit! Die verschiedenen Umweltschäden und die Naturkatastrophen, die leider nicht selten zu verzeichnen sind, führen uns die Notwendigkeit vor Augen, die Natur gebührend zu achten und im täglichen Leben wieder eine korrekte Beziehung zur Umwelt herzustellen und geltend zu machen. Für diese Themen, die bei den zuständigen Stellen und in der Öffentlichkeit berechtigte Sorge hervorrufen, entwickelt sich derzeit eine neue Sensibilität, die immer mehr durch Begegnungen auch auf internationaler Ebene zum Ausdruck kommt.

Die Erde ist die kostbare Gabe des Schöpfers, der die ihr innewohnenden Ordnungen erdacht und uns damit Wegweisungen gegeben hat, an die wir uns als Treuhänder seiner Schöpfung halten müssen. Aus eben diesem Bewußtsein heraus stehen für die Kirche die Fragen, die mit der Umwelt und ihrem Schutz zusammenhängen, in engem Zusammenhang mit dem Thema der ganzheitlichen menschlichen Entwicklung. Auf diese Fragen bin ich mehrmals eingegangen in meiner letzten Enzyklika Caritas in veritate, wo ich die »dringende moralische Notwendigkeit einer erneuerten Solidarität« () in Erinnerung gerufen habe, in den Beziehungen nicht nur zwischen den Ländern, sondern auch zwischen den einzelnen Menschen, denn die natürliche Umwelt wurde allen von Gott geschenkt, und der Umgang mit ihr stellt für uns eine persönliche Verantwortung gegenüber der ganzen Menschheit dar, besonders gegenüber den Armen und den künftigen Generationen (vgl. ebd., ). Die Kirche ist sich der gemeinsamen Verantwortung für die Schöpfung bewußt (vgl. ebd., ) und unterstützt daher nicht nur den Schutz der Erde, des Wassers und der Luft, die der Schöpfer allen geschenkt hat, sondern sie setzt sich vor allem dafür ein, den Menschen gegen seine Selbstzerstörung zu schützen. Wenn nämlich »in der Gesellschaft die ›Humanökologie‹ respektiert wird, profitiert davon auch die Umweltökologie« (ebd.). Ist es vielleicht nicht wahr, daß die achtlose Nutzung der Schöpfung dort beginnt, wo Gott ausgegrenzt oder seine Existenz sogar geleugnet wird? Wenn die Beziehung des menschlichen Geschöpfes zum Schöpfer schwindet, dann wird die Materie zum egoistischen Besitz herabgewürdigt, wird der Mensch ihre »letzte Instanz«, und der Zweck des Lebens ist dann nur noch ein hastiges Streben nach möglichst viel Besitz.

Die Schöpfung, die von Gott geistig strukturierte Materie, ist also der Verantwortung des Menschen anvertraut, der in der Lage ist, sie zu deuten und aktiv umzugestalten, ohne sich als absoluter Herrscher über sie zu betrachten. Vielmehr ist der Mensch berufen, eine verantwortungsvolle Herrschaft über sie auszuüben, um sie zu schützen, zu nutzen und zu kultivieren und so die notwendigen Ressourcen zu finden, damit alle würdig leben können. Mit Hilfe der Natur selbst und mit dem Einsatz ihrer Arbeit und ihrer Erfindungsgabe ist die Menschheit wirklich in der Lage, der ernsten Verpflichtung nachzukommen, den neuen Generationen eine Erde zu übergeben, auf der auch sie würdig leben und die sie weiter kultivieren können (vgl. Caritas in veritate ). Damit das geschehen kann, ist es unabdinglich, »jenen Bund zwischen Mensch und Umwelt « zu entwickeln, »der ein Spiegel der Schöpferliebe Gottes sein soll« (Botschaft zur Feier des Weltfriedenstages 2008, 7), indem wir erkennen, daß wir alle in Gott unseren Ursprung haben und alle zu ihm unterwegs sind. Es ist also sehr wichtig, daß die internationale Gemeinschaft und die einzelnen Regierungen den eigenen Bürgern die richtigen Weisungen zu geben wissen, um wirksam zu verhindern, daß die Umwelt zu ihrem Schaden ausgenutzt wird! Die wirtschaftlichen und sozialen Kosten für die Benutzung der allgemeinen Umweltressourcen müssen offen dargelegt und von den Nutznießern getragen werden und nicht von anderen Völkern oder zukünftigen Generationen. Der Schutz der Umwelt, der Ressourcen und des Klimas erfordert, daß alle auf internationaler Ebene Verantwortlichen gemeinsam handeln, dem Gesetz entsprechend und in Solidarität vor allem mit den schwächsten Regionen der Erde (vgl. Caritas in veritate ). Gemeinsam können wir eine ganzheitliche menschliche Entwicklung aufbauen zum Wohl der gegenwärtigen und der zukünftigen Völker, eine Entwicklung, die an den Werten der Liebe in der Wahrheit orientiert ist. Dazu ist es unverzichtbar, im gegenwärtigen Modell der globalen Entwicklung eine Umkehr zu bewirken in Richtung auf eine größere und gemeinsame Übernahme der Verantwortung gegenüber der Schöpfung: Das ist nicht nur erforderlich aufgrund der Umweltprobleme, sondern auch aufgrund des Skandals von Hunger und Elend.

Liebe Brüder und Schwestern, danken wir dem Herrn, und machen wir uns die Worte des hl. Franziskus im Sonnengesang zu eigen: »Höchster, allmächtiger, guter Herr, dein sind der Lobpreis, die Herrlichkeit und Ehre und jeglicher Segen … Gelobt seist du, mein Herr, mit allen deinen Geschöpfen.«

So der hl. Franziskus. Auch wir wollen im Geist dieser Worte beten und leben.

Liebe Freunde!

Ich freue mich, den ganzen Innenhof mit Landsleuten aus Deutschland angefüllt zu sehen. Das ist ein besonderes Erlebnis. Vielen Dank! Seid alle herzlich willkommen. Besonders grüße ich die Ministranten, die Schülerinnen und Schüler und die Teilnehmer am Ferienlager in Ostia. Ich hoffe, ihr habt schöne Ferientage erleben können. Aber nach der Stimmung, die ich antreffe, müssen die Tage jetzt sehr schön gewesen sein und viel Freude in eurem Herzen hinterlassen haben. Und darüber freue ich mich sehr. Es sind ja Tage, in denen ihr die Schönheit der Schöpfung sehen konntet: das Meer und dann die Wälder und die Sonne und dazu hier den See mit den Bergen. Tage, in denen wir erleben, daß die Schöpfung ein Geschenk ist und daß wir dankbar für sie sein dürfen. Tage, in denen wir aber auch sehen, daß die Schöpfung bedroht ist: Der See nimmt ab, und es gibt so vielerlei Gefährdungen. Es gibt die Waldbrände: Wir haben gehört, wie in Griechenland rund um Athen die Wälder in Flammen standen.

Die vielfältigen Bedrohungen der Schöpfung lassen uns nachdenklich werden, und so möchte ich an diesem Tag gerade über unsere Verantwortung für die Schöpfung sprechen. Für die Kirche ist dies nicht eine Mode, sondern etwas, was aus ihrem Glauben selber folgt. Gleich im ersten Kapitel der Bibel, im Schöpfungsbericht, wird den Menschen die Schöpfung anvertraut, damit die Menschen sie zu einem Garten Gottes machen, sie nicht zerstören, sondern aus ihr all die Möglichkeiten herausheben, die Gott in sie hineingelegt hat. Verantwortung für die Schöpfung gehört zu den Grundlagen des christlichen Glaubens, und nur wenn wir die Dinge dieser Welt, unsere Erde als Schöpfung Gottes ansehen, können wir auch zur rechten Verantwortung kommen und finden, daß diese Gnaden des Guten uns in der Schöpfung selbst gegeben werden, und daran denken, daß auch der Mensch Geschöpf ist, daß auch der Mensch mit sich nicht beliebig umgehen kann, sondern daß er sich in der Verantwortung vor dem Schöpfer verstehen muß. Und wenn der Mensch mit sich selbst recht umgeht, geht er auch mit den anderen recht um. Und wenn er mit den anderen recht umgeht, dann steht er auch in Solidarität mit der ganzen Erde. Aber dies alles setzt voraus, daß wir den gemeinsamen Vater kennen, der uns alle geschaffen hat, der uns alle in der geschwisterlichen Solidarität will und der will, daß wir die Welt so bauen, daß sie Lobpreis Gottes wird. Darum geht es, und das ist ein Punkt, den ich auch in der Enzyklika über caritas und veritas, über Wahrheit und Liebe, angesprochen habe: daß die Entwicklung des Menschen, der Fortschritt, all dies nicht geschehen kann, wenn wir nicht immer dahinter auch die Logik Gottes selbst sehen, wenn wir nicht in der Verantwortung vor Gott miteinander stehen. Nur dann werden wir die großen Probleme der Zukunft und der Gegenwart der Menschheit lösen: das Problem des Hungers, das Problem der Korruption, das Problem der vielfältigen Armut. All dies fordert uns heraus von Grund auf, fordert unsere Vernunft und unseren guten Willen und fordert zuallererst, daß wir auf den hinschauen, der die Welt gebaut hat, der unser Richter und unser Retter ist.

So möchte ich mit euch die Freude teilen, daß wir eine schöne Erde haben, daß ihr schöne Tage erleben durftet und euch zugleich bitten und aufrufen, daß wir immer mehr den Schöpfer im Auge haben, von da aus uns selbst verstehen lernen, von da aus den anderen annehmen lernen und so in Verantwortung für die Zukunft handeln, daß die Zukunft eine menschliche Zukunft sei. Und wahrhaft menschlich ist sie nur dann, wenn sie göttlich ist, wenn wir im Menschen das Bild Gottes sehen und in der Schöpfung den Abglanz seiner Güte.

Bitten wir den Herrn darum, daß er unsere Augen und unsere Herzen öffnet, und auch die der anderen, und daß es so zu wirklichem Fortschritt, zu wirklicher Solidarität in der Welt und unter uns allen kommt. Beten wir zum Abschluß das Vaterunser, und weil singen dreimal beten ist, wie die Väter sagen, singen wir es in Latein, in der gemeinsamen Sprache der weltweiten Kirche.



Mittwoch, 2. September 2009: Der hl. Odo von Cluny

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Liebe Brüder und Schwestern!

Nach einer langen Pause möchte ich die Vorstellung der großen mittelalterlichen Kirchenschriftsteller des Ostens und des Westens wieder aufnehmen, denn in ihrem Leben und in ihren Schriften sehen wir wie in einem Spiegel, was es heißt, Christen zu sein. Heute stelle ich euch die leuchtende Gestalt des hl. Odo, Abt von Cluny, vor Augen: Sie hat ihren Platz in jenem monastischen Mittelalter, in dem das Leben und die Spiritualität, die von der Regel des hl. Benedikt inspiriert sind, eine außerordentliche Verbreitung erfuhren. In jenen Jahrhunderten entstand eine erstaunliche Anzahl von Klöstern, die sich auf dem ganzen Kontinent immer mehr verbreiteten und hier ihren Geist und die christliche Sensibilität ausstrahlten. Der hl. Odo führt uns besonders zu einem Kloster, nach Cluny, das im Mittelalter zu denen gehörte, die am meisten Ansehen und Ruhm besaßen. Noch heute legen seine mächtigen Ruinen Zeugnis ab von einer glorreichen Vergangenheit voll tiefer Hingabe an die Askese, an das Studium und ganz besonders an die Liturgie, die von Würde und Schönheit geprägt war.

Odo war der zweite Abt von Cluny. Er wurde um 880 geboren, im Grenzgebiet zwischen Maine und Touraine, in Frankreich. Sein Vater weihte ihn dem heiligen Bischof Martin von Tours, unter dessen wohlwollendem Schutz und in dessen Gedenken Odo dann das ganze Leben verbrachte, das er schließlich in der Nähe seines Grabes beendete. Vor seiner Entscheidung für die Ordensweihe erfuhr er einen besonderen Augenblick der Gnade, von dem er selbst einem anderen Mönch - seinem späteren Biographen Johannes von Salerno - berichtete. Noch als Jugendlichem, mit etwa 16 Jahren, kam Odo während einer Weihnachtsvigil plötzlich dieses Gebet an die Jungfrau Maria auf die Lippen: »Meine Herrin, Mutter der Barmherzigkeit, die du in dieser Nacht den Retter zur Welt gebracht hast, bete für mich. Deine herrliche und wunderbare Geburt, o gütigste Jungfrau Maria, möge meine Zuflucht sein« (Vita sancti Odonis, I,9: PL 133,747). Mit dem Titel »Mutter der Barmherzigkeit «, mit dem der junge Odo damals die allerseligste Jungfrau anrief, wird er sich auch später immer wieder an Maria wenden, und er nennt sie auch »einzige Hoffnung der Welt, … durch die uns das Tor zum Paradies geöffnet wurde« (In veneratione S. Mariae Magdalenae: PL 133,721). In jener Zeit stieß er auf die Regel des hl. Benedikt und begann, einiges davon zu befolgen. So trug er »schon bevor er Mönch wurde, das Joch der Mönche, das nicht drückt« (ebd., I,14: PL 133,50). In einer seiner Predigten rühmt Odo später den hl. Benedikt als »Licht, das in der Dunkelheit dieses Lebens leuchtet« (De sancto Benedicto abbate: PL 133,725) und bezeichnet ihn als »Meister geistlicher Unterweisung« (ebd.: PL 133,727). Voll Zuneigung hebt er hervor, daß die christliche Frömmigkeit seiner »mit aufrichtiger Liebe gedenkt«, im Bewußtsein, daß Gott ihn »unter die großen und auserwählten Väter der heiligen Kirche« erhoben hat (ebd.: PL 133,722).

Vom benediktinischen Ideal angezogen verließ Odo Tours und trat als Mönch in die Benediktinerabtei von Baume ein, um dann in die Abtei von Cluny überzuwechseln, deren Abt er im Jahre 927 wurde. Von diesem Zentrum des geistlichen Lebens aus konnte er großen Einfluß auf die Klöster des Kontinents ausüben. Seine Leitung und seine Reform kamen auch in Italien verschiedenen Klöstern zugute, unter anderem dem von Sankt Paul vor den Mauern. Odo besuchte Rom mehr als einmal und kam auch nach Subiaco, Montecassino und Salerno. In Rom erkrankte er im Sommer des Jahres 942. Da er das Ende herannahen fühlte, wollte er mit aller Kraft zu seinem hl. Martin nach Tours zurückkehren, wo er am Oktavtag des Heiligen, am 18. November 942, starb. Der Biograph, der Odos »Tugend der Geduld« hervorhebt, listet gleichzeitig viele andere seiner Tugenden auf, wie die Abkehr von der Welt, den Seeleneifer, den Einsatz für den Frieden der Kirchen. Große Bestrebungen Abt Odos waren die Eintracht unter den Königen und Fürsten, die Beachtung der Gebote, die Fürsorge für die Armen, die Erziehung der Jugend und die Achtung der alten Menschen (vgl. Vita sancti Odonis, I,17: PL 133,49). Er liebte die kleine Zelle, in der er sich aufhielt, »aller Augen entzogen, eifrig bemüht, nur Gott allein zu gefallen« (ebd., I,14: PL 133,49). Er versäumte jedoch nicht, auch den Dienst des Wortes und des Vorbilds wahrzunehmen, als »überfließende Quelle«, wobei er »diese Welt als unendlich elend beklagte« (ebd., I,17: PL 133,51). In einem einzigen Mönch, so sein Biograph, kamen die verschiedenen Tugenden zusammen, die in den anderen Klöstern nur vereinzelt vorhanden waren: »In seiner Güte schöpfte Jesus aus den verschiedenen Gärten der Mönche und schuf an einem kleinen Ort ein Paradies, um aus seiner Quelle die Herzen der Gläubigen zu tränken« (ebd., I,14: PL 133,49).

In einer Predigt zu Ehren von Maria von Magdala offenbart uns der Abt von Cluny, wie er das monastische Leben verstand: »Maria, die zu Füßen des Herrn saß und aufmerksam sein Wort hörte, ist das Symbol für den süßen Wohlgeschmack des kontemplativen Lebens - je mehr man davon kostet, desto mehr führte er die Seele dazu, sich von den sichtbaren Dingen und von der Unruhe weltlicher Sorgen zu lösen« (In ven. S. Mariae Magd.: PL 133,717). Diese Auffassung bestätigt und entfaltet Odo in seinen anderen Schriften, in denen die Liebe zur Innerlichkeit durchscheint sowie eine Auffassung von der Welt als schwache und vergängliche Wirklichkeit, von der man sich entfernen muß; eine stets vorhandene Neigung, sich von den Dingen zu lösen, die als Quellen der Unruhe wahrgenommen werden; eine scharfes Bewußtsein für die Gegenwart des Bösen bei den verschiedenen Menschen und eine tiefe eschatologische Sehnsucht. Diese Weltanschauung mag der unseren zwar ziemlich fernstehen, aber Odos Auffassung, die die Vergänglichkeit der Welt sieht, hebt den Wert der Innerlichkeit hervor, die für den anderen, für die Nächstenliebe offen ist. Gerade so verwandelt sie das Leben und öffnet die Welt für Gottes Licht.

Besondere Erwähnung verdient die »Verehrung « des Leibes und des Blutes Christi, die Odo angesichts einer weitverbreiteten Nachlässigkeit, die er aufrichtig bedauerte, stets mit Überzeugung förderte. Er war nämlich fest überzeugt von der wirklichen Gegenwart von Leib und Blut des Herrn in den eucharistischen Gestalten, kraft der Wesensverwandlung von Brot und Wein. Er schrieb: »Gott, der Schöpfer aller Dinge, nahm das Brot und sagte, daß es sein Leib ist, den er für die Welt hingibt, und er teilte den Wein aus und nannte ihn sein Blut«; nun »ist es Naturgesetz, daß auf Befehl des Schöpfers die Verwandlung geschieht«, und daher »verwandelt die Natur sofort ihre gewöhnliche Beschaffenheit: Das Brot wird unverzüglich zu Fleisch und der Wein zu Blut«; auf Befehl des Herrn »verwandelt sich das Wesen« (Odonis Abb. Cluniac. Occupatio, Hrg. A. Swoboda, Leipzig 1900, S. 121). Leider, so schreibt unser Abt, wird dieses »hochheilige Geheimnis des Leibes des Herrn, in dem das ganze Heil der Welt besteht« (Collationes, XXVIII: PL 133,572), nachlässig gefeiert. »Die Priester«, so mahnt er, »die unwürdig an den Altar treten, beflecken das Brot, also den Leib Christi« (ebd., PL 133,572-573). Nur wer geistlich mit Christus vereint ist, kann würdig an seinem eucharistischen Leib teilhaben: Im gegenteiligen Fall gereicht das Essen seines Leibes und das Trinken seines Blutes nicht zum Nutzen, sondern zum Gericht (vgl. ebd., XXX, PL 133,575). All das lädt uns ein, mit neuer Kraft und Tiefe an die Wahrheit der Gegenwart des Herrn zu glauben. Die Gegenwart des Schöpfers unter uns, der sich unseren Händen übergibt und uns verwandelt wie er Brot und Wein verwandelt, verwandelt so die Welt.

Der hl. Odo war sowohl für die Mönche als auch für die Gläubigen seiner Zeit ein wahrer geistlicher Führer. Als Abhilfe gegen die »weit verbreitete Lasterhaftigkeit« in der Gesellschaft schlug er mit Nachdruck eine radikale Änderung des Lebens vor, auf der Grundlage der Demut, der Strenge, der Loslösung von den vergänglichen Dingen und des Strebens nach den ewigen (vgl. Collationes, XXX, PL 133,613). Obwohl er die Situation seiner Zeit realistisch beurteilt, gibt Odo nicht dem Pessimismus nach, sondern erklärt: »Wir sagen dies nicht, um jene, die sich bekehren wollen, in Verzweiflung zu stürzen. Die göttliche Barmherzigkeit ist stets bereit; sie wartet auf die Stunde unserer Bekehrung« (ebd.: PL 133,563). Und er ruft aus: »O unergründliche Tiefe der göttlichen Barmherzigkeit! Gott verfolgt die Schuld und schützt dennoch die Sünder« (ebd.: PL 133,592). Von dieser Überzeugung getragen verweilte der Abt von Cluny gern bei der Betrachtung der Barmherzigkeit Christi, des Retters, den er sehr eindrücklich als den »die Menschen Liebenden « bezeichnete: »amator hominum Christus« (ebd., LIII: PL 133,637). Er sagt, daß Jesus die Geißelung, die uns zugestanden hätte, auf sich genommen hat, um so das Geschöpf zu retten, das sein Werk ist und das er liebt (vgl. ebd.: PL 133,638).

Hier erscheint ein Charakterzug des heiligen Abtes, der auf den ersten Blick fast unter seinem strengen Reformgeist verborgen bleibt: die tiefe Güte seines Herzens. Er war zwar streng, vor allem aber war er gut, ein Mann von großer Güte, einer Güte, die aus der Berührung mit der göttlichen Güte kommt. Odo, so sagen seine Zeitgenossen, strahlte um sich herum die Freude aus, die ihn erfüllte. Sein Biograph bezeugt, niemals aus dem Mund eines Menschen »so sanftmütige Worte« vernommen zu haben (ebd., I,17: PL 133,31). Er pflegte - so der Biograph - die Kinder, denen er auf der Straße begegnete, zum Singen aufzufordern, um ihnen dann ein kleines Geschenk zu machen. Und er fügt hinzu: »Seine Worte waren voller Jubel…, seine Heiterkeit brachte tiefe Freude in unser Herz« (ebd., II,5: PL 133,63). Auf diese Weise nährte der energische und gleichzeitig liebenswerte mittelalterliche Abt, dem die Reform am Herzen lag, durch einprägsames Handeln sowohl bei den Mönchen als auch bei den gläubigen Laien seiner Zeit den Vorsatz, eifrig auf dem Weg der christlichen Vollkommenheit voranzuschreiten.

Wir wollen hoffen, daß seine Güte, die Freude, die aus dem Glauben kommt, vereint mit der Strenge und dem Widerstand gegen die Lasterhaftigkeit der Welt, auch unser Herz berühren, damit auch wir die Quelle der Freude finden können, die aus Gottes Güte entspringt.

Der heilige Abt Odo von Cluny, über den ich heute sprechen möchte, zählt zu den großen Mönchsgestalten des Mittelalters. Um 880 geboren, verbrachte der junge Odo einige Jahre in Tours am Grab des heiligen Martin, unter dessen Schutz ihn sein Vater gestellt hatte. Angezogen vom benediktinischen Mönchsideal, trat Odo als Dreißigjähriger in die Abtei Baume ein. Im Jahre 927 wurde er der zweite Abt der Gründung in Cluny, die zu einem Zentrum des geistlichen Lebens werden sollte. Als dessen Leiter übte Odo großen Einfluß auf viele Benediktinerklöster in Europa aus, die sich seiner Reform anschlossen. Mehrere Male besuchte Odo Rom und die umliegenden Klöster. Hier erkrankte er auch und starb schließlich am 18. November 942 in Tours, der Stadt seines Schutzheiligen Martin. Odo war eine geistliche Führungsgestalt nicht nur für die Mönche, sondern auch für die Gläubigen seiner Zeit. Ein Anliegen war ihm unter anderem die würdige Feier der Eucharistie, in der das Heil der Welt geschenkt wird und Christus wirklich mit Leib und Blut gegenwärtig ist. Odo rief die Menschen zu einem Leben in Demut, in der Freiheit von den weltlichen Dingen und in der Liebe zu den ewigen Gütern auf. Dabei vertraute er auf die göttliche Barmherzigkeit, die auf unsere Umkehr wartet. So bezeichnete er Christus als „amator hominum“, der die Menschen liebt und für sie ihre Lasten trägt, und nannte Maria vertrauensvoll „mater misericordiae“, Mutter der Barmherzigkeit.
* * *


Gerne grüße ich die Pilger und Besucher aus Deutschland, Österreich und Luxemburg. Einen besonderen Gruß richte ich an die Teilnehmer am Fackellauf der Schönstatt-Mannes-Jugend. Das Beispiel des heiligen Abtes und Reformers Odo sporne uns an, uns ganz auf Gott auszurichten und auf dem Weg des christlichen Lebens freudig voranzuschreiten. Der Herr behüte euch alle.



Mittwoch, 9. September 2009: Hl. Petrus Damiani

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Liebe Brüder und Schwestern!

In den Katechesen der Mittwochsaudienzen behandle ich zur Zeit einige große Gestalten aus dem Leben der Kirche seit ihren Anfängen. Heute möchte ich bei einer der bedeutendsten Persönlichkeiten des 11. Jahrhunderts verweilen, dem hl. Petrus Damiani, einem Mönch, der die Einsamkeit liebte und zugleich ein unerschrockener Kirchenmann war, der sich persönlich für das von den Päpsten seiner Zeit eingeleitete Reformwerk einsetzte. Er wurde 1007 in Ravenna in einer adeligen, aber verarmten Familie geboren. Nachdem er Vollwaise geworden war, durchlebte er eine Kindheit, die nicht ohne Entbehrungen und Leiden war, auch wenn sich seine Schwester Rosalinde bemühte, ihm die Mutter zu ersetzen, und sein älterer Bruder Damianus ihn als Sohn adoptierte. Deshalb wird er später Petrus Damiani genannt werden. Seine Ausbildung erhält er zunächst in Faenza und dann in Parma, wo wir ihn bereits im Alter von 25 Jahren als Lehrer verpflichtet sehen. Neben einer guten Fachkenntnis im Bereich des Rechts erwarb er sich eine besondere Fertigkeit in der Kunst des Schreibens - der »ars scribendi« - und wurde dank seiner Kenntnis der großen lateinischen Klassiker »einer der besten Latinisten seiner Zeit, einer der größten Schriftsteller des lateinischen Mittelalters « (J. Leclercq, Pierre Damien, ermite et homme d’Église , Rom
Rm 1960, S. 172).

Er trat in den verschiedensten literarischen Gattungen hervor: von den Briefen bis zu den Predigten, von den Hagiographien bis zu den Gebeten, von den Gedichten bis zu den Epigrammen. Seine Empfänglichkeit für die Schönheit führte ihn zur poetischen Betrachtung der Welt. Petrus Damiani faßte das Weltall als eine unerschöpfliche »Parabel« und einen weiten Raum von Symbolen auf, von denen auszugehen ist, um das innere Leben und die göttliche und übernatürliche Wirklichkeit zu interpretieren. In dieser Perspektive brachte ihn um das Jahr 1034 die kontemplative Betrachtung des absoluten Gottes dazu, sich fortschreitend von der Welt und ihren kurzlebigen Wirklichkeiten zu trennen, um sich in das Kloster von Fonte Avellana zurückzuziehen, das erst wenige Jahrzehnte zuvor gegründet worden, aber bereits für seine Strenge berühmt war. Zur Erbauung der Mönche schrieb er die »Vita« des Gründers, des hl. Romuald von Ravenna, und setzte sich gleichzeitig für die Vertiefung von dessen Spiritualität ein, indem er sein Ideal des Einsiedlermönchtums darlegte.

Eine Besonderheit muß gleich hervorgehoben werden: Die Einsiedelei von Fonte Avellana war dem Heiligen Kreuz geweiht, und das Kreuz wird das christliche Geheimnis sein, das Petrus Damiani mehr als alle anderen faszinieren wird. »Wer das Kreuz Christi nicht liebt, liebt Christus nicht«, sagt er (Sermo XVIII, 11, S. 117) und bezeichnet sich als »Petrus crucis Christi servorum famulus - Petrus, Diener der Diener des Kreuzes Christi« (Ep 9,1). An das Kreuz richtet Petrus Damiani wunderschöne Gebete, in denen er eine Sicht dieses Geheimnisses enthüllt, das kosmische Dimensionen besitzt, da es die gesamte Heilsgeschichte umfaßt: »O seliges Kreuz«, ruft er aus, »dich verehren, dich verkünden und dich ehren der Glaube der Patriarchen, die Voraussagen der Propheten, der richtende Senat der Apostel, das siegreiche Heer der Märtyrer und die Scharen aller Heiligen« (Sermo XLVIII, 14, S. 304). Liebe Brüder und Schwestern, möge das Beispiel des hl. Petrus Damiani auch uns dazu drängen, immer auf das Kreuz als den höchsten Akt der Liebe Gottes gegenüber dem Menschen zu blicken, das uns das Heil geschenkt hat.

Für den Ablauf des Eremitenlebens verfaßt dieser große Mönch eine Regel, in der er die »Strenge der Einsiedelei« nachdrücklich hervorhebt: In der Stille des Klosters ist der Mönch dazu berufen, bei Tag und bei Nacht ein Leben des Gebets, verbunden mit langen und strengen Fastenzeiten, zu führen; er muß sich in einer großherzigen brüderlichen Nächstenliebe und in einem stets bereiten und verfügbaren Gehorsam gegenüber dem Prior üben. Im Studium und in der täglichen Betrachtung der Heiligen Schrift entdeckt Petrus Damiani die mystischen Bedeutungen des Wortes Gottes und findet in ihm Nahrung für sein geistliches Leben. In diesem Sinne bezeichnet er die Zelle des Einsiedlers als »Gesprächszimmer, wo sich Gott mit den Menschen unterhält«. Das Einsiedlerleben ist für ihn der Gipfel des christlichen Lebens, es steht »am Höhepunkt der Lebensstände«, weil der Mönch, nunmehr frei von den Bindungen an die Welt und an das eigene Ich, »das Unterpfand des Heiligen Geistes empfängt und seine Seele sich glücklich mit dem himmlischen Bräutigam vereint« (Ep 18,17 vgl. Ep Ep 288 Ep Ep 43). Das erweist sich auch für uns heute als wichtig, auch wenn wir keine Mönche sind: zu lernen, still zu werden, um die Stimme Gottes zu hören, sozusagen ein »Gesprächszimmer« zu suchen, wo Gott mit uns spricht: Das Wort Gottes im Gebet und in der Betrachtung zu lernen ist der Weg des Lebens.

Der hl. Petrus Damiani, der im wesentlichen ein Mann des Gebets, der Betrachtung, der Kontemplation war, war auch ein feinsinniger Theologe: Sein Nachdenken über die verschiedenen Lehrthemen führt ihn zu Schlußfolgerungen, die für das Leben wichtig sind. So legt er zum Beispiel klar und anschaulich die Lehre von der Dreifaltigkeit dar, wobei er anhand der biblischen und patristischen Texte bereits die drei grundlegenden Begriffe verwendete, die dann auch für die abendländische Philosophie bestimmend geworden sind: »processio«, »relatio« und »persona« (vgl. Opusc. XXXVIII: PL CXLV, 633-642; und Opusc. II und III: ebd., 41ff. und 58ff.). Da ihn jedoch die theologische Analyse des Geheimnisses dazu führt, das innerste Leben Gottes und den Dialog der unaussprechlichen Liebe zwischen den drei göttlichen Personen zu betrachten, zieht er daraus asketische Schlußfolgerungen für das Leben in Gemeinschaft und für die Beziehungen zwischen lateinischen und griechischen Christen, die im Hinblick auf dieses Thema gespalten waren. Auch die Betrachtung über die Gestalt Christi löst bedeutsame praktische Überlegungen aus, da ja die ganze Schrift auf ihn konzentriert ist. Selbst »das Volk der Juden« - bemerkt der hl. Petrus Damiani - »hat Christus gleichsam auf den Schultern durch die Seiten der Heiligen Schrift getragen « (Sermo XLVI, 15). Christus muß daher, so fügt er hinzu, im Mittelpunkt des Lebens des Mönchs stehen: »Christus soll in unserer Sprache gehört werden, Christus soll in unserem Leben gesehen, in unserem Herzen wahrgenommen werden« (Sermo VIII, 5). Die innige Einheit mit Christus ist nicht nur Verpflichtung der Mönche, sondern aller Getauften. Wir finden hier eine starke Mahnung auch an uns, uns nicht völlig von den Aktivitäten, Problemen und Sorgen des Alltags vereinnahmen zu lassen und dabei zu vergessen, daß Jesus wirklich im Mittelpunkt unseres Lebens stehen muß.

Die Gemeinschaft mit Christus schafft unter den Christen Einheit in der Liebe. Im Brief 28, der eine geniale Abhandlung über die Ekklesiologie bietet, entfaltet Petrus Damiani eine tiefe Theologie der Kirche als Gemeinschaft. »Die Kirche Christi«, so schreibt er, »ist durch das Band der Liebe bis zu dem Punkt geeint, daß sie so, wie sie eins in mehreren Gliedern ist, mystisch ganz in jedem einzelnen Glied vorhanden ist; auf diese Weise nennt man die ganze universale Kirche einzige Braut Christi im Singular, und jede erwählte Seele wird durch das sakramentale Geheimnis im Vollsinn als Kirche angesehen«. Das ist wichtig: Nicht nur die ganze universale Kirche soll eins sein, sondern in jedem von uns sollte die Kirche in ihrer Ganzheit gegenwärtig sein. So wird der Dienst des einzelnen »Ausdruck der Universalität« (Ep. 28,9-23). Das Idealbild der vom hl. Petrus Damiani veranschaulichten »heiligen Kirche« entspricht jedoch - wie er sehr wohl wußte - nicht der Wirklichkeit seiner Zeit. Deshalb scheut er sich nicht, den Zustand der in den Klöstern und unter dem Klerus bestehenden Korruption anzuprangern, vor allem aufgrund der Praxis, daß die Besetzung der kirchlichen Ämter durch die weltlichen Autoritäten erfolgte: Verschiedene Bischöfe und Äbte verhielten sich mehr wie Regierende der eigenen Untertanen denn als Seelenhirten. Nicht selten ließ ihr moralischer Lebenswandel viel zu wünschen übrig. Deshalb verläßt Petrus Damiani 1057 mit großem Schmerz und Traurigkeit das Kloster und nimmt, wenngleich unter Schwierigkeiten, die Ernennung zum Kardinalbischof von Ostia an, womit er voll in die Zusammenarbeit mit den Päpsten bei dem nicht leichten Unterfangen der Reform der Kirche eintritt. Er hatte gesehen, daß kontemplatives Betrachten nicht ausreichend war, und mußte auf die Schönheit der Kontemplation verzichten, um beim Werk der Erneuerung der Kirche seine Hilfe zu leisten. Er hat so auf die Schönheit der Einsiedelei verzichtet und voller Mut zahlreiche Reisen und Missionen unternommen.

Wegen seiner Liebe zum monastischen Leben erhält er zehn Jahre später, im Jahr 1067, die Erlaubnis, nach Fonte Avellana zurückzukehren, indem er auf die Diözese Ostia verzichtete. Die ersehnte Ruhe ist jedoch nur von kurzer Dauer: Bereits zwei Jahre später wird er nach Frankfurt entsandt. Er sollte versuchen, die Scheidung Heinrichs IV. von seiner Frau Berta zu verhindern. Und wieder zwei Jahre später, 1071, begibt er sich nach Montecassino zur Weihe der Abteikirche und zu Beginn des Jahres 1072 nach Ravenna, um den Frieden mit dem dortigen Erzbischof wiederherzustellen, der den Gegenpapst unterstützt und damit das Interdikt über die Stadt provoziert hatte. Während der Rückreise zu seiner Einsiedelei zwingt ihn eine plötzliche Erkrankung dazu, in Faenza im Benediktinerkloster »Santa Maria Vecchia fuori porta« haltzumachen; dort stirbt er in der Nacht vom 22. auf den 23. Februar 1072.

Liebe Brüder und Schwestern, es ist eine große Gnade, daß der Herr im Leben der Kirche eine so temperamentvolle, reiche und vielschichtige Persönlichkeit hervorgebracht hat, wie es der hl. Petrus Damiani war, und es ist nicht alltäglich, derartig scharfsinnige und lebendige Werke der Theologie und Spiritualität zu finden wie jene des Einsiedlers von Fonte Avellana. Er war Mönch bis zum Äußersten, mit Formen von Strenge, die uns heute sogar übermäßig vorkommen könnten. Auf diese Weise hat er jedoch aus dem monastischen Leben ein beredtes Zeugnis für den Primat Gottes und einen Aufruf an alle gemacht, frei von jedem Kompromiß mit dem Bösen zur Heiligkeit voranzuschreiten. Er verzehrte sich mit klarer Konsequenz und großer Strenge für die Reform der Kirche seiner Zeit. Er schenkte alle seine geistigen und körperlichen Kräfte Christus und der Kirche, blieb aber immer, wie er sich selbst gern bezeichnete, Petrus ultimos monachorum servus, Petrus, der letzte Diener der Mönche.

In der heutigen Katechese möchte ich über den heiligen Petrus Damiani sprechen, einen Mönch und Bischof des 11. Jahrhunderts. Er wurde 1007 in Ravenna geboren, verlor früh, ganz früh beide Eltern und wurde von seinen älteren Geschwistern - einer Schwester und einem Bruder - erzogen, die ihn nach Faenza und Parma schickten, wo er eine gediegene Ausbildung erhielt. Er wurde zu einem Meister der lateinischen Sprache, hatte ausgezeichnete Kenntnisse der Bibel und der Kirchenväter und war auch mit der antiken Literatur und dem Römischen Recht vertraut. Aber wichtiger noch als das Studium war ihm die Erkenntnis Gottes selbst und das rechte Leben von dieser Erkenntnis her. So hat er sich nach einiger Zeit dem neugegründeten Orden der Kamaldulenser angeschlossen, einer strengen benediktinischen Mönchsgemeinschaft, deren Mitglieder teilweise als Eremiten lebten. Hier setzte er seine Tätigkeit als geistlicher Schriftsteller fort. Er hat das Geheimnis Christi und des dreifaltigen Gottes durchleuchtet und auf unser Leben bezogen, vor allen Dingen auch das Geheimnis der Kirche, die uns mit allen verbindet und die zugleich in jedem einzelnen ganz gegenwärtig sein sollte. Und er hat das ganze Weltall gleichsam als Parabel, als Symbol der göttlichen Wirklichkeit angesehen: Er hat versucht zu lernen und zu lehren, wie durch die Welt hindurch, durch die Schöpfung hindurch der lebendige Gott uns anredet, uns nahe ist und der ganze Kosmos des Glaubens im Kosmos der Schöpfung sich uns darstellt. So sehr er ein wunderbares Bild von der Kirche als dem geheimnisvollen Leib Christi hatte, so realistisch war er. Er hat gesehen, wie viele Mißstände es in der Kirche gab: Obere, die nicht dienen wollten, sondern sich als Herrscher gebärdeten, und dazu die Simonie, das heißt den Handel mit kirchlichen Ämtern. So mußte er auf seine Stille und das Leben der Beschauung, in dem er gleichsam ganz hineinschaute in das Geheimnis Gottes, verzichten, um der Realität der Kirche in dieser seiner Zeit zu dienen. Der Papst hat ihn zum Kardinalbischof von Ostia ernannt. Petrus Damiani hat es widerstrebend angenommen, aber zugleich gesehen, daß er eben auch als geistlicher Mensch nicht für sich allein leben durfte, sondern da sein mußte, um zu dienen und an der Kirche seiner Zeit zu wirken mit aller Mühe und mit aller Hingebung. Zehn Jahre danach durfte er dann wieder in sein Kloster zurückkehren, aber immer wieder wurde er mit Missionen beauftragt, um in der lebendigen Kirche zu wirken und das in sie hineinzutragen, in ihr zu verwirklichen, was ihm im Herzen aufgegangen war. 1072 war die Stunde für ihn gekommen: Von einer Sendung zurückkehrend, ist er erkrankt und gestorben. Petrus Damiani war ein Mensch, der sich für die Erneuerung der Kirche verzehrte, der seine ganze Liebe galt und der er alle seine Kräfte zur Verfügung stellte; ein Mensch, der auch uns dazu ruft, über das Eigene, das Augenblickliche hinauszuschauen und das eigentlich Wesentliche - die Gemeinschaft mit dem lebendigen Gott - zu suchen, die uns auch zueinander bringt.
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Einen herzlichen Gruß richte ich an alle Pilger und Besucher deutscher Sprache, unter ihnen heute besonders die Ehemaligen des Anima-Kollegs. Ich bin ja selbst ein halber Ehemaliger, denn während des Konzils durfte ich drei Jahre dort wohnen und fühle mich so diesem Kolleg von Herzen verbunden. Für jeden Christen ist es wichtig, so sagt uns Petrus Damiani, zu lernen, still zu werden, um der Stimme Gottes gewahr zu werden, der im Gebet, in der Heiligen Schrift, in den Sakramenten und in der Schöpfung zu uns spricht. Euch allen erbitte ich Gottes Schutz und Segen.




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