Generalaudienzen 2005-2013 23018

Mittwoch, 23. Januar 2008: Gebetswoche für die Einheit der Christen

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Liebe Brüder und Schwestern!

Wir begehen die Gebetswoche für die Einheit der Christen, die am nächsten Freitag, 25. Januar, dem Fest der Bekehrung des Apostels Paulus, zu Ende geht. Die Christen der verschiedenen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften vereinen sich in diesen Tagen in einem einstimmigen Gebet, um Jesus, den Herrn, um die Wiederherstellung der vollen Einheit unter allen seinen Jüngern zu bitten. Es ist eine einmütige flehentliche Bitte, die mit einer Seele und einem Herzen erhoben wird und auf den Wunsch des Erlösers selbst antwortet, der sich beim Letzten Abendmahl mit diesen Worten an den Vater wandte: »Aber ich bitte nicht nur für diese hier, sondern auch für alle, die durch ihr Wort an mich glauben. Alle sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, daß du mich gesandt hast« (
Jn 17,20-21). Wenn die Christen um die Gnade der Einheit bitten, schließen sie sich dem Gebet Christi selbst an und verpflichten sich, sich aktiv dafür einzusetzen, daß die ganze Menschheit ihn aufnehme und ihn als alleinigen Hirten und einzigen Herrn anerkenne und so die Freude seiner Liebe erfahren kann.

Dieses Jahr kommt der Gebetswoche für die Einheit der Christen ein besonderer Wert und eine besondere Bedeutung zu, weil ihrer Anfänge vor hundert Jahren gedacht wird. Als sie eingeführt wurde, handelte es sich in der Tat um eine wirklich fruchtbare Eingebung. Es war im Jahr 1908: Ein amerikanischer Anglikaner, der dann der Gemeinschaft der katholischen Kirche beitrat, Gründer der »Society of the Atonement« [Gemeinschaft der Brüder und Schwestern des Atonement], Pater Paul Wattson, hatte zusammen mit einem anderen Angehörigen der Episkopalkirche, Pater Spencer Jones, die prophetische Idee einer Gebetsoktav für die Einheit der Christen. Die Idee wurde vom Erzbischof von New York und vom Apostolischen Nuntius wohlwollend aufgenommen. Der Aufruf, für die Einheit zu beten, wurde dann im Jahr 1916 dank des Beitrags meines verehrten Vorgängers Papst Benedikts XV. mit dem Breve Ad perpetuam rei memoriam auf die ganze katholische Kirche ausgeweitet. Die Initiative, die inzwischen nicht wenig Interesse geweckt hatte, faßte allmählich überall Fuß und stellte mit der Zeit immer klarer ihre Struktur heraus, indem sie sich in ihrem Ablauf auch dank des Beitrags von Abbé Couturier (1936) entwickelte. Als dann der prophetische Wind des II. Vatikanischen Konzils wehte, spürte man noch mehr die Dringlichkeit der Einheit. Nach dem Konzil setzte sich der geduldige Weg der Suche nach der vollen Gemeinschaft unter allen Christen fort, ein ökumenischer Weg, der Jahr für Jahr gerade in der Gebetswoche für die Einheit der Christen einen der bezeichnendsten und ergiebigsten Momente gefunden hat. Hundert Jahre nach dem ersten Aufruf, gemeinsam für die Einheit zu beten, ist diese Gebetswoche nunmehr zur festen Tradition geworden, während sie den Geist und die am Anfang von Pater Wattson gewählten Termine bewahrt. Er hatte diese nämlich wegen ihres symbolischen Charakters gewählt. Der damalige Kalender sah für den 18. Januar das Fest der Kathedra Petri (Petri Stuhlfeier) vor, die feste Grundlage und sichere Gewähr für die Einheit des ganzen Gottesvolkes ist, während am 25. Januar die Liturgie damals wie heute das Fest der Bekehrung des hl. Paulus feiert. Während wir dem Herrn Dank sagen für diese hundert Jahre des Gebets und des gemeinsamen Einsatzes unter so vielen Jüngern Christi, gedenken wir voll Anerkennung des Urhebers dieser von der Vorsehung bestimmten geistlichen Initiative, des Pater Wattson, und zusammen mit ihm all derer, die sie mit ihren Beiträgen gefördert und bereichert haben und dadurch zum gemeinsamen Erbe aller Christen werden ließen.

Ich erinnerte soeben daran, daß das II. Vatikanische Konzil dem Thema der Einheit der Christen große Aufmerksamkeit gewidmet hat, insbesondere mit dem Dekret über den Ökumenismus (Unitatis redintegratio ), in dem unter anderem kraftvoll die Rolle und Bedeutung des Gebets für die Einheit hervorgehoben werden. Das Gebet, so merkt das Konzil an, ist das eigentliche Herz des ganzen ökumenischen Weges. »Diese Bekehrung des Herzens und die Heiligkeit des Lebens ist in Verbindung mit dem privaten und öffentlichen Gebet für die Einheit der Christen als die Seele der ganzen ökumenischen Bewegung anzusehen« (UR 8) Dank gerade dieses geistlichen Ökumenismus - Heiligkeit des Lebens, Bekehrung des Herzens, privates und öffentliches Gebet - verzeichnete die gemeinsame Suche nach der Einheit in diesen Jahrzehnten eine große Entwicklung, die sich in vielfältige Initiativen untergliedert: vom gegenseitigen Kennenlernen zum brüderlichen Kontakt zwischen Mitgliedern verschiedener Kirchen und kirchlicher Gemeinschaften, von immer freundschaftlicheren Gesprächen zur Zusammenarbeit in verschiedenen Bereichen, vom theologischen Dialog zur Suche nach konkreten Formen der Gemeinschaft und der Zusammenarbeit. Was diesen Weg zur vollen Gemeinschaft unter allen Christen belebt hat und weiter belebt, ist vor allem das Gebet. »Betet ohne Unterlaß« (1Th 5,17) ist das Thema der diesjährigen Gebetswoche; es ist gleichzeitig die Einladung, die in unseren Gemeinden unablässig Widerhall findet, damit das Gebet das Licht, die Kraft, die Orientierung unserer Schritte sei, in einer Haltung demütigen und fügsamen Hörens auf unseren gemeinsamen Herrn.

An zweiter Stelle setzt das Konzil den Akzent auf das gemeinsame Gebet, das von Katholiken und anderen Christen gemeinsam zum einzigen himmlischen Vater erhoben wird. Das Dekret über den Ökumenismus sagt dazu: »Solche gemeinsamen Gebete sind ein höchst wirksames Mittel, um die Gnade der Einheit zu erflehen« (UR 8). Und dies, weil sich die christlichen Gemeinschaften im gemeinsamen Gebet zusammen vor den Herrn stellen und, während sie sich der durch die Spaltung erzeugten Widersprüche bewußt werden, den Willen kundtun, seinem Willen zu gehorchen, indem sie vertrauensvoll auf seinen allmächtigen Beistand zurückgreifen. Das Dekret fügt dann hinzu, daß diese Gebete »ein echter Ausdruck der Gemeinsamkeit [sind], in der die Katholiken mit den getrennten (seiuncti)Brüdern immer noch verbunden sind« (ebd.). Das gemeinsame Gebet ist also kein voluntaristischer oder rein soziologischer Akt, sondern es ist Ausdruck des Glaubens, der alle Jünger Christi verbindet. Im Laufe der Jahre ist eine fruchtbare Zusammenarbeit in diesem Bereich entstanden, und seit 1968 bereiten das damalige Sekretariat für die Einheit der Christen, das dann zum Päpstlichen Rat zur Förderung der Einheit der Christen geworden ist, und der Ökumenische Rat der Kirchen gemeinsam das Material für die Gebetswoche für die Einheit vor, das dann zusammen in der Welt verteilt wird, wobei Gegenden abgedeckt werden, die, würde man allein arbeiten, nie erreicht worden wären.

Das Konzilsdekret über den Ökumenismus nimmt auf das Gebet für die Einheit Bezug, wenn es gerade am Schluß sagt, daß sich das Konzil bewußt ist, »daß dieses heilige Anliegen der Wiederversöhnung aller Christen in der Einheit der einen und einzigen Kirche Christi die menschlichen Kräfte und Fähigkeiten übersteigt. Darum setzt es seine Hoffnung gänzlich auf das Gebet Christi für die Kirche« (UR 24). Es ist das Bewußtsein unserer menschlichen Grenzen, das uns zur vertrauensvollen Hingabe in die Hände des Herrn drängt. Sieht man genau hin, ist der tiefe Sinn dieser Gebetswoche gerade der, sich fest auf das Gebet Christi zu stützen, der in seiner Kirche fortfährt zu beten, daß »alle eins seien …, damit die Welt glaubt …« (Jn 17,21). Heute spüren wir stark den Realismus dieser Worte. Die Welt leidet unter der Abwesenheit Gottes, unter der Unzugänglichkeit Gottes, sie sehnt sich danach, das Antlitz Gottes zu kennen. Aber wie könnten und können die Menschen von heute dieses Antlitz Gottes im Antlitz Jesu Christi erkennen, wenn wir Christen getrennt sind, wenn einer gegen den anderen lehrt, wenn einer gegen den anderen steht? Nur in der Einheit können wir das Antlitz Gottes, das Antlitz Christi wirklich dieser Welt zeigen, die seiner bedarf. Es ist auch offenkundig, daß wir diese Einheit nicht mit unseren eigenen Strategien, mit dem Dialog und mit allem, was wir tun - so notwendig es auch ist -, erreichen können. Was wir erreichen können, ist unsere Bereitschaft und Fähigkeit, diese Einheit anzunehmen, wenn der Herr sie uns schenkt. Das ist der Sinn des Gebets: unsere Herzen öffnen, in uns diese Bereitschaft schaffen, die den Weg zu Christus öffnet. In der Liturgie der Alten Kirche sagte der Bischof oder der Vorsteher der Feier, der Hauptzelebrant, nach der Predigt: »Conversi ad Dominum.« Danach standen er selbst und alle auf und wandten sich nach Osten. Alle wollten auf Christus hin schauen. Nur wenn wir uns bekehrt haben, nur in dieser Umkehr zu Christus, in diesem gemeinsamen Blick auf Christus können wir das Geschenk der Einheit finden.

Wir können sagen, daß es das Gebet für die Einheit gewesen ist, das die verschiedenen Etappen der ökumenischen Bewegung beseelt und begleitet hat, besonders seit dem II. Vatikanischen Konzil. In dieser Zeit ist die katholische Kirche mit den verschiedenen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften des Ostens und des Westens durch verschiedene Formen des Dialogs in Kontakt getreten und setzte sich dabei mit einer jeden über jene theologischen und geschichtlichen Probleme auseinander, die im Laufe der Jahrhunderte entstanden sind und sich als Elemente der Spaltung verfestigt haben. Der Herr hat dafür gesorgt, daß diese freundschaftlichen Beziehungen die gegenseitige Kenntnis verbessert haben, daß sie die Gemeinschaft verstärkt haben, indem sie gleichzeitig die Wahrnehmung der Probleme, die offen bleiben und die Spaltung vertiefen, klarer gemacht haben. Heute, in dieser Woche, danken wir Gott, der den bisher gegangenen Weg gestützt und erleuchtet hat, den fruchtbaren Weg, den das Konzilsdekret über den Ökumenismus als einen Weg beschrieb, der »unter der Einwirkung der Gnade des Heiligen Geistes entstanden ist«, und als eine »sich von Tag zu Tag ausbreitende Bewegung« (UR 1).

Liebe Brüder und Schwestern, kommen wir der Aufforderung nach, »ohne Unterlaß zu beten«, die der Apostel Paulus an die ersten Christen von Thessalonich richtete, eine Gemeinde, die er selbst gegründet hatte. Und gerade weil er erfahren hatte, daß es dort zu Mißhelligkeiten gekommen war, wollte er ihnen nahelegen, mit allen geduldig zu sein, sich davor zu hüten, Böses mit Bösem zu vergelten, und hingegen untereinander und mit allen immer das Gute zu suchen und froh zu bleiben in jeder Gegebenheit, froh, da der Herr nahe ist. Die Ratschläge, die der hl. Paulus den Thessalonichern gab, können auch heute das Verhalten der Christen im Bereich der ökumenischen Beziehungen inspirieren. Vor allem sagt er: »Haltet Frieden untereinander!«, und dann: »Betet ohne Unterlaß! Dankt für alles!« (Vgl. 1Th 5,13 1Th 5,18). Nehmen auch wir diese dringliche Mahnung des Apostels an, sowohl um dem Herrn für die erreichten Fortschritte in der ökumenischen Bewegung zu danken, als auch um die volle Einheit zu erreichen. Die Jungfrau Maria, Mutter der Kirche, erlange für alle Jünger ihres göttlichen Sohnes, daß sie sobald als möglich in Frieden und in gegenseitiger Liebe leben können, um so vor der ganzen Welt ein überzeugendes Zeugnis der Wiederversöhnung zu geben, um das Antlitz Gottes im Antlitz Christi zugänglich zu machen, der der Gott-mit-uns ist, der Gott des Friedens und der Einheit.

Begleitet durch das Wort des Apostels Paulus „Betet ohne Unterlaß“ (1Th 5,17) begehen wir in diesen Tagen die jährliche Gebetswoche für die Einheit der Christen. 100 Jahre sind seit den Anfängen dieser Gebetsoktav vergangen, die auf eine Initiative von Pater Paul Wattson zurückgeht und die dann von Papst Benedikt XV. auf die ganze Kirche ausgedehnt wurde. Vor allem das II. Vatikanische Konzil hat mit dem Dekret Unitatis redintegratio die Rolle und die Bedeutung des Gebets für die Einheit unterstrichen. Zusammen mit der Bekehrung des Herzens und der Heiligkeit des Lebens ist das private und öffentliche Gebet die Seele der ganzen ökumenischen Bewegung (vgl. UR 8). Das gemeinsame Beten und Bitten ist Ausdruck des Glaubens, der alle Jünger Jesu eint, und des Vertrauens auf den Beistand des Herrn. Die Wiederversöhnung der Christen übersteigt unsere menschlichen Kräfte und Fähigkeiten; um so mehr müssen und dürfen wir unsere Hoffnung „gänzlich auf das Gebet Christi für die Kirche“ setzen (vgl. UR 24). Die Gebetswoche soll daher eine Zeit des Dankes an Christus für die schon erreichten Fortschritte auf dem Weg zur Einheit sein sowie Tage des eindringlichen Bittens um diese Einheit, die nur Er geben kann.
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Mit Freude heiße ich alle Pilger und Besucher aus dem deutschen Sprachraum willkommen. Unter ihnen grüße ich heute besonders Mitglieder der Leitung des Österreichischen Rundfunks. Die Einheit der Christen kann nur in einem Klima des Gebets und auf dem Humus einer geistlichen Ökumene wachsen. Wir alle wollen uns in unserem eigenen Leben darum bemühen und nicht nachlassen, um die Gnade der Einheit zu bitten. Der Herr schenke uns dazu seinen Segen.



Mittwoch, 30. Januar 2008: Der Heilige Augustinus (3)

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Liebe Brüder und Schwestern!

Nach der Gebetswoche für die Einheit der Christen kehren wir heute zu der großen Gestalt des hl. Augustinus zurück. Mein lieber Vorgänger Johannes Paul II. hat ihm 1986, das heißt zum 1600. Jahrestag seiner Bekehrung, ein langes und gedankenreiches Dokument, das Apostolische Schreiben Augustinum Hipponensem, gewidmet. Der Papst selbst nannte diesen Text »einen Dank an Gott für das Geschenk, das mit jener wunderbaren Bekehrung der Kirche und durch sie der ganzen Menschheit zuteil geworden ist«. Auf das Thema seiner Bekehrung möchte ich bei einer der nächsten Audienzen zurückkommen. Es ist nicht nur für sein persönliches Leben, sondern auch für unser Leben ein fundamentales Thema. Im Evangelium am vorigen Sonntag hat der Herr selbst seine Verkündigung mit dem Wort: »Kehrt um!« zusammengefaßt. Wenn wir dem Weg des hl. Augustinus folgen, könnten wir darüber nachdenken, was diese Bekehrung ist: Sie ist etwas Endgültiges, Entscheidendes, aber die grundlegende Entscheidung muß sich entwickeln, muß sich in unserem ganzen Leben verwirklichen.

Die heutige Katechese ist hingegen dem Thema Glaube und Vernunft gewidmet, das ein entscheidendes oder, besser gesagt, ein für die Biographie des hl. Augustinus entscheidendes Thema ist. Als Kind hatte er von seiner Mutter Monika den katholischen Glauben gelernt. Als Jugendlicher hatte er diesen Glauben aufgegeben, weil er dessen Vernünftigkeit nicht mehr erkennen konnte und keine Religion wollte, die nicht auch für ihn Ausdruck der Vernunft, das heißt der Wahrheit, wäre. Sein Durst nach Wahrheit war radikal und hat ihn schließlich dazu veranlaßt, sich vom katholischen Glauben abzuwenden. Aber seine Radikalität war so geartet, daß er sich nicht mit Philosophien zufrieden geben konnte, die nicht zur Wahrheit selbst gelangten, die nicht bis zu Gott gelangten. Und zu einem Gott, der nicht nur eine letzte kosmologische Hypothese wäre, sondern der wahre Gott, der Gott, der uns das Leben gibt und in dieses unser Leben selbst eintritt. So stellt der gesamte intellektuelle und geistliche Weg des hl. Augustinus auch heute ein gültiges Modell für das Verhältnis zwischen Glaube und Vernunft dar, ein Thema nicht nur für gläubige Menschen, sondern für jeden Menschen, der die Wahrheit sucht, ein zentrales Thema für die innere Ausgewogenheit und das Schicksal jedes Menschen. Diese beiden Dimensionen, Glaube und Vernunft, sind weder voneinander zu trennen noch einander entgegenzusetzen, sondern sie müssen vielmehr stets zusammengehen. Wie Augustinus selbst nach seiner Bekehrung geschrieben hat, sind Glaube und Vernunft »die zwei Kräfte, die uns zum Erkennen bringen« (Contra Academicos III,20,43). Zu Recht berühmt sind in diesem Zusammenhang die zwei augustinischen Formeln (Sermones, 43,9), die diese kohärente Synthese von Glaube und Vernunft zum Ausdruck bringen: »crede ut intelligas« (»glaube, um zu verstehen«) - der Glaube öffnet den Weg, um die Tür zur Wahrheit zu durchschreiten -, aber auch und davon nicht zu trennen: »intellige ut credas« (»verstehe, um zu glauben«), erforsche die Wahrheit, um Gott zu finden und zu glauben.

Diese beiden Aussagen des Augustinus bringen mit eindringlicher Unmittelbarkeit und ebensolcher Tiefe die Synthese dieses Problems zum Ausdruck, in der die katholische Kirche ihren Weg formuliert findet. Historisch nimmt diese Synthese noch vor dem Kommen Christi in der Begegnung zwischen jüdischem Glauben und griechischem Denken im hellenistischen Judentum Gestalt an. In der Folge ist diese Synthese von vielen christlichen Denkern aufgenommen und weiterentwickelt worden. Der Einklang zwischen Glaube und Vernunft bedeutet vor allem, daß Gott nicht fern ist: Er ist nicht fern von unserer Vernunft und von unserem Leben; er ist jedem Menschen nahe, er ist unserem Herzen und unserer Vernunft nahe, wenn wir uns wirklich auf den Weg machen.

Gerade auf diese Nähe Gottes zum Menschen wurde von Augustinus mit außerordentlicher Eindringlichkeit hingewiesen. Die Gegenwart Gottes im Menschen ist tief und gleichzeitig geheimnisvoll, sie kann aber im eigenen Innern erkannt und entdeckt werden: Geh nicht hinaus - sagt der Bekehrte -, sondern »kehre in dich selbst ein; im inneren Menschen wohnt die Wahrheit; und wenn du finden wirst, daß deine Natur wandelbar ist, gehe über dich selbst hinaus. Bedenke jedoch, daß du, wenn du über dich hinausgehst, über eine Seele hinausgehst, die vernünftig ist« (De vera religione, 39,72). Gerade wie er selbst mit einer sehr bekannten Feststellung zu Beginn der Confessiones, seiner zum Lob Gottes geschriebenen geistlichen Autobiographie, hervorhebt: »Denn du hast uns auf dich hin geschaffen, und unser Herz ist unruhig, bis es Ruhe findet in dir« (I,1,1).

Die Ferne Gottes kommt also der Ferne von uns selbst gleich: »Denn du« - so erkennt Augustinus (Confessiones, III,6,11), indem er sich direkt an Gott wendet - »warst innerer als mein Innerstes und höher als mein Höchstes«, »inferior intimo meo et superior summo meo«; so sehr - fügt er an einer anderen Stelle hinzu, als er an die Zeit vor der Bekehrung denkt -, daß »du vor mir warst; ich aber hatte mich von mir selbst entfernt und fand mich nicht, geschweige denn dich« (Confessiones, V,2,2). Gerade weil Augustinus persönlich diesen intellektuellen und geistlichen Weg erlebt hat, verstand er es, ihn in seinen Werken mit so großer Unmittelbarkeit, Tiefe und Weisheit darzustellen, wobei er an zwei weiteren berühmten Stellen der Confessiones (IV,4,9 und 14,22) zugibt, daß der Mensch »ein großes Rätsel« (»magna quaestio«) und »ein tiefer Abgrund« (»grande profundum«) ist, Rätsel und Abgrund, die nur Christus erhellt und rettet. Das ist wichtig: Ein Mensch, der fern ist von Gott, ist auch fern von sich selbst, seiner selbst entfremdet und kann sich selbst nur finden, wenn er Gott begegnet. So gelangt er auch zu sich selbst, zu seinem wahren Ich, zu seiner wahren Identität.

Der Mensch - dies betont Augustinus dann in De civitate Dei (XII,27) - ist aufgrund seiner Natur sozial, aber durch Schuld unsozial, und er ist von Christus gerettet, dem einzigen Mittler zwischen Gott und der Menschheit, der deshalb »der universale Weg der Freiheit und des Heiles ist«, wie mein Vorgänger Johannes Paul II. wiederholt hat (Augustinum Hipponensem, 21): Außerhalb dieses Weges, der dem Menschengeschlecht nie gefehlt hat - so Augustinus im selben Werk -, »ist keiner je befreit worden, wird keiner befreit und wird keiner befreit werden« (De civitate Dei, X,32,2). Als einziger Mittler des Heils ist Christus das Haupt der Kirche und mit ihr mystisch vereint, so daß Augustinus sagen kann: »Wir sind Christus geworden. Denn wenn er das Haupt ist, wir seine Glieder, so ist er und sind wir der ganze Mensch« (In Ioannis evangelium tractatus, 21,8).

Volk Gottes und Haus Gottes - die Kirche ist in der Sicht des Augustinus also eng an den Begriff des Leibes Christi gebunden; diese Sicht gründet auf der christologischen Lesart des Alten Testaments und auf dem sakramentalen Leben, das seinen Mittelpunkt in der Eucharistie hat, in der der Herr uns seinen Leib gibt und uns in seinen Leib verwandelt. Es ist also grundlegend, daß die Kirche, Volk Gottes im christologischen und nicht im soziologischen Sinn, wirklich in Christus eingegliedert ist, der - so sagt Augustinus an einer sehr schönen Stelle - »für uns betet, in uns betet, von uns angebetet wird. Er betet für uns als unser Priester, er betet in uns als unser Haupt, er wird von uns angebetet als unser Gott: Wir erkennen daher in ihm unsere Stimme und seine Stimme in uns« (Enarrationes in Psalmos, 85,1).

Am Schluß des Apostolischen Schreibens Augustinum Hipponensem wollte Johannes Paul II. den Heiligen selbst fragen, was er den heutigen Menschen zu sagen habe, und er antwortet vor allem mit den Worten, die Augustinus einem Brief anvertraute, den er kurz nach seiner Bekehrung diktierte: »Mir scheint, die Menschen müßten sich auf die Hoffnung zurückziehen, die Wahrheit zu finden« (Epistulae 1,1); jene Wahrheit, die Christus selbst ist, wahrer Gott, an den eines der schönsten und berühmtesten Gebete der Confessiones (X,27,38) gerichtet ist: »Spät habe ich dich geliebt, o Schönheit, so alt und doch immer neu, spät habe ich dich geliebt! Und siehe, du warst in meinem Inneren und ich draußen, und dort (draußen) suchte ich dich und stürzte mich, häßlich entstellt, auf die Schönheiten, die du geschaffen hast. Du warst bei mir, aber ich war nicht bei dir. Weit von dir weg zog mich, was keinen Bestand hätte, wenn es nicht in dir wäre. Du hast mich laut gerufen und meine Taubheit zerrissen; du hast gestrahlt und geleuchtet und meine Blindheit verscheucht. Du hast mir deinen Duft zugeweht, und ich habe ihn eingesogen und seufze nun nach dir. Ich habe dich geschmeckt, und nun hungere und dürste ich nach dir. Du hast mich berührt, und ich bin entbrannt in deinem Frieden«.

Ja, Augustinus ist Gott begegnet und während seines ganzen Lebens hat er ihn erfahren, so daß diese Wirklichkeit - die vor allem Begegnung mit einer Person, mit Jesus ist - sein Leben verändert hat, wie sie das Leben aller Frauen und Männer jeder Zeit verändert, die die Gnade haben, ihm zu begegnen. Beten wir, daß der Herr uns diese Gnade schenke und uns so seinen Frieden finden lasse.

In den vergangenen Mittwochskatechesen haben wir uns mit der außergewöhnlichen Gestalt des heiligen Augustinus, seinem Leben und einigen seiner Werke befaßt. Heute wollen wir weitere Aspekte seines reichen Denkens betrachten. Eine Frage, die Augustinus zeit seines Lebens sehr beschäftigt hat, war die des Verhältnisses zwischen Glaube und Vernunft. Er betonte, daß der Glaube der Vernunft niemals entbehren dürfe, aber auch umgekehrt die Vernunft den Glauben braucht. Der Einklang zwischen Glaube und Vernunft ist nötig, um in der Erkenntnis Gottes voranzuschreiten und das Ziel des ewigen Heils zu erreichen. Die innere Wechselbeziehung von Glaube und Vernunft läßt uns bewußt werden, daß Gott im Innersten unseres Ichs erkannt und gefunden werden kann. Das ist die andere große Frage, die Augustinus unaufhörlich bewegt hat: die Beziehung zwischen Gott und Mensch. In den Bekenntnissen stellt er sich die zweifache Frage: „Was bist du mir, Gott? … Was bin ich dir?“ In seinem Innersten, dort wo die Wahrheit und die Liebe Raum finden, erfährt der Mensch die Gegenwart Gottes. „Du aber warst noch innerer als mein Innerstes und höher als mein Höchstes“ (Conf. III,6,11). In einer ähnlich intensiven Weise ist Christus, der einzige Mittler des Heils, in der Kirche gegenwärtig. Deshalb liebt Augustinus das Bild der Kirche als Leib Christi. Sie ist der Ort einer inneren Gemeinschaft mit Christus: „Er betet für uns als unser Priester, er betet in uns als unser Haupt, wir beten zu ihm als unseren Gott. In ihm wollen wir unsere Stimme hören und seine Stimme in uns“ (En. Ps. 85,1). Der ganze Christus, Christus und die Kirche, sind eine einzige mystische Person, die den Menschen das Heil bringt.
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Ganz herzlich grüße ich die Pilger und Besucher deutscher Zunge, insbesondere die Bereichsverantwortlichen für die Vorbereitung meines Apostolischen Besuchs in Mariazell und in Österreich im letzten Jahr. Ich freue mich sehr, daß wir uns hier in Rom wiedersehen können. Danke! "Du hast uns auf dich hin geschaffen, und unruhig ist unser Herz, bis es Ruhe findet in dir", hat Augustinus gebetet. Dieses Gebet werde für uns auch Bewegungskraft unseres Lebens, um uns dorthin zu führen, wo wir den Frieden und die Wahrheit finden und selbst aktiv Träger des Friedens werden können. Der Herr schenke euch seine Liebe und die Freude seiner Gegenwart!


Aschermittwoch , 6. Februar 2008: Fastenzeit

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Liebe Brüder und Schwestern!

Am heutigen Aschermittwoch begeben wir uns wie jedes Jahr auf den Weg der Fastenzeit, beseelt von einem intensiveren Geist des Gebets und der Besinnung, der Buße und des Fastens. Wir treten in eine »anspruchsvolle« liturgische Zeit ein, die uns auf die Feier des Osterfestes - Herz und Mittelpunkt des Kirchenjahres und unseres ganzen Daseins - vorbereitet und uns zugleich dazu auffordert, ja wir könnten sagen: herausfordert, unserem christlichen Dasein einen entschlosseneren Antrieb zu geben. Da uns die Verpflichtungen, die Mühen und die Sorgen in die Gewohnheit zurückfallen lassen, setzen sie uns der Gefahr aus, zu vergessen, wie außergewöhnlich das Abenteuer ist, in das Jesus uns mit einbezogen hat; wir haben es daher nötig, jeden Tag von neuem unseren anspruchsvollen Weg des Lebens gemäß dem Evangelium aufzunehmen, indem wir durch stärkende geistliche Pausen in uns gehen. Mit dem alten Ritus der Aschenauflegung führt uns die Kirche in die Fastenzeit ein wie in eine große geistliche Einkehr, die vierzig Tage dauert.

Treten wir also in die Atmosphäre der Fastenzeit ein, die uns hilft, das Geschenk des mit der Taufe empfangenen Glaubens wiederzuentdecken, und uns drängt, das Sakrament der Versöhnung zu empfangen, wodurch wir unser Bemühen um Umkehr unter das Zeichen der göttlichen Barmherzigkeit stellen. Am Anfang, in der Urkirche, war die Fastenzeit die bevorzugte Zeit für die Vorbereitung der Katechumenen auf die Sakramente der Taufe und der Eucharistie, die in der Osternacht gefeiert wurden. Die Fastenzeit wurde als die Zeit des Christwerdens angesehen, was sich nicht in einem einzigen Moment verwirklichte, sondern einen langen Weg der Umkehr und Erneuerung erforderte. Dieser Vorbereitung schlossen sich auch die bereits Getauften an, indem sie die Erinnerung an das empfangene Sakrament wiederbelebten und sich auf eine erneuerte Gemeinschaft mit Christus in der freudigen Feier des Osterfestes vorbereiteten. So hatte die Fastenzeit das Wesensmerkmal eines Weges zur Taufe, und dieses bewahrt sie noch heute, und zwar in dem Sinn, daß sie uns hilft, das Bewußtsein dafür zu bewahren, daß sich das Christsein immer als ein neues Christwerden verwirklicht: Es ist nie eine hinter uns liegende abgeschlossene Geschichte, sondern ein Weg, der immer eine neue Übung erfordert.

Bei der Aschenauflegung sagt der Zelebrant: »Bedenke, daß du Staub bist und wieder zum Staub zurückkehren wirst« (vgl.
Gn 3,19), oder er wiederholt die Mahnung Jesu: »Bekehrt euch und glaubt an das Evangelium« (vgl. Mc 1,15). Beide Formeln stellen einen mahnenden Hinweis auf die Wahrheit des menschlichen Daseins dar: Wir sind begrenzte Geschöpfe, Sünder, die stets der Buße und Umkehr bedürfen. Wie wichtig ist es, diesen Hinweis in dieser unserer Zeit zu hören und anzunehmen! Wenn der moderne Mensch seine totale Unabhängigkeit von Gott erklärt, wird er zum Sklaven seiner selbst und findet sich oft in einer trostlosen Einsamkeit wieder. Die Aufforderung zur Umkehr ist da ein Antrieb, in die Arme Gottes, des zärtlichen und barmherzigen Vaters, zurückzukehren, ihm zu vertrauen, sich ihm als Kinder anzuvertrauen, die von seiner Liebe erneuert werden. Mit weiser pädagogischer Belehrung wiederholt die Kirche, daß die Umkehr vor allem eine Gnade ist, ein Geschenk, das das Herz für die unendliche Güte Gottes öffnet. Er selbst kommt mit seiner Gnade unserem Verlangen nach Umkehr zuvor und begleitet unsere Bemühungen um die volle Zustimmuzng zu seinem Heilswillen. Umkehren bedeutet demnach, sich von Jesus ergreifen zu lassen (vgl. Ph 3,12) und mit ihm zum Vater »zurückzukehren«.

Die Umkehr bringt es also mit sich, daß man sich demütig in die Schule Jesu begibt und vorangeht, indem man fügsam seinen Spuren folgt. Erhellend sind diesbezüglich die Worte, mit denen er selbst die Bedingungen dafür angibt, seine wahren Jünger zu sein. Nachdem er gesagt hat: »Wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen und um des Evangeliums willen verliert, wird es retten«, fügt er hinzu: »Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber sein Leben einbüßt« (Mc 8,35-36). Führen das Streben nach Erfolg, die Sehnsucht nach Prestige und die Suche nach Bequemlichkeit, wenn sie das Leben völlig in Anspruch nehmen, bis hin zum Ausschließen Gottes aus dem eigenen Horizont, wirklich zum Glück? Kann es echtes Glück geben, wenn man von Gott absieht? Die Erfahrung zeigt, daß man nicht deshalb glücklich ist, weil die Erwartungen und die materiellen Bedürfnisse befriedigt werden. In Wirklichkeit ist die einzige Freude, die das menschliche Herz erfüllt, jene Freude, die von Gott kommt: Wir bedürfen nämlich der grenzenlosen Freude. Weder die Alltagssorgen noch die Schwierigkeiten vermögen jene Freude auszulöschen, die aus der Freundschaft mit Gott entsteht. Die Aufforderung Jesu, sein Kreuz auf sich zu nehmen und ihm nachzufolgen, mag in einem ersten Augenblick hart und dem entgegengesetzt erscheinen, was wir wollen, demütigend für unseren Wunsch nach Selbstverwirklichung. Wenn wir aber näher hinschauen, können wir entdecken, daß dem nicht so ist: Das Zeugnis der Heiligen beweist, daß im Kreuz Christi, in der Liebe, die man schenkt, wenn man auf den Besitz seiner selbst verzichtet, sich jene tiefe Gelassenheit findet, die Quelle der hochherzigen Hingabe an die Brüder, besonders an die Armen und Bedürftigen, ist. Und dies schenkt auch uns selbst Freude. Der Weg der Umkehr in der Fastenzeit, den wir heute zusammen mit der ganzen Kirche einschlagen, wird daher zu einer guten Gelegenheit, zu einer »Zeit der Gnade« (vgl. 2Co 6,2), um unsere kindliche Hingabe in die Hände Gottes zu erneuern und in die Praxis umzusetzen, was Jesus uns wiederholt: »Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach« (Mc 8,34), und begebe sich so auf den Weg der Liebe und des wahren Glücks.

In der Fastenzeit schlägt die Kirche im Geist des Evangeliums einige besondere Verpflichtungen vor, die die Gläubigen auf diesem Weg der inneren Erneuerung begleiten: das Gebet, das Fasten und das Almosengeben. In der diesjährigen Botschaft zur Fastenzeit, die vor wenigen Tagen veröffentlicht wurde, wollte ich »bei der Überlegung zur Praxis des Almosens verweilen, die eine konkrete Weise darstellt, dem Notleidenden zu Hilfe zu kommen, und gleichzeitig eine asketische Übung zur Befreiung von der Gebundenheit an die irdischen Güter ist« (Nr. 1; O.R. dt., Nr. 6, 8.2.2008, S. 4f.). Wir wissen, wie sehr leider die Beeinflussung durch die materiellen Reichtümer die moderne Gesellschaft tief durchdringt. Als Jünger Jesu Christi sind wir dazu aufgerufen, die irdischen Güter nicht zu vergötzen, sondern sie als Mittel zum Leben und als Hilfe für die anderen zu nutzen, die in Not sind. Indem uns die Kirche auf die Praxis des Almosengebens hinweist, erzieht sie uns dazu, den Bedürfnissen des Nächsten entgegenzukommen, in Nachahmung Jesu, der, wie der hl. Paulus anmerkt, arm wurde, um uns durch seine Armut reich zu machen (vgl. 2Co 8,9). »In Jesu Schule« - so habe ich in der genannten Botschaft weiter geschrieben - »können wir lernen, aus unserem Leben eine Gabe zu machen; indem wir ihn nachahmen, wächst die Bereitschaft, nicht nur von unserem Besitz zu geben, sondern uns selbst«. Und ich habe hinzugefügt: »Ist nicht etwa das ganze Evangelium in dem einen Gebot der Liebe zusammengefaßt? Die Praxis des Almosens in der Fastenzeit wird also zu einem Mittel, in unserer christlichen Berufung voranzuschreiten. Wenn der Christ sich hingibt ohne zu zählen, bezeugt er: Nicht der materielle Reichtum diktiert die Gesetze der Existenz, sondern die Liebe« (Nr. 5).

Liebe Brüder und Schwestern, bitten wir Maria, Mutter Gottes und der Kirche, uns auf dem Weg der Fastenzeit zu begleiten, damit er ein Weg wahrer Umkehr sei. Lassen wir uns von ihr führen, und wir werden innerlich erneuert zur Feier des großen Geheimnisses des Ostern Christi gelangen, der höchsten Offenbarung der barmherzigen Liebe Gottes.

Allen eine gute Fastenzeit!

Mit dem heutigen Aschermittwoch beginnt die Fastenzeit. Diese Wochen vor der Feier des Osterfestes sind in der Kirche seit den ersten Jahrhunderten immer auch eine Zeit des Katechumenats, der Vorbereitung auf den Empfang der Taufe und der Eucharistie. Aber auch all jene, die bereits getauft sind, sind eingeladen, sich ihres Christseins klarer bewußt zu werden, die Taufgnade durch die Bekehrung ihres Herzens und den Empfang des Bußsakraments neu zu beleben und sich entschlossen auf den Weg der Nachfolge Christi zu begeben. Dazu empfiehlt die Kirche einige besondere Werke, nämlich Gebet, Fasten und Almosengeben. In meiner diesjährigen Botschaft zur Fastenzeit habe ich besonders auf die Praxis des Almosengebens, des Teilens unserer Güter, Bezug genommen. Diese stellt „eine konkrete Weise dar, dem Notleidenden zu Hilfe zu kommen, und ist gleichzeitig eine asketische Übung zur Befreiung von der Gebundenheit an die irdischen Güter“. Das Vorbild Christi, führt uns noch einen Schritt weiter, denn von ihm lernen wir, aus unserem eigenen Leben eine Gabe zu machen. „Indem wir ihn nachahmen, wächst die Bereitschaft, nicht nur von unserem Besitz zu geben, sondern uns selbst. [...] Wenn der Christ sich hingibt ohne zu zählen, bezeugt er: Nicht der materielle Reichtum diktiert die Gesetze der Existenz, sondern die Liebe.“
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Ganz herzlich heiße ich die Pilger und Besucher aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und Südtirol willkommen. Die Liturgie des Aschermittwochs verkündet uns in Wort und Zeichen, daß wir Geschöpfe sind, die die Gnade der Bekehrung brauchen, immer wieder. Gebet, Fasten und Almosengeben mögen uns helfen, unsere christliche Berufung tiefer zu erkennen und zu leben. Euch allen wünsche ich eine gesegnete Fastenzeit!

APPELL DES HEILIGEN VATERS FÜR DEN FRIEDEN IM TSCHAD


In diesen Tagen bin ich der lieben Bevölkerung des Tschad besonders nahe, die von inneren Kämpfen erschüttert ist, welche zahlreiche Opfer gefordert und Tausende Menschen zur Flucht aus der Hauptstadt getrieben haben. Ich vertraue eurem Gebet und eurer Solidarität diese leidenden Brüder und Schwestern an, indem ich darum bitte, daß ihnen weitere Gewalttaten erspart bleiben und ihnen die notwendige humanitäre Unterstützung zukomme. Ich richte einen eindringlichen Appell an die Konfliktparteien, die Waffen niederzulegen und den Weg des Dialogs und der Wiederversöhnung zu gehen.





Generalaudienzen 2005-2013 23018