Generalaudienzen 2005-2013 9048

Mittwoch, 9. April 2008: Benedikt von Nursia

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Liebe Brüder und Schwestern!

Heute möchte ich über den hl. Benedikt, den Begründer des abendländischen Mönchtums und Schutzpatron meines Pontifikats, sprechen. Ich beginne mit einem Wort des hl. Gregor des Großen, der über den hl. Benedikt schreibt: »Nicht nur die zahlreichen Wunder des Gottesmannes wurden in der Welt berühmt, sondern auch das Wort seiner Lehre strahlte hell auf« (II Dial., 36). Diese Worte schrieb der große Papst im Jahr 592; der heilige Mönch war kaum fünfzig Jahre zuvor gestorben und noch in der Erinnerung der Menschen und vor allem in dem von ihm gegründeten blühenden Orden lebendig. Der hl. Benedikt von Nursia hat durch sein Leben und Werk einen grundlegenden Einfluß auf die Entwicklung der europäischen Zivilisation und Kultur ausgeübt. Die wichtigste Quelle über sein Leben ist das zweite Buch der Dialoge des hl. Gregor des Großen. Es handelt sich nicht um eine Biographie im klassischen Sinn. Entsprechend den Vorstellungen seiner Zeit wollte er anhand des Vorbilds eines konkreten Menschen - eben des hl. Benedikt - den Aufstieg zu den Gipfeln der Kontemplation veranschaulichen, der von jedem, der sich Gott hingibt, verwirklicht werden kann. Er bietet uns also ein Modell des menschlichen Lebens als Aufstieg zum Höhepunkt der Vollkommenheit. Der hl. Gregor der Große berichtet in diesem Buch der Dialoge auch von vielen Wundern, die der Heilige vollbracht hat, und auch hier will er nicht einfach etwas Sonderbares erzählen, sondern zeigen, wie Gott mahnend, helfend und auch strafend in die konkreten Lebenssituationen des Menschen eingreift. Er will zeigen, daß Gott nicht eine ferne, an den Ursprung der Welt gestellte Hypothese ist, sondern im Leben des Menschen, eines jeden Menschen, gegenwärtig ist.

Diese Sichtweise des »Biographen« erklärt sich auch im Licht des allgemeinen Kontextes seiner Zeit: An der Wende vom 5. zum 6. Jahrhundert wurde die Welt von einer schrecklichen Krise der Werte und Institutionen erschüttert, die durch den Zusammenbruch des Römischen Reiches, das Eindringen der neuen Völker und den Verfall der Sitten verursacht worden war. Mit der Vorstellung des hl. Benedikt als »leuchtenden Stern« wollte Gregor in dieser furchtbaren Situation gerade hier in dieser Stadt Rom den Ausweg aus der »dunklen Nacht der Geschichte« zeigen (vgl. Johannes Paul II., Insegnamenti, II/1, 1979, S. 1158). In der Tat erwiesen sich das Werk des Heiligen und in besonderer Weise seine »Regel« als Überbringer eines echten geistlichen Sauerteigs, der im Lauf der Jahrhunderte weit über die Grenzen seiner Heimat und seiner Zeit hinaus das Antlitz Europas veränderte, indem er nach dem Zerfall der politischen Einheit, die durch das Römische Reich geschaffen worden war, eine neue geistliche und kulturelle Einheit hervorbrachte, nämlich jene des christlichen Glaubens, den die Völker des Kontinents teilten. Gerade so entstand die Wirklichkeit, die wir »Europa« nennen.

Die Geburt des hl. Benedikt wird um das Jahr 480 datiert. Er stammte, so sagt der hl. Gregor, »ex provincia Nursiae« - aus der Gegend von Nursia. Seine wohlhabenden Eltern schickten ihn für seine Ausbildung zum Studium nach Rom. Er blieb jedoch nicht lange in der Ewigen Stadt. Als durchaus glaubwürdige Erklärung dafür deutet Gregor die Tatsache an, daß der junge Benedikt vom Lebensstil vieler seiner Studiengefährten, die ein ausschweifendes Leben führten, angewidert war und nicht in dieselben Fehler wie sie verfallen wollte. Er wollte allein Gott gefallen, »soli Deo placere desiderans« (II Dial., Prol. 1). So verließ Benedikt noch vor Abschluß seiner Studien Rom und zog sich in die Einsamkeit der Berge östlich von Rom zurück. Nach einem ersten Aufenthalt in dem Dorf Enfide (heute: Affile), wo er sich für eine gewisse Zeit einer »religiösen Gemeinschaft« von Mönchen anschloß, wurde er Einsiedler im nicht weit entfernten Subiaco. Dort lebte er drei Jahre lang völlig einsam in einer Grotte, die seit dem frühen Mittelalter das »Herz« eines Benediktinerklosters bildet, das »Sacro Speco« (Heilige Höhle) genannt wird. Die Zeit in Subiaco, eine Zeit der Einsamkeit mit Gott, war für Benedikt eine Zeit der Reifung. Hier mußte er die drei Grundversuchungen jedes Menschen ertragen und überwinden: die Versuchung der Selbstbehauptung und des Wunsches, sich selbst in den Mittelpunkt zu stellen, die Versuchung der Sinnlichkeit und schließlich die Versuchung des Zornes und der Rache. Es war nämlich Benedikts Überzeugung, daß er erst nach Überwindung dieser Versuchungen den anderen ein für ihre Notsituationen nützliches Wort würde sagen können. So war er, nachdem er seine Seele befriedet hatte, imstande, die Triebe des Ich gänzlich zu beherrschen, um so ein Friedensstifter in seiner Umgebung zu sein. Erst dann beschloß er, seine ersten Klöster im Tal des Anio in der Nähe von Subiaco zu gründen.

Im Jahr 529 verließ Benedikt Subiaco, um sich in Montecassino niederzulassen. Manche haben diese Übersiedlung als eine Flucht vor den Intrigen eines neidischen örtlichen Kirchenmannes erklärt. Doch dieser Erklärungsversuch hat sich als wenig überzeugend erwiesen, da der plötzliche Tod jenes Mannes Benedikt nicht zur Rückkehr veranlaßt hat (vgl. II Dial. 8). In Wirklichkeit drängte sich ihm diese Entscheidung auf, weil er in eine neue Phase seiner inneren Reifung und seiner monastischen Erfahrung eingetreten war. Nach Gregor dem Großen nimmt der Auszug aus dem abgelegenen Tal des Anio zum Monte Cassio - einer Anhöhe, die die ausgedehnte umliegende Ebene beherrscht und von weitem sichtbar ist - einen symbolischen Charakter an: Das monastische Leben in der Verborgenheit hat seine Daseinsberechtigung, aber ein Kloster hat auch seinen öffentlichen Zweck im Leben der Kirche und der Gesellschaft, es muß dem Glauben als Lebenskraft Sichtbarkeit verleihen. Als Benedikt am 21. März 547 sein irdisches Leben abschloß, hinterließ er tatsächlich mit seiner »Regel« und mit der von ihm gegründeten benediktinischen Familie ein Erbe, das in den vergangenen Jahrhunderten in der ganzen Welt Früchte getragen hat und noch immer trägt.

Im gesamten zweiten Buch der Dialoge erläutert Gregor, wie das Leben des hl. Benedikt in eine Atmosphäre des Gebets eingesenkt war, das tragende Fundament seines Daseins. Ohne Gebet gibt es keine Gotteserfahrung. Die Spiritualität Benedikts war aber keine Innerlichkeit außerhalb der Wirklichkeit. In der Unruhe und Verwirrung seiner Zeit lebte er unter dem Blick Gottes und verlor gerade so nie die Pflichten des täglichen Lebens und den Menschen mit seinen konkreten Bedürfnissen aus den Augen. Indem er Gott sah, verstand er die Wirklichkeit des Menschen und seine Sendung. In seiner »Regel« bezeichnet er das monastische Leben als »eine Schule für den Dienst des Herrn« (Prol. 45) und verlangt von seinen Mönchen, daß »dem Gottesdienst [d. h. dem Officium Divinum bzw. dem Stundengebet] nichts vorgezogen werden soll« (43,3). Er hebt jedoch hervor, daß das Gebet in erster Linie ein Akt des Hörens ist (Prol. 9-11), der dann in konkretes Handeln umgesetzt werden muß. »Nach all diesen Worten erwartet der Herr, daß wir jeden Tag auf seine göttlichen Mahnungen mit unserem Tun antworten«, sagt er (Prol. 35). So wird das Leben des Mönchs zu einer fruchtbaren Symbiose zwischen Aktion und Kontemplation, »damit in allem Gott verherrlicht werde« (57,9). Im Gegensatz zu einer heute oft gepriesenen leichten und ichbezogenen Selbstverwirklichung ist die erste und unverzichtbare Pflicht des Schülers des hl. Benedikt die aufrichtige Suche nach Gott (58,7) auf dem vom demütigen und gehorsamen Christus vorgezeichneten Weg (5,13), dessen Liebe er nichts vorziehen darf (4,21; 72,11), und gerade auf diese Weise, im Dienst am anderen, wird er ein Mann des Dienstes und des Friedens. In der Ausübung des Gehorsams, der mit einem von der Liebe beseelten Glauben in die Tat umgesetzt wird (5,2), gewinnt der Mönch die Demut (5,1), der die »Regel« ein ganzes Kapitel widmet (7). Auf diese Weise wird der Mensch immer mehr Christus ähnlich und gelangt zur wahren Selbstverwirklichung als Geschöpf nach dem Bild und Gleichnis Gottes.

Dem Gehorsam des Jüngers muß die Weisheit des Abtes entsprechen, der im Kloster »die Stelle Christi« vertritt (2,2; 63,13). Seine Gestalt, die vor allem im zweiten Kapitel der »Regel« mit einem Profil von geistlicher Schönheit und anspruchsvollem Einsatz umrissen wird, kann als ein Selbstbildnis Benedikts betrachtet werden, da - wie Gregor der Große schreibt - »der heilige Mann gar nicht anders lehren konnte, als er lebte« (II Dial. 36). Der Abt muß gleichzeitig ein liebevoller Vater und ein strenger Meister sein (2,24), ein wahrer Erzieher. Unbeugsam gegenüber den Lastern ist er jedoch dazu berufen, vor allem die Liebe und Güte des Guten Hirten nachzuahmen (27,8), »mehr zu helfen als zu herrschen« (64,8), »alles Gute und Heilige mehr durch sein Leben als durch sein Reden sichtbar zu machen« und »die Weisungen Gottes durch sein Beispiel zu veranschaulichen« (2,12). Um verantwortlich entscheiden zu können, muß auch der Abt ein Mann sein, der »auf den Rat der Brüder hört« (3,2), »weil der Herr oft einem Jüngeren offenbart, was das Bessere ist« (3,3). Diese Anordnung macht eine vor fast fünfzehn Jahrhunderten geschriebene »Regel« überraschend modern! Ein Mensch mit öffentlicher Verantwortung, auch in kleinen Bereichen, muß immer auch ein Mensch sein, der hinzuhören weiß und aus dem, was er hört, zu lernen vermag.

Benedikt bezeichnet die »Regel« als eine »einfache Regel als Anfang« (
RB 73,8); in Wirklichkeit bietet sie jedoch nützliche Anweisungen nicht nur für die Mönche, sondern auch für all jene, die auf ihrem Weg zu Gott eine Anleitung suchen. Durch ihr Maß, ihre Menschlichkeit und ihre nüchterne Unterscheidung zwischen dem Wesentlichen und dem Zweitrangigen im geistlichen Leben konnte sie ihre erhellende Kraft bis heute aufrechterhalten. Als Paul VI. am 24. Oktober 1964 den hl. Benedikt zum Patron Europas erklärte, wollte er damit das wunderbare Werk anerkennen, das von dem Heiligen durch die »Regel« für die Formung der Zivilisation und der europäischen Kultur vollbracht worden ist. Heute ist Europa - das gerade aus einem Jahrhundert gekommen ist, das von zwei Weltkriegen tief verletzt worden ist, und nach dem Zusammenbruch der großen Ideologien, die sich als tragische Utopien erwiesen haben - auf der Suche nach seiner Identität. Um eine neue und dauerhafte Einheit zu schaffen, sind die politischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Instrumente sicher wichtig, aber es ist auch notwendig, eine ethische und geistliche Erneuerung zu erwecken, die aus den christlichen Wurzeln des Kontinents schöpft; andernfalls kann man Europa nicht wieder aufbauen. Ohne diesen Lebenssaft bleibt der Mensch der Gefahr ausgesetzt, der alten Versuchung zu erliegen, sich selbst erlösen zu wollen - eine Utopie, die auf verschiedene Weise im Europa des 20. Jahrhunderts, wie Papst Johannes Paul II. festgestellt hat, »einen Rückschritt ohnegleichen in der gequälten Geschichte der Menschheit« verursacht hat (Insegnamenti, XIII/1, 1990, S. 58). Hören wir auf der Suche nach dem wahren Fortschritt auch heute die »Regel« des hl. Benedikt als ein Licht für unseren Weg. Der große Mönch bleibt ein wahrer Lehrmeister, in dessen Schule wir die Kunst lernen können, den wahren Humanismus zu leben.

Heute möchte ich zu euch über den heiligen Benedikt von Nursia, den Vater des abendländischen Mönchtums, sprechen. Über sein Leben berichtet uns Papst Gregor der Große, der diesem „Mann Gottes“ im zweiten Buch seiner „Dialoge“ ein hagiographisches Denkmal gesetzt hat. Um 480 bei Nursia in Umbrien geboren, kam Benedikt zum Studium nach Rom. Des städtischen Treibens und Lebensstils überdrüssig und getragen vom Wunsch, Gott zu gefallen, zog er sich bald in die Einsamkeit zurück. Die Jahre des Eremitenlebens in Subiaco sind für Benedikt eine Zeit der Prüfung, der Reifung und der Überwindung tiefster Versuchungen des Menschseins. Im Jahre 529 gründete der Heilige sein berühmtes Kloster auf der Anhöhe von Montecassino, wo er 547 verstarb. Durch sein Wirken, vor allem durch seine Mönchsregel, hat Benedikt entscheidenden Einfluß auf die Formung der europäischen Kultur und Zivilisation ausgeübt. 1964 hat Papst Paul VI. ihn zum Patron Europas erklärt. Benedikt beschreibt in seiner Regel das Kloster als „Schule für den Dienst des Herrn“. Dabei nimmt das Gebet, ohne das es keine Gotteserfahrung gibt, einen zentralen Platz ein. Aus dem betenden Hinhören auf Gott muß aber konkretes Handeln folgen. Nicht um eine ichbezogene Selbstverwirklichung geht es beim monastischen Leben, sondern um die aufrichtige Suche nach Gott und die nach dem Beispiel Christi in Glauben und Liebe geübte Demut. So kann der Mensch immer mehr Christus ähnlich werden und seiner Bestimmung als Geschöpf nach dem Abbild Gottes gerecht werden.
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Von Herzen heiße ich alle deutschsprachigen Audienzteilnehmer willkommen; einen besonderen Gruß richte ich heute an die Alumnen des "Collegium Orientale" in Eichstätt. Und natürlich begrüße ich auch besonders die Leserreise des Traunsteiner Wochenblattes. Folgen wir dem Rat des hl Benedikt: "Der Liebe zu Christus nichts vorziehen". Dann finden wir zu einem erfüllten, zu einem wirklichen Menschenleben; und wir können so zur Erneuerung der Gesellschaft aus dem christlichen Glauben beitragen. Der Herr segne euch alle.



Mittwoch, 30. April 2008: Apostolische Reise in die Vereinigten Staaten von Amerika

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Liebe Brüder und Schwestern!

Obgleich schon einige Tage seit meiner Rückkehr vergangen sind, möchte ich dennoch die heutige Katechese gewohnheitsgemäß der Apostolischen Reise widmen, die ich vom 15. bis 21. April bei der Organisation der Vereinten Nationen und in den Vereinigten Staaten von Amerika unternommen habe. Ich erneuere vor allem den Ausdruck meiner herzlichen Dankbarkeit an die Bischofskonferenz der Vereinigten Staaten sowie auch an Präsident Bush für die Einladung und für den warmherzigen Empfang, den sie mir bereitet haben. Aber in mein »Danke« möchte ich alle einschließen, die mich in Washington und New York begrüßt und ihre Liebe zum Papst bekundet haben oder die mich durch das Gebet und die Darbringung ihrer Opfer begleitet haben. Der Anlaß des Besuches war bekanntlich der 200. Jahrestag der Erhebung der ersten Diözese des Landes, Baltimore, in den Rang einer Erzdiözese mit Metropolitansitz und die Errichtung der Bischofssitze von New York, Boston, Philadelphia und Louisville. Ich hatte also die Freude, zu diesem typisch kirchlichen Gedenktag zum ersten Mal als Nachfolger des Petrus persönlich das geliebte Volk der Vereinigten Staaten von Amerika zu besuchen, um die Katholiken im Glauben zu stärken, die Brüderlichkeit mit allen Christen zu erneuern und zu mehren und allen die Botschaft von »Christus, unserer Hoffnung« - wie der Leitspruch der Reise lautete - zu verkünden.

Bei der Begegnung mit dem Herrn Präsidenten in seiner Residenz hatte ich Gelegenheit, jenem großen Land meine Ehrerbietung zu bezeigen, das seit seinen Anfängen auf der Grundlage einer glücklichen Verbindung zwischen religiösen, ethischen und politischen Prinzipien errichtet wurde und bis heute ein gültiges Beispiel für eine gesunde Laizität darstellt, wo die religiöse Dimension in der Vielfalt ihrer Ausdrucksformen nicht nur toleriert, sondern als »Seele« der Nation und grundlegende Garantie der Rechte und Pflichten des Menschen zur Geltung gebracht wird. In diesem Umfeld kann die Kirche ihren Auftrag der Evangelisierung und der Förderung des Menschen und auch jene des »kritischen Gewissens« frei und engagiert erfüllen, wodurch sie zum Aufbau einer menschenwürdigen Gesellschaft beiträgt und zugleich ein Land wie die Vereinigten Staaten, auf das alle als einen der Hauptakteure auf der internationalen Bühne blicken, zur globalen Solidarität, die immer notwendiger und dringender wird, und zur geduldigen Anwendung des Dialogs in den internationalen Beziehungen anregt.

Bei der Begegnung mit den Bischöfen im Nationalheiligtum der Unbefleckten Empfängnis in Washington standen natürlich die Sendung und Rolle der kirchlichen Gemeinschaft im Mittelpunkt. In dem liturgischen Rahmen des Vespergottesdienstes haben wir den Herrn gepriesen für den Weg, den das Volk Gottes in den Vereinigten Staaten zurückgelegt hat, für den Eifer seiner Hirten und für die Hingabe und Großherzigkeit seiner Gläubigen, die sich in der hohen und offenen Achtung des Glaubens und in unzähligen karitativen und humanitären Initiativen innerhalb und außerhalb des Landes zeigt. Gleichzeitig habe ich meine Mitbrüder im Bischofsamt in ihrer nicht leichten Aufgabe unterstützt, das Evangelium in einer Gesellschaft auszusäen, die von nicht wenigen Widersprüchen gekennzeichnet ist, welche auch das konsequente Verhalten der Katholiken und des Klerus bedrohen. Ich habe sie ermutigt, zu den aktuellen moralischen und sozialen Fragen ihre Stimme hören zu lassen und die gläubigen Laien zu bilden, damit sie ein guter »Sauerteig« in der Zivilgesellschaft sind, angefangen bei der Grundzelle, der Familie. In diesem Sinn habe ich sie ermahnt, das Ehesakrament erneut als Geschenk und unauflösliche Verpflichtung zwischen einem Mann und einer Frau vorzuschlagen, als natürlichen Raum für die Annahme und Erziehung der Kinder. Die Kirche und die Familie müssen mit der Schule - besonders den Schulen christlicher Prägung - zusammenarbeiten, um den jungen Menschen eine solide moralische Erziehung zu bieten; doch bei dieser Aufgabe haben auch die Vertreter der Massenmedien und der Unterhaltungsindustrie eine große Verantwortung. Als ich auf die schmerzlichen Vorfälle des sexuellen Mißbrauchs von Minderjährigen durch geweihte Amtsträger einging, habe ich den Bischöfen meine Nähe zum Ausdruck bringen und ihnen Mut zusprechen wollen für ihre Aufgabe, die Wunden zu heilen und die Beziehungen zu ihren Priestern zu stärken. Bei der Beantwortung einiger der von den Bischöfen gestellten Fragen konnte ich manche wichtige Aspekte herausheben: die tiefe innere Beziehung zwischen dem Evangelium und dem »natürlichen Sittengesetz«; die gesunde Auffassung von Freiheit, die in der Liebe verstanden und verwirklicht wird; die kirchliche Dimension der christlichen Erfahrung; die Erfordernis, besonders den jungen Menschen auf neue Weise das »Heil« als Fülle des Lebens zu verkünden und zum Gebet zu erziehen, aus dem die großherzigen Antworten auf den Ruf des Herrn aufkeimen.

Bei der großen, festlichen Eucharistiefeier im »Nationals Park Stadium« in Washington haben wir den Heiligen Geist auf die ganze Kirche in den Vereinigten Staaten von Amerika herabgerufen, auf daß sie, fest verwurzelt in dem von den Vätern weitergegebenen Glauben und zutiefst vereint und erneuert, sich den gegenwärtigen und zukünftigen Herausforderungen mit Mut und Hoffnung stellen möge - mit jener Hoffnung, die »nicht zugrunde gehen läßt; denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist« (
Rm 5,5). Eine dieser Herausforderungen ist gewiß die Erziehung, und deshalb bin ich in der »Catholic University of America« den Rektoren der katholischen Universitäten und Colleges, den diözesanen Verantwortlichen für die Lehre und den Vertretern der Dozenten und Studenten begegnet. Die Aufgabe der Erziehung ist integraler Bestandteil der Sendung der Kirche, und die kirchliche Gemeinschaft in den Vereinigten Staaten hat sich immer sehr in dieser Aufgabe engagiert und damit gleichzeitig dem ganzen Land einen großen sozialen und kulturellen Dienst erwiesen. Es ist wichtig, daß dies weitergehen kann. Und ebenso wichtig ist es, sich um die Qualität der katholischen Institute zu kümmern, damit man in ihnen wirklich gemäß »dem Maß der Reife« Christi (vgl. Ep 4,13) in der Verbindung von Glaube und Vernunft, Freiheit und Wahrheit ausgebildet werde. Mit Freude habe ich daher die Ausbilder in ihrem wertvollen Einsatz der intellektuellen Nächstenliebe bestärkt.

In einem Land wie den Vereinigten Staaten von Amerika mit seiner multikulturellen Berufung haben die Begegnungen mit den Vertretern anderer Religionen eine besondere Bedeutung angenommen: in Washington im Kulturzentrum »John Paul II« mit den Juden, Muslimen, Hindu, Buddhisten und Jainisten; in New York der Besuch in der Synagoge. Sehr herzliche Augenblicke - besonders dieser letztere -, die den gemeinsamen Einsatz für den Dialog und die Förderung des Friedens und der geistlichen und moralischen Werte bestätigt haben. In jenem Land, das als die Heimat der Religionsfreiheit betrachtet werden kann, habe ich daran erinnert, daß diese immer mit einträchtiger Bemühung verteidigt werden müsse, um jede Form von Diskriminierung und Vorurteil zu vermeiden. Und ich habe die große Verantwortung der Religionsführer hervorgehoben, sowohl bei der Erziehung zur Achtung und Gewaltlosigkeit als auch bei der Aufgabe, die tiefsten Fragen des menschlichen Gewissens lebendig zu erhalten. Auch die ökumenische Feier in der Pfarrkirche »Saint Joseph« war von großer Herzlichkeit gekennzeichnet. Zusammen haben wir zum Herrn gebetet, daß er in den Christen die Fähigkeit vermehre, auch verbunden mit einer immer größeren Einheit Rechenschaft zu geben über die eine große Hoffnung, die sie erfüllt (vgl. 1P 3,15), aufgrund des gemeinsamen Glaubens an Jesus Christus.

Ein weiteres Hauptziel meiner Reise war der Besuch im UNO-Hauptquartier: der vierte Besuch eines Papstes nach Paul VI. im Jahr 1965 und Johannes Paul II. in den Jahren 1979 und 1995. Zum 60. Jahrestag der »Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte« hat mir die Vorsehung die Gelegenheit gegeben, in der breitesten und angesehensten übernationalen Versammlung den Wert dieser Erklärung zu bekräftigen, wobei ich an ihre universale Grundlage erinnerte, nämlich die Würde des Menschen, der von Gott nach seinem Bild und Gleichnis geschaffen worden ist, um in der Welt an seinem großen Plan des Lebens und des Friedens mitzuarbeiten. Wie der Friede, so ist auch die Achtung der Menschenrechte in der »Gerechtigkeit« verwurzelt, das heißt in einer für alle Zeiten und alle Völker gültigen ethischen Ordnung, die sich in der berühmten Maxime »Tue den anderen nichts, was du nicht möchtest, daß man dir tun soll« zusammenfassen läßt, oder positiv mit den Worten Jesu ausgedrückt: »Alles, was ihr also von anderen erwartet, das tut auch ihnen!« (Mt 7,12). Auf dieser Grundlage, die den typischen Beitrag des Heiligen Stuhls zur Organisation der Vereinten Nationen darstellt, habe ich den wirkungsvollen Einsatz der katholischen Kirche, zur Stärkung der von den Prinzipien der Verantwortung und Solidarität geprägten internationalen Beziehungen beizutragen, erneut bekräftigt und tue das auch heute.

Tief eingeprägt haben sich mir auch die anderen Momente meines Aufenthalts in New York. In der »Saint-Patrick-Cathedral« mitten in Manhattan - wahrlich ein »Haus des Gebets für alle Völker« - habe ich die heilige Messe für die Priester und Ordensleute gefeiert, die aus allen Teilen des Landes gekommen waren. Ich werde nie vergessen, mit welcher Wärme sie mir ihre Glückwünsche zum dritten Jahrestag meiner Wahl auf den Stuhl Petri bekundet haben. Es war ein bewegender Augenblick, in dem ich auf spürbare Weise die ganze Unterstützung der Kirche für mein Amt erfahren habe. Das gleiche kann ich von der Begegnung mit den Jugendlichen und den Seminaristen sagen, die am Diözesanseminar stattgefunden hat; vorausgegangen war ein sehr bedeutsames Treffen mit behinderten Kindern und Jugendlichen und ihren Familien. Den Jugendlichen, die von Natur aus nach Wahrheit und Liebe dürsten, habe ich einige Männer- und Frauengestalten vorgestellt, die in beispielhafter Weise auf amerikanischem Boden für das Evangelium Zeugnis abgelegt haben: für das Evangelium der Wahrheit, das frei macht in der Liebe, im Dienst, im Leben, das für die anderen eingesetzt wird. Wenn die jungen Menschen den heutigen Dunkelheiten, die ihr Leben bedrohen, ins Auge schauen, können sie in den Heiligen das Licht finden, das diese Finsternis vertreibt: das Licht Christi, Hoffnung für jeden Menschen! Diese Hoffnung, die stärker ist als die Sünde und der Tod, hat den bewegenden Augenblick beseelt, den ich in der Stille am Krater des »Ground Zero« verbrachte, wo ich eine Kerze angezündet und für alle Opfer jener schrecklichen Tragödie gebetet habe.

Schließlich fand mein Besuch in der Eucharistiefeier im »Yankee Stadium« in New York seinen Höhepunkt: Ich trage jenes Fest des Glaubens und der Brüderlichkeit, mit dem wir den 200. Jahrestag der ältesten Diözesen Nordamerikas gefeiert haben, noch im Herzen. Die kleine Herde der Anfangszeit hat sich enorm entwickelt und ist durch den Glauben und die Traditionen der folgenden Einwanderungswellen bereichert worden. Ich hatte die Freude, jener Kirche, die jetzt vor den Herausforderungen der Gegenwart steht, erneut Christus zu verkünden, unsere Hoffnung gestern, heute und in Ewigkeit.

Liebe Brüder und Schwestern, ich lade euch ein, euch mir anzuschließen im Dank für das ermutigende Gelingen dieser Apostolischen Reise und Gott durch die Fürsprache der Jungfrau Maria zu bitten, daß sie reiche Frucht für die Kirche in Amerika und überall auf der Welt bringen möge.

Auch wenn seit meiner Rückkehr aus den Vereinigten Staaten von Amerika schon etwas Zeit vergangen ist, möchte ich im Rahmen dieser Audienz auf meine Reise nach Washington sowie nach New York und zum dortigen Hauptsitz der Organisation der Vereinten Nationen zurückblicken. Die ereignisreichen Tage vom 15. bis zum 21. April standen unter dem Motto „Christus unsere Hoffnung“. Mein Ziel war es, als Nachfolger Petri meine Brüder und Schwestern im Glauben an den Auferstanden zu stärken und zu einem geisterfüllten Dienst an ihren Mitmenschen und an der Gesellschaft zu ermutigen. Die zahlreichen, auch für mich persönlich bereichernden Begegnungen und liturgischen Feiern kann ich hier nur kurz ansprechen: der Empfang im Weißen Haus, das Treffen mit den Bischöfen und mit den Professoren und den Studierenden katholischer Bildungseinrichtungen, die heilige Messe im Stadion von Washington, der Austausch mit Vertretern anderer Religionen, besonders mit unseren jüdischen Brüdern und Schwestern, die ökumenische Vesper, die Ansprache bei den Vereinten Nationen anläßlich des 60. Jahrestags der Menschenrechtserklärung, die Eucharistiefeier mit Priestern und Ordensleuten in der St.-Partricks-Kathedrale, die stillen Minuten des Gebets am Ground Zero in Manhatten, das Jugend- und Seminaristentreffen und schließlich der Abschlußgottesdienst im Stadion von New York.

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Einen frohen Gruß richte ich an die Pilger und Besucher aus den deutschsprachigen Ländern, darunter heute besonders an eine Gruppe vom Bund Katholischer Unternehmer. Beten wir, daß diese jüngste Apostolische Reise reiche Frucht bringe und daß der Heilige Geist, den wir in den Tagen vor Pfingsten mit der ganzen Kirche erwarten, unseren Glauben erneuere. Der Herr segne euch und eure Familien.



Mittwoch, 7. Mai 2008

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Begrüßungsworte des Hl. Vaters an den Katholikos Karekin II.



Es ist für mich eine große Freude, heute Seine Heiligkeit Katholikos Karekin II., den Obersten Patriarchen und Katholikos aller Armenier, und die ihn begleitende hohe Delegation zu begrüßen. Eure Heiligkeit, ich bete darum, daß das Licht des Heiligen Geistes Ihre Pilgerreise zu den Gräbern der Apostel Petrus und Paulus, die wichtigen Begegnungen, die Sie hier haben werden, und insbesondere unsere persönlichen Gespräche erleuchten möge. Ich bitte alle, die heute hier anwesend sind, um Gottes Segen für diesen Besuch zu beten.

Eure Heiligkeit, ich danke Ihnen für Ihren persönlichen Einsatz in der wachsenden Freundschaft zwischen der armenisch-apostolischen Kirche und der katholischen Kirche. Im Jahr 2000 kamen Sie schon bald nach Ihrer Wahl nach Rom, um Papst Johannes Paul II. zu treffen, und ein Jahr später empfingen Sie ihn freundlich im Heiligen Etschmiadzin. Sie kamen noch einmal nach Rom, um zusammen mit vielen Kirchenführern aus Ost und West an den Begräbnisfeierlichkeiten für Papst Johannes Paul II. teilzunehmen. Ich bin sicher, daß dieser Geist der Freundschaft in den kommenden Tagen weiter vertieft werden wird.

In einer Außennische der Petersbasilika befindet sich eine schöne Statue des hl. Gregor des Erleuchters, des Gründers der armenischen Kirche. Sie soll uns an die schweren Verfolgungen erinnern, die die armenischen Christen, besonders im vergangenen Jahrhundert, erlitten haben. Armeniens viele Märtyrer sind ein Zeichen der Kraft des Heiligen Geistes, der in Zeiten der Dunkelheit am Werk ist, und ein Unterpfand der Hoffnung für die Christen überall.

Eure Heiligkeit, liebe Bischöfe und liebe Freunde, zusammen mit euch bitte ich durch die Fürsprache des hl. Gregor des Erleuchters Gott den Allmächtigen, uns zu helfen, in der Einheit zu wachsen, in einem einzigen heiligen Band des christlichen Glaubens, der Hoffnung und der Liebe.
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Pfingsten

Liebe Brüder und Schwestern!

Wie ihr seht, ist heute vormittag Seine Heiligkeit Katholikos Karekin II., Oberster Patriarch und Katholikos aller Armenier, in Begleitung einer hohen Delegation unter uns. Ich bringe erneut meine Freude über die Möglichkeit zum Ausdruck, ihn heute vormittag empfangen zu dürfen: seine heutige Anwesenheit stärkt in uns die Hoffnung auf die volle Einheit aller Christen. Ich nehme gern die Gelegenheit wahr, ihm auch für den freundlichen Empfang zu danken, den er vor kurzem in Armenien meinem Kardinalstaatssekretär bereitet hat. Ebenso erinnere ich mich gern an den unvergeßlichen Besuch, den der Katholikos im Jahr 2000, kurz nach seiner Wahl, Rom abstattete. Bei der Begegnung mit ihm übergab ihm mein geliebter Vorgänger Johannes Paul II. eine kostbare Reliquie des hl. Gregor des Erleuchters und reiste wenig später nach Armenien, um den Besuch des Katholikos zu erwidern.

Der Einsatz der Apostolischen Armenischen Kirche für den ökumenischen Dialog ist bekannt, und ich bin sicher, daß auch der jetzige Besuch des verehrten Obersten Patriarchen und Katholikos aller Armenier zur Intensivierung der Beziehungen brüderlicher Freundschaft beitragen wird, die unsere Kirchen verbinden. Diese Tage der unmittelbaren Vorbereitung auf das Hochfest Pfingsten regen uns dazu an, die Hoffnung auf die Hilfe des Heiligen Geistes zu stärken, um auf dem Weg des Ökumenismus voranzukommen. Wir haben die Gewißheit, daß uns Jesus, der Herr, bei der Suche nach der Einheit niemals verläßt, da sein Geist unermüdlich am Werk ist, um unsere Anstrengungen zu unterstützen, die darauf ausgerichtet sind, jede Spaltung zu überwinden und jeden Riß in dem lebendigen Gefüge der Kirche zu heilen.

Gerade das versprach Jesus den Jüngern in den letzten Tagen seiner Sendung auf Erden, wie wir soeben in dem Abschnitt aus dem Evangelium gehört haben: Er sicherte ihnen den Beistand des Heiligen Geistes zu, den er senden würde, damit er sie weiterhin seine Gegenwart spüren lasse (vgl. Jn 14,16-17). Diese Verheißung wurde Wirklichkeit, als Jesus nach der Auferstehung in den Abendmahlssaal eintrat, die Jünger mit den Worten begrüßte »Friede sei mit euch«, sie anhauchte und zu ihnen sagte: »Empfangt den Heiligen Geist!« (Jn 20,22). Er verlieh ihnen die Vollmacht, die Sünden zu vergeben. Der Heilige Geist erscheint hier also als Kraft der Sündenvergebung, der Erneuerung unserer Herzen und unseres Daseins; und auf diese Weise macht er die Erde neu und schafft Einheit, wo zuvor Spaltung herrschte. Am Pfingstfest zeigt sich der Heilige Geist dann durch andere Zeichen: durch das Zeichen eines Sturmwindes, durch Feuerzungen und das Sprechen der Apostel in allen Sprachen. Das ist ein Zeichen dafür, daß die babylonische Zersplitterung - Ergebnis des Hochmuts, der die Menschen trennt - in dem Geist, der Liebe ist und Einheit in der Verschiedenheit spendet, überwunden ist. Die Kirche spricht vom ersten Augenblick ihres Bestehens an in allen Sprachen - durch die Kraft des Heiligen Geistes und der Feuerzungen - und lebt in allen Kulturen; sie zerstört nichts von den verschiedenen Gaben, von den verschiedenen Charismen, sondern faßt alles in einer großen und neuen Einheit zusammen, die versöhnt: Einheit und Vielgestaltigkeit.

Der Heilige Geist, der die ewige Liebe ist, das Band der Einheit in der Dreifaltigkeit, eint die zerstreuten Menschen durch seine Kraft in der göttlichen Liebe und bringt auf diese Weise die vielgestaltige und große Gemeinschaft der Kirche in der ganzen Welt hervor. In den Tagen nach der Himmelfahrt des Herrn bis zum Pfingstsonntag waren die Jünger mit Maria im Abendmahlssaal zum Gebet versammelt. Sie wußten, daß sie nicht selbst die Kirche schaffen und organisieren konnten: die Kirche muß aus der göttlichen Initiative entstehen und organisiert werden, sie ist nicht unser Geschöpf, sondern Geschenk Gottes. Und nur so stiftet sie auch Einheit, eine Einheit, die wachsen muß. Allezeit - aber besonders in diesen neun Tagen zwischen Himmelfahrt und Pfingsten - vereinigt sich die Kirche geistig im Abendmahlssaal mit den Aposteln und mit Maria, um unablässig um die Ausgießung des Heiligen Geistes zu beten. Von seinem Sturmwind getrieben, wird sie so imstande sein können, das Evangelium zu verkünden bis an die äußersten Grenzen der Erde.

Das ist der Grund, weshalb die Christen auch angesichts der Schwierigkeiten und Spaltungen nicht resignieren und sich nicht entmutigen lassen dürfen. Das fordert der Herr von uns: Ausharren im Gebet, um die Flamme des Glaubens, der Liebe und der Hoffnung lebendig zu erhalten, von der sich das Streben nach der vollen Einheit nährt. »Ut unum sint!« sagt der Herr. Immer hallt in unserem Herzen diese Einladung Christi wider; eine Einladung, die ich bei meiner jüngsten Apostolischen Reise in die Vereinigten Staaten von Amerika neuerlich aussprechen konnte, wo ich auf die zentrale Stellung des Gebets in der ökumenischen Bewegung Bezug genommen habe. In dieser Zeit der Globalisierung und gleichzeitiger Zersplitterung »würden ohne das Gebet den ökumenischen Einrichtungen, Institutionen und Programmen Herz und Seele genommen« (Ökumenische Begegnung in der Pfarrkirche Saint Joseph in New York, 18. April 2008; O.R. dt. Nr. 18, 2.5.2008, S. 10). Danken wir dem Herrn für die Ziele, die wir im ökumenischen Dialog durch das Wirken des Heiligen Geistes erreicht haben; hören wir weiterhin fügsam auf seine Stimme, damit unsere von Hoffnung erfüllten Herzen ohne Unterlaß den Weg weitergehen, der zur vollen Gemeinschaft aller Jünger Christi führt.

Der hl. Paulus erinnert uns im Brief an die Galater: »Die Frucht des Geistes aber ist Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Selbstbeherrschung« (5,22-23). Das sind die Gaben des Heiligen Geistes, um die auch wir heute für alle Christen bitten, damit sie im gemeinsamen und hochherzigen Dienst am Evangelium in der Welt Zeichen der Liebe Gottes für die Menschheit sein können. Richten wir vertrauensvoll den Blick auf Maria, Heiligtum des Heiligen Geistes, und beten wir mit ihrer Hilfe: »Komm, Heiliger Geist, erfülle die Herzen deiner Gläubigen, und entzünde in ihnen das Feuer deiner Liebe«. Amen!

Der Besuch des Katholikos aller Armenier, Seiner Heiligkeit Karekin II., den wir mit Freude heute unter uns begrüßen, stärkt uns alle in der Hoffnung auf die volle Einheit aller Christen und trägt gewiß dazu bei, die freundschaftlichen Bande zwischen unseren beiden Kirchen zu festigen. In diesen Tagen vor Pfingsten beten wir in besonderer Weise um die Gabe des Heiligen Geistes. Wir dürfen darauf vertrauen, daß der Heilige Geist unsere Bemühungen, die Trennungen zu überwinden, unterstützt. Christus hat den Jüngern den Beistand des Heiligen Geistes als Unterpfand seiner Gegenwart zugesichert. Am Ostertag hat der Auferstandene den Aposteln den Heiligen Geist geschenkt; diese Gabe ist am Pfingsttag offenbar geworden. Die Kirche befindet sich sozusagen immer in einer pfingstlichen Situation. Im Abendmahlssaal versammelt, betet sie beharrlich um die stets neue Ausgießung des Geistes. Der Herr will, daß wir im Gebet ausharren und die Hoffnung auf die volle Einheit lebendig halten: Daß alle eins seien! Das Gebet ist ja die Herzmitte der ökumenischen Bewegung. Danken wir dem Herrn für das schon Erreichte; hören wir folgsam auf seine Stimme, um unentwegt auf dem Weg zur Einheit aller Jünger Christi voranzuschreiten. Bitten wir um die Gaben des Geistes, damit wir durch den gemeinsamen Einsatz für das Evangelium in der Welt ein Zeichen der Liebe Gottes zu den Menschen sein können.

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Sehr herzlich heiße ich die Pilger aus den Ländern deutscher Sprache willkommen. Einen besonderen Gruß richte ich an die Eltern, Verwandten und Gäste der Schweizergardisten, die anläßlich der Vereidigung der neuen Rekruten nach Rom gekommen sind. Ebenso grüße ich die Abordnung des Österreichischen Fußballbundes. Heute haben wir einen Fußballtag: Es ist nämlich auch Inter da, die wichtige italienische Mannschaft, und wir freuen uns darüber. Der Heilige Geist hilft uns, als Christen Zeugnis zu geben und Gutes zu wirken. Der Herr begleite euch und eure Lieben alle Tage mit seiner Gnade.




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