Generalaudienzen 2005-2013 31110

Mittwoch, 3. November 2010: Marguerite d’Oingt

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Liebe Brüder und Schwestern!

Mit Marguerite d’Oingt, über die ich heute sprechen möchte, werden wir in die Karthäuserspiritualität eingeführt, die sich an der Kernbotschaft des Evangeliums orientiert, die der hl. Bruno lebte und vorschlug. Wir kennen ihr Geburtsjahr nicht, aber einige setzen es um 1240 an. Marguerite entstammt einer mächtigen Familie von altem Adel aus der Gegend von Lyon, den Oingt. Wir wissen, daß ihre Mutter ebenfalls Marguerite hieß und daß sie zwei Brüder hatte - Guiscard und Louis - sowie drei Schwestern: Catherine, Isabelle und Agnès. Letztere wird ihr ins Kloster, in die Kartause, folgen und dann ihre Nachfolge als Priorin antreten.

Wir haben keine Nachrichten über ihre Kindheit, aber ihren Schriften können wir entnehmen, daß sie ruhig verlief, in einem liebevollen familiären Umfeld. Um die grenzenlose Liebe Gottes zu beschreiben, benutzt sie nämlich sehr gern Bilder, die mit der Familie verbunden sind, insbesondere mit den Gestalten des Vaters und der Mutter. In einer ihrer Betrachtungen betet sie: »Gütigster Herr, wenn ich nur an die besonderen Gnaden denke, die du mir in deiner Fürsorge erwiesen hast: wie du mich vor allem von Kindheit an behütet hast und wie du mich der Gefahr dieser Welt entrissen und mich berufen hast, mich deinem heiligen Dienst zu widmen, und wie du mich mit allem versorgt hast, was ich brauchte: Essen, Trinken, Kleidung und Schuhe - auf eine Weise, die mir keine Gelegenheit gab, bei all diesen Dingen an etwas anderes zu denken als an deine große Barmherzigkeit« (Marguerite d’Oingt, Pagina meditationum, Meditation V,100).

Ihren Betrachtungen entnehmen wir auch, daß sie als Antwort auf den Ruf des Herrn in die Kartause von Poleteins eintrat. Sie verließ alles und nahm die strenge Kartäuserregel an, um ganz dem Herrn zu gehören und immer bei ihm zu sein. Sie schreibt: »Gütiger Herr, ich habe meinen Vater und meine Mutter und meine Geschwister und alle Dinge dieser Welt aus Liebe zu dir verlassen; aber das ist sehr wenig, denn die Reichtümer dieser Welt sind nichts als stechende Dornen, und je mehr man davon besitzt, desto unglücklicher ist man. Mir scheint also, daß ich nichts als Elend und Armut verlassen habe. Aber du weißt, gütiger Herr: Wenn ich tausend Welten besäße und nach Gutdünken darüber verfügen könnte, würde ich alles verlassen aus Liebe zu dir; und auch wenn du mir alles gäbest, was du im Himmel und auf Erden besitzt, würde mich das nicht zufriedenstellen, solange ich dich nicht habe, denn du bist das Leben meiner Seele; weder habe ich, noch will ich Vater und Mutter haben außer dir« (Meditation II,32).

Auch über ihr Leben in der Kartause haben wir nur wenige Anhaltspunkte. Wir wissen, daß sie 1288 die vierte Priorin wurde. Dieses Amt hatte sie bis zu ihrem Tod am 11. Februar 1310 inne. Ihre Schriften zeigen jedoch keine besonderen Wendepunkte in ihrem geistlichen Weg auf. Sie versteht das ganze Leben als einen Weg der Reinigung bis zur völligen Gleichgestaltung mit Christus. Christus ist das Buch, das täglich in das eigene Herz und in das eigene Leben eingeschrieben, eingeprägt werden muß, besonders sein heilbringendes Leiden. In der Schrift Speculum betont Marguerite, die über sich selbst in der dritten Person spricht, daß sie durch die Gnade des Herrn »das heilige Leben, das Gott, Jesus Christus, auf Erden führte, sein gutes Vorbild und seine gute Lehre in ihr Herz eingeprägt hatte. Sie hatte den gütigen Jesus Christus so sehr in ihr Herz geschlossen, daß es ihr sogar schien, daß er bei ihr sei und ein verschlossenes Buch in Händen hielt, um sie zu unterweisen« (I,2-3). »In diesem Buch fand sie das Leben niedergeschrieben, das Jesus Christus auf Erden führte, von seiner Geburt bis zur Himmelfahrt« (I,12). Täglich widmet sich Marguerite vom frühen Morgen an dem Studium dieses Buches. Und als sie es gut betrachtet hat, beginnt sie, im Buch ihres eigenen Gewissens zu lesen, das die Falschheiten und Lügen ihres Lebens offenbart (vgl. I,6-7); sie schreibt über sich, um anderen zu nützen und um in ihrem Herzen die Gnade der Gegenwart Gottes tiefer zu verankern. Sie sorgt dafür, daß ihr Leben jeden Tag durch die Auseinandersetzung mit den Worten und dem Wirken Jesu, mit dem Buch seines Lebens geprägt wird. So soll sich das Leben Christi für immer tief in der Seele einprägen, bis sie das Buch von innen sehen, also das Geheimnis des dreifaltigen Gottes betrachten kann (vgl. II,14-22; II,23-40).

Durch ihre Schriften läßt uns Marguerite einen Blick auf ihre Spiritualität werfen und gestattet uns, einige Züge ihrer Persönlichkeit und ihrer Führungsgabe zu erfassen. Sie ist eine sehr gebildete Frau; gewöhnlich schreibt sie in Latein, der Sprache der Gelehrten, aber sie schreibt auch in Franko-Provenzalisch, und auch das ist eine Seltenheit: So sind ihre Schriften die ersten in dieser Sprache, die überliefert sind. Ihr Leben ist reich an mystischen Erfahrungen, die sie in einfachen Worten beschreibt, wobei das unergründliche Geheimnis Gottes intuitiv erfaßt wird. Sie betont dabei die Grenzen des Verstandes, es zu erfassen, und die Unzulänglichkeit der menschlichen Sprache, es zum Ausdruck zu bringen. Sie hat eine geradlinige, einfache, offene Persönlichkeit, die Güte und Herzlichkeit ausstrahlt, mit großem innerem Gleichgewicht und scharfem Verstand. Sie ist fähig, in die Tiefen des menschlichen Geistes einzudringen, seine Grenzen und heiklen Punkte zu erkennen, aber auch das Verlangen, das Streben der Seele nach Gott. Sie zeigt eine herausragende Führungsgabe und verbindet ihr tiefes mystisches und geistliches Leben mit dem Dienst an den Schwestern und an der Gemeinschaft. In diesem Sinn ist ein Abschnitt aus einem Brief an ihren Vater aufschlußreich: »Mein gütiger Vater, ich teile Euch mit, daß ich so beschäftigt bin mit allem, was in unserem Haus nötig ist, daß es mir nicht möglich ist, mich in guten Gedanken zu ergehen; ich habe so viel zu tun, daß ich nicht weiß, wohin ich mich wenden soll. Wir haben im siebten Monat des Jahres keinen Weizen geerntet, und unsere Weinfelder sind vom Sturm verwüstet worden. Außerdem ist unsere Kirche in einem so schlechten Zustand, daß wir sie teilweise erneuern müssen« (Briefe, III,14).

Eine Kartäuserin beschreibt Marguerite folgendermaßen: »Durch ihr Werk offenbart sich uns eine faszinierende Persönlichkeit, mit wachem, auf die Spekulation ausgerichtetem Verstand und gleichzeitig mystisch begnadet: kurz gesagt, eine heilige und weise Frau, die mit einem gewissen Humor eine vollkommen geistliche Herzlichkeit zum Ausdruck zu bringen vermag« (Una Monaca Certosina, Certosine, in Dizionario degli Istituti di Perfezione , Rom
Rm 1975, Sp. 777). In der Dynamik des mystischen Lebens schätzt Marguerite die Erfahrung der durch die Gnade gereinigten natürlichen Zuneigung als vorrangiges Mittel, um das göttliche Wirken tiefer zu verstehen und ihm bereitwilliger und leidenschaftlicher zu entsprechen. Der Grund liegt darin, daß der Mensch als Abbild Gottes geschaffen und daher berufen ist, mit Gott eine wunderbare Liebesgeschichte aufzubauen, indem er sich von seiner Initiative vollkommen einbeziehen läßt.

Der dreifaltige Gott, der Gott, der die Liebe ist und der sich in Christus offenbart, zieht sie an, und Marguerite lebt in einer tiefen Liebesbeziehung zum Herrn. Im Gegensatz dazu sieht sie die menschliche Undankbarkeit bis hin zur Niederträchtigkeit, zum Paradox des Kreuzes. Sie sagt, daß das Kreuz Christi dem Geburtstisch ähnlich ist. Der Schmerz Jesu am Kreuz wird mit dem einer Mutter verglichen. Sie schreibt: »Die Mutter, die mich im Schoß trug, hat einen Tag oder eine Nacht lang sehr gelitten, als sie mich zur Welt brachte, aber du, gütigster Herr, bist für mich nicht nur einen Nacht oder einen Tag, sondern über 30 Jahre lang gemartert worden […]; wie bitter hast du das ganze Leben hindurch wegen mir gelitten! Und als der Augenblick der Geburt kam, waren deine Wehen so schmerzhaft, daß dein heiliger Schweiß gleichsam zu Blutstropfen wurde, die über deinen ganzen Leib zur Erde liefen « (Meditation I,33). Wenn Marguerite sich die Berichte über das Leiden Jesu vor Augen führt, betrachtet sie diesen Schmerz mit tiefem Mitleid: »Du wurdest so auf das harte Bett des Kreuzes gelegt, daß du dich nicht regen oder umdrehen oder deine Glieder bewegen konntest, wie es ein Mensch tut, der großen Schmerz leidet, denn du warst ganz ausgestreckt und dir wurden Nägel eingeschlagen […] und […] all deine Muskeln und deine Adern wurden zerrissen […] Aber all diese Schmerzen […] genügten dir noch nicht: Eine Lanze sollte so grausam in deine Seite gestoßen werden, daß dein gefügiger Leib völlig zerfurcht und entstellt wurde; und dein kostbares Blut strömte mit solcher Macht hervor, daß es eine breite Bahn bildete, als sei es ein großer Bach«. Mit Bezug auf Maria sagt sie: »Kein Wunder, daß das Schwert, das deinen Leib zerteilt hat, auch in das Herz deiner glorreichen Mutter eingedrungen ist, die dich so gerne stützte […], denn deine Liebe war größer als jede andere Liebe« (Meditation II,36 - 39.42).

Liebe Freunde, Marguerite d’Oingt lädt uns ein, täglich das Leben des Schmerzes und der Liebe Jesu und seiner Mutter Maria zu betrachten. Hier ist unsere Hoffnung, der Sinn unseres Daseins. Aus der Betrachtung der Liebe Christi zu uns kommen die Kraft und die Freude, mit ebenso großer Liebe zu antworten und unser Leben in den Dienst Gottes und am Nächsten zu stellen. Mit Marguerite sagen auch wir: »Gütiger Herr, all das, was du aus Liebe zu mir und zum ganzen Menschengeschlecht vollbracht hast, fordert mich auf, dich zu lieben. Die Erinnerung an dein allerheiligstes Leiden schenkt jedoch meiner Liebe eine Kraft ohnegleichen, dich zu lieben. Mir scheint also […], daß ich das gefunden habe, wonach ich mich so sehr sehnte: nichts anderes zu lieben als dich oder in dir oder um deiner Liebe willen« (Meditation II,46).

Auf den ersten Blick scheint diese Gestalt einer mittelalterlichen Kartäuserin sowie ihr ganzes Leben und Denken uns, unserem Leben, unserem Denken und Handeln sehr fernzustehen. Wenn wir jedoch auf das Wesentliche dieses Lebens blicken, dann sehen wir, daß es auch uns betrifft, und es sollte auch in unserem Leben wesentlich werden.

Wir haben gehört, daß Marguerite den Herrn als Buch betrachtet hat, daß sie ihren Blick auf den Herrn geheftet, ihn als Spiegel betrachtet hat, in dem auch das eigene Gewissen sichtbar wird. Und aus diesem Spiegel ist Licht in ihre Seele gekommen: Sie hat das Wort, das Leben Christi in ihr Sein hineingelassen und wurde so verwandelt; das Gewissen wurde erleuchtet, hat Maßstäbe und Licht gefunden und wurde gereinigt. Genau das brauchen auch wir: Wir müssen das Wort, das Leben, das Licht Christi in unser Gewissen hineinlassen, damit dieses erleuchtet wird, damit es versteht, was wahr und gut und was schlecht ist; damit unser Gewissen erleuchtet und gereinigt wird. Unrat gibt es nicht nur auf einigen Straßen der Welt. Unrat gibt es auch in unseren Gewissen und in unseren Seelen. Nur das Licht des Herrn, seine Kraft und seine Liebe reinigen uns und zeigen uns den richtigen Weg. Folgen wir also der hl. Marguerite in ihrem auf Jesus gerichteten Blick. Lesen wir im Buch seines Lebens, lassen wir uns erleuchten und reinigen, um das wahre Leben zu lernen. Danke.
* * *


Ganz herzlich begrüße ich die Pilger und Besucher deutscher Sprache, und natürlich heute besonders die Seminaristen des Erzbischöflichen Studienseminars St. Michael in Traunstein, mein eigenes Seminar, wie ihr wißt. Marguerite d’Oingt sei uns ein Vorbild, der Liebe Gottes zu uns mit einem freudigen Einsatz für unsere Mitmenschen zu antworten. Der Herr begleite euch auf allen euren Wegen.





Audienzhalle

Mittwoch, 10. November 2010: Apostolische Reise nach Santiago de Compostela und Barcelona

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Liebe Brüder und Schwestern!

Heute möchte ich mit euch Rückschau halten auf die Apostolische Reise nach Santiago de Compostela und Barcelona, die ich am vergangenen Samstag und Sonntag unternehmen durfte. Ich habe mich dorthin begeben, um meine Brüder im Glauben zu stärken (vgl.
Lc 22,32); ich habe dies als Zeuge des auferstandenen Herrn getan, als Sämann der Hoffnung, die nicht zugrundegehen läßt, weil sie ihren Ursprung in der unendlichen Liebe Gottes zu allen Menschen hat.

Die erste Station war Santiago. Von der Willkommenszeremonie an konnte ich die Zuneigung erfahren, die die Bevölkerung Spaniens dem Nachfolger Petri entgegenbringt. Ich wurde wirklich mit großer Begeisterung und Herzlichkeit empfangen. In diesem Heiligen Jahr von Compostela wollte ich als Pilger unter zahlreichen anderen Pilgern jenes berühmte Heiligtum aufsuchen. Ich konnte das »Haus des Apostels Jakobus des Älteren« besuchen, der all jenen, die der Gnade bedürftig dort ankommen, immer wieder sagt, daß Gott in die Welt gekommen ist, um sie durch Christus mit sich zu versöhnen, indem er den Menschen ihre Verfehlungen nicht anrechnete.

In der beeindruckenden Kathedrale von Santiago de Compostela, wo ich tiefbewegt den Heiligen umarmt habe, wie es der Tradition entspricht, dachte ich daran, daß diese Geste der Annahme und der Freundschaft auch dazu dient, die Zustimmung zu seinem Wort und die Teilhabe an seiner Sendung zum Ausdruck zu bringen: ein starkes Zeichen für den Willen, sich an der apostolischen Botschaft auszurichten. Einerseits verpflichtet sie uns, treue Hüter der Frohen Botschaft zu sein, die die Apostel weitergegeben haben, ohne der Versuchung nachzugeben, sie zu verändern, zu verkürzen oder anderen Interessen zu unterwerfen, und andererseits macht sie uns alle zu unermüdlichen Verkündigern des Glaubens an Christus, durch das Wort und das Lebenszeugnis in allen Bereichen der Gesellschaft.

Als ich die Zahl der Pilger sah, die an der feierlichen Messe teilnahmen, der ich zu meiner Freude in Santiago vorstehen durfte, dachte ich darüber nach, was so viele Menschen bewegt, die tägliche Arbeit niederzulegen und den Bußweg nach Compostela anzutreten, einen manchmal langen und mühsamen Weg: Es ist der Wunsch, zum Licht Christi zu gelangen, nach dem sie sich aus tiefstem Herzen sehnen, auch wenn sie es oft nicht gut in Worten ausdrücken können. In Augenblicken der Verwirrung, der Suche, der Schwierigkeiten und mit dem Wunsch, den Glauben zu stärken und konsequenter zu leben, treten die Jakobspilger einen tiefen Weg der Umkehr zu Christus an, der die Schwachheit, die Sünde der Menschheit, das Elend der Welt auf sich genommen und dorthin getragen hat, wo das Böse keine Macht mehr hat, wo das Licht des Guten alles erleuchtet. Es ist ein Volk stiller Wanderer, die aus allen Teilen der Welt kommen und die altehrwürdige mittelalterliche und christliche Tradition der Pilgerreise wiederentdecken, indem sie durch Dörfer und Städte gehen, die vom katholischen Glauben durchdrungen sind.

In jener Eucharistiefeier, der sehr viele Gläubige mit tiefer Teilnahme und Hingabe beiwohnten, habe ich innig darum gebetet, daß jene, die nach Santiago pilgern, das Geschenk erhalten mögen, zu wahren Zeugen Christi zu werden, den sie an den Kreuzungspunkten der eindrucksvollen Wege nach Compostela wiederentdeckt haben. Ich habe auch darum gebetet, daß die Pilger auf den Spuren zahlreicher Heiliger, die im Laufe der Jahrhunderte den »Jakobsweg« beschritten haben, seine wahre religiöse und geistliche Bedeutung als Bußweg weiterhin lebendig erhalten mögen, ohne der Banalität, dem Zeitvertreib, den Modeerscheinungen zu erliegen. Jener Weg, eine Verknüpfung von Wegen, die weite Gebiete durchziehen und ein Netz bilden, das die Iberische Halbinsel und Europa überzieht, war und ist Begegnungsstätte von Männern und Frauen verschiedenster Herkunft, die vereint sind in der Suche nach dem Glauben und nach der Wahrheit über sich selbst. Er weckt tiefgehende Erfahrungen des Teilens, der Brüderlichkeit und der Solidarität.

Gerade der Glaube an Christus gibt Santiago de Compostela seinen Sinn. Es ist ein spirituell außergewöhnlicher Ort, der auch weiterhin Bezugspunkt ist für das heutige Europa in seinen neuen Gestaltungen und Perspektiven. Die Wahrung und Stärkung der Öffnung zur Transzendenz sowie ein fruchtbarer Dialog zwischen Glauben und Vernunft, zwischen Politik und Religion, zwischen Wirtschaft und Ethik, wird es gestatten, ein Europa aufzubauen, das seinen unverzichtbaren christlichen Wurzeln treu ist und so seiner Berufung und Sendung in der Welt vollkommen entsprechen kann. Überzeugt von den enormen Möglichkeiten des europäischen Kontinents und im Vertrauen auf seine hoffnungsvolle Zukunft habe ich daher Europa aufgefordert, sich Gott immer mehr zu öffnen und so die Aussichten auf eine wirklich respektvolle und solidarische Begegnung mit den Völkern und Zivilisationen der anderen Kontinente zu fördern.

Am Sonntag hatte ich dann die wirklich große Freude, in Barcelona der Weihe der Kirche der »Sagrada Familia« vorzustehen, die ich zur »Basilica minor« erhoben habe. Die Betrachtung der Großartigkeit und Schönheit jenes Bauwerks, das einlädt, den Blick und das Herz in die Höhe, zu Gott, zu erheben, führte mich in Gedanken zu den großen Gotteshäusern, wie den mittelalterlichen Kathedralen, die die Geschichte und die Gestalt der wichtigsten Städte Europas zutiefst geprägt haben. Jenes wunderschöne Bauwerk - das überreich ist an religiöser Symbolik, kostbar in der Durchdringung der Formen, faszinierend durch das Spiel von Licht und Farben -, gleichsam eine enorme steinerne Skulptur, Frucht des tiefen Glaubens, der geistlichen Sensibilität und der künstlerischen Begabung von Antoni Gaudí, verweist auf das wahre Heiligtum, den Ort des wirklichen Gottesdienstes, den Himmel, in den Christus hineingegangen ist, um für uns vor Gottes Angesicht zu erscheinen (vgl. He 9,24). Der geniale Architekt hat es verstanden, in jenem herrlichen Gotteshaus das Geheimnis der Kirche wunderbar darzustellen, in die die Gläubigen durch die Taufe eingegliedert sind, um als lebendige Steine zu einem geistigen Haus aufgebaut zu werden (vgl. 1P 2,5).

Die Kirche »Sagrada Familia« wurde von Gaudí als eine große Katechese über Jesus Christus, als Lobgesang auf den Schöpfer konzipiert und geplant. In dieses großartige Bauwerk hat er seine Schöpferkraft gesteckt, im Dienst des Schönen. Die außerordentliche Ausdrucks- und Symbolkraft der Formen und der künstlerischen Motive sowie die innovativen architektonischen und bildhauerischen Techniken beschwören den höchsten Quell aller Schönheit herauf. Der berühmte Architekt betrachtete diese Arbeit als eine Sendung, in die seine ganze Person eingebunden war. Von dem Augenblick an, in dem er den Auftrag zum Bau dieser Kirche annahm, war sein Leben von einem tiefen Wandel geprägt. So unterzog er sich einer tiefen Praxis des Gebets, des Fastens und der Armut und verspürte die Notwendigkeit, sich geistlich bereit zu machen, um in der materiellen Wirklichkeit das unergründliche Geheimnis Gottes zum Ausdruck bringen zu können. Man kann sagen, daß Gott, während Gaudí am Bau der Kirche arbeitete, ihn zu seiner Wohnung erbaute (vgl. Ep 2,22), indem er ihn im Glauben stärkte und ihn immer mehr der innigen Vertrautheit mit Christus annäherte. Er ließ sich beständig von der Natur inspirieren, dem Werk des Schöpfers, und widmete sich leidenschaftlich der Kenntnis der Heiligen Schrift und der Liturgie. So konnte er mitten in der Stadt ein Bauwerk errichten, das Gottes würdig und eben deshalb auch des Menschen würdig ist.

In Barcelona habe ich auch das Institut »Nen Déu« besucht, eine seit über 100 Jahren bestehende Einrichtung, die sehr eng mit der Erzdiözese verbunden ist und in der behinderte Kinder und Jugendliche fachkundig und liebevoll betreut werden. Ihr Leben ist kostbar in den Augen Gottes, und sie laden uns unablässig ein, aus unserem Egoismus herauszutreten. In jenem Haus hatte ich Anteil an der Freude und der tiefen und bedingungslosen Liebe der Franziskanerinnen von den Heiligsten Herzen, an der großherzigen Arbeit der Ärzte, der Erzieher und vieler anderer Mitarbeiter und freiwilliger Helfer, die mit lobenswerter Hingabe in jener Einrichtung arbeiten. Ich habe auch den Grundstein eines neuen Hauses gesegnet, das Teil dieser Einrichtung sein wird, wo alles Liebe, Achtung der Person und ihrer Würde sowie tiefe Freude vermittelt, denn der Mensch ist wertvoll durch das, was er ist, nicht nur durch das, was er tut.

Als ich in Barcelona war, habe ich intensiv für die Familien gebetet, Keimzellen und Hoffnung der Gesellschaft und der Kirche. Ich habe dabei auch an die Leidenden gedacht, insbesondere in diesen Augenblicken ernsthafter wirtschaftlicher Schwierigkeiten. Gleichzeitig habe ich auch die Jugendlichen mit eingeschlossen - die mich während des ganzen Besuchs in Santiago und Barcelona mit ihrer Begeisterung und ihrer Freude begleitet haben -, auf daß sie die Schönheit, den Wert und die Verpflichtung der Ehe entdecken, in der ein Mann und eine Frau eine Familie bilden, die das Leben großherzig annimmt und es von seiner Empfängnis bis zu seinem natürlichen Ende begleitet. All das, was getan wird, um Ehe und Familie zu unterstützen und den Notleidenden zu helfen, all das, was die Größe des Menschen und seine unantastbare Würde fördert, trägt zur Vervollkommnung der Gesellschaft bei. In diesem Zusammenhang ist keine Mühe umsonst.

Liebe Freunde, ich danke Gott für die intensiven Tage, die ich in Santiago de Compostela und in Barcelona verbracht habe. Ich bringe erneut dem König und der Königin von Spanien, dem Prinzenpaar von Asturien und allen Autoritäten meinen Dank zum Ausdruck. Ich richte noch einmal einen dankbaren und herzlichen Gruß an meine lieben Mitbrüder, die Erzbischöfe jener beiden Teilkirchen, sowie an ihre Mitarbeiter und an alle, die sich großherzig dafür eingesetzt haben, daß mein Besuch in diesen beiden wundervollen Städten fruchtbar sein möge. Es waren unvergeßliche Tage, die ich stets im Herzen tragen werde! Besonders die beiden Eucharistiefeiern, die sorgfältig vorbereitet waren und von allen Gläubigen intensiv miterlebt wurden - auch durch Gesänge, die sowohl der großen musikalischen Überlieferung der Kirche als auch der Schöpferkraft moderner Autoren entnommen waren -, waren Augenblicke wahrer innerer Freude. Gott vergelte es allen, wie nur er es tun kann; die allerseligste Gottesmutter und der heilige Apostel Jakobus mögen mit ihrem Schutz auch weiterhin ihren Weg begleiten. Im nächsten Jahr werde ich mich, so Gott will, erneut nach Spanien begeben, nach Madrid, zum Weltjugendtag. Ich vertraue schon jetzt diese gute Initiative eurem Gebet an, damit sie für viele junge Menschen eine Gelegenheit sein möge, im Glauben zu wachsen.
* * *


Mit Freude grüße ich die deutschsprachigen Pilger und Besucher, heute besonders den Bund der Historischen Schützenbruderschaft. Nach Kräften wollen wir uns bemühen, die Wohnung Gottes in unseren Herzen zu ehren und seiner Liebe in uns Raum zu geben. Dazu helfe uns allen der Heilige Geist. Euch allen wünsche ich einen gesegneten Aufenthalt hier in Rom.

Grußwort an die Pilger im Petersdom

Die Generalaudienz vom 10. November fand aufgrund der großen Zahl von Pilgern an zwei verschiedenen Orten statt. Bevor der Papst in der vatikanischen Audienzhalle rund 11.000 Besucher aus aller Welt empfing, begab er sich in den Petersdom. Dort erwarteten ihn eine große Pilgergruppe aus Carpineto Romano, dem Geburtsort seines Vorgängers Papst Leo XIII. (1810-1903), sowie mehr als 1.300 Pilger, die an der Tschechischen Nationalwallfahrt teilgenommen haben. Der Heilige Vater rief die tschechischen Pilger auf, auch in einem kirchenfernen Umfeld ein mutiges Zeugnis für das Evangelium abzulegen.






Mittwoch, 17. November 2010: Hl. Juliana von Lüttich

17110 Liebe Brüder und Schwestern!

Auch am heutigen Vormittag möchte ich euch eine Frauengestalt vorstellen, die kaum bekannt ist, der aber die Kirche zu großem Dank verpflichtet ist, nicht nur aufgrund der Heiligkeit ihres Lebens, sondern auch, weil sie durch ihren großen Seeleneifer zur Einführung eines der wichtigsten liturgischen Hochfeste des Jahres beigetragen hat: des Fronleichnamsfestes. Es handelt sich um die hl. Juliana von Cornillon, die auch als die hl. Juliana von Lüttich bekannt ist. Wir besitzen einige Angaben über ihr Leben vor allem durch eine Biographie, die wahrscheinlich von einem zeitgenössischen Kleriker geschrieben wurde und in der verschiedene Zeugnisse von Personen, die die Heilige unmittelbar kannten, zusammengetragen werden.

Juliana wurde zwischen 1191 und 1192 in der Nähe von Lüttich, in Belgien, geboren. Es ist wichtig, diesen Ort hervorzuheben, denn in jener Zeit war die Diözese Lüttich sozusagen ein wahrer »eucharistischer Abendmahlssaal«. Vor Juliana hatten namhafte Theologen dort den herausragenden Wert des Sakraments der Eucharistie erläutert, und in Lüttich gab es auch Gruppen von Frauen, die sich großherzig der Verehrung der Eucharistie und dem eifrigen Kommunionempfang widmeten. Unter der Führung von vorbildlichen Priestern lebten sie in Gemeinschaft und widmeten sich dem Gebet und den Werken der Nächstenliebe.

Als Juliana im Alter von fünf Jahren verwaiste, wurde sie zusammen mit ihrer Schwester Agnes der Obhut der Augustinerinnen des Klosters und Leprosenhospitals Mont-Cornillon anvertraut. Sie wurde vor allem von einer Schwester namens Sapientia erzogen, die ihr geistliches Heranreifen förderte, bis Juliana selbst das Ordensgewand empfing und Augustinerin wurde. Sie erwarb eine beachtliche Bildung und las sogar die Werke der Kirchenväter in lateinischer Sprache, insbesondere den hl. Augustinus und den hl. Bernhard. Außer einer wachen Intelligenz zeigte Juliana von Anfang an einen besonderen Hang zur Kontemplation; sie hatte einen tiefen Sinn für die Gegenwart Christi, die sie erfuhr, indem sie das Sakrament der Eucharistie in besonderer Tiefe lebte und oft über die Worte Jesu nachdachte: »Seid gewiß: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt« (
Mt 28,20).

Mit 16 Jahren hatte sie zum ersten Mal eine Vision, die sich ihr später in der eucharistischen Anbetung mehrmals wiederholte. In der Vision zeigte sich der Mond in seinem vollen Glanz, von einem dunklen Streifen durchquert. Der Herr gab ihr die Bedeutung dieser Erscheinung zu verstehen. Der Mond symbolisierte das Leben der Kirche auf der Erde, die trübe Linie dagegen das Fehlen eines liturgischen Festes, für dessen Einführung Juliana sich tatkräftig einsetzen sollte: ein Fest, bei dem die Gläubigen die Eucharistie anbeten konnten, um den Glauben zu mehren, die Übung der Tugenden zu fördern und die Schmähungen des Allerheiligsten Sakraments zu sühnen.

Etwa 20 Jahre lang hielt Juliana, die in der Zwischenzeit Priorin des Klosters geworden war, diese Offenbarung, die ihr Herz mit Freude erfüllt hatte, geheim. Dann vertraute sie sich zwei weiteren leidenschaftlichen Anbeterinnen der Eucharistie an: der sel. Eva, die als Einsiedlerin lebte, und Isabella, die zu ihr ins Kloster Mont-Corillon gekommen war.

Die drei Frauen schlossen eine Art »geistlichen Bund«, mit dem Anliegen, das Allerheiligste Sakrament zu verherrlichen. Sie wollten auch einen sehr angesehenen Priester, Johannes von Lausanne, Kanoniker der Kirche »Saint-Martin « in Lüttich, mit einbeziehen und baten ihn, Theologen und Kleriker über das zu befragen, was ihnen am Herzen lag. Die Antworten waren positiv und ermutigend.

Was Juliana von Lüttich geschah, kommt im Leben der Heiligen häufig vor: Um die Bestätigung zu erhalten, daß eine Eingebung von Gott kommt, ist es immer nötig, sich ins Gebet zu versenken, geduldig warten zu können, die Freundschaft und die Gegenüberstellung mit anderen guten Seelen zu suchen und alles dem Urteil der Hirten der Kirche zu unterwerfen. Nach anfänglichem Zögern nahm der Bischof von Lüttich, Robert von Thorote, den Vorschlag Julianas und ihrer Gefährtinnen an und führte erstmalig das Fronleichnamsfest in seiner Diözese ein. Später folgten andere Bischöfe seinem Beispiel und setzten dieses Fest in den ihrer Hirtensorge anvertrauten Gebieten ein.

Von den Heiligen verlangt der Herr jedoch oft, Prüfungen zu überwinden, damit ihr Glaube zunimmt. So war es auch bei Juliana, die starken Widerstand von seiten einiger Angehöriger des Klerus sowie des Oberen, dem ihr Kloster unterstand, erdulden mußte. So verließ Juliana aus freiem Willen das Kloster Mont-Corillon mit einigen Gefährtinnen und war zehn Jahre lang, von 1248 bis 1258, in verschiedenen Zisterzienserinnen-Klöstern zu Gast. Sie erbaute alle durch ihre Demut, übte nie Kritik oder Tadel an ihren Gegnern, sondern verbreitete weiterhin eifrig die Verehrung der Eucharistie. Sie starb 1258 in Fossela-Ville in Belgien. In ihrer Zelle war das Allerheiligste Sakrament ausgesetzt, und ihrem Biographen zufolge betrachtete Juliana im Sterben mit letzter liebender Hinwendung den eucharistischen Jesus, den sie stets geliebt, verehrt und angebetet hatte.

Auch Jacques Pantaléon aus Troyes wurde für das gute Anliegen des Fronleichnamsfestes gewonnen; er hatte die Heilige während seiner Amtszeit als Archidiakon in Lüttich kennengelernt. Als er dann mit dem Namen Urban IV. Papst geworden war, setzte er 1264 das Fronleichnamsfest als gebotenen Feiertag für die Universalkirche ein, am Donnerstag nach Pfingsten. In der Einsetzungsbulle mit dem Titel Transiturus de hoc mundo (11. August 1264) verwies Papst Urban sehr zurückhaltend auch auf Julianas mystische Erfahrungen und bestätigte damit ihre Echtheit. So schreibt er: »Wenngleich die Eucharistie jeden Tag gefeiert wird, so halten wir dafür, sie wenigstens einmal im Jahr ehrwürdiger und feierlicher zu begehen. Die anderen Dinge nämlich, derer wir gedenken, begreifen wir mit dem Geist und mit dem Verstand, erhalten aber deshalb nicht ihre Realpräsenz. In dieser sakramentalen Gedächtnisfeier Christi dagegen ist Jesus Christus, wenngleich unter anderer Gestalt, in seiner eigenen Substanz bei uns gegenwärtig. Denn bevor er in den Himmel aufgenommen wurde, sagte er: ›Seid gewiß: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt‹ (Mt 28,20)«.

Der Papst selbst wollte mit gutem Beispiel vorangehen und feierte das Fronleichnamsfest in Orvieto, der Stadt, in der er damals residierte. Auf sein Geheiß hin wurde - und wird noch immer - im Dom der Stadt das berühmte Korporale mit den Spuren des eucharistischen Wunders verwahrt, das ein Jahr zuvor, 1263, in Bolsena geschehen war. Ein Priester wurde während der Wandlung von Brot und Wein von starken Zweifeln an der Realpräsenz von Leib und Blut Christi im Sakrament der Eucharistie befallen. Auf wunderbare Weise begannen einige Blutstropfen aus der geweihten Hostie hervorzuquellen. Auf diese Weise bestätigte sich das, was unser Glaube bekennt. Urban IV. bat einen der größten Theologen der Geschichte, den hl. Thomas von Aquin - er begleitete damals den Papst und befand sich in Orvieto -, die Texte für das liturgische Gebet dieses großen Festes zu verfassen. Sie werden heute noch in der Kirche verwendet: Meisterwerke, in denen Theologie und Poesie miteinander verschmelzen. Es sind Texte, die die Saiten des Herzens in Schwingung versetzen, um dem Allerheiligsten Sakrament Lob und Dank zum Ausdruck zu bringen, während der Verstand staunend in das Geheimnis vordringt und in der Eucharistie die lebendige und wahre Gegenwart Jesu erkennt, seines Liebesopfers, das uns mit dem Vater versöhnt und uns das Heil schenkt.

Zwar wurde nach dem Tod Urbans IV. die Feier des Fronleichnamsfestes auf einige Regionen Frankreichs, Deutschlands, Ungarns und Norditaliens beschränkt, aber ein anderer Papst, Johannes XXII., stellte es 1317 für die ganze Kirche wieder her. Seitdem hat das Fest eine wunderbare Entwicklung erfahren und ist beim christlichen Volk noch immer sehr beliebt. Ich möchte mit Freude darauf hinweisen, daß es heute in der Kirche einen »eucharistischen Frühling« gibt: Wie viele Menschen verweilen still vor dem Tabernakel, um mit Jesus ein liebevolles Gespräch zu führen! Es ist tröstlich zu wissen, daß nicht wenige Gruppen junger Menschen neu entdeckt haben, wie schön es ist, das Allerheiligste Sakrament anzubeten. Ich denke zum Beispiel an unsere eucharistische Anbetung im »Hyde Park« in London. Ich bete darum, daß dieser »eucharistische Frühling« in allen Pfarreien sich immer mehr verbreiten möge, insbesondere in Belgien, der Heimat der hl. Juliana. Der ehrwürdige Diener Gottes Johannes Paul II. stellte in der Enzyklika Ecclesia de Eucharistia fest: »An vielen Orten findet die Anbetung des heiligsten Sakramentes täglich einen weiten Raum und wird so zu einer unerschöpflichen Quelle der Heiligkeit. Die andächtige Teilnahme der Gläubigen an der eucharistischen Prozession am Hochfest des Leibes und Blutes Christi ist eine Gnade des Herrn, welche die teilnehmenden Gläubigen jedes Jahr mit Freude erfüllt. Man könnte noch andere positive Zeichen des Glaubens und der Liebe zur Eucharistie erwähnen« (EE 10).

Indem wir uns an die hl. Juliana von Lüttich erinnern, wollen auch wir den Glauben an die Realpräsenz Christi in der Eucharistie erneuern. Das Kompendium des Katechismus der Katholischen Kirche lehrt uns: »Jesus Christus ist in der Eucharistie auf einzigartige und unvergleichliche Weise gegenwärtig: wirklich, tatsächlich und substantiell, mit seinem Leib und seinem Blut, mit seiner Seele und seiner Gottheit. In der Eucharistie ist also der ganze Christus, Gott und Mensch, auf sakramentale Weise gegenwärtig, das heißt unter den eucharistischen Gestalten von Brot und Wein« (Nr. 282).

Liebe Freunde, die Treue zur Begegnung mit dem eucharistischen Christus in der Sonntagsmesse ist für den Glaubensweg wesentlich, aber wir sollten auch den im Tabernakel gegenwärtigen Herrn oft aufsuchen! Gerade wenn wir die geweihte Hostie anbetend betrachten, zieht uns der Herr zu sich, in sein Geheimnis hinein, um uns zu verwandeln, wie er Brot und Wein verwandelt. Die Heiligen haben in der eucharistischen Begegnung stets Kraft, Trost und Freude gefunden. Mit den Worten des eucharistischen Hymnus Adoro te devote sagen wir immer wieder zum Herrn, der im Allerheiligsten Sakrament anwesend ist: »O gib, daß immer mehr mein Glaub’ lebendig sei, mach meine Hoffnung fest, mach meine Liebe treu!« Danke.

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Von Herzen grüße ich alle Pilger und Besucher deutscher Sprache; besonders heiße ich heute die internationale Chorgemeinschaft der Franz-Liszt-Gesellschaft Eschweiler willkommen. Die Liebe der hl. Juliana zur Eucharistie hat uns das Fest Fronleichnam geschenkt. Auch wir wollen unseren Glauben an die Gegenwart Christi zum einen natürlich in der Mitfeier, aber gerade auch in der Anbetung der heiligen Eucharistie vollziehen, in der wir tiefer in das Geheimnis Christi hineinwachsen, ihn wirklich empfangen lernen, um so von ihm inwendig geformt zu werden. Die Begegnung mit Christus in der Anbetung soll uns allen Freude schenken und uns immer mehr in den Herrn hinein verwandeln. Gott segne euch alle.


Generalaudienzen 2005-2013 31110