ANSPRACHE 2007 Januar 2007 110

110 Liebe verehrte Brüder, pflegt auch weiterhin väterliche und offene Beziehungen zu euren Priestern. Nehmt euch ihrer Probleme an, unterstützt sie und sorgt für ihre spirituelle Formung, indem ihr angemessene Pastoraltreffen, Einkehrtage und Exerzitien für sie fördert. Es freut mich, daß jede eurer Diözesen - den Weisungen des II. Vatikanischen Konzils entsprechend - einen Bildungsplan ausgearbeitet hat, der die weise Zusammenarbeit zwischen alten und jungen Priestern vorsieht, um den unterschiedlichen Anforderungen jedes einzelnen entgegenzukommen. Überbringt diesen euren ersten Mitarbeitern meinen herzlichen Gruß und versichert sie meines Gebets. Vermittelt meine spirituelle Zuneigung auch allen Gläubigen, die eurer pastoralen Sorge anvertraut sind, vor allem den Kranken und Bedürftigen. Für jeden erbitte ich den himmlischen Schutz der schmerzhaften Muttergottes, der Patronin der Slowakei. Mit diesen Empfindungen erteile ich euch, liebe Mitbrüder, von Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen, den ich gerne auch auf die Gläubigen eurer christlichen Gemeinschaften und auf alle Menschen eures geliebten Landes ausweite.

AN DEN PÄPSTLICHEN RAT FÜR DIE KULTUR

Freitag, 15. Juni 2007

Meine Herren Kardinäle,

verehrte Mitbrüder im Bischofs- und Priesteramt,
liebe Brüder und Schwestern!

Mit großer Freude treffe ich euch heute zu diesem bedeutenden Anlaß. Ihr beabsichtigt, des 25. Jahrestages des Päpstlichen Rates für die Kultur zu gedenken, den der Diener Gottes Johannes Paul II. am 20. Mai 1982 mit einem Schreiben an den damaligen Staatssekretär Kardinal Agostino Casaroli ins Leben gerufen hat. Ich grüße alle Anwesenden und vor allem Sie, Herr Kardinal Paul Poupard, und danke Ihnen für die freundlichen Worte, mit denen Sie die Empfindungen aller zum Ausdruck gebracht haben. Ihnen, verehrter Bruder, der Sie den Päpstlichen Rat seit 1988 leiten, gilt meine besondere Dankbarkeit und Anerkennung für die in diesem nicht kurzen Zeitabschnitt geleistete große Arbeit. Mit Erfolg haben Sie Ihre menschlichen und geistlichen Gaben in den Dienst des Dikasteriums gestellt und tun dies weiterhin; dabei haben Sie stets mit Begeisterung jene Aufmerksamkeit bezeugt, welche die Kirche dazu veranlaßt, sich um den Dialog mit den kulturellen Strömungen dieser unserer Zeit zu bemühen. Ihre Teilnahme an zahlreichen internationalen Tagungen und Begegnungen, nicht selten vom Päpstlichen Rat für die Kultur selbst organisiert, hat es Ihnen ermöglicht, das Interesse des Heiligen Stuhls für die weite und vielfältige Welt der Kultur immer eingehender bekanntzumachen. Für all das möchte ich Ihnen wie auch dem Sekretär, den Offizialen und Konsultoren des Dikasteriums nochmals danken.

Das II. Vatikanische Konzil schenkte der Kultur große Aufmerksamkeit, und die pastorale Konstitution Gaudium et spes widmet ihr ein spezielles Kapitel (vgl. 53-62). Die Konzilsväter waren bemüht, jene Perspektive aufzuzeigen, unter der die Kirche die Förderung der Kultur betrachtet und durchführt, denn sie erachtet diese Aufgabe als eine der »besonders schweren Nöte dieser Zeit, welche die Menschheit in hohem Maß bedrängen« (ebd. 46). In ihrer Bezugnahme auf die Welt der Kultur stellt die Kirche in den Mittelpunkt stets den Menschen, sowohl als Schöpfer der kulturellen Tätigkeit wie auch als deren letzten Adressaten. Dem Diener Gottes Paul VI. lag der Dialog der Kirche mit der Kultur sehr am Herzen, und während der Jahre seines Pontifikats kümmerte er sich darum persönlich. Seinen Spuren folgte auch der Diener Gottes Johannes Paul II., der an der Konzilsversammlung teilgenommen und seinen spezifischen Beitrag zu der Konstitution Gaudium et spes geleistet hatte. In seiner denkwürdigen Ansprache an die UNESCO vom 2. Juni 1980 legte er höchst persönlich davon Zeugnis ab, wie sehr es ihm am Herzen lag, dem Menschen auf dem Feld der Kultur zu begegnen, um ihm die Botschaft des Evangeliums zu vermitteln. Zwei Jahre später gründete er den Päpstlichen Rat für die Kultur, der dazu bestimmt war, der Aufgabe der Kirche, das Evangelium der Vielzahl der Kulturen in den verschiedenen Teilen der Welt nahezubringen, einen neuen Impuls zu geben (vgl. Schreiben an Kardinal Casaroli in O.R. dt., Nr. 28, 9.7.1982, S. 8-9).

Mit der Gründung dieses neuen Dikasteriums hob mein verehrter Vorgänger hervor, daß es zur Verwirklichung seiner Ziele unterschiedslos mit allen ohne Unterscheidung von Kultur und Religion sprechen müsse, um gemeinsam »eine kulturelle Kommunikation unter allen Menschen guten Willens« zu suchen (vgl. ebd. S. 9). Die große Wichtigkeit dieses Aspekts des Dienstes, den der Päpstliche Rat für die Kultur leistet, hat sich in den vergangenen 25 Jahren bestätigt, da die gegenseitige Abhängigkeit in der Welt sich verstärkt hat dank der außergewöhnlichen Entwicklung der Kommunikationsmittel und der sich daraus ergebenden Verdichtung des Netzes der gesellschaftlichen Beziehungen. Daher ist es für die Kirche noch dringender geworden, die kulturelle Entwicklung zu fördern und dabei auf die menschliche und geistliche Qualität der Botschaften und Inhalte zu setzen, da auch die Kultur heute unausweichlich unter dem Einfluß der Globalisierungsprozesse steht, die, wenn sie nicht ständig von einer wachsamen Unterscheidungskraft begleitet werden, sich gegen den Menschen richten können und ihn schließlich verarmen, anstatt ihn zu bereichern. Und mit welch großen Herausforderungen muß die Evangelisierung sich doch in diesem Bereich auseinandersetzen!

25 Jahre nach der Gründung des Päpstlichen Rates für die Kultur ist es demnach angebracht, über die Gründe und Zielsetzungen nachzudenken, die seine Entstehung im soziokulturellen Kontext unseres Zeitalters motivierten. Zu diesem Zweck hat der Päpstliche Rat eine Studientagung organisiert, einerseits um über die Beziehung zwischen Evangelisierung und Kultur nachzudenken und andererseits um zu erwägen, wie diese Beziehung heute in Asien, in Amerika und in Afrika zum Ausdruck kommt. Wie könnten wir nicht mit besonderer Genugtuung sehen, daß die drei Beiträge »kontinentalen« Zuschnitts drei Kardinälen jeweils asiatischer, lateinamerikanischer und afrikanischer Herkunft anvertraut worden sind? Ist das nicht eine beredte Bestätigung dafür, wie weit die katholische Kirche zu gehen verstanden hat, angetrieben vom »Wind« des Pfingstereignisses, als Gemeinschaft, die fähig ist, mit der gesamten Familie der Völker einen Dialog zu führen, ja, in ihrer Mitte als »prophetisches Zeichen der Einheit und des Friedens« zu leuchten (vgl. Römisches Meßbuch, Eucharistisches Hochgebet V-D).

Liebe Brüder und Schwestern, die Geschichte der Kirche ist auch untrennbar verbunden mit der Geschichte der Kultur und der Kunst. Werke wie die »Summa theologiae« des hl. Thomas von Aquin, die Göttliche Komödie, die Kathedrale von Chartres, die Sixtinische Kapelle oder die Kantaten von Johann Sebastian Bach sind auf ihre Weise unvergleichbare Synthesen von christlichem Glauben und menschlicher Fähigkeit. Wenn dies aber sozusagen die Höhepunkte einer derartigen Synthese von Glaube und Kultur sind, so verwirklicht sich deren Begegnung tagtäglich im Leben und in der Arbeit aller Getauften, in jenem verborgenen Kunstwerk, das die Liebesgeschichte jedes Menschen mit dem lebendigen Gott und den Brüdern ist, in der Freude und Mühsal der Nachfolge Jesu Christi im alltäglichen Leben.

Mehr denn je ist heute die gegenseitige Öffnung unter den Kulturen ein bevorzugter Boden für den Dialog zwischen Menschen, die sich jenseits aller sie trennenden Divergenzen für die Suche nach einem echten Humanismus einsetzen. Auch auf kulturellem Gebiet hat das Christentum allen die mächtigste Kraft der Erneuerung und Erhebung zu bieten, das heißt die Liebe Gottes, die zu menschlicher Liebe wird. In dem Gründungsschreiben des Päpstlichen Rates für die Kultur schrieb Papst Johannes Paul II.: »Die Liebe ist wie eine große, im Herzen der Kulturen verborgene Kraft, die sie beflügeln soll, über ihre hoffnungslose Begrenztheit hinauszuwachsen, indem sie sich demjenigen öffnen, der ihr Anfang und ihr Ende ist, und ihnen, wenn sie sich seiner Gnade öffnen, Bereicherung und Erfüllung schenken soll« (vgl. O.R. dt., Nr. 28, 9.7.1982, S.8). Möge der Heilige Stuhl dank des vor allem von eurem Dikasterium geleisteten Dienstes auch weiterhin in der gesamten Kirche jene vom Evangelium inspirierte Kultur fördern, die Sauerteig, Salz und Licht des Reiches Gottes inmitten der Menschheit ist.

111 Liebe Brüder und Schwestern, nochmals möchte ich meine aufrichtige Dankbarkeit für die Arbeit des Päpstlichen Rates für die Kultur zum Ausdruck bringen. Euch alle, die ihr hier anwesend seid, versichere ich meines Gebetsgedenkens; ich erbitte die himmlische Fürsprache der allerseligsten Jungfrau Maria, Sedes Sapientiae, und erteile von Herzen Ihnen, Herr Kardinal, den verehrten Mitbrüdern und allen, die sich auf verschiedene Art und Weise für den Dialog zwischen dem Evangelium und den heutigen Kulturen einsetzen, einen besonderen Apostolischen Segen.

BESUCH VON SEINER SELIGKEIT CHRYSOSTOMOS II.,

ERZBISCHOF VON NEOIUSTINIANUM UND GANZ ZYPERN

BEI PAPST BENEDIKT XVI.

Samstag, 16. Juni 2007

1. ANSPRACHE VON PAPST BENEDIKT XVI.

2. GEMEINSAME ÖKUMENISCHE ERKLÄRUNG




Seligkeit und lieber Bruder!

Ich empfange Sie heute mit Freude und höre im Herzen die Worte des Apostels Paulus widerhallen: »Der Gott der Geduld und des Trostes schenke euch die Einmütigkeit, die Christus Jesus entspricht, damit ihr Gott, den Vater unseres Herrn Jesus Christus, einträchtig und mit einem Munde preist« (Rm 15,5-6). Ihr Besuch ist ein Geschenk des Gottes der Geduld und des Trostes, von dem der hl. Paulus sprach, als er sich an diejenigen wandte, die in Rom erstmals die Heilsbotschaft hörten. Wir erfahren heute das Geschenk der Geduld, denn trotz jahrhundertealter Spaltungen, getrennter Wege und trotz der Mühe, schmerzliche Wunden zu heilen, hat der Herr nicht nachgelassen, unsere Schritte auf den Weg der Einheit und der Versöhnung zu führen. Und das ist für uns ein Grund des Trostes, denn unsere heutige Begegnung reiht sich ein in eine intensivere Suche nach dieser von Christus so sehr gewünschten Einheit: »ut omnes unum sint« (vgl. Jn 17,21).

Wir wissen gut, daß die Zustimmung zu diesem brennenden Wunsch des Herrn nicht nur formell mit Worten verkündet werden darf und soll. Deshalb sind Sie, Seligkeit, auf den Spuren des Völkerapostels von Zypern nach Rom nicht nur zu einem »Austausch ökumenischer Höflichkeit« gekommen, sondern um den festen Entschluß zu bekräftigen, im Gebet zu verharren, bis der Herr uns zeigt, wie wir zur vollen Gemeinschaft gelangen. Ihr Besuch ist zugleich Grund großer Freude, denn schon durch unsere Begegnung können wir die Schönheit der gewünschten vollen Einheit der Christen spüren.

Danke, Seligkeit, für diese Geste der Wertschätzung und der brüderlichen Freundschaft. In Ihrer Person grüße ich den Hirten einer alten, ehrwürdigen Kirche, eines glänzenden Steines jenes herrlichen Mosaiks, des Ostens, der, einem beliebten Ausdruck des Dieners Gottes Johannes Pauls II. ehrwürdigen Angedenkens nach, einer der beiden Lungen ist, mit denen die Kirche atmet. Ihre willkommene Anwesenheit erinnert mich an die glühende Predigt des Apostels Paulus in Zypern (vgl. Ac 13,4ff.) und an die abenteuerliche Reise, die ihn bis nach Rom führte, wo er das Evangelium verkündete und sein leuchtendes Glaubenszeugnis mit dem Märtyrertod besiegelte. Lädt uns die Erinnerung an den Völkerapostel nicht ein, in Demut und Hoffnung unser Herz Christus zuzuwenden, der unser einziger Lehrer ist? Mit seinem göttlichen Beistand dürfen wir nicht müde werden, gemeinsam die Wege der Einheit zu suchen, indem wir die Schwierigkeiten überwinden, die im Laufe der Geschichte zwischen den Christen Spaltungen und gegenseitiges Mißtrauen geschaffen haben. Der Herr gewähre uns, daß wir bald zum gleichen Altar treten dürfen, um alle zusammen den einen Tisch des eucharistischen Brotes und Weines zu teilen.

Indem ich sie empfange, lieber Bruder im Herrn, möchte ich die alte und ehrwürdige Kirche von Zypern ehren, die reich an Heiligen ist, unter denen ich gerne Barnabas hervorheben möchte, den Begleiter und Mitarbeiter des Apostels Paulus, sowie Epiphanios, Bischof von Konstantia, einst Salamis, heute Famagosta. Epiphanius übte seinen bischöflichen Dienst 35 Jahre lang in einer stürmischen Zeit der Kirche aus wegen des Arianismus und der Streitfragen der »pneumatòmachi«; er schrieb Bücher mit einem klaren katechetischen und apologetischen Ziel, wie er selbst in seinem Ancoratus erklärt. Dieser interessante Traktat enthält zwei Glaubensbekenntnisse, das nizäno-konstantinopolitanische und das Bekenntnis der Täufertradition von Konstantia, das dem nizänischen Glauben entspricht, aber anders formuliert und erweitert ist und »mehr geeignet ist« - schrieb Epiphanios -, »die aufkommenden Irrtümer zu bekämpfen, denn es gleicht dem Glauben, der festgelegt wurde von den vorgenannten heiligen Vätern« des Konzils von Nizäa (Ancoratus, Nr. 119). Darin - so erklärt er - bekräftigen wir den Glauben »an den Heiligen Geist, den Geist Gottes, den vollkommenen Geist, den Tröstergeist, nicht geschaffen, der vom Vater ausgeht und vom Sohn nimmt, dem Gegenstand unseres Glaubens« (ebd.).

Als guter Hirte zeigt Epiphanios der ihm von Christus anvertrauten Herde die Wahrheiten, die zu glauben sind, den Weg, der zu gehen ist, und die Klippen, die zu meiden sind. Das ist eine Methode, die auch heute für die Verkündigung des Evangeliums gilt, besonders bei den jungen Generationen, die stark unter dem Einfluß von Denkströmungen stehen, die dem Geist des Evangeliums widersprechen. Die Kirche findet sich heute, am Anfang des 3. Jahrtausends, vor Herausforderungen und Probleme gestellt, die sich von denen, die Epiphanios vorfand, nicht sehr unterscheiden. So wie damals gilt es auch heute, aufmerksam zu wachen und das Volk Gottes vor falschen Propheten, vor Irrlehren und vor der Oberflächlichkeit von Angeboten zu warnen, die nicht der Lehre des göttlichen Meisters, unseres einzigen Erlösers, entsprechen. Zugleich ist es dringend notwendig, neue Ausdrucksweisen für die Verkündigung des Glaubens zu entdecken, der uns verbindet; eine gemeinsame Sprache, eine spirituelle Sprache, die imstande ist, die geoffenbarten Wahrheiten getreu zu vermitteln, und die uns hilft, die Einheit unter allen Gliedern des einen Leibes Christi in der Wahrheit und Liebe wiederherzustellen. Diese Notwendigkeit, die wir alle spüren, drängt uns, nicht den Mut zu verlieren, sondern den theologischen Dialog insgesamt zwischen der katholischen Kirche und der orthodoxen Kirche unermüdlich weiterzuführen. Sie gibt uns Orientierung, um gültige und feststehende Mittel zu verwenden, damit die Suche nach Gemeinschaft in Leben und Sendung unserer Kirchen nicht unterbrochen oder nur gelegentlich geführt wird.

Angesichts dieses schwierigen Werkes, das uns erwartet und das die menschlichen Fähigkeiten übersteigt, ist es notwendig, vor allem auf das Gebet zu vertrauen. Das enthebt aber nicht von der Pflicht, auch jedes geeignete menschliche Mittel anzuwenden, das diesem Zweck dienen kann. In dieser Sicht betrachte ich Ihren Besuch als eine äußerst nützliche Initiative, die uns auf die von Christus gewollte Einheit zugehen läßt. Wir wissen, daß diese Einheit ein Geschenk und eine Frucht des Heiligen Geistes ist; aber wir wissen auch, daß sie zugleich eine beständige Anstrengung erfordert und von einem festen Willen und einer unerschütterlichen Hoffnung auf die Macht des Herrn beseelt sein muß. Haben Sie also Dank, Seligkeit, daß Sie gekommen sind und mich mit den Brüdern in Ihrer Begleitung besuchen; danke für diese Präsenz, die den Wunsch, gemeinsam die volle Einheit zu suchen, konkret zum Ausdruck bringt. Ich meinerseits versichere Ihnen, daß ich diesen von fester Hoffnung gestützten Wunsch teile. Ja, »der Gott der Geduld und des Trostes schenke euch die Einmütigkeit, die Christus Jesus entspricht«. So wenden wir uns vertrauensvoll an den Herrn, damit er unsere Schritte auf den Weg des Friedens, der Freude und der Liebe lenke.



GEMEINSAME ERKLÄRUNG


»Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus: Er hat uns mit allem Segen seines Geistes gesegnet durch unsere Gemeinschaft mit Christus im Himmel« (Ep 1,3).

1. Wir, Benedikt XVI., Papst und Bischof von Rom, und Chrysostomos II., Erzbischof von Neoiustinianum und ganz Zypern, danken Gott mit Freude für diese brüderliche Begegnung im gemeinsamen Glauben an den auferstandenen Christus, voller Hoffnung für die Zukunft der Beziehungen zwischen unseren Kirchen. Dieser Besuch hat uns feststellen lassen, daß diese Beziehungen sowohl auf lokaler Ebene als auch im Bereich des theologischen Dialogs zwischen der katholischen Kirche und der orthodoxen Kirche als ganzer gewachsen sind. Zu diesem Dialog hat die Delegation der Kirche von Zypern stets einen positiven Beitrag geleistet, als sie unter anderem 1983 dem Koordinierungsausschuß der Gemischten Internationalen Kommission für den theologischen Dialog Gastfreundschaft gewährte, so daß die katholischen und orthodoxen Mitglieder, außer die anstrengende Vorbereitungsarbeit zu tätigen, die großen künstlerischen und spirituellen Reichtümer der Kirche Zypern besuchen und bewundern konnten.

112 2. Bei dem glücklichen Anlaß unserer brüderlichen Begegnung an den Gräbern der hll. Petrus und Paulus, der »Koryphäen« der Apostel, wie sie die liturgische Überlieferung nennt, wollen wir im Gehorsam gegenüber dem Willen Unseres Herrn Jesus Christus in gemeinsamer Übereinstimmung unsere aufrichtige und feste Bereitschaft erklären, die Suche nach der vollen Einheit unter allen Christen zu verstärken und hierzu jede uns mögliche und für das Leben unserer Gemeinden für nützlich gehaltene Kraft aufzuwenden. Wir wünschen uns, daß die katholischen und die orthodoxen Gläubigen Zyperns brüderlich und in der vollen Solidarität leben, die auf dem gemeinsamen Glauben an den auferstandenen Christus gründet. Wir wollen außerdem den theologischen Dialog unterstützen und fördern, der sich durch die zuständige Internationale Kommission anschickt, die schwierigsten Fragen anzugehen, die die Geschichte der Trennung gezeichnet haben. Man muß ein grundsätzliche Vereinbarung zur vollen Gemeinschaft im Glauben, im sakramentalen Leben und in der Ausübung des pastoralen Dienstes erreichen. Diesem Ziel sichern wir unser glühendes Gebet als Bischöfe in der Kirche zu und bitten unsere Gläubigen, sich uns in einer vielstimmigen Anrufung anzuschließen, »daß alle eins seien, damit die Welt glaubt« (Jn 17,21).

3. Bei unserer Begegnung haben wir die historischen Umstände betrachtet, unter denen unsere Kirchen leben. Im besonderen haben wir die Situation der Teilung und der Spannungen untersucht, die seit über dreißig Jahren die Insel Zypern kennzeichnen, mit all den tragischen täglichen Problemen, die auch das Leben unserer Gemeinden und der einzelnen Familien belasten. Wir haben weiter die Situation im Nahen Osten erörtert, wo der Krieg und die Gegensätze zwischen den Völkern sich auszuweiten drohen - mit verheerenden Folgen. Wir haben um den Frieden gefleht, »der von oben kommt«. Unsere Kirchen wollen eine Befriedungsrolle in Gerechtigkeit und Solidarität spielen, und damit das alles geschehen kann, ist es unser Wunsch, die brüderlichen Beziehungen unter allen Christen und einen aufrichtigen Dialog zwischen den verschiedenen, in der Region anwesenden und tätigen Religionen zu fördern. Der Glaube an den einen Gott möge den Menschen dieser alten und berühmten Länder helfen, zu einem freundschaftlichen Zusammenleben in gegenseitiger Achtung und in konstruktiver Zusammenarbeit zurückzufinden.

4. Wir richten daher diesen Appell an alle, die, wo auch immer auf der Welt, die Hand gegen die eigenen Brüder erheben, und fordern sie entschlossen auf, die Waffen niederzulegen und darauf hinzuwirken, daß die vom Krieg verursachten Wunden geheilt werden. Wir laden sie darüber hinaus ein, sich dafür einzusetzen, daß die Menschenrechte immer und in jeder Nation verteidigt werden: Die Achtung des Menschen, Ebenbild Gottes, ist in der Tat für alle eine grundlegende Pflicht. So muß unter die zu schützenden Menschenrechte als vorrangig auch das Recht auf Religionsfreiheit gezählt werden. Es nicht zu respektieren, stellt eine sehr schwere Verletzung der Würde des Menschen dar, der im Innersten des Herzens getroffen wird, wo Gott wohnt. Die Kultstätten irgendeiner Religion zu entweihen, zu zerstören und zu plündern, ist daher ein Akt gegen die Menschlichkeit und die Zivilisation der Völker.

5. Wir haben es nicht versäumt, über eine neue Gelegenheit nachzudenken, die sich für einen intensiveren Kontakt und eine konkretere Zusammenarbeit zwischen unseren Kirchen eröffnet. Der Aufbau der Europäischen Union kommt in der Tat voran, und Katholiken und Orthodoxe sind aufgerufen, zur Schaffung eines Klimas der Freundschaft und Zusammenarbeit beizutragen. In einer Zeit der zunehmenden Säkularisierung und des Relativismus sind Katholiken und Orthodoxe in Europa dazu aufgerufen, ein gemeinsames erneuertes Zeugnis der ethischen Werte zu bieten, immer dazu bereit, von ihrem Glauben an Jesus Christus, den Herrn und Retter, Rechenschaft abzulegen. Die Europäische Union, die sich nicht auf eine rein wirtschaftliche Zusammenarbeit beschränken darf, braucht feste kulturelle Grundlagen, gemeinsame ethische Bezugspunkte und eine Offenheit für die religiöse Dimension. Es gilt, die christlichen Wurzeln Europas, die seine Zivilisation in den Jahrhunderten groß gemacht haben, zu beleben und anzuerkennen, daß die christliche Tradition des Westens und jene des Ostens in diesem Sinn eine gemeinsame wichtige Aufgabe zu erfüllen haben.

6. Bei unserer Begegnung haben wir dann den langen geschichtlichen Weg unserer Kirchen und die große Tradition betrachtet: Sie reicht von der Verkündigung der ersten Jünger, die nach der Verfolgung des Stephanus aus Jerusalem nach Zypern kamen, und über die Fahrt des Paulus entlang der Küsten Zyperns nach Rom, wie die Apostelgeschichte erzählt (vgl. Ac 11,19 27,4ff. ), bis in unsere Tage. Das reiche Glaubenserbe und die feste christliche Tradition unserer Länder müssen Katholiken und Orthodoxe zu einem erneuerten Elan bei der Verkündigung des Evangeliums an unsere Zeit anspornen, um unserer christlichen Berufung treu zu sein und den Erfordernissen der heutigen Welt zu entsprechen.

7. Ernstliche Sorge weckt die Art und Weise, wie mit den Problemen im Bereich der Bioethik umgegangen wird. Es besteht nämlich die Gefahr, daß gewisse Techniken, die in der Absicht konzipiert wurden, berechtigte Bedürfnisse zu erfüllen, im Fall, daß sie auf die Genetik angewandt werden, tatsächlich die Würde des nach Gottes Ebenbild geschaffenen Menschen angreifen. Die Ausbeutung des Menschen, mißbräuchliche Versuche und Experimente einer Biogenetik, die die ethischen Werte nicht respektiert, beleidigen das Leben, richten sich gegen die Unverletzlichkeit und Würde jeder menschlichen Person und können und dürfen in keinem Augenblick ihrer Existenz gerechtfertigt oder erlaubt werden.

8. Gleichzeitig veranlassen uns diese ethischen Überlegungen und die gemeinsame Sorge um das menschliche Leben, jene Nationen, die mit Gottes Gnade bedeutende Fortschritte in Wirtschaft und Technologie erreicht haben, zu ermahnen, ihre Brüder in den von Armut, Hunger und Krankheiten betroffenen Ländern nicht zu vergessen. Wir fordern daher die Verantwortlichen der Nationen auf, im Geist der Solidarität mit den Armen und mit allen Notleidenden der Welt eine gerechte Verteilung der Ressourcen der Erde zu unterstützen und zu fördern.

9. Als ebenso übereinstimmend haben sich unsere Sorgen angesichts der Gefahr der Zerstörung der Schöpfung erwiesen. Der Mensch hat sie empfangen, damit er mit ihr den Plan Gottes verwirklichen könne. Dadurch jedoch, daß sich der Mensch selbst zum Zentrum des Universums erhob, den Auftrag Gottes vergaß und sich in eine egoistische Suche nach dem eigenen Wohlergehen zurückzog, hat er die Umwelt, in der er lebt, verwaltet, indem er Entscheidungen traf, die deren Existenz in Gefahr bringen, während sie von seiten aller, die sie bewohnen, Respekt und Schutz verlangt.

10. Gemeinsam richten wir unser Gebet an den Herrn der Geschichte, daß er das Zeugnis unserer Kirchen stärke, damit die Heilsbotschaft des Evangeliums die jungen Generationen erreiche und zum Licht für alle Menschen werde. Dazu vertrauen wir unsere Wünsche und unsere Bemühungen der Theotokos [»Gottesgebärerin«] an, der Muttergottes Odigitria [»Wegweiserin«], die uns den Weg zu Unserem Herrn Jesus Christus weist.



Aus dem Vatikan, am 16. Juni 2007
Benedictus PP. XVI.


113
Chrysostomos II.



PASTORALBESUCH

VON PAPST BENEDIKT XVI.

IN ASSISI

BEGEGNUNG MIT DEN BAYERISCHEN KAPUZINERINNEN

Sonntag, 17. Juni 2007



Liebe Schwestern,

als wir miteinander, Bischof Sorrentino und ich, diesen Besuch vereinbart haben, habe ich gleich gesagt: »Ich muß aber die bayerischen, die deutschen Kapuzinerinnen sehen.« Die gehören für mich ganz fest zu Assisi, und ich habe so viele schöne Erinnerungen an die Begegnungen in ihrem Haus, vor und nach dem Erdbeben, daß für mich ein Besuch in Assisi ohne Begegnung mit den Kapuzinerinnen, den deutschen, wirklich nur ein halbes Assisi-Erlebnis gewesen wäre. So freue ich mich: Wir sind hier beieinander, fast wie wenn wir in Ihrem eigenen Kloster wären. Ich bin sehr dankbar und glücklich, daß die Vorsehung vor Jahrhunderten dieses Kloster in Gang gebracht hat, daß es immer wieder lebt, daß aus den deutschen Landen, besonders aus den bayerischen Landen, immer wieder junge Menschen hierherkommen und in Gemeinschaft mit dem hl. Franziskus den Weg des Herrn gehen: den Weg der Armut, der Keuschheit, des Gehorsams, vor allem der Weg der Liebe zu Christus und zu seiner Kirche.

Ich weiß, daß Sie viel für mich und für die ganze Kirche beten. Das ist für mich ständig eine Stärkung, zu wissen, daß hinter mir so viele betende Menschen stehen, so viele liebe betende Schwestern stehen, die meine Arbeit von innen her mittragen. So ist es mir auch ein Bedürfnis, ein Wort des Dankes dafür zu sagen. Wir feiern in diesem Jahr die Konversion, die Bekehrung, des hl. Franziskus. Wir wissen, daß wir immer wieder der Bekehrung bedürfen, daß wir ein Leben lang in dem oft mühsamen, aber immer wieder auch schönen Aufstieg der Bekehrungen sind, daß wir so Tag um Tag dem Herrn näherkommen. Der hl. Franziskus zeigt es uns auch, wie er in seinem Leben von dieser ersten tiefen Begegnung mit dem Gekreuzigten in »San Damiano« an immer mehr hineingewachsen ist in die Gemeinschaft mit Christus, bis er in der Stigmatisierung völlig mit ihm eins geworden ist. Darum suchen wir, darum ringen wir, daß wir immer mehr seine Stimme hören, daß sie immer mehr in unser Herz eindringt, daß sie immer mehr unser Leben formt und daß wir so von innen her ihm ähnlich werden, daß in uns die Kirche lebendig sei. Wie Maria lebendige Kirche in Person war, so werdet Ihr durch Euer Beten, Glauben, Hoffen und Lieben lebendige Kirche und gerade so eins mit dem einen Herrn. Vergelt’s Gott für alles. Ich bin dem Herrn wirklich dankbar, daß wir uns hier sehen durften.

Wir haben auch ein kleines Geschenk. (Ich sage natürlich Vergelt’s Gott für die Blumen!) Wir haben ein Bild der Gottesmutter mitgebracht, das dann an den Besuch erinnern soll, bei dem wir uns hier begegnen durften.

Ich glaube ich darf noch ein Lied hören…(Gesang der Schwestern) Vergelt’s Gott! Das ist ein Lied, das wir im Traunsteiner Seminar auch oft gesungen haben und das mich wieder in meine frühe Jugend zurückversetzt und so die ganze Freude am Herrn und an der Muttergottes wieder spüren läßt, die wir damals und jetzt in uns getragen haben und tragen. Ich darf noch den Segen geben.



PASTORALBESUCH VON PAPST BENEDIKT XVI.

IN ASSISI ANLÄSSLICH DER

800-JAHRFEIER DER BEKEHRUNG DES HL. FRANZISKUS

BEGEGNUNG MIT DEM KLERUS UND DEN ORDENSLEUTEN


Kathedrale von "San Rufino"

Sonntag, 17. Juni 2007

Liebe Priester und Diakone, Ordensmänner und Ordensfrauen!


Ich kann aufrichtig sagen, daß es mein großer Wunsch war, euch in dieser altehrwürdigen Kathedrale zu begegnen, in der sich gewöhnlich die Diözesankirche um ihren Bischof versammelt. Heute morgen bin ich während der Eucharistiefeier bei der Basilika des hl. Franziskus inmitten des in seinen verschiedenen Teilen versammelten Gottesvolkes gewesen; es schien mir schön, euch eine besondere Begegnung vorzubehalten, dies auch angesichts der großen Zahl geweihter Personen in dieser Diözese. Ich danke Herrn Bischof Domenico Sorrentino, dem Hirten dieser Kirche, daß er eure Empfindungen der Gemeinschaft und der Zuneigung zum Ausdruck gebracht hat. Diese Zuneigung habe ich auch sofort gespürt. Ich danke sehr herzlich dem emeritierten Bischof Sergio Goretti, der über Jahre hinweg - 25 Jahre lang, wie wir gehört haben - diese Kirche geleitet hat, die sich durch eine lange Geschichte der Heiligkeit auszeichnet. Ich erinnere mich an viele schöne Begegnungen, die wir hier in Assisi hatten. Danke, Exzellenz!

114 Wie ihr wißt und wie Herr Bischof Sorrentino in Erinnerung gerufen hat, ist der Anlaß, der mich heute nach Assisi geführt hat, die 800-Jahr-Feier der Bekehrung des Franziskus. Auch ich habe mich als Pilger auf den Weg gemacht. Bereits als Student und als ich mich später auf einen Lehrstuhl vorbereitete, habe ich den hl. Bonaventura studiert und folglich auch den hl. Franziskus. Schon lange bevor ich Assisi tatsächlich besucht habe, bin ich im Geiste dorthin gepilgert. So freue ich mich, auf dieser langen Pilgerreise meines Lebens heute hier mit euch in der Kathedrale zu sein, mit euch Priestern, Ordensmännern und Ordensfrauen. Ich bin auf den Spuren des »Poverello« gekommen, und so wird er der hauptsächliche Bezugspunkt dessen sein, was ich sage. Aber gerade hier in dieser Kathedrale kann ich die anderen Heiligen nicht unerwähnt lassen, die das Leben dieser Kirche geprägt haben, angefangen bei ihrem Patron, dem hl. Rufinus, zu dem sich der hl. Rainald und der sel. Angelus gesellen. Neben Franziskus steht selbstverständlich Klara, deren Haus sich in der Nähe dieser Kathedrale befand. Ich durfte soeben das Taufbecken sehen, in dem der Überlieferung zufolge sowohl der hl. Franziskus als auch die hl. Klara die Taufe empfingen, ebenso wie später der hl. Gabriel von der Schmerzhaften Gottesmutter.

Diese Tatsache bietet mir den Ausgangspunkt für eine erste Überlegung. Wenn wir heute von der Bekehrung des Franziskus sprechen und dabei an die radikale Lebensentscheidung denken, die er als junger Mann traf, dann dürfen wir nicht vergessen, daß seine erste »Bekehrung« geschah, als er das Geschenk der Taufe empfing. Die vollgültige Antwort, die er als Erwachsener gab, war nichts anderes als der herangereifte Keim der Heiligkeit, den er damals erhalten hatte. Es ist wichtig, daß wir uns in unserem Leben und im seelsorglichen Angebot die mit der Taufe verbundene Dimension der Heiligkeit stärker zu Bewußtsein führen. Sie ist Geschenk und Aufgabe für alle Getauften. Auf diese Dimension nahm mein verehrter und geliebter Vorgänger im Apostolischen Schreiben Novo millennio ineunte Bezug, als er schrieb: »Einen Katechumenen fragen: ›Möchtest du die Taufe empfangen?‹, schließt gleichzeitig die Frage ein: ›Möchtest du heilig werden?‹« (
NM 31).

Den Millionen von Pilgern, die, angezogen vom Charisma des Franziskus, durch diese Straßen gehen, muß man helfen, den wesentlichen Kernpunkt des christlichen Lebens zu erfassen und den »hohen Maßstab«, also die Heiligkeit, anzustreben. Es genügt nicht, daß sie Franziskus bewundern, sondern durch ihn müssen sie Christus begegnen können, um ihn zu bekennen und ihn »mit rechtem Glauben, gefestigter Hoffnung und vollendeter Liebe« zu lieben (Gebet vor dem Kreuzbild von »San Damiano«, 1: FF 276). Immer öfter müssen sich die Christen unserer Zeit der Tendenz entgegenstellen, ein verkürztes Christusbild zu akzeptieren, in dem Christus als außergewöhnlicher Mensch bewundert, aber im tiefen Geheimnis seiner Gottheit abgelehnt wird. Auch Franziskus erfährt eine Art Verkürzung, wenn man ihn als Zeugen für Werte heranzieht, die gewiß wichtig sind und von der heutigen Kultur geschätzt werden, dabei aber vergißt, daß die tiefste Entscheidung - man kann sagen das Herzstück seines Lebens - die Entscheidung für Christus war. In Assisi bedarf es mehr denn je einer pastoralen Linie von hohem Niveau. Dazu ist es notwendig, daß ihr, die Priester und Diakone, und ihr, die Personen des geweihten Lebens, sehr stark das Privileg und die Verantwortung wahrnehmt, an diesem Ort der Gnade zu leben. Es ist wahr, daß die Menschen, die in diese Stadt kommen, allein schon von ihren »Steinen« und von ihrer Geschichte eine Botschaft erhalten, die ihnen guttut. Die Steine sprechen wirklich, aber das entbindet nicht von einem soliden geistlichen Angebot, das auch hilft, den vielen Versuchungen des Relativismus, der die Kultur unserer Zeit prägt, zu begegnen.

Assisi besitzt die Gabe, Menschen vieler Kulturen und Religionen anzuziehen, im Namen eines Dialogs, der einen unverzichtbaren Wert darstellt. Johannes Paul II. hat seinen eigenen Namen mit diesem Bild von Assisi als Stadt des Dialogs und des Friedens verbunden. In diesem Zusammenhang begrüße ich es sehr, daß ihr seine besondere Beziehung zu dieser Stadt auch dadurch ehrt, daß ihr ihm neben der Kathedrale einen Saal mit Malereien, die ihn darstellen, gewidmet habt. Johannes Paul II. sah deutlich, daß die Berufung Assisis zum Dialog an die Botschaft des Franziskus gebunden ist und sich auf die tragenden Säulen seiner Spiritualität stützen muß. Bei Franziskus geht alles von Gott aus und kehrt zu Gott zurück. Sein Lobpreis Gottes offenbart ein Herz, das im ständigen Dialog mit der Dreifaltigkeit steht. Seine Beziehung zu Christus findet in der Eucharistie ihren bedeutendsten Ort. Auch die Nächstenliebe entfaltet sich von der Gotteserfahrung und von der Liebe Gottes her. Als er in seinem Testament sein Zugehen auf die Aussätzigen als das Ereignis darstellte, mit dem seine Bekehrung begann, hob er hervor, daß Gott selbst ihn zu jener barmherzigen Umarmung geführt hat (vgl. 2 Test 2: FF 110). Die verschiedenen biographischen Zeugnisse beschreiben seine Bekehrung übereinstimmend als eine allmähliche Öffnung gegenüber dem Wort, das vom Himmel kommt. Dieselbe Logik wird sichtbar, wenn er aus Liebe zu Gott um Almosen bittet und diese verteilt (vgl. 2 Cel 47,77: FF 665). Sein Blick auf die Natur ist in Wirklichkeit eine Kontemplation des Schöpfers in der Schönheit der Geschöpfe. Auch sein Friedensgruß wird zum Gebet, da ihm offenbart wurde, wie er ihn formulieren sollte: »Der Herr schenke dir den Frieden« (2 Test: FF 121). Franziskus ist ein Mensch, der für die anderen da ist, weil er bis auf den tiefsten Grund ein Mann Gottes ist. Wenn man versucht, in seiner Botschaft die »horizontale« von der »vertikalen« Dimension zu trennen, dann macht man Franziskus unkenntlich.

Ihr, Diener des Evangeliums und des Altars, und ihr, Ordensmänner und Ordensfrauen, habt die Aufgabe, eine Verkündigung des christlichen Glaubens zu entfalten, die den Herausforderungen der heutigen Zeit gewachsen ist. Ihr habt eine große Geschichte, und ich möchte euch meine Anerkennung aussprechen für das, was ihr bereits tut. Wenn ich heute als Papst nach Assisi zurückgekehrt bin, so wißt ihr dennoch, daß ich diese Stadt nicht zum ersten Mal besuche und daß sie mir stets einen wunderschönen Eindruck hinterlassen hat. Eure geistliche und pastorale Tradition muß fest in ihren ewigen Werten verankert bleiben und sich gleichzeitig erneuern, um auf die neuen Fragen eine echte Antwort zu geben. Ich möchte euch daher ermutigen, vertrauensvoll dem Pastoralplan zu folgen, den euer Bischof euch vorgelegt hat. In ihm werden die großen und anspruchsvollen Perspektiven der Gemeinschaft, der Nächstenliebe und der Sendung aufgezeigt, indem hervorgehoben wird, daß sie in einer echten Bekehrung zu Christus verwurzelt sind. Die »lectio divina«, die Zentralität der Eucharistie, das Stundengebet und die eucharistische Anbetung sowie die Betrachtung der Geheimnisse Christi aus der marianischen Sichtweise des Rosenkranzes heraus gewährleisten die Atmosphäre und die geistliche Spannung, ohne die alle pastoralen Initiativen, das Gemeinschaftsleben und selbst der Einsatz für die Armen Gefahr laufen würden, an unseren Schwächen und unserer Kraftlosigkeit zu scheitern.

Nur Mut, meine Lieben! Aus allen Teilen der Erde blickt die Kirche mit besonderer Liebe auf diese Stadt, auf diese kirchliche Gemeinschaft. Der Name des Franziskus und neben ihm der Name der Klara verlangen danach, daß diese Stadt sich durch besonderen missionarischen Schwung auszeichnet. Aber gerade deshalb muß diese Kirche auch aus einer tiefen Erfahrung der Gemeinschaft heraus leben. Aus diesem Blickwinkel muß das Motu Proprio Totius Orbis betrachtet werden, durch das ich verfügt habe, wie euer Bischof bereits erwähnte, daß die großen Päpstlichen Basiliken »San Francesco« und »Santa Maria degli Angeli« auf pastoraler Ebene der Jurisdiktion des Bischofs dieser Kirche unterstellt werden, auch wenn der Heilige Stuhl ihnen durch den Päpstlichen Legaten weiterhin besondere Aufmerksamkeit widmen wird. Ich freue mich wirklich zu erfahren, daß der neue Weg im Zeichen einer großen Bereitschaft und Zusammenarbeit begonnen hat, und bin sicher, daß er reiche Früchte tragen wird.

Aus verschiedenen Gründen war es wirklich an der Zeit, diese Richtung einzuschlagen. Sie war angeraten durch die neue Bedeutung, die das Zweite Vatikanische Konzil der Theologie der Teilkirche gegeben hat, indem es zeigte, daß in der Teilkirche das Geheimnis der Gesamtkirche zum Ausdruck kommt. Die Teilkirchen sind nämlich »nach dem Bild der Gesamtkirche gestaltet … In ihnen und aus ihnen (›in quibus et ex quibus‹) besteht die eine und einzige katholische Kirche« (Konstitution Lumen gentium LG 23). Das Ganze und die einzelnen Teile verweisen gegenseitig aufeinander. Die einzelnen Kirchen leben ihre Identität als »Teile« des Gottesvolkes und bringen gerade so auch die Gemeinschaft und die »Diakonie« gegenüber der Gesamtkirche überall auf der Welt zum Ausdruck, die vom Heiligen Geist beseelt ist und der der Dienst der Einheit des Nachfolgers Petri gilt. Jede Diözese besitzt diese »katholische« Öffnung, die irgendwie alle Dimensionen ihres Lebens prägt. Sie wird jedoch stärker, wenn eine Kirche über ein Charisma verfügt, das über ihre eigenen Grenzen hinaus wirkt und die Menschen anzieht. Und wie sollte man bestreiten, daß das Charisma des Franziskus und seiner Botschaft eben das tut? Die vielen Pilger, die nach Assisi kommen, spornen diese Kirche an, über sich selbst hinauszugehen. Andererseits hat Franziskus unbestreitbar eine besondere Beziehung zu seiner Stadt. Assisi und der Weg der Heiligkeit des großen Sohnes dieser Stadt bilden in gewisser Weise ein Ganzes. Das zeigt auch meine heutige Pilgerreise, die mich an viele, wenn auch gewiß nicht an alle Orte der Lebensgeschichte des Franziskus in dieser Stadt führt. Ich möchte auch betonen, daß die Spiritualität des Franziskus von Assisi sowohl dabei helfen kann, die Universalität der Kirche zu erfassen, die er durch seine besondere Verehrung des Stellvertreters Christi zum Ausdruck brachte, als auch dabei, den Wert der Teilkirche zu begreifen, da seine Bindung an den Bischof von Assisi stark und der eines Sohnes gleich war. Man muß nicht nur den biographischen, sondern auch den »ekklesiologischen« Wert der Begegnung des jungen Franziskus mit dem Bischof Guido wiederentdecken, unter dessen Urteil er seine Lebensentscheidung für Christus stellte und in dessen Hände er sie legte - und so auf alles verzichtete (vgl. 1 Cel I,6,14-15: FF 343-344).

Auch durch den Bedarf nach einer besser koordinierten und wirksameren Pastoralarbeit war es angeraten, eine einheitliche Ordnung herzustellen, wie das Motu Proprio sie gewährleistet. Das Zweite Vatikanische Konzil und das darauf folgende Lehramt haben betont, daß die Personen und die Gemeinschaften des geweihten Lebens, auch die päpstlichen Rechts, sich auf organische Weise und nach Maßgabe ihrer Konstitutionen sowie der Gesetze der Kirche in das Leben der Teilkirche einfügen sollen (vgl. Dekret Christus Dominus, 33-35; CIC 678-680). Diese Gemeinschaften dürfen mit Recht die Annahme und die Achtung ihres Charismas erwarten, sie müssen es aber dennoch vermeiden, wie »Inseln « zu leben, sondern müssen sich mit Überzeugung und Großherzigkeit in den Dienst und in den Pastoralplan einfügen, den der Bischof für die ganze Diözesangemeinschaft aufgestellt hat.

Ich richte einen besonderen Gruß an euch, liebe Priester, die ihr gemeinsam mit den Diakonen Tag für Tag im Dienst des Gottesvolkes steht. Eure Begeisterung, eure Gemeinschaft, euer Gebetsleben und euer großherziger Dienst sind unverzichtbar. Es kann passieren, daß angesichts der neuen Herausforderungen und Schwierigkeiten etwas Ermüdung oder Angst sich einstellen, aber wir müssen darauf vertrauen, daß der Herr uns die notwendige Kraft geben wird, das zu tun, worum er uns bittet. Er wird es - darum beten wir und dessen sind wir gewiß - nicht an Berufungen fehlen lassen, wenn wir inständig im Gebet darum bitten und gleichzeitig Sorge tragen, sie zu suchen und zu bewahren durch eine Jugend und Berufungspastoral, die reich ist an Eifer und an Erfindungsgabe und die die Schönheit des Priesteramts aufzeigen kann. In diesem Zusammenhang grüße ich sehr herzlich auch die Oberen und Alumnen des »Pontificio Seminario Regionale Umbro«.

Ihr, die geweihten Personen, legt mit eurem Leben Zeugnis ab von der Hoffnung, die ihr in Christus gesetzt habt. Für diese Kirche seid ihr ein großer Reichtum, sowohl im Bereich der Gemeindepastoral als auch für die vielen Pilger, die euch oft um Gastfreundschaft bitten und die auch ein geistliches Zeugnis erwarten. Haltet besonders ihr, die Klausurschwestern, die Fackel der Kontemplation hoch. Jeder von euch möchte ich noch einmal wiederholen, was die hl. Klara in einem Brief an Agnes von Böhmen schrieb, als sie diese aufforderte, Christus zu ihrem »Spiegel« zu machen: »In diesen Spiegel schaue täglich, o Königin, Braut Jesu Christi, und spiegle stets in ihm dein Angesicht« (4 Agn 15: FF 2902). Euer verborgenes und dem Gebet geweihtes Leben entzieht euch nicht der missionarischen Dynamik der Kirche, sondern es stellt euch im Gegenteil in ihren Mittelpunkt. Je größer die apostolischen Herausforderungen sind, desto mehr bedarf es eures Charismas. Seid Zeichen der Liebe Christi, auf die alle anderen Brüder und Schwestern schauen können, die den Mühen ausgesetzt sind, die das apostolische Leben und der Einsatz der Laien in der Welt mit sich bringen.

Ich versichere euch voll Vertrauen meiner Zuneigung, und indem ich euch der Fürsprache der allerseligsten Jungfrau Maria und eurer Heiligen anvertraue, angefangen bei Franziskus und Klara, erteile ich allen einen besonderen Apostolischen Segen.

ANSPRACHE 2007 Januar 2007 110