ANSPRACHE 2008 Januar 2008 81

AN DIE BISCHÖFE AUS UNGARN ANLÄSSLICH IHRES "AD-LIMINA"-BESUCHES

Samstag, 10. Mai 2008

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Liebe und verehrte Mitbrüder im Bischofsamt!


Mit großer Freude empfange ich euch alle, die Hirten der Kirche in Ungarn, anläßlich eures Besuchs »ad limina Apostolorum«. Ich begrüße euch sehr herzlich und danke Kardinal Péter Erdö für die Worte, die er im Namen der gesamten Bischofskonferenz an mich gerichtet hat. Er hat mir gegenüber eure brüderlichen Empfindungen zum Ausdruck gebracht, für die ich euch herzlich danke. Darüber hinaus hat er die wichtigsten Merkmale der katholischen Gemeinschaft und der Gesellschaft in eurem Land klar umrissen und hat das zusammengefaßt, was ich in diesen Tagen bei den Begegnungen mit einem jeden von euch erfahren habe. So steht, liebe Brüder, das euch anvertraute Volk jetzt im Geiste vor uns, mit seinen Freuden und seinen Plänen, mit seinen Schmerzen, seinen Problemen und seinen Hoffnungen. Und wir beten vor allem darum, daß durch die Fürsprache der hll. Petrus und Paulus die Gläubigen die Kraft finden können, ihren Weg zur Fülle des Gottesreiches beharrlich fortzusetzen, auch mit der Hilfe des Apostolischen Stuhls, der den Vorsitz in der Liebe hat.

Leider hat die lange Zeit unter dem kommunistischen Regime die ungarische Bevölkerung so tief geprägt, daß die Folgen immer noch spürbar sind: Insbesondere haben viele eine gewisse Schwierigkeit, den anderen zu vertrauen, was bezeichnend ist für Menschen, die lange in einer Atmosphäre des Mißtrauens gelebt haben. Das Gefühl der Unsicherheit wird noch verstärkt durch die schwierige wirtschaftliche Konjunktur, zu deren Verbesserung ein unbesonnener Konsumismus nicht beiträgt. Die Menschen, einschließlich der Katholiken, stehen im allgemeinen unter dem Einfluß jener »Schwäche« des Denkens und des Willens, die in unserer Zeit sehr verbreitet ist. Wie ihr selbst bemerkt habt, ist es heute oft schwierig, auf theologischer und geistlicher Ebene ernsthaft in die Tiefe zu gehen, weil nicht selten die intellektuelle Ausbildung einerseits und der objektive Bezug zu den Glaubenswahrheiten andererseits unzureichend sind. Gewiß muß die Kirche in diesem Zusammenhang Lehrmeisterin sein, sie muß sich dabei aber immer und vor allem als Mutter zeigen, um das gegenseitige Vertrauen und die Hoffnung zu fördern.

Die erste Realität, die leider die Folgen der weit verbreiteten Säkularisierung zu tragen hat, ist die Familie, die sich auch in Ungarn in einer schweren Krise befindet. Das zeigt der beachtliche Rückgang der Zahl der Eheschließungen und die erschreckende Zunahme der Scheidungen, die sehr oft frühzeitig erfolgen. Die Zahl der sogenannten »De-facto-Partnerschaften« vervielfacht sich. Zu Recht habt ihr die öffentliche Anerkennung der gleichgeschlechtlichen Partnerschaften kritisiert, weil sie nicht nur der Lehre der Kirche, sondern auch der ungarischen Verfassung widerspricht. Diese Situation hat zusammen mit der mangelnden Unterstützung kinderreicher Familien zu einem drastischen Geburtenrückgang geführt, der noch dramatischer wird durch die weit verbreitete Praxis der Abtreibung. Natürlich stellt die Krise der Familie eine enorme Herausforderung für die Kirche dar. Die eheliche Treue und ganz allgemein die Werte, auf denen die Gesellschaft gründet, stehen auf dem Spiel. Nach der Familie werden daher natürlich die jungen Menschen von dieser Schwierigkeit in Mitleidenschaft gezogen. In den Städten werden sie von neuen Vergnügungsangeboten angezogen, und in den Dörfern sind sie oft sich selbst überlassen. Ich spreche euch daher meine aufrichtige Anerkennung aus für die vielfältigen Initiativen, die die Kirche - trotz der beschränkten Mittel, über die sie verfügt - ins Leben ruft, um die Welt der Jugendlichen durch Bildungsangebote und freundschaftliche Begegnungen, die ihre Verantwortung wecken sollen, zu beleben. Ich denke zum Beispiel an die Aktivität der Chöre, die zu den lobenswerten Initiativen der Pfarreien zur Verbreitung der Kirchenmusik gehört. Im Hinblick auf die Aufmerksamkeit gegenüber den jungen Generationen ist auch eure Unterstützung der katholischen Schule lobenswert, insbesondere der Katholischen Universität von Budapest. Ich wünsche, daß diese stets in der Lage sein möge, ihre ursprüngliche Identität zu wahren und zu entfalten. Ich ermutige euch zur Fortsetzung der Bemühungen in der Schul- und Universitätspastoral ebenso wie bei der Evangelisierung der Kultur, die sich in unseren Tagen auch der sozialen Kommunikationsmittel bedient, in deren Bereich eure Kirche in letzter Zeit bedeutende Fortschritte gemacht hat.

Verehrte Brüder, um den Glauben des Volkes lebendig zu erhalten, versucht ihr zu Recht, den Wert traditioneller Initiativen hervorzuheben und sie zeitgemäß zu gestalten, wie die Pilgerreisen und die Verehrung der ungarischen Heiligen, insbesondere der hl. Elisabeth, des hl. Emmerich und natürlich des hl. Stephan. Im Zusammenhang mit den Pilgerreisen schätze ich den noch immer andauernden Brauch, zum Stuhl Petri zu pilgern (bezeichnenderweise gibt es in der Basilika des Apostels eine eindrucksvolle Ungarische Kapelle), und freue mich zu erfahren, daß die Pilgerreisen nach Mariazell, Tschenstochau, Lourdes, Fatima und zum neuen Heiligtum der Göttlichen Barmherzigkeit in Krakau, wo eure Bischofskonferenz kürzlich ebenfalls eine »Ungarische Kapelle« errichten ließ, immer häufiger werden. Im 20. Jahrhundert hat es in eurer Gemeinschaft nicht an heroischen Glaubenszeugen gefehlt: Ich fordere euch auf, ihr Gedächtnis zu bewahren, damit die Leiden, die sie mit christlichem Geist auf sich genommen haben, auch weiterhin den Mut und die Treue der Gläubigen und aller, die sich für Wahrheit und Gerechtigkeit einsetzen, anspornen mögen.

Eine weitere Sorge teile ich mit euch: den Priestermangel und die heutzutage daraus folgende Überlastung der Amtsträger der Kirche durch die Pastoralarbeit. Vor diesem Problem stehen wir in vielen Ländern Europas. Es muß jedoch dafür gesorgt werden, daß die Priester ihr eigenes geistliches Leben angemessen nähren, damit sie trotz der Schwierigkeiten und der dringend notwendigen Arbeit nicht den Mittelpunkt ihrer Existenz und ihres Dienstes verlieren und damit sie so das Wesentliche vom Nebensächlichen unterscheiden können, indem sie die richtigen Prioritäten im täglichen Handeln erkennen. Es muß immer wieder betont werden, daß die freudige Treue zu Christus, die der Priester inmitten seiner Gläubigen bezeugt, stets der wirksamste Ansporn ist, um in den jungen Menschen die Sensibilität für den eventuellen Ruf Gottes zu wecken. Insbesondere ist es grundlegend, daß die Sakramente der Eucharistie und der Buße mit größter Beharrlichkeit und Frömmigkeit vor allem von den Priestern selbst gelebt und dann von ihnen mit Großherzigkeit den Gläubigen gespendet werden. Unverzichtbar ist auch die Ausübung der priesterlichen Brüderlichkeit, um jede gefährliche Isolierung zu vermeiden. Ebenso wichtig ist es, Mut zu machen für gute und respektvolle Beziehungen zwischen den Priestern und den Laien, gemäß der Lehre des Konzilsdekrets Presbyterorum ordinis. Auch die Beziehungen zwischen dem Klerus und den Ordensleuten, die bereits gut sind, sollten weiter gefördert werden. In diesem Zusammenhang möchte ich den weiblichen Ordensgemeinschaften meine Ermutigung aussprechen, die mit demütiger Diskretion wertvolle Arbeit unter den Ärmsten leisten.

Verehrte Brüder, trotz der Säkularisierung bleibt die katholische Kirche für sehr viele Ungarn die Religionsgemeinschaft, der sie angehören, oder wenigstens ein wichtiger Bezugspunkt. Daher ist es äußerst wünschenswert, daß die Beziehungen zu den staatlichen Autoritäten von respektvoller Zusammenarbeit geprägt sind, auch dank der bilateralen Verträge, über deren korrekte Einhaltung eine eigens dazu bestimmte paritätische Kommission wacht. Das nützt dem Wohl der ganzen ungarischen Gesellschaft, insbesondere im Bereich von Bildung und Kultur. Die Kirche leistet dank ihres Einsatzes in den Schulen und im Sozialdienst einen beachtlichen Beitrag zur zivilen Gemeinschaft. Wie sollte man also nicht wünschen, daß ihre Aktivitäten von den öffentlichen Einrichtungen unterstützt werden, vor allem zum Nutzen der minderbemittelten Gesellschaftsschichten? Trotz der derzeitigen allgemeinen ökonomischen Schwierigkeiten werden von kirchlicher Seite die Bemühungen im Dienst der Bedürftigen nicht nachlassen.

Verehrte Brüder, wie sollte ich abschließend nicht sagen, daß die Einheit, die euch im Befolgen der kirchlichen Lehre auszeichnet, mir inneren Frieden und Trost gibt? Möge sie stets erhalten bleiben und sich entfalten! Ich freue mich auch, daß ihr in letzter Zeit vermehrte Kontakte pflegt zu den Bischofskonferenzen der Nachbarländer, insbesondere zur Slowakei und Rumänien, wo es ungarische Minderheiten gibt. Ich stimme dieser Aktionslinie von Herzen zu, die aufrichtig vom Geist des Evangeliums beseelt ist und zugleich weise Sorge trägt für ein harmonisches Zusammenleben. Es ist gewiß nicht einfach, die Spannungen zu überwinden, aber der von der Kirche eingeschlagene Weg ist richtig und vielversprechend. Für diese und für jede andere eurer pastoralen Initiativen sichere ich euch meine Unterstützung zu; insbesondere denke ich in diesem Augenblick an das »Jahr der Bibel«, das ihr in Übereinstimmung mit der bevorstehenden Ordentlichen Versammlung der Bischofssynode für das Jahr 2008 ins Leben gerufen habt. Das ist auch für euch eine sehr günstige Gelegenheit, die bereits guten Beziehungen zu den christlichen Brüdern der anderen Konfessionen zu vertiefen. Ich danke Gott für seinen immerwährenden Beistand und rufe auf euch und auf euren Dienst den mütterlichen Schutz der allerseligsten Jungfrau Maria herab. Meinerseits begleite ich euch mit dem Gebet und erteile euch von Herzen den Apostolischen Segen, in den ich gern eure Diözesangemeinschaften und die ganze ungarische Nation einschließe.

AN DIE TEILNEHMER AM INTERNATIONALEN KONGRESS DER PÄPSTLICHEN LATERANUNIVERSITÄT ANLÄSSLICH DES 40. JAHRESTAGES DER ENZYKLIKA "HUMANAE VITAE"

Samstag, 10. Mai 2008

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Verehrte Mitbrüder im Bischofs- und im Priesteramt,

liebe Brüder und Schwestern!

Mit besonderer Freude empfange ich euch zum Abschluß eurer Arbeiten, die der Reflexion über ein altes und stets neues Problem gewidmet waren: die Verantwortung und die Achtung gegenüber dem Entstehen des menschlichen Lebens. Ich begrüße insbesondere Bischof Rino Fisichella, den Rektor der Päpstlichen Lateranuniversität, die diesen internationalen Kongreß veranstaltet hat, und danke ihm für das Grußwort, das er an mich gerichtet hat. Ebenso begrüße ich die geschätzten Referenten und Dozenten sowie alle Teilnehmer, die mit ihrem Beitrag diese arbeitsintensiven Tage bereichert haben. Euer Beitrag fügt sich fruchtbringend in die wissenschaftliche Arbeit zu diesem so kontroversen und für die Zukunft der Menschheit doch so entscheidenden Thema ein, die in den letzten Jahrzehnten angewachsen ist.

Bereits das Zweite Vatikanische Konzil wandte sich in der Konstitution Gaudium et spes an die Wissenschaftler und forderte sie auf, ihre Kräfte zu vereinen, um eine Einheit des Wissens und eine fundierte Gewißheit über die Bedingungen, die eine »sittlich einwandfreie Geburtenregelung« (Gaudium et spes
GS 52) fördern können, zu erlangen. Mein Vorgänger seligen Angedenkens, der Diener Gottes Paul VI., veröffentlichte am 25. Juli 1968 die Enzyklika Humanae vitae. Dieses Dokument wurde schnell zu einem Zeichen des Widerspruchs. Ausgearbeitet im Licht einer schwierigen Entscheidung, ist es ein bedeutsamer und mutiger Schritt, um die Kontinuität der Lehre und der Überlieferung der Kirche zu bekräftigen. Über diesen oft mißverstandenen Text wurde viel diskutiert, auch weil er in die Anfangszeit tiefgreifender Proteste fiel, die das Leben ganzer Generationen geprägt haben. 40 Jahre nach ihrer Veröffentlichung zeigt diese Lehre nicht nur ihre unveränderte Wahrheit auf, sondern sie offenbart auch die Weitsicht, mit der man dem Problem begegnete. Die eheliche Liebe wird nämlich innerhalb eines ganzheitlichen Prozesses beschrieben, der nicht bei der Trennung von Seele und Leib haltmacht und auch nicht dem bloßen oft flüchtigen und vergänglichen Gefühl unterworfen ist, sondern Sorge trägt um die Einheit der Person und die vollkommene Gemeinschaft der Eheleute, die sich in der gegenseitigen Annahme einander hingeben im Versprechen treuer und ausschließlicher Liebe, das einer wirklich freien Entscheidung entspringt. Wie könnte eine solche Liebe sich dem Geschenk des Lebens verschließen? Das Leben ist immer ein unschätzbares Geschenk; bei seinem Entstehen nehmen wir jedes Mal die Macht des schöpferischen Wirkens Gottes wahr, der dem Menschen vertraut und ihn so beruft, durch die Kraft der Hoffnung die Zukunft aufzubauen.

Das Lehramt der Kirche kann sich nicht seiner Pflicht entziehen, auf immer neue und tiefere Weise über die Grundprinzipien nachzudenken, die Ehe und Fortpflanzung betreffen. Was gestern wahr gewesen ist, bleibt auch heute wahr. Die Wahrheit, die in der Enzyklika Humanae vitae zum Ausdruck gebracht wird, ändert sich nicht. Im Gegenteil, gerade im Licht der neuen wissenschaftlichen Errungenschaften wird ihre Lehre immer aktueller und fordert dazu heraus, über den ihr innewohnenden Wert nachzudenken. Der Schlüssel, der einen konsequenten Zugang zu ihren Inhalten verschafft, ist und bleibt die Liebe. In meiner ersten Enzyklika Deus caritas est habe ich geschrieben: »Der Mensch wird dann ganz er selbst, wenn Leib und Seele zu innerer Einheit finden … Aber es lieben nicht Geist oder Leib — der Mensch, die Person, liebt als ein einziges und einiges Geschöpf, zu dem beides gehört« (). Ohne diese Einheit geht der Wert der Person verloren und man gerät in die große Gefahr, den Leib als bloße »Sache« zu betrachten, die man kaufen und verkaufen kann (vgl. ebd.). In einer Kultur, die dem Haben größeren Wert beimißt als dem Sein, läuft das menschliche Leben Gefahr, seinen Wert zu verlieren. Wenn die Ausübung der Sexualität zur Droge wird, die dem Partner eigene Wünsche und Interessen auferlegen will, ohne die Zeiten der geliebten Person zu respektieren, dann gilt es nicht mehr nur die wahre Auffassung von der Liebe zu verteidigen, sondern in erster Linie die Würde der Person selbst. Als Gläubige dürfen wir niemals zulassen, daß die Herrschaft der Technik die Qualität der Liebe und die Heiligkeit des Lebens entwertet.

Nicht zufällig beruft sich Jesus, wenn er über die menschliche Liebe spricht, auf das, was Gott am Anfang der Schöpfung gewirkt hat (vgl. Mt 19,4-6). Seine Lehre verweist auf einen ungeschuldeten Akt Gottes. Durch ihn wollte der Schöpfer nicht nur den Reichtum seiner Liebe, die sich öffnet und allen hinschenkt, zum Ausdruck bringen, sondern auch ein Urbild formen, auf das das Handeln der Menschheit ausgerichtet sein soll. In der Fruchtbarkeit der ehelichen Liebe nehmen Mann und Frau am Schöpfungsakt des Vaters teil und machen sichtbar, daß am Ursprung ihres Ehelebens ein echtes »Ja« steht, das in Gegenseitigkeit ausgesprochen und wirklich gelebt wird und das stets offen bleibt gegenüber dem Leben. Dieses Wort des Herrn dauert in seiner tiefen Wahrheit unverändert fort und kann durch die verschiedenen und manchmal sogar widersprüchlichen Theorien nicht ausgelöscht werden, die im Laufe der Jahre aufeinander gefolgt sind. Das natürliche Sittengesetz, das der Anerkennung der wahren Gleichheit zwischen Personen und Völkern zugrunde liegt, sollte als die Quelle erkannt werden, an der sich auch die Beziehung der Eheleute untereinander und ihre Verantwortung, Kinder zu zeugen, ausrichten muß. Die Weitergabe des Lebens ist in die Natur eingeschrieben, und ihre Gesetze sind eine ungeschriebene Norm, auf die alle Bezug nehmen müssen. Jeder Versuch, den Blick von diesem Grundsatz abzuwenden, bleibt unfruchtbar und schafft keine Zukunft.

Es ist dringend notwendig, daß wir einen Bund wiederentdecken, der stets fruchtbar war, als er geachtet wurde; Vernunft und Liebe stehen bei ihm an erster Stelle. Ein scharfsinniger Meister wie Wilhelm von Saint-Thierry konnte Worte schreiben, deren tiefe Gültigkeit wir auch in unserer Zeit verspüren: »Wenn sie einander aushelfen, dann belehrt die Vernunft die Liebe und erleuchtet die Liebe die Vernunft. Die Vernunft schmiegt sich der Regung der Liebe ein, und die Liebe läßt sich die Grenzen der Vernunft gefallen. Auf diese Weise vermögen sie Großes« (Über die Natur und Würde der Liebe, 25). Was ist dieses »Große«, das wir erleben können? Es ist das Entstehen der Verantwortung für das Leben, die die Selbsthingabe eines Menschen an den anderen fruchtbar macht. Es ist Frucht einer Liebe, die in voller Freiheit denken und entscheiden kann, ohne sich vom eventuell verlangten Opfer über die Maßen beeinflussen zu lassen. Hier entspringt das Wunder des Lebens, das die Eltern in sich selbst wahrnehmen, indem sie das, was in ihnen und durch sie geschieht, als etwas Außerordentliches erfahren. Keine mechanische Technik kann den gegenseitigen Liebesakt der beiden Eheleute ersetzen, der Zeichen eines größeren Geheimnisses ist, durch das sie als Protagonisten an der Schöpfung beteiligt sind.

Leider wird man jedoch immer häufiger Zeuge trauriger Ereignisse, die die Jugendlichen betreffen, deren Reaktionen zeigen, daß sie die Geheimnisse des Lebens und die gefährlichen Auswirkungen ihres Handelns nicht richtig kennen. Die dringende Notwendigkeit der Erziehung, auf die ich oft Bezug nehme, beinhaltet vorrangig das Thema des Lebens. Ich wünsche wirklich, daß vor allem den jungen Menschen ganz besondere Aufmerksamkeit gewidmet wird, damit sie lernen können, was der wahre Sinn der Liebe ist, und durch eine geeignete Sexualerziehung darauf vorbereitet werden, ohne sich durch oberflächliche Botschaften ablenken zu lassen, die es verhindern, zum Wesentlichen der Wahrheit, die auf dem Spiel steht, zu gelangen. Es macht einer Gesellschaft, die sich auf freiheitliche und demokratische Grundsätze beruft, keine Ehre, falsche Illusionen im Bereich der Liebe zu vermitteln oder über die wahre Verantwortung, die man durch die Ausübung der eigenen Sexualität übernehmen muß, hinwegzutäuschen. Die Freiheit muß mit Wahrheit und Verantwortung verbunden sein, mit der Kraft der Hingabe an den anderen, die auch das Opfer einschließt; ohne diese Elemente wächst die menschliche Gemeinschaft nicht, und es droht die Gefahr, sich in einem Kreis des alles erstickenden Egoismus zu verschließen.

Die in der Enzyklika Humanae vitae zum Ausdruck gebrachte Lehre ist nicht einfach. Sie entspricht jedoch der grundlegenden Struktur, durch die das Leben seit der Schöpfung der Welt stets weitergegeben wird, unter Achtung der Natur und ihren Anforderungen entsprechend. Die Achtung gegenüber dem menschlichen Leben und die Wahrung der Würde der Person machen es notwendig, daß wir nichts unversucht lassen, um alle an der echten Wahrheit der verantwortlichen ehelichen Liebe teilhaben zu lassen, in vollkommener Treue gegenüber dem Gesetz, das in das Herz jedes Menschen eingeschrieben ist. Mit diesen Empfindungen erteile ich euch allen den Apostolischen Segen.

AN HERRN MORDECHAY LEWY, NEUER BOTSCHAFTER ISRAELS BEIM HL. STUHL

Montag, 12. Mai 2008

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Exzellenz!


Ich freue mich, Sie zu Beginn Ihrer diplomatischen Mission willkommen zu heißen und das Beglaubigungsschreiben entgegenzunehmen, mit dem Sie als außerordentlicher und bevollmächtigter Botschafter des Staates Israel beim Heiligen Stuhl akkreditiert werden. Ich danke Ihnen für Ihre freundlichen Worte und bitte Sie, Präsident Shimon Peres meine hochachtungsvollen Grüße zu übermitteln und ihn meiner Gebete für die Bevölkerung Ihres Landes zu versichern.

Noch einmal möchte ich meine herzlichen und guten Wünsche anläßlich der Sechzigjahrfeier des Staates Israel aussprechen. Der Heilige Stuhl schließt sich Ihrem Dank an den Herrn an, daß die Hoffnung des jüdischen Volkes auf eine Heimat im Land seiner Väter erfüllt worden ist, und hofft, bald eine Zeit noch größerer Freude zu sehen, wenn der Konflikt mit den Palästinensern endlich durch einen gerechten Frieden gelöst wird. Der Heilige Stuhl schätzt die diplomatischen Beziehungen zu Israel, die vor 15 Jahren aufgenommen wurden, besonders und freut sich auf die Weiterentwicklung des wachsenden Respekts sowie der zunehmenden Hochachtung und Zusammenarbeit, die uns verbinden.

Zwischen dem Staat Israel und dem Heiligen Stuhl gibt es zahlreiche Bereiche von gegenseitigem Interesse, die gewinnbringend sondiert werden können. Wie Sie hervorgehoben haben, sollte das jüdisch-christliche Erbe uns dazu anregen, die Führung bei der Förderung vieler Formen sozialer und humanitärer Maßnahmen auf der ganzen Welt zu übernehmen - nicht zuletzt bei der Bekämpfung jeder Form von Rassendiskriminierung. Ich teile die große Freude Seiner Exzellenz über den kulturellen und akademischen Austausch, der zwischen den katholischen Institutionen auf der ganzen Welt und denen des Heiligen Landes stattfindet, und auch ich hoffe, daß diese Initiativen in den kommenden Jahren weiter entwickelt werden. Der brüderliche Dialog, der auf internationaler Ebene zwischen Christen und Juden geführt wird, bringt viele Früchte hervor und muß engagiert und uneigennützig weitergeführt werden. Die heiligen Städte Rom und Jerusalem stellen eine Quelle des Glaubens und der Weisheit dar, die von zentraler Bedeutung für die westliche Zivilisation ist, und folglich haben die Verbindungen zwischen Israel und dem Heiligen Stuhl einen tieferen Nachhall als das, was aus der rechtlichen Dimension unserer Beziehungen formal hervorgeht.

Exzellenz, ich weiß, daß Sie meine Sorge über den alarmierenden Rückgang der christlichen Bevölkerung durch Auswanderung aus dem Nahen Osten, einschließlich Israels, teilen. Natürlich leiden nicht nur die Christen unter den Auswirkungen von Unsicherheit und Gewalt, die aus den verschiedenen Konflikten in der Region resultieren, doch sie sind derzeit in vielerlei Hinsicht besonders gefährdet. Ich bete, daß infolge der wachsenden Freundschaft zwischen Israel und dem Heiligen Stuhl Wege gefunden werden, um die christliche Gemeinschaft zu beruhigen, so daß sie auf eine sichere und friedliche Zukunft in der Heimat ihrer Vorfahren hoffen kann, ohne den Druck zu verspüren, in andere Teile der Welt ziehen zu müssen, um sich ein neues Leben aufzubauen.

Die Christen im Heiligen Land haben sich lange Zeit guter Beziehungen sowohl zu den Muslimen als auch zu den Juden erfreut. Ihre Präsenz in Ihrem Land und die dortige freie Ausübung des kirchlichen Lebens und der kirchlichen Sendung können wesentlich dazu beitragen, die Spaltungen zwischen den beiden Gemeinschaften zu heilen. Ich bete, daß es so sein möge, und ich lade Ihre Regierung dazu ein, weiterhin nach Wegen zu suchen, sich den guten Willen zu Nutze zu machen, den die Christen sowohl gegenüber den natürlichen Nachkommen des Volkes hegen, das als erstes das Wort Gottes gehört hat, als auch gegenüber unseren muslimischen Brüdern und Schwestern, die seit Jahrhunderten in dem Land gelebt und ihre Religion ausgeübt haben, das alle drei Religionen als »heilig« bezeichnen.

Ich bin mir bewußt, daß die Schwierigkeiten, welche die Christen im Heiligen Land erfahren, auch mit der anhaltenden Spannung zwischen den jüdischen und palästinensischen Gemeinschaften verbunden sind. Der Heilige Stuhl erkennt Israels berechtigtes Bedürfnis nach Sicherheit und Selbstverteidigung an und verurteilt nachhaltig jede Form von Antisemitismus. Er vertritt auch die Ansicht, daß alle Völker einen Anspruch auf Chancengleichheit haben, um sich entwickeln zu können. Dementsprechend möchte ich Ihre Regierung dringend bitten, jede Anstrengung zu unternehmen, um die harten Umstände zu lindern, unter denen die palästinensische Gemeinschaft leidet, und ihnen die notwendige Freiheit zu gewähren, ihren legitimen Geschäften nachzugehen - einschließlich des Aufsuchens der Gebetsstätten -, so daß auch sie sich größeren Friedens und größerer Sicherheit erfreuen können. Natürlich können diese Angelegenheiten nur im weiteren Kontext des Friedensprozesses im Nahen Osten behandelt werden. Der Heilige Stuhl begrüßt die von Ihrer Regierung zum Ausdruck gebrachte Verpflichtung, den in Annapolis von neuem gegebenen Impuls weiterzuverfolgen, und hofft, daß die dort geweckten Hoffnungen und Erwartungen nicht enttäuscht werden. Wie ich in meiner Ansprache vor den Vereinten Nationen in New York jüngst bemerkt habe, ist es notwendig, alle diplomatischen Möglichkeiten zu erkunden und selbst auf das »schwächste Anzeichen von Dialog und Versöhnungswillen « zu achten, wenn langanhaltende Konflikte gelöst werden sollen. Wenn alle Völker im Heiligen Land in Frieden und Eintracht leben, Seite an Seite, in zwei unabhängigen souveränen Staaten, wird der Gewinn für den Weltfrieden unermeßlich sein, und Israel wird wirklich als »Licht für die Völker« (
Is 42,6) dienen, ein leuchtendes Beispiel der Konfliktlösung, dem der Rest der Welt folgen könnte.

Viel Arbeit ist darauf verwendet worden, die Vereinbarungen zu formulieren, die bislang zwischen Israel und dem Heiligen Stuhl unterzeichnet worden sind, und es ist sehr zu hoffen, daß die Verhandlungen über die wirtschaftlichen und steuerlichen Angelegenheiten bald zu einer befriedigenden Lösung geführt werden können. Ich danke Ihnen für Ihre ermutigenden Worte hinsichtlich der Bemühungen der israelischen Regierung, eine positive und rasche Lösung für die verbleibenden Fragen zu finden. Ich weiß, daß ich im Namen vieler spreche, wenn ich die Hoffnung zum Ausdruck bringe, daß diese Vereinbarungen bald in das innere Rechtssystem Israels eingegliedert werden und so eine anhaltende Grundlage für eine fruchtbare Zusammenarbeit bieten. Angesichts des sehr geschätzten persönlichen Interesses Seiner Exzellenz an der Situation der Christen im Heiligen Land weiß ich, daß Sie die Schwierigkeiten verstehen, die durch die anhaltende Ungewißheit hinsichtlich ihrer juridischen Rechte und ihres Rechtsstatus verursacht werden, vor allem was die Frage der Visa für Mitarbeiter der Kirche betrifft. Ich bin sicher, Sie werden alles Ihnen mögliche tun, um die Lösung der verbleibenden Probleme auf eine für alle Parteien annehmbare Weise zu erleichtern. Nur wenn diese Schwierigkeiten überwunden werden, wird es der Kirche möglich sein, ihrer religiösen, moralischen, erzieherischen und karitativen Arbeit in dem Land, in dem sie ihren Ursprung hat, in Freiheit nachzugehen.

Exzellenz, ich bete dafür, daß die diplomatische Mission, die Sie heute beginnen, die freundschaftlichen Verbindungen, die zwischen dem Heiligen Stuhl und Ihrem Land bestehen, weiter stärken wird. Ich versichere Ihnen, daß die verschiedenen Abteilungen der Römischen Kurie stets bereit sind, Ihnen Hilfe und Unterstützung für die Erfüllung Ihrer Aufgaben anzubieten. Mit meinen aufrichtigen guten Wünschen rufe ich auf Sie, Ihre Familie und alle Bewohner des Staates Israel Gottes reichen Segen herab.

AN DIE MITGLIEDER DER ITALIENISCHEN "BEWEGUNG FÜR DAS LEBEN"

Montag, 12. Mai 2008

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Liebe Brüder und Schwestern!


Mit großer Freude empfange ich euch heute und begrüße einen jeden von euch ganz herzlich. An erster Stelle grüße ich den Bischof von Piazza Armerina, Michele Pennisi, und die anwesenden Priester. Einen besonderen Gruß richte ich an den Präsidenten der »Bewegung für das Leben«, den Herrn Abgeordneten Carlo Casini, und danke ihm aufrichtig für die freundlichen Worte, die er in eurem Namen an mich gerichtet hat. Ich grüße die Mitglieder des nationalen Präsidiums und des Exekutivausschusses der »Bewegung für das Leben«, die Vorsitzenden der Hilfszentren für das Leben und die Verantwortlichen der verschiedenen Dienste, des Projektes »Gemma«, des »Grünen Telefons«, von »SOS Leben« und des »Roten Telefons«. Außerdem grüße ich die Vertreter der »Vereinigung Papst Johannes XXIII.« und einiger europäischer Bewegungen für das Leben. Durch euch, die ihr hier anwesend seid, gehen meine liebevollen Gedanken zu denjenigen, die, auch wenn sie nicht persönlich dabei sein können, doch geistig mit uns vereint sind. Ich denke besonders an die vielen freiwilligen Mitarbeiter, die das hohe Ideal der Förderung und Verteidigung des menschlichen Lebens von seiner Empfängnis an selbstlos und großherzig mit euch teilen.

Euer Besuch findet dreißig Jahre nach der gesetzlichen Freigabe der Abtreibung in Italien statt, und es ist eure Absicht, ein tiefgehendes Nachdenken über die menschlichen und sozialen Auswirkungen anzuregen, die das Gesetz in der zivilen und christlichen Gemeinschaft in diesem Zeitraum hervorgerufen hat. Wenn man auf die letzten drei Jahrzehnte zurückblickt und die heutige Situation betrachtet, muß man erkennen, daß es heute praktisch schwieriger geworden ist, das menschliche Leben zu schützen, weil eine Mentalität einer allmählichen Herabsetzung seines Wertes entstanden ist, die diesen Wert dem Urteil des einzelnen anheimstellt. Als Folge daraus schwindet die Achtung vor der menschlichen Person selbst, also vor dem Wert, der jedem zivilen Zusammenleben zugrunde liegt, unabhängig vom Glauben, zu dem sich der einzelne bekennt.

Gewiß sind die Gründe, die zu schmerzlichen Entscheidungen wie der Abtreibung führen, vielfältig und komplex. Wenn die Kirche einerseits, getreu dem Gebot ihres Herrn, unermüdlich wiederholt, daß der unantastbare Wert der Existenz jedes Menschen seine Wurzeln im Plan des Schöpfers hat, so ermutigt sie andererseits dazu, jede Initiative zur Unterstützung der Frauen und Familien zu fördern, um Bedingungen zu schaffen, die für die Aufnahme des Lebens günstig sind, und zum Schutz der Institution der Familie, die auf der Ehe zwischen einem Mann und einer Frau gründet. Die Zulassung der Schwangerschaftsunterbrechung hat nicht nur die Probleme, die vielen Frauen und zahlreichen Familien Leid bereiten, nicht gelöst, sondern sie hat in unseren ohnehin schon von tiefen Leiden heimgesuchten Gesellschaften eine weitere Wunde aufgerissen.

In diesen Jahren ist - nicht nur von seiten der Kirche - wahrlich viel unternommen worden, um den Bedürfnissen und Schwierigkeiten der Familien entgegenzukommen. Wir können jedoch nicht verhehlen, daß nach wie vor verschiedene Probleme der heutigen Gesellschaft schwer zusetzen, weil viele junge Menschen durch ihre widrigen Lebensbedingungen daran gehindert werden, ihrem Wunsch nach Heirat und Gründung einer Familie nachzukommen. Das Fehlen eines sicheren Arbeitsplatzes; Gesetzgebungen, die hinsichtlich des Schutzes der Mutterschaft Mängel aufweisen; die bisher nicht mögliche Sicherstellung eines angemessenen Unterhalts für die Kinder - das sind einige der Hindernisse, die das Bedürfnis nach fruchtbarer Liebe zu ersticken scheinen, während sie ein wachsendes Mißtrauen in die Zukunft aufkommen lassen. Darum müssen die Anstrengungen vereint werden, damit die verschiedenen Institutionen die Verteidigung des menschlichen Lebens und die vorrangige Aufmerksamkeit für die Familie, in deren Geborgenheit das Leben entsteht und sich entwickelt, wieder ins Zentrum ihrer Tätigkeit rücken. Der Familie muß mit allen gesetzlichen Mitteln geholfen werden, ihre Gründung und ihr erzieherisches Wirken unter den nicht einfachen heutigen sozialen Rahmenbedingungen zu erleichtern.

In diesem Kernbereich der Gesellschaft bleibt es für die Christen ein dringendes und unverzichtbares Einsatzgebiet des Apostolats und des evangeliumsgemäßen Zeugnisses, das Leben in allen seinen Phasen mutig und mit Liebe zu schützen. Darum, liebe Brüder und Schwestern, bitte ich den Herrn, eure Tätigkeit zu segnen, die ihr als »Hilfszentrum für das Leben« und als »Bewegung für das Leben« vollbringt, um auch im Fall von schwierigen Schwangerschaften die Abtreibung zu verhindern, während ihr gleichzeitig auf der Ebene der Erziehung, der Kultur und der politischen Auseinandersetzung tätig seid. Es muß konkret bezeugt werden, daß die Achtung vor dem Leben die erste Gerechtigkeit ist, die es anzuwenden gilt. Für jeden, der das Geschenk des Glaubens besitzt, wird das zu einem unabdingbaren Imperativ, weil der Anhänger Christi aufgerufen ist, zunehmend »Prophet« einer Wahrheit zu sein, die niemals ausgelöscht werden kann: Gott allein ist Herr des Lebens. Jeder Mensch wird von ihm erkannt und geliebt, gewollt und geführt. Hier allein - in der Tatsache, daß jeder Mensch den einzigen Plan Gottes verwirklicht, daß ein jeder von demselben Schöpfungsgedanken Gottes herrührt - besteht die tiefste und große Einheit der Menschheit. Man begreift also, warum es in der Bibel heißt: Wer den Menschen entweiht, entweiht das Eigentum Gottes (vgl.
Gn 9,5).

In diesem Jahr wird der 60. Jahrestag der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte begangen. Ihr Verdienst war es, unterschiedlichen Kulturen, rechtlichen Ausdrucksformen und institutionellen Modellen zu ermöglichen, nach einem Grundkern von Werten und damit von Rechten zu streben. Wie ich kürzlich bei meinem Besuch bei der UNO den Mitgliedern der Vereinten Nationen in Erinnerung rief, müssen »die Menschenrechte als Ausdruck der Gerechtigkeit respektiert werden und nicht lediglich deshalb, weil sie aufgrund des Willens der Gesetzgeber durchsetzbar sind. Die Förderung der Menschenrechte bleibt daher die wirkungsvollste Strategie, um Ungleichheiten zwischen Ländern und sozialen Gruppen zu beseitigen, wie auch um die Sicherheit zu erhöhen«. Darum ist auch euer Einsatz im politischen Raum als Hilfe und Ansporn für die Institutionen äußerst lobenswert, damit dem Wort »Menschenwürde« volle Anerkennung widerfährt. Eure Initiative im Petitionsausschuß des Europäischen Parlaments - darin bekräftigt ihr die Grundwerte des Rechts auf Leben von der Empfängnis an, auf eine auf die Ehe zwischen einem Mann und einer Frau gegründeten Familie, des Rechts jedes empfangenen Menschen darauf, in einer Familie von Eltern geboren und erzogen zu werden - bestätigt weiter den soliden Charakter eures Engagements und die volle Gemeinschaft mit dem Lehramt der Kirche, das von jeher diese Werte als »nicht verhandelbar« verkündet und verteidigt.

Liebe Brüder und Schwestern, bei eurer Begegnung am 22. Mai 1998 mit Johannes Paul II. ermutigte er euch, in eurem Einsatz der Liebe und Verteidigung des menschlichen Lebens nicht nachzulassen, und erinnerte daran, daß durch euch viele Kinder die Freude über das unschätzbare Geschenk des Lebens erfahren konnten. Zehn Jahre danach danke nun ich euch für den Dienst, den ihr der Kirche und der Gesellschaft erwiesen habt. Wie viele Menschenleben habt ihr vor dem Tod gerettet! Setzt diesen Weg fort und habt keine Angst, damit das Lächeln des Lebens auf den Lippen aller Kinder und ihrer Mütter triumphiere. Ich vertraue jeden und jede von euch und die vielen Menschen, denen ihr in den Hilfszentren begegnet, dem mütterlichen Schutz der Jungfrau Maria , Königin der Familie, an, und während ich euch mein Gedenken im Gebet zusichere, segne ich von Herzen euch und alle, die den Bewegungen für das Leben in Italien, in Europa und in der Welt angehören.


ANSPRACHE 2008 Januar 2008 81