ANSPRACHE 2009


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                                                                    Januar 2009


AN DAS BEIM HL. STUHL AKKREDITIERTE DIPLOMATISCHE KORPS ANLÄSSLICH DES NEUJAHRSEMPFANGS

Sala Regia - Donnerstag, 8. Januar 2009


Exzellenzen,
meine Damen und Herren!

Das Geheimnis der Fleischwerdung des Wortes, das wir jedes Jahr beim Weihnachtsfest von neuem erleben, fordert uns zum Nachdenken über die Ereignisse auf, die den Lauf der Geschichte prägen. Und genau im Licht dieses hoffnungsvollen Geheimnisses findet diese traditionelle Begegnung mit Ihnen, geschätzte Mitglieder des beim Heiligen Stuhl akkreditierten Diplomatischen Korps, statt, die uns zu Beginn dieses neuen Jahres eine gute Gelegenheit zum Austausch aufrichtiger Wünsche bietet. Ich wende mich zuerst an Seine Exzellenz Botschafter Alejandro Valladares Lanza und danke ihm für die Wünsche, die er mir zum ersten Mal in seiner Eigenschaft als Doyen des Diplomatischen Korps freundlicherweise übermittelt hat. Mein ehrerbietiger Gruß gilt jedem von Ihnen sowie Ihren Familien und Ihren Mitarbeitern und durch Sie den Völkern und den Regierungen der Länder, die Sie vertreten. Für alle bitte ich Gott um das Geschenk eines Jahres, das von Gerechtigkeit, Ruhe und Frieden erfüllt sein möge.

Zu Beginn dieses Jahres 2009 denke ich zuerst voller Anteilnahme an alle, die unter schweren Naturkatastrophen gelitten haben, besonders in Vietnam, in Burma, in China und auf den Philippinen, in Mittelamerika und in der Karibik, in Kolumbien und in Brasilien, wie auch an alle jene, die aufgrund von blutigen nationalen oder regionalen Konflikten oder terroristischen Anschlägen leiden, die in Ländern wie Afghanistan, Indien, Pakistan und Algerien Tod und Zerstörung gesät haben. Trotz vieler Anstrengungen ist der so ersehnte Friede noch in weiter Ferne! Angesichts dieser Feststellung darf man sich weder entmutigen lassen noch das Engagement für eine Kultur echten Friedens vermindern, sondern man muß im Gegenteil die Bemühungen um Sicherheit und Entwicklung intensivieren. In diesem Sinn gehörte der Heilige Stuhl zu den ersten, die das »Internationale Abkommen zur Ächtung von Streubomben« unterzeichnet haben, ein Dokument, das auch die Stärkung des humanitären Völkerrechts zum Ziel hat. Andererseits stellt der Heilige Stuhl voll Sorge die Krisensymptome im Bereich der Abrüstung und der Nichtweiterverbreitung von Kernwaffen fest und erinnert unablässig daran, daß man nicht Frieden schaffen kann, wenn die Militärausgaben den Entwicklungsprojekten besonders bei den ärmsten Völkern ungeheure menschliche und materielle Ressourcen entziehen.

Und den Armen, den viel zu zahlreichen Armen auf unserem Planeten, möchte ich heute im Anschluß an die Botschaft zum Weltfriedenstag, die ich dieses Jahr dem Thema »Die Armut bekämpfen, den Frieden schaffen« gewidmet habe, meine Aufmerksamkeit zuwenden. Die Worte, mit denen Papst Paul VI. seine diesbezügliche Überlegung in der Enzyklika Populorum Progressio einleitete, haben nichts von ihrer Aktualität verloren: »Freisein von Elend, Sicherung des Lebensunterhalts, Gesundheit, feste Beschäftigung, Schutz vor Situationen, die seine Würde als Mensch verletzen, ständig wachsende Leistungsfähigkeit, bessere Bildung, mit einem Wort: mehr arbeiten, mehr lernen, mehr besitzen, um mehr zu gelten. Das ist die Sehnsucht des Menschen von heute, und doch ist eine große Zahl von ihnen dazu verurteilt, unter Bedingungen zu leben, die dieses Verlangen illusorisch machen« (PP 6). Um Frieden zu schaffen, muß man den Armen wieder Hoffnung geben. Muß man da nicht an die vielen Menschen und Familien denken, die von den durch die aktuelle weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise hervorgerufenen Schwierigkeiten und Unsicherheiten betroffen sind? Muß man nicht an die Nahrungsmittelkrise und an die Klimaerwärmung erinnern, die den Zugang zu Nahrung und Wasser für die Bewohner der ärmsten Regionen des Planeten noch schwieriger machen? Es ist jetzt dringend geboten, eine wirksame Strategie anzuwenden, um den Hunger zu bekämpfen und die Entwicklung der lokalen Landwirtschaft zu erleichtern, dies um so mehr, als der Prozentsatz der Armen selbst in den reichen Ländern steigt. In diesem Zusammenhang bin ich froh darüber, daß bei der jüngsten Konferenz von Doha über die Entwicklungsfinanzierung brauchbare Kriterien erarbeitet wurden, um die Steuerung des Wirtschaftssystems entsprechend auszurichten und den Schwächsten zu helfen. Tiefgreifender muß, wenn die Wirtschaft gesunden soll, ein neues Vertrauen aufgebaut werden. Dieses Ziel kann nur durch die Umsetzung einer Ethik erreicht werden, die auf die der menschlichen Person innewohnende Würde gegründet ist. Ich weiß, wie anspruchsvoll das ist, aber es ist keine Utopie! Heute mehr denn je steht unsere Zukunft auf dem Spiel, ebenso wie das Schicksal unseres Planeten und seiner Bewohner, an erster Stelle das der jungen Generationen, die ein schwer angeschlagenes Wirtschaftssystem und Sozialgefüge erben.

Ja, meine Damen und Herren, wenn wir die Armut bekämpfen wollen, müssen wir vor allem in die Jugend investieren und sie zu einem Ideal wahrer Brüderlichkeit erziehen. Während meiner Apostolischen Reisen im vergangenen Jahr hatte ich Gelegenheit zur Begegnung mit vielen jungen Menschen, vor allem in dem außergewöhnlichen Rahmen des XXIII. Weltjugendtages in Sydney, Australien. Meine Apostolischen Reisen, angefangen beim Besuch in den Vereinigten Staaten, haben mir auch erlaubt, die Erwartungen zahlreicher Bereiche der Gesellschaft im Hinblick auf die katholische Kirche abzuschätzen. In dieser schwierigen Phase der Geschichte der Menschheit, die von Unsicherheiten und Fragen gekennzeichnet ist, erwarten viele, daß die Kirche mit Mut und Klarheit ihren Evangelisierungsauftrag und ihre Arbeit zur Förderung des Menschen erfüllt. Meine Ansprache am Sitz der Organisation der Vereinten Nationen fügt sich in diesen Kontext ein: Sechzig Jahre nach der Annahme der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte habe ich betont, daß sich dieses Dokument auf die Würde der menschlichen Person gründet und diese wiederum auf der allen Menschen gemeinsamen Natur beruht, die über die verschiedenen Kulturen hinausgeht. Als ich mich einige Monate später anläßlich des 150. Jahrestags der Erscheinungen der Jungfrau Maria vor der hl. Bernadette auf die Pilgerreise nach Lourdes begab, habe ich hervorgehoben, daß der Botschaft der Bekehrung und Liebe, die von der Grotte von Massabielle ausstrahlt, weiter große Aktualität zukommt - als einer ständigen Einladung, unser Dasein und die Beziehungen zwischen den Völkern auf der Grundlage wahrer gegenseitiger Achtung und Brüderlichkeit zu gestalten, und daß wir uns dabei bewußt sein müssen, daß diese Brüderlichkeit einen allen Menschen gemeinsamen Vater, den Schöpfergott, voraussetzt. Im übrigen ignoriert eine gesunde weltliche Gesellschaft keineswegs die geistliche Dimension und ihre Werte, da die Religion - und das zu wiederholen, schien mir während meiner Pastoralreise in Frankreich angebracht - kein Hindernis, sondern im Gegenteil eine solide Grundlage für den Aufbau einer gerechteren und freieren Gesellschaft ist.

Die Diskriminierungen und sehr schweren Anschläge, denen im vergangenen Jahr Tausende Christen zum Opfer gefallen sind, zeigen, daß nicht nur die materielle, sondern auch die moralische Armut den Frieden bedroht. Tatsächlich haben solche Ausschreitungen ihre Wurzeln in der moralischen Armut. Während ich erneut den hohen Beitrag hervorhebe, den die Religionen zum Kampf gegen die Armut und für die Errichtung des Friedens leisten können, möchte ich vor dieser Versammlung, die auf ideale Weise alle Nationen der Welt repräsentiert, wiederholen: Das Christentum ist eine Religion der Freiheit und des Friedens und steht im Dienst am wahren Wohl der Menschheit. Unsere Brüder und Schwestern, die besonders im Irak und in Indien Opfer der Gewalt geworden sind, versichere ich erneut meiner väterlichen Liebe; die zivilen und politischen Behörden ersuche ich inständig, sich mit Nachdruck darum zu bemühen, der Intoleranz und den Schikanen gegen die Christen ein Ende zu setzen und die angerichteten Schäden, besonders an den Gotteshäusern und Einrichtungen, zu beheben; ferner sollen sie mit allen Mitteln zum rechten Respekt gegenüber allen Religionen ermutigen und alle Formen von Haß und Mißachtung unterbinden. Ich wünsche auch, daß man in der westlichen Welt keine Vorurteile und keine Feindseligkeit gegen die Christen schürt, nur weil ihre Stimme zu manchen Fragen als störend empfunden wird. Und ich wünsche, daß die Jünger Christi, die mit solchen Prüfungen konfrontiert werden, nicht den Mut verlieren: Das Zeugnis des Evangeliums ist gegenüber dem »Geist der Welt« immer ein »Zeichen des Widerspruchs «! Auch in den schmerzlichen Leiden ist die ständige Gegenwart Christi ein starker Trost. Sein Evangelium ist eine Heilsbotschaft für alle und kann deshalb nicht in die Privatsphäre verbannt werden, sondern muß klar und deutlich verkündet werden bis an die äußersten Enden der Erde.

Die Geburt Christi in der armseligen Grotte von Betlehem veranlaßt uns natürlich, auf die Situation im Nahen Osten und an erster Stelle im Heiligen Land hinzuweisen, wo wir in diesen Tagen einen neuerlichen Gewaltausbruch erleben, der unermeßliche Schäden und Leiden für die Zivilbevölkerung zur Folge hat. Diese Situation macht die Suche nach einem Ausweg aus dem Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern, wie er von vielen von ihnen und von der ganzen Welt lebhaft herbeigesehnt wird, noch komplizierter. Einmal mehr möchte ich wiederholen, daß die militärische Option keine Lösung ist und daß Gewalt, von wo und in welcher Form auch immer sie erfolgt, scharf verurteilt werden muß. Ich wünsche, daß durch das entschlossene Engagement der internationalen Gemeinschaft die Waffenruhe im Gazastreifen in Kraft treten kann - was unerläßlich ist, um für die Bevölkerung wieder akzeptable Lebensbedingungen herzustellen - und daß unter Verzicht auf Haß, Provokationen und Einsatz von Waffen die Friedensverhandlungen wieder aufgenommen werden. Es ist sehr wichtig, daß aus den entscheidenden Wahlgängen, die in den nächsten Monaten für viele Bewohner der Region anstehen, politische Führer hervorgehen, die fähig sind, diesen Prozeß entschlossen voranzutreiben und ihre Völker zu der schwierigen, aber unverzichtbaren Versöhnung zu führen. Sie wird man nicht erreichen können, ohne eine globale Annäherung an die Probleme dieser Länder vorzunehmen, bei voller Respektierung der Bestrebungen und legitimen Interessen aller betroffenen Bevölkerungsgruppen. Außer den erneuten Bemühungen um die Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts, die ich eben erwähnt habe, gilt es, dem Dialog zwischen Israel und Syrien überzeugte Unterstützung zu leisten und, was den Libanon betrifft, die im Gang befindliche Konsolidierung der Institutionen zu fördern, die um so effektiver sein wird, wenn sie in einem Geist der Einheit vorgenommen wird. Die Iraker, die sich darauf vorbereiten, ihr Schicksal ganz in die eigene Hand zu nehmen, möchte ich besonders dazu ermutigen, ein neues Kapitel zu beginnen und dabei in die Zukunft zu schauen und sie ohne Diskriminierungen aufgrund rassischer, ethnischer oder religiöser Zugehörigkeit aufzubauen. Was den Iran betrifft, darf man nicht müde werden, für die Kontroverse über das Nuklearprogramm eine Verhandlungslösung zu suchen durch einen Mechanismus, der es ermöglicht, den legitimen Forderungen des Landes und der internationalen Gemeinschaft Rechnung zu tragen. Eine solche Lösung würde die Entspannung in der Region und in der Welt in hohem Maße begünstigen.

2 Wenn ich den Blick auf den großen asiatischen Kontinent richte, stelle ich mit Sorge fest, daß in einigen Ländern die Gewaltausbrüche andauern und in anderen die politische Situation angespannt bleibt, aber es gibt auch Fortschritte, die uns mit größerem Vertrauen in die Zukunft blicken lassen. Ich denke zum Beispiel an die Aufnahme neuer Friedensverhandlungen in Mindanao auf den Philippinen und an den neuen Verlauf der Beziehungen zwischen Peking und Taipei. Im selben Rahmen der Friedenssuche könnte auch eine endgültige Lösung des anhaltenden Konflikts in Sri Lanka nur eine politische sein, während die humanitären Bedürfnisse der betroffenen Bevölkerungsgruppen weiterhin Gegenstand ständiger Aufmerksamkeit sein müssen. Die christlichen Gemeinschaften, die in Asien leben, sind zahlenmäßig meist eine Minderheit, wollen aber einen überzeugten und wirksamen Beitrag zum Gemeinwohl, zur Stabilität und zum Fortschritt ihrer Länder leisten durch ihr Zeugnis vom Primat Gottes, der eine gewissermaßen gesunde Wertehierarchie festlegt und eine Freiheit schenkt, die stärker ist als die Ungerechtigkeiten. Die vor kurzem erfolgte Seligsprechung von 188 Märtyrern in Japan hat auf eindrucksvolle Weise daran erinnert. Wie schon oft gesagt wurde, beansprucht die Kirche keine Privilegien, sondern die Anwendung des Prinzips der Religionsfreiheit in ihrem ganzen Umfang. Unter diesem Gesichtspunkt ist es wichtig, daß in Zentralasien die Gesetzgebungen über die Religionsgemeinschaften die volle Ausübung dieses Grundrechts unter Respektierung der internationalen Normen garantieren.

In einigen Monaten werde ich zu meiner großen Freude vielen in Afrika lebenden Brüdern und Schwestern im Glauben und mit menschlicher Nähe begegnen. In Erwartung dieses Besuches, den ich so sehr gewünscht habe, bete ich zum Herrn, daß ihre Herzen dazu bereit sein mögen, das Evangelium zu empfangen und es konsequent zu leben, indem sie durch den Kampf gegen die moralische und materielle Armut den Frieden aufbauen. Ganz besondere Aufmerksamkeit muß den Kindern gelten: 20 Jahre nach Annahme der Konvention über die Rechte der Kinder bleiben diese noch immer sehr verwundbar. Viele Kinder erleben das Flüchtlings- und Vertriebenendrama in Somalia, Darfur und in der Demokratischen Republik Kongo. Es handelt sich dabei um Migrationsströme, die Millionen von Menschen betreffen, die humanitäre Hilfe brauchen und die vor allem ihrer elementaren Rechte beraubt und in ihrer Würde verletzt werden. Ich fordere diejenigen, die auf nationaler und internationaler Ebene politische Verantwortung tragen, dazu auf, alle notwendigen Maßnahmen zur Lösung der laufenden Konflikte zu ergreifen und den Ungerechtigkeiten, die sie hervorgerufen haben, ein Ende zu setzen. Ich wünsche, daß die Wiedererrichtung des Staates in Somalia endlich vorangehen kann, damit die endlosen Leiden der Bewohner dieses Landes ein Ende finden. Ebenso kritisch bleibt die Lage in Simbabwe, wo beträchtliche humanitäre Hilfsmaßnahmen notwendig sind. Die Friedensvereinbarungen in Burundi haben einen Hoffnungsschimmer in die ganze Region gebracht. Ich spreche den Wunsch aus, daß sie voll zur Anwendung kommen und zur Inspirationsquelle für andere Länder werden, die noch nicht zum Weg der Versöhnung gefunden haben. Wie Sie wissen, verfolgt der Heilige Stuhl den afrikanischen Kontinent mit besonderer Aufmerksamkeit und ist glücklich darüber, diplomatische Beziehungen mit Botswana aufgenommen zu haben.

In diesem weiten Überblick, der die ganze Welt umfaßt, möchte ich mich auch einen Augenblick bei Lateinamerika aufhalten. Auch dort sehnen sich die Völker danach, in Frieden zu leben, befreit von der Armut und mit der Möglichkeit, ihre Grundrechte frei auszuüben. In diesem Zusammenhang wünscht man sich, daß den Bedürfnissen der Auswanderer durch Gesetzgebungen Rechnung getragen werde, die die Familienzusammenführung erleichtern und die legitimen Forderungen nach Sicherheit mit den Ansprüchen auf unverletzliche Achtung der Person in Einklang bringen. Außerdem möchte ich das vorrangige Bemühen einiger Regierungen loben, die versuchen, die Legalität wiederherzustellen und einen kompromißlosen Kampf gegen den Drogenhandel und die Korruption zu führen. Ich freue mich darüber, daß 30 Jahre nach der Aufnahme der päpstlichen Vermittlung in dem Grenzkonflikt zwischen Argentinien und Chile im Süden des Kontinents gewissermaßen die beiden Länder ihren Friedenswillen dadurch besiegelt haben, daß sie meinem verehrten Vorgänger Papst Johannes Paul II. ein Denkmal errichteten. Außerdem wünsche ich mir, daß die vor kurzem erfolgte Unterzeichnung des Abkommens zwischen dem Heiligen Stuhl und Brasilien die freie Ausübung des Evangelisierungsauftrags der Kirche erleichtern und ihre Zusammenarbeit mit den zivilen Einrichtungen für die ganzheitliche Entwicklung der Person stärken möge. Die Kirche begleitet seit fünf Jahrhunderten die Völker Lateinamerikas und teilt deren Hoffnungen und Sorgen. Ihre Bischöfe wissen: Um einen echten Fortschritt der Gesellschaft zu fördern, besteht ihre besondere Aufgabe darin, die Gewissen zu erleuchten und Laien auszubilden, die fähig sind, mutig in die zeitlichen Wirklichkeiten einzugreifen, indem sie sich in den Dienst des Gemeinwohls stellen.

Während ich schließlich meinen Blick auf die Nationen lenke, die geographisch näher liegen, möchte ich die christliche Gemeinde in der Türkei grüßen und daran erinnern, daß in diesem besonderen Jubiläumsjahr anläßlich der Geburt des hl. Apostels Paulus vor 2000 Jahren zahlreiche Pilger in seinen Geburtsort Tarsus kommen, was noch einmal die enge Verbindung dieses Landes mit den Ursprüngen des Christentums unterstreicht. Auf Zypern, wo die Verhandlungen mit Blick auf gerechte Lösungen für die mit der Teilung der Insel zusammenhängenden Probleme wieder aufgenommen werden, ist die Sehnsucht nach Frieden lebendig. Was den Kaukasus betrifft, möchte ich noch einmal daran erinnern, daß die Konflikte, von denen die Staaten der Region betroffen sind, nicht durch den Einsatz von Waffen gelöst werden können. Wenn ich an Georgien denke, wünsche ich mir, daß alle Verpflichtungen, die in dem Waffenstillstandsabkommen vom vergangenen August - das dank der diplomatischen Anstrengungen der Europäischen Union zustande gekommen ist - unterschrieben wurden, eingehalten werden und daß den Vertriebenen möglichst bald die Rückkehr in ihre Häuser ermöglicht wird. Was schließlich Südosteuropa betrifft, so bemüht sich der Heilige Stuhl weiterhin um die Stabilität in der Region und hofft, daß der Aufbau von Bedingungen für eine Zukunft der Versöhnung und des Friedens unter den Völkern Serbiens und des Kosovo weitergeht - unter Respektierung der Minderheiten und Bewahrung des wertvollen künstlerischen und kulturellen christlichen Erbes, das einen Reichtum für die ganze Menschheit darstellt.

Meine Damen und Herren Botschafter, zum Abschluß dieses Überblicks, der wegen seiner Kürze nicht sämtliche Leidens- und Armutssituationen, die mir in den Sinn kommen, erwähnen kann, komme ich noch einmal auf die diesjährige Botschaft zur Feier des Weltfriedenstages zurück. In diesem Dokument habe ich daran erinnert, daß die ärmsten Menschen die ungeborenen Kinder sind (Nr. 3). Ich muß abschließend noch an andere Arme erinnern, wie die alleingelassenen kranken und alten Menschen, die getrennten Familien ohne Hilfe und Orientierung. Die Armut wird bekämpft, wenn die Menschheit durch gemeinsame Werte und Ideale, die auf der Würde der Person, auf der mit Verantwortung verbundenen Freiheit und auf der effektiven Anerkennung des Platzes Gottes im Leben der Menschen gründen, brüderlicher geworden ist. Aus dieser Sicht richten wir unseren Blick auf Jesus, das in die Krippe gelegte einfache Kind. Weil er der Sohn Gottes ist, zeigt er uns, daß die brüderliche Solidarität zwischen allen Menschen der Hauptweg für die Bekämpfung der Armut und den Aufbau des Friedens ist. Das Licht seiner Liebe erleuchte alle Regierenden und die ganze Menschheit! Es führe uns durch dieses soeben begonnene Jahr! Allen ein gutes neues Jahr!

AN DIE MITGLIEDER DES NEOKATECHUMENALEN WEGES DER DIÖZESE ROM

Petersdom - Samstag, 10. Januar 2009


Liebe Brüder und Schwestern!

Mit großer Freude empfange ich euch, die ihr anläßlich des 40. Jahrestages des Beginns des Neokatechumenalen Weges in Rom, der gegenwärtig gut 500 Gemeinschaften umfaßt, so zahlreich erschienen seid. Euch allen gilt mein herzlicher Gruß. Insbesondere begrüße ich den Kardinalvikar Agostino Vallini sowie Herrn Kardinal Stanislaw Rylko, Präsident des Päpstlichen Rates für die Laien, der euch auf dem Weg zur Approbation eurer Statuten mit Hingabe begleitet hat. Ich begrüße die Verantwortlichen des Neokatechumenalen Weges: Herrn Kiko Argüello, dem ich herzlich für die begeisterten und begeisternden Worte danke, mit denen er eure gemeinsamen Empfindungen zum Ausdruck gebracht hat. Ich begrüße Frau Carmen Hernández und Pater Mario Pezzi. Ich begrüße die Gemeinschaften, die ihre Sendung in den ärmsten Randgebieten von Rom antreten, sowie jene, die in die »missio ad gentes« auf den fünf Kontinenten gehen, die 200 neuen Itinerantenfamilien und die 700 Itinerantenkatechisten, die für den Neokatechumenalen Weg in den verschiedenen Nationen verantwortlich sind. Ich danke euch allen. Der Herr möge euch begleiten.

Unsere heutige Begegnung findet bedeutsamerweise in der Vatikanischen Basilika statt, die über dem Grab des Apostels Petrus erbaut wurde. Als Jesus die Zwölf über seine Identität befragte, war er es, der Apostelfürst, der voll Eifer bekannte: »Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes« (Mt 16,16). Ihr seid heute hier versammelt, um dasselbe Glaubensbekenntnis zu erneuern. Eure Anwesenheit in so großer Zahl und mit so lebendigem Geist legt Zeugnis von den Wundern ab, die der Herr in den vergangenen vier Jahrzehnten gewirkt hat; sie zeigt auch den Einsatz auf, mit dem ihr den begonnenen Weg fortsetzen wollt, einen Weg der treuen Nachfolge Christi und des mutigen Zeugnisses für sein Evangelium - nicht nur hier in Rom, sondern überall dort, wohin die Vorsehung euch führt -, einen Weg der fügsamen Zustimmung zu den Weisungen der Hirten und in Gemeinschaft mit allen anderen Teilen des Gottesvolkes. Das beabsichtigt ihr zu tun, im Bewußtsein, daß es die Sendung der Kirche und eines jeden Getauften ist, den Menschen unserer Zeit zu helfen, Jesus Christus zu begegnen, dem Erlöser des Menschen. Der »Neokatechumenale Weg« fügt sich in diese kirchliche Sendung als einer der vielen Wege ein, die der Heilige Geist durch das Zweite Vatikanische Konzil für die Neuevangelisierung erweckt hat.

Alles begann hier in Rom vor nunmehr 40 Jahren, als sich in der Pfarrei »Santi Martiri Canadesi« die ersten Gemeinschaften des Neokatechumenalen Weges bildeten. Wie sollte man nicht den Herrn preisen für die geistlichen Früchte, die durch eure Evangelisierungsmethode in diesen Jahren geerntet werden konnten? Wie viele frische apostolische Kräfte wurden sowohl unter den Priestern als auch unter den Laien erweckt! Wie vielen Männer und Frauen und wie vielen Familien, die sich von der kirchlichen Gemeinschaft entfernt oder die christliche Lebenspraxis aufgegeben hatten, wurde durch die Verkündigung des »kerygma« und den Weg der Wiederentdeckung der Taufe geholfen, die Glaubensfreude und die Begeisterung für das Zeugnis des Evangeliums wiederzufinden! Die kürzlich erfolgte Approbation der Statuten des »Weges« durch den Päpstlichen Rat für die Laien hat die Hochschätzung und das Wohlwollen besiegelt, das der Heilige Stuhl dem Werk entgegenbringt, das der Herr durch eure Initiatoren erweckt hat. Der Papst, Bischof von Rom, dankt euch für den großherzigen Dienst, den ihr für die Evangelisierung dieser Stadt leistet, und für die Hingabe, mit der ihr euch darum bemüht, die christliche Verkündigung in jeden ihrer Bereiche zu tragen. Ich danke euch allen.

3 Euer bereits so verdienstvolles Apostolat wird noch wirksamer sein, je mehr ihr euch bemüht, stets das Streben nach der Einheit aufrechtzuerhalten, das Jesus den Zwölf beim Letzten Abendmahl vermittelt hat. Wir haben den Gesang gehört: Vor seinem Leiden betete unser Erlöser nämlich inständig darum, daß seine Jünger eins sein sollen, damit die Welt dahin geführt wird, an ihn zu glauben (vgl. Jn 17,21), denn diese Einheit kann nur aus der Kraft Gottes heraus kommen. Diese Einheit, die ein Geschenk des Heiligen Geistes ist und nach der die Gläubigen unablässig suchen, macht jede Gemeinschaft zu einem lebendigen und fest in den mystischen Leib Christi eingefügten Glied. Die Einheit der Jünger des Herrn gehört zum Wesen der Kirche, und sie ist die unverzichtbare Voraussetzung für die Fruchtbarkeit und Glaubwürdigkeit ihrer Evangelisierungsarbeit. Ich weiß, mit wie viel Eifer die Gemeinschaften des Neokatechumenalen Weges in gut 103 Pfarreien in Rom tätig sind. Ich ermutige euch, diese Bemühungen fortzusetzen und ermahne euch gleichzeitig, allen Weisungen des Kardinalvikars, meines direkten Mitarbeiters bei der pastoralen Leitung der Diözese, immer mehr Folge zu leisten. Danke für euer »Ja«, das offensichtlich von Herzen kommt. Die organische Eingliederung des »Weges« in die Diözesanpastoral und seine Einheit mit anderen kirchlichen Wirklichkeiten werden dem ganzen christlichen Volk zugute kommen und die Bemühungen der Diözese um eine erneuerte Verkündigung des Evangeliums in unserer Stadt ertragreicher machen. Es bedarf nämlich heute einer weitangelegten missionarischen Tätigkeit, die die verschiedenen kirchlichen Wirklichkeiten einbezieht. Diese müssen - jede einzelne unter Wahrung ihres eigenen ursprünglichen Charismas - harmonisch zusammenarbeiten und versuchen, jene »integrierte Seelsorge« zu verwirklichen, durch die bereits bedeutende Resultate erzielt werden konnten. Und indem ihr euch bereitwillig in den Dienst des Bischofs stellt, was eure Statuten ins Gedächtnis rufen, könnt ihr ein Vorbild für viele Ortskirchen sein, die die Kirche von Rom zu Recht als ihr Bezugsmodell betrachten.

Für noch eine weitere geistliche Frucht, die in diesen 40 Jahren herangereift ist, möchte ich gemeinsam mit euch der göttlichen Vorsehung danken: für die große Zahl von Priestern und geweihten Personen, die der Herr - Kiko hat darüber gesprochen - in euren Gemeinschaften erweckt hat. Viele Priester sind in den Pfarreien und in anderen Bereichen des diözesanen Apostolats tätig, viele sind Itinerantenmissionare in verschiedenen Nationen: Sie leisten der Kirche von Rom einen großherzigen Dienst, und die Kirche von Rom bietet der Evangelisierung in der Welt einen wertvollen Dienst an. Es ist ein wahrer »Frühling der Hoffnung« für die Diözesangemeinschaft von Rom und für die Universalkirche! Ich danke dem Rektor und seinen Mitarbeitern des Seminars »Redemptoris Mater« in Rom für die Bildungs- und Erziehungsarbeit, die sie durchführen. Wir alle wissen, daß ihre Aufgabe nicht einfach, aber sehr wichtig für die Zukunft der Kirche ist. Ich ermutige sie daher, diese Sendung fortzusetzen, indem sie die Vorgaben des Heiligen Stuhls sowie der Diözese im Bereich der Ausbildung annehmen. Das Ziel aller Ausbilder muß es sein, Priester zu formen, die in den Klerus der Diözese und in die Pastoral sowohl der Pfarrei als auch der Diözese gut eingegliedert sind.

Liebe Brüder und Schwestern, der soeben verkündete Abschnitt aus dem Evangelium hat uns die Anforderungen und Voraussetzungen der apostolischen Sendung ins Gedächtnis gerufen. Die Worte Jesu, die uns der heilige Evangelist Matthäus übermittelt, sind gleichsam eine Einladung, angesichts der Schwierigkeiten nicht den Mut zu verlieren, nicht nach menschlichen Erfolgen zu suchen und Unverständnis und sogar Verfolgungen nicht zu fürchten. Vielmehr ermutigen sie dazu, das Vertrauen einzig und allein auf die Macht Christi zu setzen, sein Kreuz auf sich zu nehmen und den Spuren unseres Erlösers zu folgen, der in der nunmehr am Ende angelangten Weihnachtszeit in der Demut und Armut Betlehems erschienen ist. Die allerseligste Jungfrau, Vorbild eines jeden Jüngers Christi und »Haus des Segens«, wie ihr gesungen habt, möge euch helfen, mit Freude und Treue den Auftrag zu erfüllen, den die Kirche euch mit Zuversicht anvertraut. Während ich euch für den Dienst danke, den ihr der Kirche von Rom leistet, versichere ich euch meines Gebets und segne von Herzen die hier Anwesenden und alle Gemeinschaften des Neokatechumenalen Weges auf der ganzen Welt.

AN DIE POLITISCHEN VERTRETER UND MITARBEITER DER VERWALTUNGSEINRICHTUNGEN DER REGION LATIUM SOWIE DER STADT UND DER PROVINZ ROM

Montag, 12. Januar 2009



Sehr geehrte Damen und Herren!

Es ist eine gute Tradition, daß der Papst zum Jahresbeginn die politischen Vertreter und Mitarbeiter der Verwaltungsbehörden der Stadt und der Provinz Rom sowie der Region Latium zum gegenseitigen Austausch herzlicher Wünsche in seinem Haus empfängt. Das geschieht auch heute vormittag in einer Atmosphäre der Hochachtung und der aufrichtigen Freundschaft: Ich danke Ihnen daher für Ihre geschätzte Anwesenheit. Einen ehrerbietigen Gruß richte ich zunächst an den Präsidenten der Region Latium, Herrn Pietro Marrazzo, an den Bürgermeister von Rom, Herrn Gianni Alemanno, sowie an den Präsidenten der Provinz Rom, Herrn Nicola Zingaretti. Ich danke ihnen für die freundlichen Worte, die sie auch im Namen der jeweiligen Verwaltungsbehörden an mich gerichtet haben. Mein Gruß gilt auch den Präsidenten der verschiedenen Ausschüsse sowie Ihnen allen - den Anwesenden, Ihren Familien und der geliebten Bevölkerung, die Sie vertreten.

In den soeben geäußerten Worten habe ich Hoffnungen und Sorgen wahrgenommen. Zweifellos erlebt die Weltgemeinschaft zur Zeit eine schwere Wirtschaftskrise. Sie ist jedoch mit der strukturellen und kulturellen Krise sowie mit der Wertekrise verbunden. Die schwierige Lage, in der sich die Weltwirtschaft befindet, hat überall unvermeidliche Auswirkungen. Sie betrifft also auch die Stadt und die Provinz Rom sowie die großen und kleinen Ortschaften Latiums. Angesichts einer so schwierigen Herausforderung - das wird auch in Ihren Worten deutlich - muß ein gemeinsamer Wille vorhanden sein, darauf zu reagieren. Spaltungen müssen überwunden und Strategien vereinbart werden, die einerseits den heutigen Notständen begegnen und andererseits darauf ausgerichtet sind, einen organischen strategischen Plan für die kommenden Jahre zu entwerfen, der sich an den Grundsätzen und Werten orientiert, die zum geistigen Erbe Italiens und insbesondere Roms und Latiums gehören. In den schwierigen Augenblicken seiner Geschichte findet das Volk wieder gemeinsame Zielsetzungen und Mut unter der weisen Führung erleuchteter politischer Vertreter, deren grundlegende Sorge das Wohl aller ist.

Liebe Freunde, aus Ihren Worten ist klar ersichtlich, daß die von Ihnen geleiteten Verwaltungsbehörden die Anwesenheit und die Arbeit der katholischen Gemeinschaft schätzen; ich möchte an dieser Stelle noch einmal betonen, daß sie keine Privilegien fordert oder beansprucht, sondern den Wunsch hat, daß ihre geistliche und gesellschaftliche Sendung auch weiterhin Wertschätzung und Zusammenarbeit finden möge. Ich danke Ihnen für Ihre Hilfsbereitschaft und erinnere daran, daß Rom und Latium eine besondere Rolle für die Christenheit spielen. Hier fühlen sich die Katholiken zu einem lebendigen Zeugnis für das Evangelium und zum eifrigen Handeln für die menschliche Förderung angespornt, besonders heute, angesichts der Schwierigkeiten, die wir alle gut kennen. Obgleich die diözesane Caritas, die Pfarrgemeinden und die katholischen Verbände keine Mühen scheuen, um den Notleidenden zu helfen, ist in diesem Zusammenhang das Zusammenwirken aller Einrichtungen dennoch unverzichtbar, um auf die wachsenden Nöte der Menschen konkrete Antworten zu geben. Ich denke hier an die Familien, vor allem an jene mit kleinen Kindern, die ein Recht auf eine sorglose Zukunft haben, und an die älteren Menschen, von denen viele in Einsamkeit und in dürftigen Verhältnissen leben; ich denke an die Wohnungsnot, an fehlende Arbeitsplätze und an die Jugendarbeitslosigkeit, an das nicht einfache Zusammenleben verschiedener ethnischer Gruppen, an das große Problem der Immigration und der Sinti und Roma.

Während es Aufgabe des Staates ist, eine angemessene Wirtschafts- und Sozialpolitik zu verwirklichen, ist die Kirche im Licht ihrer Soziallehre berufen, ihren Beitrag zu leisten, indem sie die Gläubigen und alle Bürger guten Willens zum Nachdenken bewegt und ihre Gewissen bildet. Vielleicht versteht die Zivilgesellschaft heute mehr denn je, daß nur durch einen Lebensstil, der auf Einfachheit, Solidarität und Verantwortung ausgerichtet ist, eine gerechtere Gesellschaft und eine bessere Zukunft für alle aufgebaut werden kann. Es gehört zu den Grundpflichten der öffentlichen Hand, allen Einwohnern ihre Rechte zu gewährleisten, wobei darauf geachtet werden muß, daß die Pflichten eines jeden Menschen klar definiert sind und wirklich umgesetzt werden. Eine unabdingbare Priorität ist daher die Erziehung zur Achtung der Gesetze, zur Übernahme der eigenen Verantwortung und zu einer Lebensweise, die den Individualismus und die Verteidigung von Einzelinteressen zurücksetzt, um gemeinsam nach dem Wohl aller zu streben, wobei die Erwartungen der schwächeren Subjekte innerhalb der Bevölkerung besonders berücksichtigt werden müssen. Sie dürfen nicht als Last empfunden, sondern müssen als Ressource angesehen werden, die hoch zu schätzen ist.

Unter diesem Gesichtspunkt stellt die Kirche seit Jahren mit einer Intuition, die ich als prophetisch bezeichnen möchte, das Thema der Erziehung in den Mittelpunkt ihrer Bemühungen. Ich möchte an dieser Stelle für die Zusammenarbeit Ihrer Verwaltungsbehörden mit den kirchlichen Gemeinschaften meinen Dank zum Ausdruck bringen; diese betrifft den Bereich der Jugendzentren sowie den Bau neuer Gemeindezentren in den Stadtteilen, wo diese noch nicht vorhanden sind. Ich vertraue darauf, daß sich diese gegenseitige Unterstützung in Zukunft unter Achtung der jeweiligen Kompetenzen weiterhin konsolidieren möge. Man muß sich dabei vor Augen führen, daß die kirchlichen Einrichtungen inmitten eines Stadtteils nicht nur die Ausübung der Religionsfreiheit, eines Grundrechts der menschlichen Person, gestatten, sondern daß sie darüber hinaus in Wirklichkeit Zentren sind, die als Treffpunkte dienen und wo eine Erziehung zu den Werten des Gemeinschaftssinns, des friedlichen Zusammenlebens, der Brüderlichkeit und des Friedens stattfindet.

Wie sollte man nicht besonders an die Kinder und Jugendlichen denken, die unsere Zukunft sind? Jedesmal, wenn in den Nachrichten über Jugendgewalt berichtet wird, jedesmal, wenn die Zeitungen Verkehrsunfälle melden, in denen viele junge Menschen sterben, dann kommt mir wieder das Thema des Erziehungsnotstandes in den Sinn, der heute die größtmögliche Zusammenarbeit verlangt. Besonders unter den jungen Generationen gehen die natürlichen und christlichen Werte zurück, die dem täglichen Leben Sinn geben und zu einer Lebensauffassung erziehen, die offen ist für die Hoffnung; es werden dagegen kurzlebige Wünsche und nicht dauerhafte Erwartungen wach, die am Ende Überdruß und Mißerfolge erzeugen. All das führt unglücklicherweise dazu, daß sich Tendenzen durchsetzen, den Wert des Lebens zu banalisieren, um sich in Exzesse, Drogen und Alkohol zu flüchten, die für einige zum gewohnten Wochenendritual geworden sind. Selbst die Liebe läuft Gefahr, »zur bloßen Sache« zu werden, die man »kaufen und verkaufen« kann, »ja, der Mensch selbst wird dabei zur Ware« (Deus caritas est ). Angesichts des Nihilismus, der die Welt der Jugendlichen immer stärker durchdringt, fordert die Kirche alle auf, sich ernsthaft den Jugendlichen zu widmen, sie nicht sich selbst zu überlassen und sie nicht »schlechten Lehrmeistern« auszusetzen, sondern sie in ernsthafte Initiativen einzubinden, die ihnen helfen, den Wert des Lebens in einer soliden Familie, die auf der Ehe gründet, zu verstehen. Nur so gibt man ihnen die Möglichkeit, vertrauensvoll ihre Zukunft zu planen. Was die kirchliche Gemeinschaft betrifft, so muß diese noch größere Bereitschaft zeigen, den neuen Generationen in Rom und Latium zu helfen, ihre Zukunft verantwortlich zu planen. Sie bietet ihnen vor allem die Liebe Christi an, der allein erschöpfende Antworten auf die tiefsten Fragen unseres Herzens geben kann.


ANSPRACHE 2009