ANSPRACHE 2009 17

AN DIE MITGLIEDER DER GEMISCHTEN INTERNATIONALEN KOMMISSION FÜR DEN THEOLOGISCHEN DIALOG ZWISCHEN DER KATHOLISCHEN KIRCHE UND DEN ORIENTALISCHEN ORTHODOXEN KIRCHEN

Freitag, 30. Januar 2009



Liebe Brüder in Christus!

Ich heiße euch, die Mitglieder der Gemischten Internationalen Kommission für den Theologischen Dialog zwischen der katholischen Kirche und den orientalischen orthodoxen Kirchen, herzlich willkommen. Am Ende dieser Woche engagierter Arbeit können wir gemeinsam dem Herrn für euer standhaftes Bemühen um die Suche nach Versöhnung und Gemeinschaft im Leib Christi danken, der die Kirche ist.

In der Tat bringt jeder von euch in diese Aufgabe nicht nur den Reichtum der eigenen Überlieferung ein, sondern auch das Bemühen der Kirchen, die an diesem Dialog beteiligt sind, um die Spaltungen der Vergangenheit zu überwinden und das gemeinsame Zeugnis der Christen angesichts der enormen Herausforderungen, denen die Gläubigen heute gegenüberstehen, zu stärken.

Die Welt braucht ein sichtbares Zeichen für das Geheimnis der Einheit, das die drei göttlichen Personen verbindet und das uns vor 2000 Jahren durch die Menschwerdung des Sohnes Gottes offenbart wurde. Die Greifbarkeit der Botschaft des Evangeliums wird von Johannes ganz deutlich dargelegt, als er seine Absicht kundtut, das zu verkünden, was er gehört und mit seinen Augen gesehen hat und was seine Hände angefaßt haben, damit alle Gemeinschaft haben mit dem Vater und mit seinem Sohn Jesus Christus (vgl. 1Jn 1,1-4). Unsere Gemeinschaft durch die Gnade des Heiligen Geistes in dem Leben, das den Vater und den Sohn vereint, besitzt eine spürbare Dimension in der Kirche, dem Leib Christi: Sie »wird von ihm erfüllt, der das All ganz und gar beherrscht« (Ep 1,23).

Eure sechste Versammlung hat wichtige Schritte gerade in bezug auf das Studium der Kirche als Gemeinschaft unternommen. Schon allein die Tatsache, daß der Dialog beständig weitergeführt wurde und jedes Jahr von einer der verschiedenen Kirchen, die ihr vertretet, ausgerichtet wird, ist ein Zeichen der Hoffnung und Ermutigung. Wir brauchen nur an den Nahen Osten zu denken - aus dem viele von euch kommen -, um zu sehen, daß wahre Samenkörner der Hoffnung dringend notwendig sind in einer Welt, die durch die Tragödie der Spaltung, des Konflikts und enormen menschlichen Leidens verwundet ist.

Die Gebetswoche für die Einheit der Christen hat soeben mit der Feier in der Basilika ihren Abschluß gefunden, die dem großen Apostel Paulus geweiht ist. Viele von euch waren dabei anwesend. Paulus war der erste große Meister und Theologe der Einheit der Kirche. Seine Bemühungen und Kämpfe waren von dem dauerhaften Bestreben inspiriert, eine sichtbare, nicht nur äußerliche, sondern wirkliche und volle Gemeinschaft unter den Jüngern des Herrn zu erhalten. Daher bitte ich durch die Fürsprache des Paulus um Gottes Segen für euch alle sowie für die Kirchen und Völker, die ihr vertretet.



AN DIE MITGLIEDER DER FÜHRUNGSGRUPPE DER ITALIENISCHEN GEWERKSCHAFT "CONFEDERAZIONE ITALIANA SINDACATI LAVORATORI" (CISL) ANLÄSSLICH IHRES 60. GRÜNDUNGSJUBILÄUMS


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Samstag, 31. Januar 2009



Sehr geehrte Damen und Herren!

Mit großer Freude empfange ich euch heute, die Mitglieder der Führungsgruppe der »Confederazione Italiana Sindacale Lavoratori« [CISL: einer der großen italienischen Gewerkschaftsverbände], und grüße euch herzlich: Mein Gruß geht vor allem an den Generalsekretär, und ich danke ihm für die Worte, die er im Namen aller an mich gerichtet hat. Er hat daran erinnert, daß die CISL vor genau 60 Jahren ihre ersten Schritte unternommen und sich aktiv an der Gründung der internationalen freien Gewerkschaftsbewegung beteiligt sowie dafür gesorgt hat, die entstehende Einrichtung in den Prinzipien der kirchlichen Soziallehre zu verankern und die Praxis eines freien und von Parteien und politischen Gruppierungen unabhängigen Gewerkschaftswesens einzuführen. Ihr wollt diese Orientierungslinien heute bekräftigen und es ist euer Wunsch, weiterhin aus dem sozialen Lehramt der Kirche Anregungen für euer Wirken zu ziehen, das darauf ausgerichtet ist, die Interessen der Arbeiter und Arbeiterinnen sowie der Rentenempfänger in Italien zu wahren. Wie euer Generalsekretär zu Recht in Erinnerung gerufen hat, bestehen die große Herausforderung und die Gelegenheit, die durch die derzeitige besorgniserregende Wirtschaftskrise entstanden sind, darin, eine neue Synthese von Gemeinwohl und Markt, von Kapital und Arbeit zu finden. Und in diesem Bereich ist der Beitrag von Bedeutung, den die Gewerkschaftsorganisationen leisten können.

Die Kirche, die in Fragen, die den Menschen betreffen, erfahren ist, bietet unter voller Achtung der legitimen Autonomie jeder Institution denjenigen, die dem Menschen, der Arbeit und dem Fortschritt, der sozialen Gerechtigkeit und dem Frieden dienen wollen, stets den Beitrag ihrer Lehre und ihrer Erfahrung an. Ihre Aufmerksamkeit gegenüber sozialen Fragestellungen hat im Laufe des letzten Jahrhunderts zugenommen. Gerade daher haben es meine verehrten Vorgänger mit Blick auf die Zeichen der Zeit nicht versäumt, den Gläubigen und Menschen guten Willens angemessene Hinweise zu geben und sie in ihrem Bemühen zu erleuchten, die Würde des Menschen zu wahren und sich für die wirklichen Bedürfnisse der Gesellschaft einzusetzen.

Unmittelbar vor dem Anbruch des 20. Jahrhunderts hat Papst Leo XIII. mit seiner Enzyklika Rerum novarum die unveräußerliche Würde der Arbeiter eindringlich verteidigt. Die ideellen Richtlinien dieses Dokuments haben dazu beigetragen, die christliche Einwirkung auf das soziale Leben zu stärken; das übertrug sich unter anderem auf das Entstehen und die Konsolidierung nicht weniger Initiativen von gesellschaftlichem Interesse, wie die sozialen Studienzentren, die Arbeitergesellschaften, die Genossenschaften und die Gewerkschaften. Es wurde ein beachtlicher Impuls für eine Arbeitsgesetzgebung gegeben, die die legitimen Erwartungen der Arbeiter - vor allem der Frauen und der Minderjährigen - berücksichtigt, und es kam ebenfalls zu einer spürbaren Verbesserung der Löhne sowie der Arbeitsbedingungen. Johannes Paul II. hat den 100. Jahrestag dieser Enzyklika, die »das Privileg« hatte, daß mehrere spätere päpstliche Dokumente an sie erinnert haben, durch die Veröffentlichung der Enzyklika Centesimus annus feierlich begehen wollen; in dieser stellt er fest, daß die Soziallehre der Kirche vor allem in diesem unserem geschichtlichen Zeitabschnitt den Menschen als in das komplizierte Beziehungsgeflecht eingebunden betrachtet, das für die modernen Gesellschaften typisch ist. Die Humanwissenschaften tragen ihrerseits dazu bei, ihn in die Lage zu versetzen, sich selbst immer besser als soziales Wesen zu begreifen. »Allein der Glaube«, so merkt mein verehrter Vorgänger an, »enthüllt ihm voll seine wahre Identität. Von dieser Identität geht die Soziallehre der Kirche aus. Ihr Ziel ist es, unter Zuhilfenahme sämtlicher Beiträge der Wissenschaften und der Philosophie dem Menschen auf dem Weg zu seinem Heil beizustehen« (CA 54).

In seiner vorhergehenden, dem Thema der Arbeit gewidmeten Enzyklika Laborem exercens aus dem Jahr 1981 hatte Papst Johannes Paul II. hervorgehoben, daß die Kirche niemals davon abgelassen hat, die Probleme der Arbeit innerhalb einer sozialen Frage zu betrachten, die immer mehr weltweite Dimensionen angenommen hat. Die Arbeit - so betont er - ist der »wesentliche Schlüssel« der gesamten sozialen Frage, da sie nicht nur die wirtschaftliche, sondern auch die kulturelle und moralische Entwicklung der Personen, der Familien, der Gemeinschaften und der gesamten Menschheit beeinflußt (vgl. LE 1). In diesem wichtigen Schreiben werden auch die Rolle und die strategische Bedeutung der Gewerkschaften hervorgehoben, die als ein »unentbehrliches Element des sozialen Lebens, vor allem in den modernen Industriegesellschaften« (vgl. LE 20), bezeichnet werden.

Es gibt ein weiteres Element, das häufig im Lehramt der Päpste des 20. Jahrhunderts wiederkehrt: der Aufruf zu Solidarität und Verantwortung. Wir wissen, daß es, um die wirtschaftliche und soziale Krise zu überwinden, die wir derzeit erleben, eines freien und verantwortlichen Bemühens seitens aller bedarf; es ist also notwendig, partikularistische und einzelne Sektoren betreffende Interessen zu überwinden, um gemeinsam und vereint die Schwierigkeiten anzugehen, von denen jeder Bereich der Gesellschaft und vor allem die Welt der Arbeit betroffen sind. Nie war dies dringender zu verspüren als heute; die Schwierigkeiten, unter denen die Arbeitswelt leidet, drängen zu einem effizienteren und rascheren gemeinsamen Vorgehen der vielfältigen und verschiedenen Komponenten der Gesellschaft. Die Mahnung zur Zusammenarbeit findet sich auch in der Bibel. So lesen wir etwa im Buch Kohelet: »Zwei sind besser als einer allein, falls sie nur reichen Ertrag aus ihrem Besitz ziehen. Denn wenn sie hinfallen, richtet einer den anderen auf. Doch wehe dem, der allein ist, wenn er hinfällt, ohne daß einer bei ihm ist, der ihn aufrichtet« (Qo 4,9-10). Der Wunsch lautet schließlich, daß aus der derzeitigen weltweiten Krise der gemeinsame Wille hervorgehen möge, eine neue Kultur der Solidarität und der Mitverantwortung entstehen zu lassen; es sind dies unerläßliche Bedingungen für die gemeinsame Gestaltung der Zukunft unseres Planeten.

Liebe Freunde, möge die Feier des 60. Jahrestages der Gründung eurer Gewerkschaftsorganisation ein Anlaß sein, die anfängliche Begeisterung zu erneuern und noch stärker euer ursprüngliches Charisma wiederzuentdecken. Die Welt braucht Menschen, die sich selbstlos der Sache der Arbeit widmen, in voller Achtung der menschlichen Würde und des Gemeinwohls. Die Kirche, die die fundamentale Rolle der Gewerkschaften schätzt, ist euch heute wie gestern nahe und bereit, euch zu helfen, damit ihr aufs beste eure Aufgabe in der Gesellschaft erfüllen könnt. Am heutigen Festtag des hl. Don Bosco möchte ich schließlich eure Aktivitäten und Vorhaben diesem Apostel der Jugend anvertrauen, der mit großem sozialen Gespür die Arbeit zu einem wertvollen Instrument der Ausbildung und der Erziehung der neuen Generationen gemacht hat. Ich rufe außerdem den Schutz der Muttergottes und des hl. Josef auf euch herab, des guten Vaters und erfahrenen Arbeiters, der täglich für die Familie von Nazaret gesorgt hat. Meinerseits versichere ich euch meines Gedenkens im Gebet und segne euch herzlich, die ihr hier anwesend seid, sowie alle Mitglieder, die eurem Verband angehören.



Februar 2009


AN HERRN JÁNOS BALASSA, NEUER BOTSCHAFTER DER REPUBLIK UNGARN BEIM HL. STUHL

Montag, 2. Februar 2009

19

Exzellenz!

Ich freue mich, Sie zu Beginn Ihrer Mission willkommen zu heißen und das Beglaubigungsschreiben entgegenzunehmen, durch das Sie als außerordentlicher und bevollmächtigter Botschafter der Republik Ungarn beim Heiligen Stuhl akkreditiert werden. Ich danke Ihnen für Ihre freundlichen Worte und für die Grüße von seiten des Staatspräsidenten, Herrn László Sólyom. Bitte übermitteln Sie ihm meine hochachtungsvollen guten Wünsche und die Versicherung meines Gebets für das ganze Volk Ihrer Nation.

Die Wiederaufnahme der vollen diplomatischen Beziehungen zu den Ländern des ehemaligen Ostblocks nach den einschneidenden Ereignissen von 1989 hat neue Horizonte der Hoffnung für die Zukunft eröffnet. In den 20 Jahren, die seitdem vergangen sind, hat Ungarn große Fortschritte gemacht beim Aufbau der Strukturen einer freien und demokratischen Gesellschaft, die in der Lage und bereit ist, in einer zunehmend globalisierten Weltgemeinschaft ihren Beitrag zu leisten. Wie Sie gesagt haben, müssen die Kräfte, die Wirtschaft und Politik in der modernen Welt lenken, die richtige Ausrichtung erhalten. Mit anderen Worten, sie müssen auf eine ethische Grundlage gestellt werden, die der Würde und den Rechten der menschlichen Person sowie dem Gemeinwohl der Menschheit Priorität gibt. Angesichts seines starken christlichen Erbes, das über 1000 Jahre zurückreicht, besitzt Ungarn gute Voraussetzungen, um zur Förderung dieser humanen Ideale in der Europäischen Gemeinschaft und in der größeren Weltgemeinschaft beizutragen, und ich hoffe, daß unsere diplomatischen Beziehungen dazu dienen werden, diese lebenswichtige Dimension des Beitrags Ihres Landes zu den internationalen Angelegenheiten zu unterstützen.

Die Wiedererlangung der Freiheit hat manchmal die Gefahr mit sich gebracht, daß diese christlichen und menschlichen Ideale, die in der Geschichte und Kultur einzelner Völker sowie des ganzen europäischen Kontinents so tief verwurzelt sind, durch andere ersetzt werden, die auf falschen Vorstellungen vom Menschen und seiner Würde gründen und für die Entwicklung einer wirklich gedeihenden Gesellschaft schädlich sind. In meiner Botschaft zur Feier des Weltfriedenstages 2008 habe ich die grundlegende Bedeutung der Familie für den Aufbau friedlicher gemeinschaftlicher Beziehungen auf jeder Ebene hervorgehoben.

In großen Teilen des modernen Europa wird die entscheidende Rolle, die die Familie für das menschliche Zusammenleben spielt, durch falsche Denkweisen in Frage gestellt oder sogar gefährdet, was manchmal in aggressiven Strategien im sozialen und politischen Bereich zum Ausdruck kommt. Ich hoffe ernsthaft, daß Wege gefunden werden, um diesen Grundbaustein unserer Gesellschaft, das Herzstück jeder Kultur und Nation, zu schützen. Insbesondere kann die Regierung die Familie unterstützen, indem sie sicherstellt, daß die Eltern ihr Grundrecht wahrnehmen können, die ersten Erzieher ihrer Kinder zu sein, was die Möglichkeit einschließt, ihre Kinder in Konfessionsschulen zu schicken, wenn sie es wünschen.

Die katholische Kirche in Ungarn hat den Übergang von der Zeit der totalitären Herrschaft zur Freiheit, die Ihr Land jetzt genießt, besonders intensiv erlebt. Nach jahrzehntelanger Unterdrückung, getragen vom heroischen Zeugnis so vieler Christen, ist sie hervorgetreten, um in einer veränderten Gesellschaft ihren Platz einzunehmen, wieder in der Lage, frei das Evangelium zu verkünden. Sie sucht keine Privilegien für sich selbst, sondern ist darauf bedacht, ihre Rolle im Leben der Nation zu spielen, getreu ihrem Wesen und ihrer Sendung. Der Prozeß zur Umsetzung der Vereinbarungen zwischen Ungarn und dem Heiligen Stuhl geht weiter - ich denke an das kürzlich unterzeichnete Memorandum über die religiöse Betreuung der Streitkräfte und der Grenzpolizei -, und ich bin zuversichtlich, daß alle noch ungeklärten Fragen, die das Leben der Kirche in Ihrem Land betreffen, im Geist des Wohlwollens und des fruchtbaren Dialogs gelöst werden, der unsere diplomatischen Beziehungen seit ihrer so glücklichen Wiederherstellung geprägt hat.

Exzellenz, ich hoffe, daß die diplomatische Mission, die Sie heute antreten, die bereits bestehenden Bande der Freundschaft zwischen dem Heiligen Stuhl und der Republik Ungarn weiter festigen möge. Ich versichere Ihnen, daß die verschiedenen Ämter der Römischen Kurie stets bereit sind, Hilfe und Unterstützung bei der Erfüllung Ihrer Pflichten anzubieten. Mit meinen aufrichtigen guten Wünschen rufe ich auf Sie, Ihre Familie und alle Ihre Mitbürger reichen Segen des Friedens und des Wohlergehens herab. Gott segne Ungarn!



AN DIE BISCHÖFE AUS DER TÜRKEI ANLÄSSLICH IHRES "AD-LIMINA"-BESUCHES

Montag, 2. Februar 2009

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Liebe Mitbrüder im Bischofs- und im Priesteramt!

Ich freue mich, euch heute vormittag im Rahmen eurer Pilgerreise zu den Gräbern der Apostel Petrus und Paulus zu empfangen, die ihr als beredtes Zeichen eurer Gemeinschaft mit dem Nachfolger Petri durchführt. Ich danke dem Vorsitzenden eurer Bischofskonferenz, Erzbischof Luigi Padovese, Apostolischer Vikar von Anatolien, für die liebenswürdigen Worte, die er in eurem Namen an mich gerichtet hat. Durch eure Anwesenheit begegnen auch eure vielfältigen Gemeinschaften der Kirche von Rom und zeigen so die tiefe Einheit, durch die sie verbunden sind. Grüßt die Priester, die Ordensleute und alle Gläubigen eurer Diözesen herzlich in meinem Namen, wenn ihr nach Hause zurückkehrt. Sagt ihnen, daß der Papst in der Erinnerung an seine Pilgerreise in die Türkei, die ihm in seinen Gedanken immer noch gegenwärtig ist, jedem von ihnen in seinen Sorgen und in seinen Hoffnungen nahe bleibt.

Euer Besuch, der nach göttlichem Ratschluß in diesem Jahr stattfindet, das dem hl. Paulus geweiht ist, erhält eine besondere Bedeutung für euch, die ihr die Hirten der katholischen Kirche in der Türkei seid, dem Land, in dem der Völkerapostel geboren wurde und in dem er mehrere Gemeinden gegründet hat. Wie ich in der Basilika erklärt habe, in der sich sein Grab befindet, wollte ich dieses Paulusjahr ausrufen, »damit wir ihm zuhören und von ihm als unserem Lehrer jetzt ›den Glauben und die Wahrheit‹ erlernen, in denen die Gründe für die Einheit unter den Jüngern Christi verwurzelt sind« (O.R. dt., Nr. 27; 4.7.2008; S. 7). Ich weiß, daß ihr diesem Jubiläumsjahr in eurem Land einen besonderen Glanz verleihen wolltet und daß zahlreiche Pilger die Stätten besuchen, die der christlichen Tradition so teuer sind. Ich wünsche, daß der Zugang zu diesen für den christlichen Glauben wichtigen Orten sowie die Feier des Gottesdienstes den Pilgern immer weiter erleichtert werden. Im übrigen freue ich mich sehr über die ökumenische Dimension, die dieses Paulusjahr erhalten hat, das somit die Bedeutung dieser Initiative für die anderen Kirchen und christlichen Gemeinschaften zeigt. Möge dieses Jahr neue Fortschritte auf dem Weg zur Einheit aller Christen möglich machen!

Das Leben eurer Ortskirchen in all ihrer Vielfalt stellt die Fortsetzung einer reichen Geschichte dar, die durch die Entwicklung der ersten christlichen Gemeinden geprägt ist. Zahlreiche Namen, die den Jüngern Christi so sehr am Herzen liegen, bleiben seit dem hl. Johannes, dem hl. Ignatius von Antiochien, dem hl. Polykarp von Smyrna und vielen anderen berühmten Kirchenvätern mit eurem Land verbunden, ohne das Konzil von Ephesus zu vergessen, wo die Jungfrau Maria zur »Theotokos« erklärt wurde. In jüngerer Zeit haben Papst Benedikt XV. und der sel. Johannes XXIII. ebenfalls den Weg der Nation und der Kirche in der Türkei geprägt.

Ich möchte auch noch an alle Christen - Priester und Laien - erinnern, die manchmal bis zur höchsten Hingabe ihres Lebens Zeugnis für die Liebe Christi abgelegt haben, wie etwa der Priester Andrea Santoro. Möge diese wunderbare Geschichte für eure Gemeinden, deren Glaubenskraft und Opferbereitschaft in Situationen der Prüfung ich kenne, nicht nur die Erinnerung an eine ruhmreiche Vergangenheit darstellen, sondern die Ermutigung, den vorgezeichneten Weg großherzig weiterzuverfolgen und unter ihren Brüdern die Liebe Gottes zu jedem Menschen zu bezeugen.

Liebe Brüder, die Konzile von Nizäa und von Konstantinopel haben dem Glaubensbekenntnis seinen endgültigen Ausdruck verliehen. Möge dies für euch und für eure Gläubigen ein drängender Ansporn sein, den Glauben der Kirche zu vertiefen und mit immer größerem Eifer die Hoffnung zu leben, die daraus hervorgeht. Das Volk Gottes wird in einer wirklichen kirchlichen Gemeinschaft eine wirksame Stütze für seinen Glauben und seine Hoffnung finden. In der Tat: »Die Kirche ist eine organische Gemeinschaft, die sich in der Koordinierung der verschiedenen Charismen, Ämter und Dienste im Hinblick auf die Erreichung des gemeinsamen Zieles, des Heils nämlich, verwirklicht« (Pastores gregis ), und die Bischöfe sind die ersten Verantwortlichen der konkreten Verwirklichung dieser Einheit. Die tiefe Gemeinschaft, die unter ihnen - in der Verschiedenheit der Riten - herrschen muß, kommt besonders in einer wirklichen Brüderlichkeit und in gegenseitiger Zusammenarbeit zum Ausdruck, die es ihnen erlaubt, ihr Amt in einem kollegialen Geist auszuüben und die Einheit des Leibes Christi zu stärken.

Diese Einheit findet eine lebendige Quelle im Wort Gottes, dessen Bedeutung im Leben und in der Sendung der Kirche die jüngste Bischofssynode erneut herausgestellt hat. Ich lade euch also dazu ein, die Gläubigen eurer Diözesen auszubilden, damit die Heilige Schrift nicht ein Wort der Vergangenheit ist, sondern ihr Leben erhellt und ihnen einen wirklichen Zugang zu Gott eröffnet. In diesem Zusammenhang möchte ich gerne daran erinnern, daß die Meditation des ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel, Bartholomaios I., über das Wort Gottes ein wichtiger Moment dieser synodalen Versammlung war.

Gestattet mir auch, die Priester und Ordensleute zu grüßen, die mit euch bei der Verkündigung des Evangeliums zusammenarbeiten. Da sie zu einem großen Teil aus anderen Ländern kommen, ist ihre Aufgabe häufig eine sehr schwere Prüfung. Ich ermutige sie dazu, sich immer besser in eure Ortskirchen einzufügen, damit sie allen Mitgliedern der katholischen Gemeinschaft die notwendige pastorale Aufmerksamkeit schenken können, unter Berücksichtigung der schwächsten und einsamsten Menschen. Die kleine Zahl von Priestern, die angesichts des Arbeitsumfangs häufig nicht ausreichend ist, kann euch nur dazu anregen, eine starke Berufungspastoral zu entwickeln.

Die Jugendpastoral ist eines eurer Hauptanliegen. Tatsächlich ist es wichtig, daß die jungen Menschen eine christliche Ausbildung erhalten können, die ihnen hilft, ihren Glauben zu festigen und in einem häufig schwierigen Umfeld zu leben.

In derselben Perspektive muß auch die Ausbildung der Laien diesen ermöglichen, kompetent und effizient die Verantwortung zu übernehmen, die ihnen in der Kirche abverlangt wird.

Die christliche Gemeinschaft eures Landes lebt in einer Nation, die über eine Verfassung verfügt, welche die Laizität des Staates erklärt, deren Einwohner jedoch mehrheitlich Moslems sind. Es ist also äußerst wichtig, daß Christen und Moslems sich gemeinsam für den Menschen, für das Leben sowie für Gerechtigkeit und Frieden einsetzen können. Im übrigen ist die Unterscheidung in einen bürgerlichen und in einen religiösen Bereich sicherlich ein Wert, der geschützt werden muß. Jedenfalls kommt es in diesem Rahmen dem Staat zu, den Bürgern und den religiösen Gemeinschaften auf wirksame Weise die Kultus- und Religionsfreiheit zu gewährleisten und jede Gewalt gegenüber Gläubigen - gleich welcher Religion - zu verurteilen. In diesem Zusammenhang kenne ich euren Wunsch und eure Bereitschaft zu einem aufrichtigen Dialog mit den Behörden, um eine Lösung für die verschiedenen Probleme zu finden, die sich für eure Gemeinschaften stellen, darunter etwa das der rechtlichen Anerkennung der katholischen Kirche und ihrer Güter.

Eine solche Anerkennung kann für alle nur positive Konsequenzen haben.

Es ist wünschenswert, daß ständige Verbindungen eingerichtet werden können, etwa durch eine bilaterale Kommission, um noch ungelöste Fragen zu untersuchen.

Liebe Mitbrüder, am Ende unserer Begegnung möchte ich euch die Worte der Hoffnung wiederholen, die im Buch der Offenbarung an die Kirchen von Ephesus und von Smyrna gerichtet werden: »Du hast ausgeharrt und um meines Namens willen Schweres ertragen und bist nicht müde geworden … Sei treu bis in den Tod; dann werde ich dir den Kranz des Lebens geben« (
Ap 2,3 Ap 2,10). Mögen die Fürsprache des hl. Paulus und der Theotokos euch gewähren, in dieser Hoffnung zu leben, die von Christus kommt, der auferstanden ist und unter uns lebt. Von Herzen erteile ich euch sowie auch den Priestern, den Ordensleuten und den Gläubigen eurer Diözesen den Apostolischen Segen.


AN HERRN LUIZ FELIPE DE SEIXAS CORRÊA, NEUER BOTSCHAFTER BRASILIENS BEIM HL. STUHL

Montag, 9. Februar 2009



Exzellenz!

21 1. Mit dankbarer Genugtuung heiße ich Sie hier im Vatikan willkommen zur Überreichung Ihres Beglaubigungsschreibens als außerordentlicher und bevollmächtigter Botschafter der Föderativen Republik Brasilien beim Heiligen Stuhl.

Dieser glückliche Umstand gibt mir die Gelegenheit, noch einmal die Gefühle geistlicher Nähe festzustellen, die das brasilianische Volk für den Nachfolger Petri hegt; gleichzeitig ist er für mich Anlaß, den Ausdruck meiner aufrichtigen Liebe und großen Wertschätzung für Ihre edle Nation zu wiederholen.

Ich danke Ihnen herzlich für die freundlichen Worte, die Sie an mich gerichtet haben. Besonders danke ich für die ehrerbietigen Gedanken und den Gruß, die der Präsident der Republik, Herr Luiz Inácio Lula da Silva, mir übermitteln ließ. Ich bitte Eure Exzellenz um die Freundlichkeit, meinerseits den Gruß zu erwidern und ihm zusammen mit den besten Glückwünschen die Zusicherung meiner Gebete für sein Land und sein Volk zu übermitteln.

Gern nehme ich die Gelegenheit wahr, mit Dankbarkeit an den Pastoralbesuch zu erinnern, den ich im Jahr 2007 dank der Vorsehung Brasilien abstatten konnte, um bei der V. Generalversammlung der Bischöfe Lateinamerikas und der Karibik den Vorsitz zu führen, sowie an die Begegnungen mit dem Staatsoberhaupt sowohl in São Paulo als auch vor kurzem hier in Rom. Mögen diese Ereignisse einmal mehr Zeugnis geben von den engen Banden der Freundschaft und der fruchtbaren Zusammenarbeit zwischen Ihrem Land und dem Heiligen Stuhl.

2. Die Ziele - das Ziel der Kirche in ihrem religiösen und geistlichen Sendungsauftrag und das Ziel des Staates - laufen trotz Unterschieden in einem Konvergenzpunkt zusammen: dem Wohl des einzelnen Menschen und dem Gemeinwohl der Nation. Mein verehrter Vorgänger Papst Johannes Paul II. sagte in diesem Zusammenhang: »Einvernehmen und Achtung, der gegenseitige Respekt für die jeweilige Unabhängigkeit und das Prinzip, dem Menschen im Rahmen einer christlichen Auffassung nach besten Kräften zu dienen, werden Faktoren der Eintracht sein, die dem Volk zugute kommen« (Ansprache an den Präsidenten Brasiliens, 14. Oktober 1991, Nr. 2). Brasilien ist ein Land, das in seiner großen Mehrheit den christlichen Glauben bewahrt hat, der seit den Ursprüngen seines Volkes von der vor mehr als fünf Jahrhunderten einsetzenden Evangelisierung weitergegeben worden ist.

So möchte ich gern die Übereinstimmung von Prinzipien sowohl des Apostolischen Stuhls wie Ihrer Regierung hinsichtlich der Bedrohungen für den Weltfrieden betrachten, wenn dieser durch das Fehlen einer Sicht, die den Nächsten in seiner menschlichen Würde respektiert, untergraben wird. Der jüngste Konflikt im Nahen Osten beweist die Notwendigkeit, Initiativen zu unterstützen, die auf die friedliche Lösung der aufgebrochenen Gegensätze ausgerichtet sind, und ich wünsche mir, daß Ihre Regierung weiter in dieser Richtung vorangeht. Andererseits möchte ich hier die Hoffnung wiederholen, daß gemäß den Prinzipien, die über die Menschenwürde wachen und für die Brasilien stets Vorkämpfer gewesen ist, die menschlichen Grundwerte weiter gefördert und verbreitet werden, vor allem wenn es darum geht, die Heiligkeit des Familienlebens und den Schutz des Ungeborenen vom Augenblick der Empfängnis bis zu seinem natürlichen Ende ausdrücklich anzuerkennen. In gleicher Weise fördert der Heilige Stuhl hinsichtlich der biologischen Experimente stets die Verteidigung einer Ethik, die die Existenz des Embryos und sein Recht, geboren zu werden, nicht schädigt, sondern schützt.

3. Ich sehe mit Genugtuung, daß die brasilianische Nation in einem Klima zunehmenden Wohlstands zu einem anspornenden Faktor für die Entwicklung in den benachbarten Regionen und in verschiedenen Ländern des afrikanischen Kontinents wird. In einem Klima der Solidarität und des gegenseitigen Verständnisses versucht die Regierung, Initiativen zu unterstützen, die darauf ausgerichtet sind, sowohl auf nationaler wie auf internationaler Ebene den Kampf gegen Armut und technologische Rückständigkeit zu fördern.

Andererseits hat die Politik der Einkommensumverteilung einen größeren Wohlstand unter der Bevölkerung erleichtert; in diesem Sinn wünsche ich mir, daß man weiterhin zu einer besseren Einkommensverteilung ermutigen und sich um größere soziale Gerechtigkeit zum Wohl der Bevölkerung bemühen möge. Es muß jedoch hervorgehoben werden, daß sich außer der materiellen Armut in erheblichem Maße die moralische Armut auswirkt, die in der ganzen Welt, auch dort, wo kein Mangel an materiellen Gütern besteht, um sich greift. In der Tat macht die Gefahr des Konsumdenkens und des Hedonismus, die mit dem Fehlen fester moralischer Prinzipien, die das Leben des einfachen Bürgers leiten, einhergeht, die Struktur der Gesellschaft und der Familie in Brasilien verwundbar. Deshalb kann man nie genug auf der Dringlichkeit einer soliden Bildung auf allen Ebenen, auch im politischen Bereich, bestehen, gerade angesichts der ständigen Bedrohungen, die aus den noch immer herrschenden materialistischen Ideologien hervorgehen, und vor allem angesichts der Versuchung der Korruption bei der Verwaltung von öffentlichem und privatem Geld. Zur Erreichung dieses Zieles kann das Christentum - wie ich unlängst gesagt habe - einen gültigen Beitrag anbieten, denn es ist »eine Religion der Freiheit und des Friedens und steht im Dienst am wahren Wohl der Menschheit« (Ansprache an das Diplomatische Korps, 8. Januar 2009). In Anbetracht dieser Werte bietet die Kirche weiterhin diesen Dienst von tiefer evangeliumsgemäßer Bedeutung an, um die Erreichung des Friedens und der Gerechtigkeit unter allen Völkern zu fördern.

4. Das vor kurzem unterzeichnete Abkommen, welches den zivilrechtlichen Status der katholischen Kirche in Brasilien neu definiert und Fragen von gegenseitigem Interesse zwischen den beiden Partnern regelt, ist ein bedeutsames Zeichen dieser aufrichtigen Zusammenarbeit, die die Kirche in dem ihr eigenen Sendungsauftrag mit der brasilianischen Regierung aufrechterhalten möchte. In diesem Sinn gebe ich der Hoffnung Ausdruck, daß dieses Abkommen, wie ich bereits deutlich machen konnte, »die freie Ausübung des Evangelisierungsauftrags der Kirche erleichtern und ihre Zusammenarbeit mit den zivilen Einrichtungen für die ganzheitliche Entwicklung der Person stärken möge« (ebd.). Der Glaube und die Zugehörigkeit zu Jesus Christus verlangen, daß die katholischen Gläubigen auch in Brasilien Werkzeuge der Versöhnung und Brüderlichkeit in der Wahrheit, in der Gerechtigkeit und in der Liebe werden. So wünsche ich mir, dieses feierliche Dokument bald ratifiziert zu sehen, damit die kirchliche organisatorische Gestaltung des Lebens der Katholiken erleichtert wird und einen hohen Wirksamkeitsgrad erreicht.

Herr Botschafter,

zum Abschluß dieser Begegnung erneuere ich die Bitte, dem Herrn Präsidenten der Republik meine besten Glück- und Friedenswünsche zu übermitteln. Ich versichere Eurer Exzellenz, daß Sie bei der Erfüllung Ihrer Mission, von der ich mir wünsche, daß sie glücklich und reich an Früchten und Freuden sein möge, immer die wohlwollende Aufnahme und Unterstützung des Apostolischen Stuhls finden werden. Meine Gedanken gehen in dieser Stunde zu allen Brasilianern und zu allen, die ihr Schicksal leiten. Ich wünsche allen Glück mit wachsendem Fortschritt und Harmonie. Ich bin gewiß, daß Sie, Herr Botschafter, sich beim Staatsoberhaupt zum Sprachrohr dieser meiner Gefühle und Hoffnungen machen werden. Auf die Fürsprache Unserer Lieben Frau von Aparecida erflehe ich für Sie persönlich, für ihren Auftrag und für Ihre Angehörigen sowie für alle geliebten Brasilianer den reichen Segen des allmächtigen Gottes.


XVII. WELTTAG DER KRANKEN

HL. MESSE FÜR DIE KRANKEN

GRUSSWORTE VON BENEDIKT XVI. WÄHREND DER BEGEGNUNG MIT DEN KRANKEN


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Gedenktag Unserer Lieben Frau von Lourdes

Petersdom - Mittwoch 11. Februar 2009



Liebe Kranke,
liebe Brüder und Schwestern!

Diese Begegnung hat einen besonderen Wert und eine besondere Bedeutung, denn sie findet am Welttag der Kranken statt, der heute, am Gedenktag Unserer Lieben Frau in Lourdes, begangen wird. Meine Gedanken gehen zu jenem Heiligtum, dem auch ich anläßlich des 150. Jahrestages der Erscheinungen vor der hl. Bernadette einen Besuch abgestattet habe. Diese Pilgerreise ist mir lebhaft in Erinnerung, besonders die Begegnung mit den Kranken, die bei der Grotte von Massabielle versammelt waren. Ich bin sehr gern gekommen, um euch zum Abschluß der Eucharistiefeier zu begrüßen, bei der Kardinal Javier Lozano Barragán, der Präsident des Päpstlichen Rats für die Pastoral im Krankendienst, den Vorsitz hatte: An ihn richte ich einen herzlichen Gruß. Zusammen mit ihm begrüße ich die anwesenden Bischöfe, die Priester, die Ordensmänner und Ordensfrauen, die freiwilligen Helfer, die Pilger und besonders die lieben Kranken sowie alle, die tagtäglich für sie sorgen. Es ist immer ergreifend, bei dieser Gelegenheit hier in der Petersbasilika jene typische Atmosphäre des Gebets und der marianischen Spiritualität, die das Heiligtum von Lourdes kennzeichnet, nachzuempfinden. Ich danke euch für diesen Ausdruck des Glaubens und der Liebe zu Maria; ich danke allen, die dieses Ereignis gefördert und organisiert haben, insbesondere der »UNITALSI« und der »Opera Romana Pellegrinaggi«.

Dieser Tag lädt dazu ein, die Kranken die geistliche Nähe der Kirche noch stärker spüren zu lassen. Die Kirche ist, wie ich in der Enzyklika Deus caritas est geschrieben habe, Gottes Familie in der Welt, in der niemand Not leiden darf, vor allem nicht aus Mangel an Liebe (vgl. b). Gleichzeitig wird uns heute die Gelegenheit geschenkt, über die Erfahrung der Krankheit und des Schmerzes nachzudenken und ganz allgemein über den Sinn des Lebens, das vollkommene Verwirklichung finden muß, auch wenn es dem Leiden unterworfen ist. In der Botschaft zum heutigen Weltgebetstag habe ich die kranken Kinder in den Vordergrund gestellt, die schwächsten und wehrlosesten Geschöpfe. Wahrhaftig, wenn man bereits angesichts eines leidenden Erwachsenen keine Worte findet, was soll man dann sagen, wenn ein kleines, unschuldiges Kind von der Krankheit betroffen ist? Wie kann man auch in so schwierigen Situationen die barmherzige Liebe Gottes spüren, der seine Kinder in der Prüfung nie verläßt?

Diese manchmal sehr beunruhigenden Fragen stellen sich oft. Auf rein menschlicher Ebene gibt es in der Tat darauf keine angemessenen Antworten, denn Schmerz, Krankheit und Tod sind in ihrer Bedeutung für unseren Verstand unergründlich. Das Licht des Glaubens kommt uns jedoch zu Hilfe. Das Wort Gottes offenbart uns, daß auch diese Übel auf geheimnisvolle Weise vom göttlichen Heilsplan »umschlossen« werden; der Glaube hilft uns, das menschliche Leben auch dann schön und vollkommen lebenswert zu finden, wenn es von der Krankheit geschwächt ist. Gott hat den Menschen für die Glückseligkeit und für das Leben geschaffen, während Krankheit und Tod als Folge der Sünde in die Welt gekommen sind. Aber der Herr hat uns nicht uns selbst überlassen. Er, der Vater des Lebens, ist der Arzt des Menschen schlechthin; er beugt sich ohne Unterlaß liebevoll über die leidende Menschheit. Jesus, so das Evangelium, »trieb mit seinem Wort die Geister aus und heilte alle Kranken« (
Mt 8,16). Das zeigt uns den Weg der Umkehr und des Glaubens als Voraussetzungen, um die Heilung an Leib und Geist zu erlangen. Dies ist die Heilung, die der Herr immer will, die Heilung an Leib und Seele in ganzheitlicher Liebe; daher treibt er mit seinem Wort die Geister aus. Sein Wort ist Wort der Liebe, reinigendes Wort: Es vertreibt die Geister der Furcht, der Einsamkeit, des Widerstands gegen Gott, weil es so unsere Seele reinigt und inneren Frieden schenkt. So schenkt es uns den Geist der Liebe und die Heilung, die von innen heraus beginnt. Aber Jesus hat nicht nur gesprochen: Er ist das fleischgewordene Wort. Er hat mit uns gelitten, er ist gestorben. Durch sein Leiden und seinen Tod hat er unsere Schwachheit bis ins Letzte angenommen und verwandelt. Eben darum »heißt leiden besonders empfänglich und offen werden für das Wirken der heilbringenden Kräfte Gottes, die der Menschheit in Christus dargeboten werden«, wie der Diener Gottes Johannes Paul II. im Apostolischen Schreiben Salvifici doloris schrieb (Nr. 23).

Liebe Brüder und Schwestern, wir werden uns immer mehr bewußt, daß das Leben des Menschen kein uns zur Verfügung stehendes Gut ist, sondern ein kostbarer Schatz, den es mit jeder nur möglichen Sorgfalt zu bewahren und zu pflegen gilt, vom seinem ersten Augenblick an bis zu seinem letzten natürlichen Ende. Das Leben ist ein Geheimnis, das in sich selbst schon Verantwortung, Liebe, Geduld, Wohltätigkeit verlangt, von seiten aller und eines jeden Menschen. Noch notwendiger ist es, die Kranken und Leidenden mit Fürsorge und Achtung zu umgeben. Das ist nicht immer einfach; wir wissen jedoch, wo wir den Mut und die Geduld schöpfen können, um den Wechselfällen des irdischen Lebens zu begegnen, insbesondere den Krankheiten und jeder Art von Leiden. Für uns Christen liegt in Christus die Antwort auf das Rätsel des Schmerzes und des Todes. Die Teilnahme an der heiligen Messe - ihr habt gerade daran teilgenommen - nimmt uns hinein in das Geheimnis seines Todes und seiner Auferstehung. Jede Eucharistiefeier ist das fortdauernde Gedächtnis des gekreuzigten und auferstandenen Christus, der die Macht des Bösen durch die Allmacht seiner Liebe besiegt hat. In der »Schule« des eucharistischen Christus können wir also lernen, das Leben immer zu lieben und unsere scheinbare Machtlosigkeit angesichts der Krankheit und des Todes anzunehmen.

Mein verehrter und geliebter Vorgänger Johannes Paul II. wollte, daß der Welttag der Kranken mit dem Gedenktag der Unbefleckten Jungfrau in Lourdes zusammenfällt. An jenen heiligen Ort ist unsere himmlische Mutter gekommen, um uns daran zu erinnern, daß wir nur vorübergehend auf dieser Erde sind und daß die wahre und endgültige Wohnstatt des Menschen der Himmel ist. Nach diesem Ziel müssen wir alle streben. Das Licht, das »aus der Höhe« kommt, möge uns helfen, auch die Erfahrung des Leidens und des Sterbens zu verstehen und ihr Sinn und Wert zu verleihen. Bitten wir Unsere Liebe Frau, ihren mütterlichen Blick auf jeden Kranken und auf seine Familie zu richten, um ihnen zu helfen, mit Christus die Last des Kreuzes zu tragen. Ihr, der Mutter der Menschheit, wollen wir die Armen, die Leidenden und die Kranken der ganzen Welt anvertrauen und dabei besonders an die leidenden Kinder denken. Mit diesen Empfindungen ermutige ich euch, stets auf den Herrn zu vertrauen, und segne euch von Herzen.


ANSPRACHE 2009 17