ANSPRACHE 2009 47

AN DIE ERSTE GRUPPE DER BISCHÖFE VON ARGENTINIEN ANLÄSSLICH IHRES "AD-LIMINA"-BESUCHES

Samstag, 14. März 2009

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Herr Kardinal,
liebe Mitbrüder im bischöflichen Dienst!

1. Es ist für mich ein Grund zu tiefer Freude, euch zu dieser Begegnung mit dem Nachfolger Petri und Haupt des Bischofskollegiums willkommen zu heißen.
Ich danke Herrn Kardinal Jorge Mario Bergoglio, Erzbischof von Buenos Aires und Vorsitzender der Argentinischen Bischofskonferenz, für die freundlichen Worte, mit denen er den Gefühlen von euch allen Ausdruck verliehen hat. Durch euch möchte ich auch den ganzen Klerus, die Ordensgemeinschaften und die Laien eurer Diözesen grüßen und ihnen meine Wertschätzung und Nähe sowie auch meine stete Ermutigung bei der faszinierenden Aufgabe der Evangelisierung bekunden, die sie mit großer Hingabe und Hochherzigkeit durchführen.

2. Ihr seid hierhergekommen, um die Gräber der heiligen Apostel Petrus und Paulus zu verehren und mit dem Bischof von Rom die Freuden und Hoffnungen, die Erwartungen und Schwierigkeiten eures Bischofsamtes zu teilen.

Der »Ad-limina«-Besuch ist ein bedeutsames Ereignis im Leben all derer, denen die Hirtensorge für einen Teil des Gottesvolkes übertragen worden ist, da sie dabei ihre Gemeinschaft mit dem Römischen Papst zeigen und stärken. Der Herr hat die Kirche gegründet, damit sie »gleichsam das Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit« sei (II. Vat. Konzil, Lumen gentium
LG 1). Die Kirche ist an sich ein Geheimnis von Gemeinschaft, ein »von der Einheit des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes her geeintes Volk« (ebd., LG 4). In der Tat hat Gott alle Völker dadurch zur Fülle des Heils führen wollen, daß er sie zu Teilhabern an den Gaben der Erlösung Christi machte und sie auf diese Weise in die Lebensgemeinschaft mit der Dreifaltigkeit eintreten ließ.

3. Das Bischofsamt steht im Dienst der Einheit und der Gemeinschaft des ganzen mystischen Leibes Christi. Der Bischof, sichtbares Prinzip und Fundament der Einheit in seiner Teilkirche, ist dazu berufen, die Unversehrtheit des Glaubens und die gemeinsame Disziplin der Großkirche dadurch zu fördern und zu verteidigen, daß er die Gläubigen zur Liebe zu allen ihren Brüdern anleitet (vgl. ebd., LG 23).

Zum Ausdruck bringen möchte ich euch meine Anerkennung für euren entschlossenen Willen, die Einheit innerhalb eurer Bischofskonferenz und eurer Diözesangemeinden aufrechtzuerhalten und zu festigen. Die Worte unseres Herrn - »Alle sollen eins sein« (Jn 17,21) - müssen eine ständige Inspirationsquelle bei eurer Hirtentätigkeit sein, was sich zweifellos in eine größere apostolische Wirksamkeit umsetzen lassen wird. Diese Einheit, die ihr intensiv und auf sichtbare Weise fördern müßt, wird zudem Quelle des Trostes bei der schweren Aufgabe sein, die euch aufgetragen ist. Dank dieser affektiven und effektiven Kollegialität ist kein Bischof allein, da er immer eng mit Christus, dem Guten Hirten, und kraft seiner Bischofsweihe und der hierarchischen Gemeinschaft mit seinen Brüdern im Bischofsamt und mit dem, den der Herr als Nachfolger des Petrus erwählt hat, verbunden ist (vgl. Johannes Paul II. , Pastores gregis ). Ich möchte euch jetzt besonders bekunden, daß ihr in eurem Bemühen und Einsatz, die Kirche »zum Haus und zur Schule der Gemeinschaft« (Johannes Paul II. , Novo millennio ineunte NM 43) zu machen, stets auf meine ganze Unterstützung, auf mein tägliches Gebet und auf meine geistliche Nähe zählen könnt.

4. Einen bevorzugten Anwendungsbereich findet dieser Geist der Gemeinschaft in den Beziehungen des Bischofs zu seinen Priestern. Ich weiß sehr wohl um euren Willen, den Priestern größere Aufmerksamkeit zu schenken, und ich ermutige euch im Sinne des Zweiten Vatikanischen Konzils, euch mit der Liebe von Vätern und Brüdern »um deren geistliche, intellektuelle und wirtschaftliche Lage zu kümmern, damit sie heilig und fromm leben und ihren Dienst treu und fruchtbar verrichten können« (Christus Dominus CD 16). In gleicher Weise fordere ich euch auf, euch um äußerste Liebe und Klugheit zu bemühen, wenn ihr Lehren, Handlungen oder Verhaltensweisen korrigieren müßt, die sich für den priesterlichen Stand eurer engsten Mitarbeiter nicht ziemen und darüber hinaus den Glauben und das christliche Leben der Gläubigen beschädigen und verwirren können.

Die fundamentale Rolle, welche die Priester erfüllen, muß euch zu einer großen Anstrengung zur Förderung der Priesterberufe anhalten. Diesbezüglich wäre es angemessen, eine wirksamere Ehe- und Familienpastoral zu planen, die der Dimension der Berufung des Christen Rechnung trägt, und auch eine wagemutigere Jugendpastoral, die den Jugendlichen hilft, auf den Ruf Gottes an sie großzügig zu antworten. Notwendig ist auch, die Ausbildung der Seminaristen in all ihren Dimensionen - menschlich, geistlich, intellektuell, affektiv und pastoral - zu intensivieren und für die Weihekandidaten außerdem einen wirksamen und anspruchsvollen Prozeß der Unterscheidung voranzubringen.

5. Aus dieser Sicht der Vertiefung der Gemeinschaft innerhalb der Kirche ist es von größter Bedeutung, die Beteiligung der Ordensleute an der Evangelisierungsarbeit in den Diözesen, die sie durch den Beitrag ihrer jeweiligen Charismen bereichern, anzuerkennen, zu schätzen und anzuregen.

Auch die Gläubigen sind durch ihre Taufe dazu aufgerufen, am Aufbau des Leibes Christi mitzuarbeiten. Dazu muß ihnen ermöglicht werden, eine lebendigere Erfahrung von Jesus Christus und dem Geheimnis seiner Liebe zu erwerben. Der ständige Kontakt mit dem Herrn durch ein intensives Gebetsleben und eine angemessene geistliche und doktrinelle Bildung wird in allen Christen die Freude über den Glauben und dessen Feier sowie die Freude über die Zugehörigkeit zur Kirche wachsen lassen und sie so dazu anspornen, aktiv am Auftrag teilzunehmen, die Frohe Botschaft allen Menschen zu verkünden.

6. Liebe Brüder, ich versichere euch noch einmal meiner Nähe im täglichen Gebet und meiner festen Hoffnung auf den Fortschritt und die geistliche Erneuerung eurer Gemeinden. Der Herr gewähre euch die Freude, ihm dadurch zu dienen, daß ihr die euch anvertraute Herde in seinem Namen führt! Unter ihrem Titel »Nuestra Señora de Luján« (Unsere Liebe Frau von Luján) begleite und beschütze die Jungfrau Maria euch alle und die Gläubigen eurer Diözesen! Mit großer Zuneigung erteile ich euch einen besonderen Apostolischen Segen.



AN DIE TEILNEHMER DER VOLLVERSAMMLUNG DER KONGREGATION FÜR DEN KLERUS

Montag, 16. März 2009

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Meine Herren Kardinäle,
verehrte Mitbrüder im Bischofs- und im Priesteramt!

Ich freue mich, euch in einer Sonderaudienz am Vorabend meiner Abreise nach Afrika begrüßen zu dürfen. Ich werde mich dorthin begeben, um das »Instrumentum laboris« der Zweiten Sonderversammlung der Synode für Afrika zu überreichen, die hier in Rom im kommenden Oktober stattfinden wird. Ich danke dem Präfekten der Kongregation, Herrn Kardinal Cláudio Hummes, für die freundlichen Worte, mit denen er eure gemeinsamen Empfindungen zum Ausdruck gebracht hat, und ich danke auch für den schönen Brief, den ihr mir geschrieben habt. Mit ihm begrüße ich euch alle, die Oberen, Offizialen und Mitglieder der Kongregation, und danke euch von Herzen für all die Arbeit, die ihr im Dienst eines so wichtigen Bereichs des Lebens der Kirche verrichtet.

Das Thema, das ihr für diese Vollversammlung gewählt habt - »Die missionarische Identität des Priesters in der Kirche: eine der Ausübung der ›tria munera‹ innewohnende Dimension« -, gestattet einige Überlegungen für die Arbeiten dieser Tage und für die reiche Frucht, die diese sicherlich tragen werden. Wenn auch die ganze Kirche missionarisch ist und jeder Christ kraft der Taufe und der Firmung »quasi ex officio« (vgl. KKK
CEC 1305) den Auftrag erhält, den Glauben öffentlich zu bekennen, so unterscheidet sich das Amtspriestertum jedoch auch unter diesem Gesichtspunkt ontologisch und nicht nur dem Grade nach vom Taufpriestertum, das auch allgemeines Priestertum genannt wird. Für ersteren nämlich ist der apostolische Auftrag maßgebend: »Geht hinaus in die ganze Welt, und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen!« (Mc 16,15). Dieser Auftrag ist, wie wir wissen, nicht einfach nur eine Aufgabe, die Mitarbeitern anvertraut ist; seine Wurzeln liegen tiefer und reichen viel weiter zurück.

Die missionarische Dimension des Priesters entspringt seiner sakramentalen Gleichgestaltung mit Christus, dem Haupt: Daraus folgt eine tiefempfundene und vollkommene Treue zur »apostolica vivendi forma«, wie sie in der kirchlichen Überlieferung genannt wird. Sie besteht in der Teilhabe an einem »neuen Leben« im geistlichen Sinne, an jenem »neuen Lebensstil«, den Jesus, der Herr, eingeführt hat und den die Apostel sich zu eigen gemacht haben. Durch die Handauflegung des Bischofs und das Weihegebet der Kirche werden die Kandidaten zu neuen Menschen, zu »Priestern«. In diesem Licht wird deutlich, daß die »tria munera« in erster Linie ein Geschenk sind und erst in zweiter Linie ein Amt. Sie sind zunächst einmal Teilhabe an einem Leben und daher eine »potestas«. Sicher, die lange kirchliche Tradition hat die Wirkkraft des Sakraments zu Recht von der konkreten Lebenssituation des einzelnen Priesters losgelöst; dadurch werden die rechtmäßigen Erwartungen der Gläubigen adäquat geschützt. Aber diese richtige lehrmäßige Klarstellung mindert nicht das notwendige, ja unverzichtbare Streben nach moralischer Vollkommenheit, das in jedem wirklich priesterlichen Herzen wohnen muß.

Um dieses Streben der Priester nach geistlicher Vollkommenheit, von dem die Wirksamkeit ihres Dienstes entscheidend abhängt, zu unterstützen, habe ich entschieden, ein besonderes »Jahr des Priesters« auszurufen, das vom kommenden 19. Juni bis zum 19. Juni 2010 dauern wird. In dieses Jahr fällt nämlich der 150. Todestag des heiligen Pfarrers von Ars, Johannes Maria Vianney, ein wahres Vorbild des Hirten im Dienst der Herde Christi. In Absprache mit den Diözesanbischöfen und den Oberen der Ordensinstitute wird eurer Kongregation die Förderung und Koordinierung der verschiedenen geistlichen und pastoralen Initiativen obliegen, die nützlich sein können, um die Bedeutung der Rolle und der Sendung des Priesters in der Kirche und in der heutigen Gesellschaft immer besser wahrnehmbar zu machen.

Die Sendung des Priesters findet, wie das Thema der Vollversammlung hervorhebt, »in der Kirche« statt. Eine solche kirchliche, gemeinschaftliche, hierarchische und doktrinelle Dimension ist absolut unverzichtbar für jede wahre Sendung, und sie allein gewährleistet ihre geistliche Wirkkraft. Die vier erwähnten Aspekte müssen stets als eng miteinander verbunden betrachtet werden: Die Sendung ist »kirchlich«, weil niemand sich selbst verkündigt oder in die Welt trägt, sondern im eigenen Menschsein und durch das eigene Menschsein muß jeder Priester sich bewußt sein, daß er einen anderen, Gott selbst, in die Welt trägt. Gott ist der einzige Reichtum, den die Menschen letztendlich in einem Priester finden wollen. Die Sendung ist »gemeinschaftlich«, weil sie in einer Einheit und Gemeinschaft stattfindet, die nur am Rande auch wichtige Aspekte sozialer Sichtbarkeit besitzt. Diese entspringen andererseits wesentlich der Vertrautheit mit Gott. Der Priester ist berufen, darin Experte zu sein, damit er die ihm anvertrauten Seelen mit Demut und Vertrauen zur selben Begegnung mit dem Herrn führen kann. Die »hierarchische« und die »doktrinelle« Dimension schließlich legen nahe, die Bedeutung der kirchlichen Disziplin (das Wort ist eng verbunden mit dem Wort »discipulus« - Jünger) und der anfänglichen Ausbildung und ständigen Weiterbildung in der Lehre, und nicht nur in der Theologie, hervorzuheben.

Das Wissen um den radikalen Wandel der Gesellschaft in den letzten Jahrzehnten muß die besten kirchlichen Kräfte dazu bewegen, sich um die Ausbildung der Priesteramtskandidaten zu kümmern. Insbesondere muß es die Hirten anspornen, ständig für ihre ersten Mitarbeiter Sorge zu tragen, sowohl durch die Pflege wirklich väterlicher menschlicher Beziehungen, als auch durch die Fürsorge um ihre ständige Weiterbildung, vor allem unter lehrmäßigem und geistlichem Aspekt. Die Sendung hat ihre Wurzeln insbesondere in einer guten Ausbildung, die vorangetragen wird in Gemeinschaft mit der ununterbrochenen kirchlichen Tradition, ohne Brüche oder Versuchungen einer Diskontinuität. In diesem Sinne ist es wichtig, bei den Priestern, besonders bei den jungen Generationen, eine korrekte Rezeption der Texte des Zweiten Ökumenischen Vatikanischen Konzils zu fördern, die im Licht der gesamten Lehre der Kirche interpretiert werden müssen. Als dringend notwendig erweist sich auch die Wiedererlangung eines Bewußtseins, das die Priester anspornt, präsent, identifizierbar und erkennbar zu sein - sowohl im Glaubensurteil als auch in den persönlichen Tugenden als auch in der Kleidung - im kulturellen und im karitativen Bereich, die seit jeher das Herzstück der Sendung der Kirche darstellen.

Als Kirche und als Priester verkündigen wir Jesus von Nazaret, den Herrn, den gekreuzigten und auferstandenen Christus, den Herrscher über die Zeit und die Geschichte, in der frohen Gewißheit, daß diese Wahrheit den tiefsten Erwartungen des menschlichen Herzens entspricht. Im Geheimnis der Fleischwerdung des Wortes, in der Tatsache also, daß Gott ein Mensch wie wir geworden ist, liegt sowohl der Inhalt als auch die Methode der christlichen Verkündigung. Die Sendung hat hier ihren wirklichen vitalen Mittelpunkt: in Jesus Christus. Die Zentralität Christi bringt die richtige Wertung des Amtspriestertums mit sich, ohne das es keine Eucharistie und erst recht keine Sendung, ja selbst die Kirche nicht gäbe. In diesem Sinne ist es notwendig, darüber zu wachen, daß die »neuen Strukturen« oder pastoralen Einrichtungen nicht für eine Zeit gedacht sind, in der man ohne das Weiheamt »auskommen« muß, wobei von einem falschen Verständnis der rechten Förderung der Laien ausgegangen wird. In diesem Fall würde man nämlich die Voraussetzungen schaffen für eine noch größere Verwässerung des Amtspriestertums, und die angeblichen »Lösungen« würden sich in dramatischer Weise decken mit den eigentlichen Ursachen der gegenwärtigen Problematiken, die mit dem Amt verbunden sind.

Ich bin sicher, daß die Arbeit der Vollversammlung, unter dem Schutz der »Mater Ecclesiae«, in diesen Tagen diese kurzen Überlegungen vertiefen kann, die ich der Aufmerksamkeit der Herren Kardinäle sowie der Erzbischöfe und Bischöfe zu unterbreiten mir erlaube. Auf alle rufe ich die überreiche Fülle der himmlischen Gaben herab und erteile als deren Unterpfand euch und den euch nahestehenden Personen von Herzen einen besonderen Apostolischen Segen.

APOSTOLISCHE REISE

VON PAPST BENEDIKT XVI.

NACH KAMERUN UND ANGOLA

(17.-23. MÄRZ 2009)


INTERVIEW VON BENEDIKT XVI. MIT DEN JOURNALISTEN WÄHREND DES FLUGES NACH AFRIKA

Dienstag, 17. März 2009

50 Pater Federico Lombardi, Pressesprecher des Heiligen Stuhls, sagte zur Einführung:

Heiligkeit, willkommen unter einer Gruppe von Kollegen: wir sind ungefähr 70 und sind im Begriff, diese Reise mit Ihnen zusammen zu erleben. Wir bringen Ihnen unsere besten Wünsche zum Ausdruck und hoffen, daß wir Sie mit unserem Dienst begleiten können, damit auch viele andere Menschen an diesem Abenteuer teilhaben können. Wie immer sind wir Ihnen sehr dankbar für das Gespräch, das Sie uns jetzt gewähren; wir haben es vorbereitet, indem wir in den vergangenen Tagen bei den Kollegen eine gewisse Anzahl von Fragen gesammelt haben - ich habe etwa 30 erhalten -, und dann haben wir einige ausgewählt, die eine etwas umfassendere Sichtweise dieser Reise ansprechen und vielleicht alle interessieren; und wir sind Ihnen sehr dankbar für die Antworten, die Sie uns geben werden. Die erste Frage stellt unser Kollege Lucio Brunelli vom italienischen Fernsehen. Er steht hier rechts von uns:

Frage: Heiligkeit, seit einiger Zeit - und vor allem nach Ihrem letzten Brief an die Bischöfe der Welt - sprechen viele Zeitungen von der »Einsamkeit des Papstes«. Meine Frage: Was denken Sie darüber? Fühlen Sie sich wirklich einsam? Und mit welchen Empfindungen fliegen Sie jetzt nach den jüngsten Ereignissen nach Afrika?

Benedikt XVI.: Um die Wahrheit zu sagen, ich muß ein wenig über diesen Mythos meiner Einsamkeit lachen: Ich fühle mich in keinster Weise einsam. Jeden Tag empfange ich in den Tabellenaudienzen meine engsten Mitarbeiter, angefangen vom Staatssekretär bis hin zur Glaubenskongregation usw.; dann sehe ich regelmäßig alle Leiter der Dikasterien, jeden Tag empfange ich Bischöfe zu »Ad-limina«-Besuchen - kürzlich alle Bischöfe, einer nach dem anderen, von Nigeria, anschließend die Bischöfe aus Argentinien … Wir hatten in diesen Tagen zwei Vollversammlungen, sowohl die der Kongregation für den Gottesdienst als auch die der Kleruskongregation. Und dann gibt es auch freundschaftliche Gespräche, ein Netz von Freundschaften, der Jahrgang meiner Priesterweihe ist kürzlich für einen Tag aus Deutschland gekommen, um mit mir zu plaudern… Also, die Einsamkeit ist kein Problem, ich bin wirklich von Freunden umgeben in einer hervorragenden Zusammenarbeit mit Bischöfen, Mitarbeitern, Laien, und ich bin dafür dankbar. Nach Afrika reise ich mit großer Freude: Ich liebe Afrika, ich habe schon seit meiner Zeit als Professor und bis heute viele afrikanische Freunde; ich liebe die Glaubensfreude, diesen freudigen Glauben, den man in Afrika antrifft. Sie wissen, daß der Auftrag des Herrn an den Nachfolger Petri lautet, die »Brüder im Glauben zu stärken«: das zu tun versuche ich. Aber ich bin sicher, daß ich selbst von den Brüdern im Glauben bestärkt zurückkommen werde, sozusagen »angesteckt« von ihrem freudigen Glauben.

Pater Lombardi: Die zweite Frage stellt John Thavis, der Verantwortliche der katholischen Nachrichtenagentur der Vereinigten Staaten in Rom.

Frage: Heiligkeit, Sie reisen nach Afrika, während eine Weltwirtschaftskrise im Gange ist, die auch Auswirkungen auf die armen Länder hat. Darüber hinaus muß Afrika in diesem Moment auch eine Ernährungskrise bewältigen. Ich möchte Sie drei Dinge fragen: Werden Sie diese Situation auf Ihrer Reise ansprechen? Und: Werden Sie sich an die internationale Gemeinschaft wenden, damit sie sich der Probleme in Afrika annimmt? Und drittens: Wird von diesen Problemen auch in der Enzyklika die Rede sein, die Sie vorbereiten?

Benedikt XVI.: Danke für die Frage. Natürlich reise ich nicht mit einem wirtschaftspolitischen Programm nach Afrika, dafür würde mir die Kompetenz fehlen. Ich komme mit einem religiösen Programm, einem Programm des Glaubens, der Moral, aber gerade dies ist auch ein wesentlicher Beitrag zum Problem der wirtschaftlichen Krise, die wir in diesem Augenblick erleben. Wir alle wissen, daß ein grundsätzliches Element der Krise gerade eine mangelnde Ethik in den wirtschaftlichen Strukturen ist; man hat verstanden, daß die Ethik nicht etwas »außerhalb« der Ökonomie Liegendes ist, sonder »innerhalb«, und daß die Ökonomie nicht funktioniert, wenn sie nicht das ethische Element in sich trägt. Deshalb werde ich, indem ich von Gott und den großen geistlichen Werten spreche, die das christliche Leben ausmachen, versuchen, einen Beitrag zu leisten, gerade auch um diese Krise zu überwinden, um das Wirtschaftssystem von innen her zu erneuern, wo der Punkt der wahren Krise liegt. Und natürlich werde ich an die internationale Solidarität appellieren: Die Kirche ist katholisch, das heißt universal, offen für alle Kulturen, für alle Kontinente; sie ist in allen politischen Systemen präsent, und so ist die Solidarität ein inneres Prinzip, das grundlegend ist für den Katholizismus. Ich möchte natürlich vor allem einen Appell an die katholische Solidarität richten, ihn aber auch an die Solidarität aller richten, die ihre Verantwortung in der menschlichen Gesellschaft von heute sehen. Selbstverständlich werde ich davon auch in der Enzyklika sprechen: Das ist ein Grund für die Verspätung. Wir waren fast zur Veröffentlichung bereit, als diese Krise ausgebrochen ist, und wir haben den Text noch einmal zur Hand genommen, um angemessenere Antworten zu geben - im Rahmen unserer Kompetenzen, im Rahmen der Soziallehre der Kirche, aber mit Bezug auf reale Elemente der aktuellen Krise. So hoffe ich, daß die Enzyklika auch ein Element, eine Kraft sein kann, um die gegenwärtige schwierige Situation zu überwinden.

Pater Lombardi: Heiligkeit, die dritte Frage stellt unsere Kollegin Isabelle de Gaulmyn von »La Croix«.

Frage: Heiliger Vater, guten Tag. Ich stelle die Frage auf italienisch, aber wenn Sie bitte auf französisch antworten könnten… Der Sonderrat der Bischofssynode für Afrika hat gefordert, daß das starke quantitative Wachstum der Kirche in Afrika auch ein qualitatives Wachstum werden muß. Manchmal werden die Verantwortungsträger der Kirche als eine Gruppe von Reichen und Privilegierten betrachtet, und ihr Verhalten stimmt nicht mit der Verkündigung des Evangeliums überein. Werden Sie die Kirche in Afrika auffordern, sich zu einer Gewissenserforschung und einer Reinigung ihrer Strukturen zu verpflichten?

Benedikt XVI. [auf französisch]: Ich werde versuchen, wenn das möglich ist, französisch zu sprechen. Ich habe eine positivere Sicht von der Kirche in Afrika: Es ist eine Kirche, die den Armen sehr nahe ist, eine Kirche, die bei den Leidenden ist, an der Seite der Hilfsbedürftigen, und deshalb scheint mir, daß die Kirche wirklich eine Institution ist, die noch funktioniert, während andere Strukturen nicht mehr funktionieren, und mit ihrem System der Bildung und Erziehung, der Krankenhäuser, der Assistenz in all diesen Situationen ist sie in der Welt der Armen und der Leidenden präsent. Natürlich ist die Erbsünde auch in der Kirche da; es gibt keine perfekte Gesellschaft, und so gibt es auch Sünder und Schwächen in der Kirche in Afrika, und in dieser Hinsicht ist eine Gewissenserforschung, eine innere Reinigung immer notwendig, und unter diesem Aspekt würde ich auch an die Liturgie der Eucharistiefeier erinnern: Man beginnt immer mit einer Reinigung des Gewissens und einem Neuanfang in der Gegenwart des Herrn. Und ich würde sagen, mehr als eine Reinigung der Strukturen, die auch immer notwendig ist, ist eine Reinigung der Herzen vonnöten, weil die Strukturen ein Widerschein der Herzen sind, und wir werden alles in unserer Macht Stehende tun, um der Spiritualität, der Gegenwart Gottes in unserem Herzen neue Kraft zu verleihen, sei es um die Strukturen der Kirche zu reinigen, sei es auch um zu helfen, die gesellschaftlichen Strukturen zu reinigen.

Anschließend wurde das Interview in italienischer Sprache weitergeführt.
Pater Lombardi: Jetzt eine Frage, die von einem deutschen Mitglied dieser Journalistengruppe stammt. Christa Kramer, die den St.-Ulrich-Verlag repräsentiert, stellt die Frage.
Frage: Heiliger Vater, gute Reise! Pater Lombardi hat mir gesagt, ich soll italienisch sprechen, also stelle ich die Frage auf italienisch. Wenn Sie sich an Europa wenden, sprechen Sie oft von einem Horizont, aus dem Gott zu verschwinden scheint. In Afrika ist es nicht so, aber es gibt dort eine aggressive Präsenz der Sekten, es gibt die traditionellen afrikanischen Religionen. Was ist das Besondere der Botschaft der katholischen Kirche, die Sie in diesem Kontext übermitteln wollen?

Benedikt XVI.: Nun, zunächst sehen wir alle, daß sich das Problem des Atheismus in Afrika fast gar nicht stellt, weil die Wirklichkeit Gottes in den Herzen der Afrikaner so präsent, so real ist, daß nicht an Gott zu glauben, ohne Gott zu leben, nicht als Versuchung auftritt. Es ist wahr, daß es auch die Probleme der Sekten gibt: Wir verkünden nicht, wie es einige von ihnen tun, ein Evangelium der Prosperität, sondern einen christlichen Realismus; wir verkünden keine Wunder, wie es einige tun, sondern die Nüchternheit des christlichen Lebens. Wir sind überzeugt, daß all diese Nüchternheit, dieser Realismus, der einen Gott verkündet, der Mensch geworden ist - also einen zutiefst menschlichen Gott, einen Gott, der leidet, auch mit uns, unserem Leiden einen Sinn gibt - eine Verkündigung mit einem weiteren Horizont ist, die mehr Zukunft besitzt. Und wir wissen, daß diese Sekten nicht sehr beständig sind: Für den Augenblick kann die Ankündigung des Wohlstands, der Wunderheilungen usw gut tun, aber nach einiger Zeit sieht man, daß das Leben schwierig ist, daß ein menschlicher Gott, ein Gott, der mit uns leidet, überzeugender, wahrer ist und eine größere Hilfe für das Leben bietet. Es ist auch wichtig, daß wir die Struktur der katholischen Kirche haben. Wir verkünden nicht eine kleine Gruppe, die sich nach einer gewissen Zeit isoliert und verliert, sondern wir treten ein in dieses universale Netz der Katholizität, das nicht nur überzeitlich, sondern gegenwärtig ist - vor allem als ein großes Netz der Freundschaft, das uns eint und uns auch hilft, den Individualismus zu überwinden, um diese Einheit in der Verschiedenheit zu erreichen, die die wahre Verheißung ist.

Pater Lombardi: Jetzt erteilen wir erneut einer französischen Stimme das Wort, unserem Kollegen Philippe Visseyrias von »France 2«.
51 Frage: Heiligkeit, unter den vielen Übeln, die Afrika heimsuchen, ist insbesondere auch das der Verbreitung von Aids. Die Position der katholischen Kirche in bezug auf die Art und Weise, dagegen anzukämpfen, wird oft als unrealistisch und unwirksam betrachtet. Werden Sie auf Ihrer Reise über dieses Thema sprechen?

Benedikt XVI.: Ich würde das Gegenteil behaupten. Ich denke, daß die wirksamste, am meisten präsente Realität im Kampf gegen Aids gerade die katholische Kirche mit ihren Bewegungen und verschiedenen Strukturen ist. Ich denke an die Gemeinschaft Sant’Egidio, die im Kampf gegen Aids so viel tut - sichtbar und auch im Verborgenen -, ich denke an die Kamillianer, an viele andere Dinge, an all die Ordensschwestern, die sich um die Kranken kümmern… Ich würde sagen, daß man das Aidsproblem nicht nur mit Geld lösen kann, das zwar auch notwendig ist. Aber wenn die Seele nicht beteiligt ist, wenn die Afrikaner nicht mithelfen (indem sie eigene Verantwortung übernehmen), kann man es mit der Verteilung von Präservativen nicht bewältigen. Im Gegenteil, sie vergrößern das Problem. Die Lösung kann nur in einem zweifachen Bemühen gefunden werden: erstens in einer Humanisierung der Sexualität, das heißt in einer spirituellen und menschlichen Erneuerung, die eine neue Verhaltensweise im gegenseitigen Umgang mit sich bringt; und zweitens in einer wahren Freundschaft auch und vor allem zu den Leidenden, in einer Verfügbarkeit, auch mit Opfern und persönlichem Verzicht an der Seite der Leidenden zu sein. Das sind die Faktoren, die helfen und sichtbare Fortschritte bringen. Deshalb würde ich sagen, es geht um diese unsere doppelte Kraft, einmal den Menschen von innen her zu erneuern, ihm spirituelle und menschliche Kraft zu geben für ein rechtes Verhalten zu seinem eigenen Leib und dem des anderen, und dann diese Fähigkeit mit den Leidenden zu leiden, in Situationen innerer Prüfung präsent zu bleiben. Mir scheint das die richtige Antwort zu sein, und die Kirche tut dies und leistet so einen sehr großen und wichtigen Beitrag. Danken wir all denen, die dies tun.

Pater Lombardi: Und jetzt eine letzte Frage, die sogar aus Chile kommt, weil wir sehr international sind, auch die Korrespondentin des chilenischen katholischen Fernsehens ist unter uns. Wir erteilen ihr das Wort für die letzte Frage: Maria Burgos…
Frage: Danke, Pater Lombardi. Heiligkeit, welche Zeichen der Hoffnung sieht die Kirche auf dem afrikanischen Kontinent? Und: Glauben Sie, daß Sie eine Botschaft der Hoffnung an Afrika richten können?

Benedikt XVI.: Unser Glaube ist Hoffnung per definitionem: Das sagt die Heilige Schrift. Und deshalb ist der, der den Glauben bringt, auch davon überzeugt, daß er Hoffnung bringt. Mir scheint, daß es trotz all der Probleme, die wir gut kennen, große Zeichen der Hoffnung gibt. Neue Regierungen, neue Bereitschaft zur Zusammenarbeit, Kampf gegen Korruption - ein großes Übel, das überwunden werden muß! - und auch die Öffnung der traditionellen Religionen für das Christentum, denn in den traditionellen Religionen erkennen alle einen Gott an, den einen Gott, aber er scheint etwas weit weg zu sein. Sie erwarten, daß er sich nähert. In der Verkündigung des menschgewordenen Gottes erkennen sie sich wieder: Gott hat sich wirklich genähert. Dann hat die katholische Kirche auch vieles gemeinsam: Sagen wir, der Ahnenkult findet seine Entsprechung in der Gemeinschaft der Heiligen, dem Fegefeuer. Die Heiligen sind nicht nur diejenigen, die heiliggesprochen worden sind, sondern all unsere Verstorbenen. Und so verwirklicht sich im Leib Christi auch das, was der Ahnenkult nur erahnte. Und so weiter. So gibt es eine tiefe Begegnung, die wirklich Anlaß zur Hoffnung gibt. Und auch der interreligiöse Dialog wächst. Ich habe jetzt mit mehr als der Hälfte der afrikanischen Bischöfe gesprochen, und die Beziehungen mit den Muslimen sind trotz der Probleme, die auftreten können, sehr vielversprechend, haben sie mir gesagt: Der Dialog wächst in der gegenseitigen Achtung und der Zusammenarbeit in der gemeinsamen ethischen Verantwortung. Und im übrigen wächst auch dieser Sinn für die Katholizität, der hilft, den Tribalismus zu überwinden - eines der großen Probleme -, und daraus entspringt die Freude, Christ zu sein. Ein Problem der traditionellen Religionen ist die Angst vor den Geistern. Einer der afrikanischen Bischöfe hat mir gesagt: Jemand hat sich wirklich zum Christentum bekehrt, jemand ist ganz Christ geworden, wenn er weiß, daß Christus wirklich stärker ist. Es gibt keine Angst mehr. Und auch dies ist ein Phänomen, das weiter zunimmt. So würde ich sagen, daß es trotz vieler Aspekte und Probleme, die nicht fehlen, die spirituellen, wirtschaftlichen und menschlichen Kräfte wachsen, die uns Hoffnung geben, und ich möchte eben diese Elemente der Hoffnung ins Licht rücken.

Pater Lombardi: Vielen Dank, Heiligkeit, für die Zeit, die Sie uns geschenkt haben, für die Dinge, die Sie uns gesagt haben. Es ist eine sehr gute Einführung, um Ihre Reise mit großer Begeisterung zu begleiten. Wir werden uns wirklich anstrengen, um Ihre Botschaft auf dem ganzen Kontinent und bei allen unseren Lesern und Zuhörern zu verbreiten.


BEGRÜSSUNGSZEREMONIE

Internationaler Flughafen Nsimalen, Yaoundé

Dienstag, 17. März 2009



Herr Staatspräsident,
sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter der zivilen Autoritäten,
Herr Kardinal,
52 liebe Mitbrüder im Bischofsamt,
liebe Brüder und Schwestern!

... auf französisch: Ich danke euch für den herzlichen Empfang. Und ich danke Ihnen, Herr Staatspräsident, für die freundlichen Worte, die Sie an mich gerichtet haben. Ich weiß Ihre Einladung, hierher nach Kamerun zu kommen, sehr zu schätzen und möchte Ihnen, Exzellenz, sowie dem Vorsitzenden der Bischofskonferenz des Landes, Erzbischof Tonyé Bakot, meinen Dank dafür aussprechen. Ich grüße euch alle, die ihr mich mit eurer Anwesenheit bei dieser Gelegenheit beehrt, und ich möchte euch sagen, wie sehr ich mich freue, zum ersten Mal seit meiner Wahl auf den Stuhl Petri hier bei euch in Afrika zu sein. Ich grüße sehr herzlich meine Mitbrüder im Bischofsamt sowie die hier versammelten Priester und Laien. Mein ehrerbietiger Gruß gilt auch den Regierungsvertretern, den zivilen Obrigkeiten und den Mitgliedern des Diplomatischen Korps. Euer Land nähert sich wie viele andere Länder Afrikas dem 50. Jahrestag seiner Unabhängigkeit, und so möchte ich mich dem Chor der Gratulationen und der guten Wünsche anschließen, die eure Freunde in aller Welt euch aus diesem freudigen Anlaß übermitteln. In eurer Mitte grüße ich mit Anerkennung auch die Angehörigen anderer christlicher Konfessionen und die Gläubigen anderer Religionen.

Indem ihr euch heute uns anschließt, gebt ihr ein beredtes Zeichen des guten Willens und der Eintracht in diesem Land zwischen Menschen, die verschiedenen religiösen Traditionen angehören.

Ich komme zu euch als Hirte; ich komme, um meine Brüder und Schwestern im Glauben zu stärken. Das ist die Sendung, die Christus beim Letzten Abendmahl Petrus anvertraut hat, und das ist die Sendung der Nachfolger Petri. Als Petrus der Menge predigte, die zum Pfingstfest nach Jerusalem gekommen war, waren unter ihnen auch Pilger aus Afrika. Und in den ersten Jahrhunderten des Christentums belegen zahlreiche große Heilige dieses Kontinents - der hl. Cyprian, die hl. Monika, der hl. Augustinus, der hl. Athanasius, um nur einige zu nennen - durch ihr Zeugnis den bedeutenden Platz Afrikas in den Annalen der Kirchengeschichte. Seitdem und bis in unsere Tage hinein legen unzählige Missionare und zahlreiche Märtyrer in ganz Afrika Zeugnis ab von Christus, und heute ist die Kirche mit etwa 150 Millionen Mitgliedern gesegnet. Wie hätte der Nachfolger Petri also nicht nach Afrika kommen können, um mit euch den Glauben an Christus zu feiern, der das Leben schenkt? Dieser Glaube trägt und nährt so viele Söhne und Töchter dieses großen Kontinents!

... auf englisch: Hier in Yaoundé promulgierte mein verehrter Vorgänger Papst Johannes Paul II. das Nachsynodale Apostolische Schreiben Ecclesia in Africa, die Frucht der Ersten Sonderversammlung der Bischofssynode für Afrika, die im Jahr zuvor in Rom abgehalten worden war. Der zehnte Jahrestag dieses historischen Ereignisses wurde vor nicht allzu langer Zeit ebenfalls hier in dieser Stadt sehr feierlich begangen. Ich bin hierhergekommen, um das Instrumentum Laboris für die Zweite Sonderversammlung vorzustellen, die im kommenden Oktober in Rom stattfinden wird. Die Synodenväter werden gemeinsam über folgendes Thema nachdenken: »Die Kirche in Afrika im Dienst von Versöhnung, Gerechtigkeit und Frieden: ›Ihr seid das Salz der Erde … Ihr seid das Licht der Welt‹ (
Mt 5,13-14)«. Dieser Augenblick der Gnade ist heute, fast zehn Jahre nach Beginn des neuen Jahrtausends, ein Aufruf an alle Bischöfe, Priester, Ordensleute und gläubigen Laien des Kontinents, ihre Hingabe an die Sendung der Kirche zu erneuern, Hoffnung in das Herz der Menschen in Afrika und der ganzen Welt zu bringen.

Auch im größten Leid bringt die christliche Botschaft stets Hoffnung. Das Leben der hl. Josephine Bakhita ist ein leuchtendes Beispiel für den Wandel, den eine Situation großer Not und Ungerechtigkeit durch eine Begegnung mit dem lebendigen Gott erfahren kann. Angesichts von Leiden und Gewalt, Armut und Hunger, Korruption und Machtmißbrauch kann ein Christ niemals schweigen. Die Heilsbotschaft des Evangeliums muß laut und deutlich verkündet werden, damit das Licht Christi in der Dunkelheit des Lebens der Menschen erstrahlen kann. Wie in vielen Teilen der Welt sehnen sich auch hier in Afrika unzählige Männer und Frauen nach einem Wort der Hoffnung und des Trostes. Regionale Konflikte lassen Tausende obdachlos oder mittellos, verwaist oder verwitwet zurück. Auf einem Kontinent, wo in vergangenen Zeiten so viele Menschen grausam ihrer Heimat entrissen und nach Übersee verkauft wurden, um als Sklaven zu arbeiten, ist heute der Menschenhandel, besonders der Handel mit wehrlosen Frauen und Kindern, zu einer neuen Form der Sklaverei geworden. In einer Zeit globaler Nahrungsmittelknappheit, finanzieller Unsicherheit und besorgniserregender klimatischer Veränderungen leidet Afrika unverhältnismäßig stark: Immer mehr Menschen fallen hier Hunger, Armut und Krankheiten zum Opfer. Sie flehen um Versöhnung, Gerechtigkeit und Frieden, und das ist es, was die Kirche ihnen bietet: keine neuen Formen wirtschaftlicher oder politischer Unterdrückung, sondern die Freiheit und Herrlichkeit der Kinder Gottes (vgl. Rm 8,21); keine aufgezwungenen Kulturmodelle, die die Rechte der Ungeborenen mißachten, sondern das reine, heilende Wasser des Evangeliums des Lebens; keine erbitterte Feindschaft zwischen Ethnien oder Religionen, sondern die Gerechtigkeit, den Frieden und die Freude des Reiches Gottes, die Papst Paul VI. so treffend als »Zivilisation der Liebe« bezeichnete (vgl. Regina Caeli, Pfingstsonntag 1970).

... auf französisch: Da in Kamerun mehr als ein Viertel der Bevölkerung katholisch ist, ist die Kirche in der Lage, ihrer Sendung des Trostes und der Versöhnung gut nachzukommen. Im Rehabilitationszentrum »Cardinal Léger« werde ich mich persönlich von der Hirtensorge der Ortskirche gegenüber den Kranken und Leidenden überzeugen können. Und besonders wünschenswert ist, daß die Aids-Kranken in diesem Land kostenlos behandelt werden können. Die Erziehung und Bildung ist ein weiterer wesentlicher Aspekt des Dienstes der Kirche: Wir sehen die Bemühungen von Generationen von missionarischen Lehrkräften jetzt Früchte tragen in der Arbeit der katholischen Universität von Zentralafrika, die ein Zeichen großer Hoffnung für die Zukunft dieser Region ist.

Kamerun ist wirklich ein Land der Hoffnung für viele Männer und Frauen hier in Zentralafrika. Tausende von Flüchtlingen aus Ländern, die vom Krieg verwüstet wurden, haben hier Aufnahme gefunden. Es ist ein Land des Lebens, in dem die Regierung sich deutlich für den Schutz der Rechte ungeborener Kinder ausspricht. Es ist ein Land des Friedens: Durch den Dialog miteinander haben Kamerun und Nigeria ihre Differenzen in bezug auf die Bakassi-Halbinsel überwunden und der Welt gezeigt, daß eine geduldige Diplomatie Gutes hervorbringen kann. Es ist ein junges Land, ein gesegnetes Land, denn seine Bevölkerung ist jung, voller Lebenskraft und entschlossen, eine gerechtere und friedlichere Welt aufzubauen. Zu Recht wird Kamerun als »Afrika in Miniatur« bezeichnet, denn hier sind über 200 verschiedene ethnische Gruppen beheimatet, die in Eintracht miteinander leben. Das sind wirklich Gründe, um Gott zu danken und zu loben!

Wenn ich heute zu euch komme, bete ich darum, daß die Kirche, hier und in ganz Afrika, auch weiterhin in der Heiligkeit wachsen möge, im Dienst der Versöhnung, der Gerechtigkeit und des Friedens. Ich bete darum, daß die Arbeiten der Zweiten Sonderversammlung der Bischofssynode die Gaben, die der Heilige Geist über die Kirche in Afrika ausgegossen hat, in hellem Licht erstrahlen lassen. Ich bete für einen jeden von euch, für eure Familien und für jene, die euch nahestehen, und ich bitte euch, gemeinsam mit mir für alle Völker dieses großen Kontinents zu beten. Gott segne Kamerun! Und Gott segne Afrika! Danke!


ANSPRACHE 2009 47