ANSPRACHE 2009 52

BEGEGNUNG MIT DEN BISCHÖFEN VON KAMERUN

Kirche "Christ-Roi", Tsinga - Yaoundé

53

Mittwoch, 18. März 2009

... auf französisch:


Herr Kardinal,
liebe Brüder im Bischofsamt!

Diese Begegnung mit den Bischöfen der katholischen Kirche in Kamerun ist für mich eine große Freude. Ich danke dem Vorsitzenden eurer Bischofskonferenz, dem Erzbischof von Yaoundé, Simon-Vicot Tonyé Bakot, für die liebenswürdigen Worte, die er in eurem Namen an mich gerichtet hat. Zum dritten Mal empfängt euer Land den Nachfolger Petri, und der Beweggrund meiner Reise ist, wie ihr wißt, vor allem eine Gelegenheit, um den Völkern des geliebten afrikanischen Kontinents zu begegnen und den Vorsitzenden der Bischofskonferenzen das »Instrumentum laboris« der Zweiten Sonderversammlung der Bischofssynode für Afrika zu überreichen. Heute vormittag möchte ich durch euch alle Gläubigen, die eurer Hirtensorge anvertraut sind, liebevoll grüßen. Die Gnade und der Friede unseres Herrn Jesus Christus seien mit jedem von euch, mit allen Familien eures großen und schönen Landes, mit den Priestern, den Ordensmännern und Ordensfrauen, den Katechisten und allen, die mit euch in der Verkündigung des Evangeliums tätig sind!

In diesem dem hl. Paulus geweihten Jahr ist es besonders angebracht, uns der dringenden Notwendigkeit zu erinnern, das Evangelium allen zu verkünden. Dieser Auftrag, den die Kirche von Christus erhalten hat, bleibt eine Priorität, weil unzählige Menschen noch immer auf die Botschaft der Hoffnung und Liebe warten, die es ihnen erlauben wird, »befreit zu werden zur Freiheit und Herrlichkeit der Kinder Gottes« (Rm 8,21). Zusammen mit euch, liebe Brüder, sind daher alle eure Diözesangemeinschaften gesandt, vom Evangelium Zeugnis zu geben. Das Zweite Vatikanische Konzil hat nachdrücklich daran erinnert, daß »die missionarische Tätigkeit zuinnerst aus dem Wesen der Kirche hervorquillt« (Ad gentes AGD 6). Um das Volk Gottes bei dieser Aufgabe zu leiten und anzuspornen, müssen die Hirten zuallererst selbst Verkünder des Glaubens sein, um neue Jünger zu Christus zu führen. Die Verkündigung des Evangeliums ist das Wesensmerkmal des Bischofs, der auch wie der hl. Paulus ausrufen kann: »Wenn ich nämlich das Evangelium verkünde, kann ich mich deswegen nicht rühmen; denn ein Zwang liegt auf mir. Weh mir, wenn ich das Evangelium nicht verkünde!« (1Co 9,16). Um ihren Glauben zu stärken und zu läutern, brauchen die Gläubigen das Wort ihres Bischofs, der der Katechet im eigentlichen Sinn ist.

Um diesen Evangelisierungsauftrag zu übernehmen und über die Begegnungen im institutionellen Rahmen hinaus, die an sich notwendig sind, den vielfältigen Herausforderungen des Lebens in der heutigen Welt nachzukommen, muß die Hirten der Kirche eine tiefe Gemeinschaft verbinden. Die Qualität der Arbeiten eurer Bischofskonferenz, die das Leben der Kirche und der Gesellschaft in Kamerun gut widerspiegeln, ermöglicht euch, miteinander nach Antworten auf die vielfältigen Herausforderungen zu suchen, mit denen die Kirche konfrontiert wird, und durch eure Hirtenbriefe gemeinsame Weisungen zu geben, um den Gläubigen in ihrem Leben in Kirche und Gesellschaft zu helfen. Das lebendige Bewußtsein der kollegialen Dimension eures Dienstes muß euch dazu bewegen, untereinander die vielfältigen Formen der sakramentalen Brüderlichkeit herzustellen, die von gegenseitiger Annahme und Wertschätzung bis zu den unterschiedlichen Aufmerksamkeiten der Liebe und der konkreten Zusammenarbeit reichen (vgl. Johannes Paul II. , Pastores gregis ). Eine wirksamere Zusammenarbeit zwischen den Diözesen, im besonderen hinsichtlich einer besseren Aufteilung der Priester in eurem Land, kann die Beziehungen brüderlicher Solidarität mit den ärmeren Diözesankirchen nur begünstigen, damit die Verkündigung des Evangeliums nicht mehr unter dem Priestermangel leidet. Diese apostolische Solidarität wird sich großzügig auf die Bedürfnisse der anderen Ortskirchen, besonders auf jene eures Kontinents, ausweiten. Auf diese Weise wird klar ersichtlich werden, daß eure christlichen Gemeinden nach dem Vorbild jener, die euch einst die Botschaft des Evangeliums gebracht haben, nun selbst eine missionarische Kirche sind.

... auf englisch: Liebe Brüder, der Bischof und seine Priester sind aufgerufen, die Bande enger Gemeinschaft zu unterhalten, die auf das eine Priestertum Christi gegründet sind, an dem sie, wenn auch in unterschiedlichem Maße, teilhaben. Die Qualität der Verbundenheit mit euren Priestern, euren hauptsächlichen und unersetzlichen Mitarbeitern, ist von größter Bedeutung. Wenn sie in ihrem Bischof einen Vater und Bruder sehen, der sie liebt, sie anhört, ihnen in ihren Prüfungen Trost zuspricht und ihren menschlichen und materiellen Bedürfnissen besondere Aufmerksamkeit widmet, werden sie dazu ermutigt, ihr Amt aus ganzem Herzen, würdig und fruchtbar auszuüben. Die Worte und das Beispiel ihres Bischofs haben eine Schlüsselrolle dabei, sie dahingehend zu inspirieren, daß sie ihrem geistlichen und sakramentalen Leben einen zentralen Platz in ihrem Dienst geben, und sie dazu anzuspornen, die besondere Rolle des Hirten vor allem als eines Mannes des Gebets zu entdecken und immer tiefer zu leben. Das spirituelle und sakramentale Leben ist ein außerordentlicher Schatz, der uns für uns selber und zum Wohl der uns anvertrauten Menschen geschenkt worden ist. Sodann bitte ich euch dringend, besonders wachsam zu sein, was die Treue von Priestern und Ordensleuten zu den Verpflichtungen betrifft, die sie bei ihrer Priesterweihe oder beim Eintritt ins Ordensleben übernommen haben, damit sie zur größeren Heiligkeit der Kirche und zur Ehre Gottes an ihrer Berufung festhalten. Die Glaubwürdigkeit ihres Zeugnisses verlangt, daß es zwischen dem, was sie lehren, und der Art und Weise, wie sie tagtäglich leben, keinen Unterschied gibt.

In euren Diözesen stellen sich viele junge Männer als Kandidaten für das Priesteramt vor. Dafür können wir dem Herrn nur danken. Es ist unbedingt erforderlich, daß eine ernsthafte Prüfung stattfindet. In diesem Sinne ermutige ich euch, trotz der organisatorischen Schwierigkeiten, die mitunter auf der pastoralen Ebene auftreten können, der Auswahl und Bildung der Ausbilder und geistlichen Begleiter Priorität einzuräumen. Sie müssen eine persönliche und fundierte Kenntnis der Priesteramtskandidaten haben und imstande sein, ihnen eine solide menschliche, geistliche und pastorale Ausbildung zu bieten, die sie zu reifen, ausgeglichenen und für das priesterliche Leben gut vorbereiteten Männern machen soll. Die ständige brüderliche Unterstützung eurerseits wird den Ausbildern helfen, ihre Aufgabe in der Liebe zur Kirche und ihrer Sendung zu erfüllen.

Seit den Anfängen des christlichen Glaubens in Kamerun haben Ordensmänner und Ordensfrauen einen wesentlichen Beitrag zum Leben der Kirche geleistet. Zusammen mit euch danke ich Gott dafür und freue mich über die Entwicklung des geweihten Lebens unter den Söhnen und Töchtern eures Landes, die in Ordensgemeinschaften, welche ihren Ursprung in eurem Land haben, auch charakteristisch afrikanische Charismen zum Ausdruck kommen läßt. Das Bekenntnis zu den evangelischen Räten erscheint in der Tat als »ein Zeichen, das alle Glieder der Kirche wirksam zur eifrigen Erfüllung der Pflichten ihrer christlichen Berufung hinziehen kann und soll« (Lumen gentium LG 44).

In eurem Dienst der Verkündigung des Evangeliums werdet ihr auch von anderen pastoralen Mitarbeitern, insbesondere Katechisten, unterstützt. Sie haben bei der Evangelisierung eures Landes eine Schlüsselrolle gespielt und tun das bis heute. Ich danke ihnen für ihre Hochherzigkeit und Treue im Dienst der Kirche. Durch ihre Arbeit findet eine echte Inkulturation des Glaubens statt. Ihre menschliche, geistliche und lehrmäßige Bildung ist daher unerläßlich. Die materielle, moralische und geistliche Unterstützung, die sie von ihren Bischöfen erhalten, um ihre Sendung unter guten Lebens- und Arbeitsbedingungen erfüllen zu können, soll auch ein Ausdruck der Anerkennung von seiten der Kirche sein für die Bedeutung ihrer Verpflichtung, den Glauben zu verkünden und sein Wachstum zu stärken.

54 Unter den vielen Herausforderungen, vor denen ihr in eurer Verantwortung als Bischöfe steht, bereitet euch die Situation der Familie besondere Sorge. Die Schwierigkeiten, die durch die Auswirkung der Moderne und Säkularisierung auf die traditionelle Gesellschaft entstehen, veranlassen euch dazu, die wesentlichen Werte der afrikanischen Familie nachdrücklich zu verteidigen und ihrer sorgfältigen Evangelisierung hohen Vorrang zu geben. Bei der Entwicklung der Familienpastoral seid ihr darauf bedacht, ein besseres Verständnis des Wesens, der Würde und der Rolle der Ehe zu fördern, die eine unauflösliche und dauerhafte Verbindung voraussetzt.

Die Liturgie nimmt einen wichtigen Platz im Glaubensleben eurer Gemeinden ein. Diese kirchlichen Feiern sind gewöhnlich festlich und freudig und bekunden die Inbrunst der Gläubigen, die glücklich darüber sind, in der Kirche zusammenzusein und den Herrn zu preisen. Es ist daher wesentlich, daß die auf diese Weise zum Ausdruck gebrachte Freude das Gespräch und die Gemeinschaft mit Gott nicht behindern darf, sondern erleichtern soll, was durch eine wirksame Verinnerlichung der Struktur und der Worte der Liturgie erreicht wird, so daß sie Ausdruck dessen ist, was in den Herzen der Gläubigen in wirklicher Einheit mit allen anderen Teilnehmern geschieht. Die Würde der Feiern, besonders wenn sie unter Teilnahme großer Menschenmengen stattfinden, ist ein beredtes Zeichen dafür.

Die Ausbreitung von Sekten und esoterischen Bewegungen und der wachsende Einfluß abergläubischer Formen von Religiosität sowie der Relativismus stellen eine dringende Aufforderung dar, der Ausbildung der Jugendlichen und jungen Erwachsenen einen neuen Impuls zu geben, besonders im Universitätsbereich und in den Intellektuellenkreisen. In diesem Zusammenhang möchte ich der Arbeit des »Institut Catholique« von Yaoundé und allen kirchlichen Einrichtungen, deren Auftrag es ist, das Wort Gottes und die Lehre der Kirche für alle zugänglich und verständlich zu machen, Ermutigung aussprechen und meine Anerkennung zollen.

... auf französisch: Ich freue mich zu erfahren, daß sich in eurem Land die gläubigen Laien immer mehr im Leben der Kirche und der Gesellschaft engagieren. Die zahlreichen Laienverbände, die sich in euren Diözesen entfalten, sind Zeichen für das Wirken des Geistes im Herzen der Gläubigen und tragen zu einer erneuerten Verkündigung des Evangeliums bei. Es ist mir eine Freude, die aktive Teilnahme von Frauenverbänden an den verschiedenen Wirkungsbereichen der Kirche ermutigend hervorzuheben, denn es zeigt ein tatsächliches Bewußtwerden der Würde der Frau und ihrer besonderen Berufung in der kirchlichen Gemeinschaft und in der Gesellschaft. Ich danke Gott für die von den Laien bekundete Bereitwilligkeit, zur Zukunft der Kirche und zur Verkündigung des Evangeliums bei euch ihren Beitrag zu leisten. Durch die Sakramente der christlichen Initiation und durch die Gaben des Heiligen Geistes sind sie befähigt und aufgefordert, im Dienst am Menschen und an der Gesellschaft das Evangelium zu verkünden. Ich ermuntere euch daher wärmstens, eure Anstrengungen fortzusetzen, um ihnen eine solide christliche Schulung zu bieten, die es ihnen erlaubt, »ihre Rolle einer christlichen Durchdringung der zeitlichen (politischen, kulturelle, wirtschaftlichen, sozialen) Ordnung voll auszufüllen, worin ja das charakteristische Engagement der weltlichen Berufung der Laien besteht« (Ecclesia in Africa ).

Im Zusammenhang mit der Globalisierung, die wir erleben, bringt die Kirche den bedürftigsten Menschen ein besonderes Interesse entgegen. Seine Sendung veranlaßt den Bischof, Verteidiger der Rechte der Armen zu sein, zur Übung der Nächstenliebe, Bekundung der Liebe des Herrn zu den Kleinen, aufzufordern und zu ermutigen. Auf diese Weise werden die Gläubigen dazu angeleitet, ganz konkret zu erfassen, daß die Kirche eine echte Familie Gottes ist, die in der brüderlichen Liebe verbunden ist, was jeden Ethnozentrismus und jeden übertriebenen Partikularismus ausschließt und zur Versöhnung und zur Zusammenarbeit zwischen den Ethnien zum Wohl aller beiträgt. Außerdem will die Kirche durch ihre Soziallehre in den Herzen der aus der Gesellschaft Ausgeschlossenen die Hoffnung wecken. Pflicht der Christen, besonders der Laien, die soziale, wirtschaftliche, politische Verantwortung haben, ist es auch, sich von der Soziallehre der Kirche leiten zu lassen, um zum Aufbau einer gerechteren Welt beizutragen, wo jeder in Würde leben können wird.
Herr Kardinal, liebe Brüder im Bischofsamt, zum Abschluß unserer Begegnung möchte ich noch einmal meiner Freude darüber Ausdruck verleihen, daß ich mich in eurem Land befinde und dem Volk von Kamerun begegne. Ich danke euch für euren herzlichen Empfang, Zeichen der hochherzigen afrikanischen Gastfreundschaft. Die Jungfrau Maria, Unsere Liebe Frau von Afrika, wache über alle eure Diözesangemeinschaften. Ich vertraue ihr das ganze Volk von Kamerun an und erteile euch sowie den Priestern, den Ordensmännern und Ordensfrauen, den Katechisten und allen Gläubigen eurer Diözesen gerne von Herzen den Apostolischen Segen.




BEGEGNUNG MIT VERTRETERN DER MUSLIMISCHEN GEMEINDE KAMERUNS GRUSSWORTE VON BENEDIKT XVI.


Apostolische Nuntiatur von Yaoundé

Donnerstag, 19. März 2009



auf französisch:

Liebe Freunde!

Erfreut über die mir gebotene Gelegenheit, mit den Vertretern der muslimischen Gemeinde von Kamerun zusammenzutreffen, danke ich Herrn Amadou Bello für die freundlichen Begrüßungsworte, die er in eurem Namen an mich gerichtet hat. Unsere Begegnung ist ein konkretes Zeichen für den Wunsch, den wir mit allen Menschen guten Willens - in Kamerun, in ganz Afrika und in der ganzen Welt - teilen, nämlich Gelegenheiten zum Gedankenaustausch darüber zu suchen, wie die Religion einen wesentlichen Beitrag zu unserem Verständnis der Kultur und der Welt und zum friedlichen Zusammenleben aller Mitglieder der Menschheitsfamilie leistet. In Kamerun beweisen Gruppen wie die »Association Camerounaise pour le Dialogue Interreligieux«, wie sehr ein solcher Dialog das gegenseitige Verständnis vertieft und zum Aufbau einer stabilen und gerechten politischen Ordnung beiträgt.

55 Kamerun ist die Heimat von Tausenden von Christen und Muslimen, die häufig Seite an Seite leben, arbeiten und ihren Glauben praktizieren. Alle glauben an den einen, barmherzigen Gott, der am Jüngsten Tag die Menschen richten wird (vgl. II. Vat. Konzil, Konstitution Lumen gentium LG 16). Gemeinsam bekunden sie die grundlegenden Werte der Familie, der sozialen Verantwortung, des Gehorsams gegenüber dem Gesetz Gottes und der liebevollen Fürsorge gegenüber den Kranken und Leidenden. Wenn Christen und Muslime ihr Leben auf diese Tugenden gründen und sie die jungen Menschen lehren, beweisen sie damit nicht nur, daß sie die volle Entfaltung des Menschen fördern, sondern auch, daß sie Bande der Solidarität mit ihrem Nächsten knüpfen und das Gemeinwohl voranbringen. …

... auf englisch: Meine Freunde, ich glaube, es ist heute eine besonders dringende Aufgabe der Religion, das enorme Potential der menschlichen Vernunft, die selbst Gabe Gottes ist und von der Offenbarung und vom Glauben erhöht wird, sichtbar werden zu lassen. Der Glaube an Gott, weit davon entfernt, unsere Fähigkeit, uns selbst und die Welt zu verstehen, zu beeinträchtigen, erweitert sie vielmehr. Weit davon entfernt, uns gegen die Welt aufzubringen, trägt er sie uns als Pflicht auf. Wir sind aufgerufen, anderen dabei zu helfen, die unaufdringlichen Spuren und die geheimnisvolle Gegenwart Gottes in der Welt zu sehen, die er so wunderbar erschaffen hat und die er mit seiner unaussprechlichen und allumfassenden Liebe fortdauernd erhält. Obwohl seine unendliche Herrlichkeit von unseren begrenzten Sinnen niemals direkt begriffen werden kann, erhaschen wir dennoch einen Schimmer von ihr in der Schönheit, die uns umgibt. Wenn Männer und Frauen von der wunderbaren Ordnung der Welt und dem Glanz menschlicher Würde ihre Sinne erleuchten lassen, entdecken sie, daß das »Vernünftige« weit über das hinausgeht, was die Mathematik berechnen, die Logik ableiten und das naturwissenschaftliche Experimentieren beweisen kann; es schließt auch die Güte und innere Anziehungskraft eines aufrechten und ethisch orientierten Lebens ein, wie es uns gerade durch die Sprache der Schöpfung mitgeteilt wird.

Diese Einsicht veranlaßt uns, alles, was richtig und gerecht ist, zu suchen, aus der begrenzten Sphäre unseres Eigeninteresses herauszugehen und für das Wohl der anderen tätig zu sein. Eine wahre Religion erweitert also den Horizont des menschlichen Begreifens und bildet die Grundlage jeder echten menschlichen Kultur. Sie weist alle Formen der Gewalt und des Totalitarismus zurück: nicht nur aus Glaubensprinzipien, sondern auch aufgrund der rechten Vernunft. Religion und Vernunft stärken sich nämlich gegenseitig, sofern die Religion von der Vernunft gereinigt und strukturiert und das volle Potential der Vernunft durch die Offenbarung und den Glauben freigesetzt wird.

... auf französisch: Ich ermuntere euch daher, liebe muslimische Freunde, die Werte, die sich aus dieser Sicht ergeben und die die menschliche Kultur fördern, in die Gesellschaft eindringen zu lassen und auch andere Menschen zur Teilnahme am Aufbau einer Zivilisation der Liebe einzuladen. Möge die begeisterte Zusammenarbeit von Muslimen, Katholiken und anderen Christen in Kamerun für die anderen afrikanischen Nationen ein leuchtender Hinweis auf das enorme Potential des interreligiösen Einsatzes für den Frieden, die Gerechtigkeit und das Gemeinwohl sein!

Mit diesen Empfindungen spreche ich euch noch einmal meine Dankbarkeit für diese glückliche Gelegenheit aus, während meines Besuchs in Kamerun mit euch zusammenzutreffen. Ich danke Gott, dem Allmächtigen, für die Gnaden, die er auf euch und auf eure Mitbürger herabkommen läßt, und bete dafür, daß die Bande, die Christen und Muslime in ihrer tiefen Verehrung des einen Gottes verbinden, weiter gestärkt werden, so daß sie die Weisheit des Allmächtigen, der die Herzen aller Menschen erleuchtet, klarer widerspiegeln.



FEIER DER VESPER

Basilika "Marie Reine des Apôtres" im Stadtviertel Mvolyé - Yaoundé

Mittwoch, 18. März 2009



... auf französisch:

Liebe Brüder Kardinäle und Bischöfe,
liebe Priester und Diakone,
liebe Brüder und Schwestern des geweihten Lebens,
56 liebe Freunde aus den anderen christlichen Konfessionen,
liebe Brüder und Schwestern!

Mit großer Freude haben wir uns hier versammelt, um Gott in dieser Basilika »Maria, Königin der Apostel« in Mvolyé zu danken. Sie wurde an dem Ort errichtet, an dem die erste Kirche von den Spiritaner-Missionaren erbaut wurde, die gekommen waren, um die Frohe Botschaft nach Kamerun zu bringen. Wie der apostolische Eifer dieser Männer, die mit ihrem Herzen euer ganzes Land umfaßten, birgt dieser Ort symbolisch alle Teile eures Landes in sich. Und deshalb richten wir an diesem Abend, liebe Brüder und Schwestern, unser Lob an den Vater des Lichtes in einer großen geistlichen Nähe zu allen christlichen Gemeinschaften, bei denen ihr euren Dienst ausübt.

Im Beisein der Vertreter der anderen christlichen Konfessionen, die ich achtungsvoll und brüderlich grüße, möchte ich euch vorschlagen, die charakteristischen Züge des hl. Josef durch die Worte der Heiligen Schrift zu betrachten, die wir in diesem Vespergottesdienst hören.

Vor dem Volk und seinen Jüngern erklärt Jesus: »Nur einer ist euer Vater« (
Mt 23,9). In der Tat, die alleinige Vaterschaft ist jene Gottvaters, des einzigen Schöpfers »der sichtbaren und der unsichtbaren Welt«. Es wurde jedoch dem nach dem Ebenbild Gottes geschaffenen Menschen gegeben, an der einen Vaterschaft Gottes Anteil zu haben (vgl. Ep 3,15). Der hl. Josef offenbart dies in überraschender Weise, er, der Vater ist ohne eine Vaterschaft in fleischlichem Sinne. Er ist nicht der biologische Vater Jesu, dessen alleiniger Vater Gott ist, und dennoch übt er eine volle und ganzheitliche Vaterschaft aus. Vater sein bedeutet vor allem, Diener des Lebens und des Wachstums zu sein. Der hl. Josef hat in diesem Sinne eine große Hingabe an den Tag gelegt. Um Christi willen hat er die Verfolgung, das Exil und die sich daraus ergebende Armut auf sich genommen. Er mußte sich an einem Ort niederlassen, der nicht sein Heimatdorf war. Sein einziger Lohn bestand darin, mit Christus zu sein. Die Bereitschaft, all dies zu tun, erklären die Worte des hl. Paulus: »Dient Christus, dem Herrn!« (Col 3,24).

... auf englisch: Es geht darum, kein mittelmäßiger Diener, sondern ein »treuer und kluger« Diener zu sein. Die Nebeneinanderstellung dieser beiden Adjektive geschieht nicht zufällig: sie legt nahe, daß die Vernunft ohne Treue und die Treue ohne Weisheit unzureichende Eigenschaften sind. Eine Eigenschaft allein, ohne die andere, würde uns nicht befähigen, die Verantwortung ganz anzunehmen, die Gott uns anvertraut.

Liebe Brüder im priesterlichen Dienst, ihr seid dazu berufen, diese Vaterschaft in den alltäglichen Aufgaben eures Amt zu leben. Die Konzilskonstitution Lumen gentium sagt dazu: »Die Fürsorge für die Gläubigen, die sie geistlich in Taufe und Lehre gezeugt haben, sollen sie wie Väter in Christus wahrnehmen« (LG 28). Wie also sollte man nicht ständig auf den tiefsten Grund unseres Priestertums zurückkommen: Jesus Christus, den Herrn? Unsere persönliche Beziehung zu Jesus ist konstitutiv für die Art und Weise, wie wir unser Leben leben wollen. Er nennt uns seine Freunde, da er alles, was er vom Vater gehört hat, uns mitgeteilt hat (vgl. Jn 15,15). Indem ihr diese tiefe Freundschaft mit Christus lebt, werdet ihr die wahre Freiheit und tiefe Freude finden. Das Amt des Priestertums bringt eine tiefe Verbundenheit mit Christus mit sich, der uns in der Eucharistie geschenkt ist. Die Feier der Eucharistie sei wahrhaft der Mittelpunkt eures Priesterlebens, so wird sie auch der Mittelpunkt eurer kirchlichen Sendung sein. Denn unser ganzes Leben lang ruft uns Christus dazu, an seiner Sendung Anteil zu nehmen, seine Zeugen zu sein, damit sein Wort allen verkündet werde. Da wir dieses Sakrament im Namen und in der Person des Herrn feiern, darf die Person des Priesters nicht in den Vordergrund gestellt werden: er ist ein Diener, ein demütiges Werkzeug, das auf Christus verweist, der sich selbst als Opfer für das Heil der Welt darbringt. »Der Führende soll werden wie der Dienende« (Lc 22,26), lehrt uns Jesus. Und Origenes schrieb: »Josef verstand, daß Jesus, obgleich er ihm in allem unterstellt war, höher war als er, und da er die Überlegenheit des ihm Unterstellten kannte, erteilte er ihm seine Anordnungen auf ehrfürchtige und maßvolle Weise. Darüber soll jeder nachdenken: Oft ist ein Mann geringeren Wertes über Menschen gestellt, die besser sind als er, und bisweilen kommt es dazu, daß der Geringere mehr Wert hat als der, der ihm zu gebieten scheint. Wenn einer, der eine Würde empfangen hat, dies begreift, so wird er sich nicht voller Stolz aufgrund seines höheren Ranges aufplustern, sondern er wird wissen, daß der ihm Unterstellte besser sein kann als er selbst es ist, so wie Jesus dem Josef unterworfen war« (Homilie über das Lukasevangelium XX,5, S.C. S. 287).

Liebe Brüder im priesterlichen Dienst, euer seelsorgerisches Amt fordert viel an Verzicht, es ist aber auch Quelle der Freude. Im Vertrauen auf eure Bischöfe, brüderlich vereint mit der gesamten Priesterschaft und getragen von dem Teil des Gottesvolkes, der euch anvertraut ist, werdet ihr es verstehen, getreu dem Ruf zu entsprechen, den der Herr an euch gerichtet hat, so wie er Josef dazu berufen hat, über Maria und das Jesuskind zu wachen! Liebe Priester, möget ihr stets den Versprechen treu bleiben können, die ihr Gott vor eurem Bischof und dem versammelten Volk gegeben habt. Der Nachfolger Petri dankt euch für euren großherzigen Einsatz im Dienst der Kirche und ermutigt euch dazu, euch nicht von den Schwierigkeiten des Weges verwirren zu lassen! Den jungen Männern, die sich darauf vorbereiten, sich euch anzuschließen, wie allen, die sich in bezug auf ihre priesterliche Berufung noch Fragen stellen, möchte ich an diesem Abend erneut die Freude mitteilen, die sich daraus ergibt, sich völlig dem Dienst an Gott und an der Kirche zu schenken. Habt Mut und sagt ein großzügiges »Ja« zu Christus!

Auch euch, Brüder und Schwestern, die ihr euch zum geweihten Leben oder in den kirchlichen Bewegungen verpflichtet habt, lade ich ein, den Blick auf den hl. Josef zu richten. Als Maria bei der Verkündigung den Besuch des Engels empfängt, ist sie bereits die dem Josef versprochene Braut. Da sich der Herr persönlich an Maria wendet, vereint er also bereits zuinnerst Josef mit dem Geheimnis der Menschwerdung. Josef willigte ein, teilzuhaben an den großen Ereignissen, die Gott im Schoß seiner Braut begonnen hatte. Er nahm Maria zu sich. Er hat das Geheimnis angenommen, das in ihr war, sowie das Geheimnis, das sie selbst war. Er hat sie in jener großen Achtung geliebt, die das Siegel der echten Liebe ist. Der hl. Josef lehrt uns, daß es möglich ist, zu lieben, ohne zu besitzen. Mit dem Blick auf ihn gerichtet, können jede Frau und jeder Mann zur Heilung ihrer gefühlsmäßigen Wunden geführt werden, wenn sie nur dem Plan Gottes zustimmen, den Gott bereits in denen zu verwirklichen begonnen hat, die Ihm nahestehen. Ähnlich wie Josef, der in das Werk der Erlösung durch Maria und dank dessen, was Gott schon an ihr getan hatte, eingetreten ist. Liebe Brüder und Schwestern, die ihr in den kirchlichen Bewegungen engagiert seid, es möge euch gelingen, denjenigen Aufmerksamkeit zu schenken, die euch umgeben, und das liebevolle Antlitz Gottes den Armen zu offenbaren, vor allem durch die Werke der Barmherzigkeit, die menschliche und christliche Erziehung der Jugend, eure Programme zur Förderung der Frauen und auf viele andere Arten!

...auf französisch: Der geistliche Beitrag der geweihten Personen ist seinerseits sehr bedeutsam und unverzichtbar für das Leben der Kirche. Dieser Ruf zur Nachfolge Christi ist ein Geschenk für das ganze Gottesvolk. Indem ihr eurer Berufung getreu den keuschen, armen und gehorsamen Christus nachahmt, der sich völlig der Verherrlichung des Vaters und der Liebe zu den Brüdern und Schwestern geweiht hat, ist es eure Sendung, in unserer Welt, die dessen so sehr bedarf, die Vorrangstellung Gottes und der künftigen Güter zu bezeugen (vgl. Vita consecrata VC 85). Mit eurer vorbehaltlosen Treue zu eurer Weihe seid ihr in der Kirche ein Keim des Lebens, der im Dienst am Reich Gottes wächst. In jedem Augenblick, in besonderer Weise jedoch, wenn die Treue auf dem Prüfstand steht, ruft euch der hl. Josef den Sinn und den Wert eurer Weihe in Erinnerung. Das geweihte Leben ist eine radikale Nachahmung Christi. Es ist somit notwendig, daß euer Lebensstil genau das zum Ausdruck bringt, was euch leben läßt, und daß euer Tun nicht eure tiefe Identität verbirgt. Habt keine Angst, in Fülle das Opfer euer selbst zu leben, das ihr Gott dargebracht habt, und dafür in eurer Umgebung echtes Zeugnis abzulegen. Ein Vorbild regt euch besonders dazu an, diese Heiligkeit des Lebens zu suchen, das Vorbild von P. Simon Mpeke, genannt Baba Simon. Ihr wißt, wie der »barfüßige Missionar« alle Kräfte seines Lebens in einer selbstlosen Demut aufgewandt hat und es ihm dabei am Herzen lag, den Seelen zu helfen, ohne sich die Sorgen und die Last des materiellen Dienstes an seinen Brüdern zu ersparen.

Liebe Brüder und Schwestern, unsere Betrachtung über den menschlichen und geistlichen Weg des hl. Josef lädt uns dazu ein, das Ausmaß des ganzen Reichtums seiner Berufung und des Vorbildes zu erfassen, das er für all jene bleibt, die ihr Leben Christus weihen wollten, im Priestertum wie im geweihten Leben oder in den verschiedenen Formen des Einsatzes als Laien. Josef nämlich hat im Licht des Geheimnisses der Menschwerdung gelebt. Nicht nur in einer körperlichen Nähe, sondern auch in der Aufmerksamkeit des Herzens. Josef offenbart uns das Geheimnis einer Menschlichkeit, die in der Gegenwart des Geheimnisses lebt und für diese Gegenwart offen ist bis in die konkretesten Details des Daseins hinein. Bei ihm gibt es keine Trennung von Glauben und Handeln. Sein Glaube gibt seinem Tun die entscheidende Ausrichtung. Paradoxerweise tritt er durch sein Handeln, dadurch, daß er seine Verantwortung übernimmt, in den Hintergrund, um Gott die Freiheit zu lassen, sein Werk zu verwirklichen, ohne diesem ein Hindernis entgegenzusetzen. Josef ist ein »Mann, der gerecht war« (Mt 1,19), da sein Dasein auf das Wort Gottes hin »ausgerichtet« ist.

57 Das im Gehorsam dem Wort gegenüber verbrachte Leben des hl. Josef ist ein beredtes Zeichen für alle Jünger Christi, die nach der Einheit der Kirche streben. Sein Vorbild läßt uns verstehen, daß der Mensch dadurch, daß er sich völlig dem Willen Gottes ergibt, wirksam am Plan Gottes mitarbeitet, der die Menschen in einer einzigen Familie, in einer einzigen Gemeinde, in einer einzigen »ecclesia« vereinen will. Liebe Freunde aus den anderen christlichen Bekenntnissen, diese Suche nach der Einheit der Jünger Christi stellt für uns eine große Herausforderung dar. Sie führt uns vor allem dazu, uns zur Person Christi zu bekehren, uns immer mehr von ihm anziehen zu lassen. In ihm sind wir dazu berufen, uns als Brüder zu erkennen, als Kinder ein und desselben Vaters. In diesem Jahr, das dem Apostel Paulus geweiht ist, dem großen Verkündiger Jesu Christi, dem Apostel der Völker, wollen wir uns gemeinsam an ihn wenden, um »den Glauben und die Wahrheit« zu hören und zu lernen, in denen die Gründe für die Einheit unter den Jüngern Christi verwurzelt sind.

Abschließend wenden wir uns an die Braut des hl. Josef, die Jungfrau Maria, »Königin der Apostel«, denn dies ist der Titel, unter dem sie als Patronin von Kamerun angerufen wird. Ihr empfehle ich das gottgeweihte Leben eines jeden von euch an, euer Verlangen, treuer dem Ruf, der an euch ergangen ist, und der euch anvertrauten Sendung zu entsprechen. Schließlich bitte ich um ihre Fürsprache für euer schönes Land. Amen.


BEGEGNUNG MIT VERTRETERN DER MUSLIMISCHEN GEMEINDE KAMERUNS GRUSSWORTE VON BENEDIKT XVI.

Apostolische Nuntiatur von Yaoundé

Donnerstag, 19. März 2009



auf französisch:

Liebe Freunde!

Erfreut über die mir gebotene Gelegenheit, mit den Vertretern der muslimischen Gemeinde von Kamerun zusammenzutreffen, danke ich Herrn Amadou Bello für die freundlichen Begrüßungsworte, die er in eurem Namen an mich gerichtet hat. Unsere Begegnung ist ein konkretes Zeichen für den Wunsch, den wir mit allen Menschen guten Willens - in Kamerun, in ganz Afrika und in der ganzen Welt - teilen, nämlich Gelegenheiten zum Gedankenaustausch darüber zu suchen, wie die Religion einen wesentlichen Beitrag zu unserem Verständnis der Kultur und der Welt und zum friedlichen Zusammenleben aller Mitglieder der Menschheitsfamilie leistet. In Kamerun beweisen Gruppen wie die »Association Camerounaise pour le Dialogue Interreligieux«, wie sehr ein solcher Dialog das gegenseitige Verständnis vertieft und zum Aufbau einer stabilen und gerechten politischen Ordnung beiträgt.

Kamerun ist die Heimat von Tausenden von Christen und Muslimen, die häufig Seite an Seite leben, arbeiten und ihren Glauben praktizieren. Alle glauben an den einen, barmherzigen Gott, der am Jüngsten Tag die Menschen richten wird (vgl. II. Vat. Konzil, Konstitution Lumen gentium LG 16). Gemeinsam bekunden sie die grundlegenden Werte der Familie, der sozialen Verantwortung, des Gehorsams gegenüber dem Gesetz Gottes und der liebevollen Fürsorge gegenüber den Kranken und Leidenden. Wenn Christen und Muslime ihr Leben auf diese Tugenden gründen und sie die jungen Menschen lehren, beweisen sie damit nicht nur, daß sie die volle Entfaltung des Menschen fördern, sondern auch, daß sie Bande der Solidarität mit ihrem Nächsten knüpfen und das Gemeinwohl voranbringen. …

... auf englisch: Meine Freunde, ich glaube, es ist heute eine besonders dringende Aufgabe der Religion, das enorme Potential der menschlichen Vernunft, die selbst Gabe Gottes ist und von der Offenbarung und vom Glauben erhöht wird, sichtbar werden zu lassen. Der Glaube an Gott, weit davon entfernt, unsere Fähigkeit, uns selbst und die Welt zu verstehen, zu beeinträchtigen, erweitert sie vielmehr. Weit davon entfernt, uns gegen die Welt aufzubringen, trägt er sie uns als Pflicht auf. Wir sind aufgerufen, anderen dabei zu helfen, die unaufdringlichen Spuren und die geheimnisvolle Gegenwart Gottes in der Welt zu sehen, die er so wunderbar erschaffen hat und die er mit seiner unaussprechlichen und allumfassenden Liebe fortdauernd erhält. Obwohl seine unendliche Herrlichkeit von unseren begrenzten Sinnen niemals direkt begriffen werden kann, erhaschen wir dennoch einen Schimmer von ihr in der Schönheit, die uns umgibt. Wenn Männer und Frauen von der wunderbaren Ordnung der Welt und dem Glanz menschlicher Würde ihre Sinne erleuchten lassen, entdecken sie, daß das »Vernünftige« weit über das hinausgeht, was die Mathematik berechnen, die Logik ableiten und das naturwissenschaftliche Experimentieren beweisen kann; es schließt auch die Güte und innere Anziehungskraft eines aufrechten und ethisch orientierten Lebens ein, wie es uns gerade durch die Sprache der Schöpfung mitgeteilt wird.

Diese Einsicht veranlaßt uns, alles, was richtig und gerecht ist, zu suchen, aus der begrenzten Sphäre unseres Eigeninteresses herauszugehen und für das Wohl der anderen tätig zu sein. Eine wahre Religion erweitert also den Horizont des menschlichen Begreifens und bildet die Grundlage jeder echten menschlichen Kultur. Sie weist alle Formen der Gewalt und des Totalitarismus zurück: nicht nur aus Glaubensprinzipien, sondern auch aufgrund der rechten Vernunft. Religion und Vernunft stärken sich nämlich gegenseitig, sofern die Religion von der Vernunft gereinigt und strukturiert und das volle Potential der Vernunft durch die Offenbarung und den Glauben freigesetzt wird.

... auf französisch: Ich ermuntere euch daher, liebe muslimische Freunde, die Werte, die sich aus dieser Sicht ergeben und die die menschliche Kultur fördern, in die Gesellschaft eindringen zu lassen und auch andere Menschen zur Teilnahme am Aufbau einer Zivilisation der Liebe einzuladen. Möge die begeisterte Zusammenarbeit von Muslimen, Katholiken und anderen Christen in Kamerun für die anderen afrikanischen Nationen ein leuchtender Hinweis auf das enorme Potential des interreligiösen Einsatzes für den Frieden, die Gerechtigkeit und das Gemeinwohl sein!


ANSPRACHE 2009 52