ANSPRACHE 2009 63

BEGRÜSSUNGSZEREMONIE

Internationaler Flughafen "4 de Fevereiro", Luanda - Freitag, 20. März 2009

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Sehr geehrter Herr Präsident,

verehrte zivile und militärische Autoritäten,
verehrte Mitbrüder im bischöflichen Dienst,
liebe angolanische Freunde!

Mit aufrichtigen Gefühlen der Hochachtung und der Freundschaft betrete ich den Boden dieser edlen und jungen Nation im Rahmen eines Pastoralbesuchs, bei dem ich im Geist den gesamten afrikanischen Kontinent im Blick habe, wenn ich auch persönlich nur in Yaoundé und Luanda anwesend sein kann. Alle sollen jedoch wissen, daß in meinem Herzen und meinem Gebet ganz Afrika und insbesondere das angolanische Volk gegenwärtig sind, das ich von Herzen ermutigen möchte, voranzuschreiten auf dem Weg der Versöhnung und beim Wiederaufbau des Landes und der Institutionen.

Herr Präsident, ich danke Ihnen zunächst für die von Ihnen ausgesprochene liebenswürdige Einladung, Ihr Land zu besuchen, und für die herzlichen Worte des Willkommens, die Sie eben an mich gerichtet haben. Nehmen Sie meine ehrerbietigen Grüße und besten Wünsche entgegen, in die ich auch die anderen Autoritäten einschließe, die freundlicherweise zu meiner Begrüßung hier zusammengekommen sind. In der Person ihrer hier anwesenden Bischöfe grüße ich die gesamte katholische Kirche in Angola und danke allen angolanischen Freunden für den herzlichen Empfang, den sie mir bereitetet haben. Allen, die mir über Radio und Fernsehen folgen, übermittle ich gleichermaßen den Ausdruck meiner Freundschaft, in der Gewißheit des himmlischen Wohlwollens für die uns anvertraute gemeinsame Sendung: zusammen eine freiere, friedlichere und solidarischere Gesellschaft aufzubauen.

Wie sollte man nicht an jenen illustren Besucher denken, der im Juni 1992 Angola gesegnet hat: meinen geschätzten Vorgänger Johannes Paul II.?

Als unermüdlicher Missionar Jesu Christi bis an die Enden der Erde zeigte er den Weg zu Gott und lud alle Menschen guten Willens ein, auf ihr in rechter Weise gebildetes Gewissen zu hören und im Geist der Liebe und der Vergebung eine Gesellschaft der Gerechtigkeit, des Friedens und der Solidarität aufzubauen. Was mich betrifft, möchte ich daran erinnern, daß ich aus einem Land stamme, in dem Frieden und Brüderlichkeit den Herzen aller Einwohner teuer sind, insbesondere denen, die - wie ich - den Krieg und die Spaltungen erlebt haben, die unter Brüdern ein- und derselben Nation herrschten aufgrund von verheerenden und unmenschlichen Ideologien, die unter dem falschen Schein der Wunschträume und Illusionen die Menschen mit dem Joch der Unterdrückung belasteten. So könnt ihr verstehen, wie sehr mir der Dialog zwischen den Menschen am Herzen liegt, als Mittel, um jede Form des Konflikts und der Spannung zu überwinden und aus jeder Nation - also auch aus eurer Heimat - ein Haus des Friedens und der Brüderlichkeit zu machen. Im Hinblick auf dieses Ziel müßt ihr die besten Werte eures spirituellen und kulturellen Erbes, dessen Träger Angola ist, aufgreifen, einander ohne Angst begegnen und aufeinander zugehen, indem ihr bereit seid, die geistigen und materiellen Güter zum Wohl aller miteinander zu teilen.

Wie sollte man hier nicht an die Bevölkerung der Provinz Kunene denken, die von starken Regenfällen und Überschwemmungen schwer geprüft wird? Diese Naturkatastrophen haben zahlreiche Tote gefordert und viele Familien durch die Zerstörung ihrer Häuser obdachlos gemacht? Der leidgeprüften Bevölkerung möchte ich in diesem Augenblick meine Solidarität zusichern und sie zur Hoffnung ermutigen, um mit der Hilfe aller neu anzufangen.

Liebe angolanische Freunde, euer Land ist ein reiches Territorium; eure Nation ist stark. Nutzt diese Gaben, um den Frieden und die Verständigung zwischen den Völkern auf der Grundlage von Loyalität und Gleichberechtigung zu fördern, die in Afrika jene friedliche und solidarische Zukunft begünstigen, nach der sich alle sehnen und auf die alle ein Recht haben. Daher bitte ich euch: Gebt nicht dem Gesetz des Stärkeren nach! Denn Gott hat es den Menschen gegeben, daß sie sich mit den »Flügeln« der Vernunft und des Glaubens über ihre natürlichen Neigungen erheben können. Wenn ihr euch von diesen Flügeln tragen laßt, wird es euch nicht schwerfallen, im anderen den Bruder zu erkennen, der mit den gleichen Grundrechten geboren wurde. Leider gibt es innerhalb der Grenzen eures Landes noch sehr viele arme Menschen, die die Achtung ihrer Rechte fordern. Man darf die vielen Angolaner nicht vergessen, die weit unterhalb der Armutsgrenze leben. Enttäuscht ihre Erwartungen nicht!

Es handelt sich um eine gewaltige Aufgabe, die eine größere Beteiligung aller Bürger erfordert. Die gesamte angolanische Zivilgesellschaft muß darin einbezogen werden; diese jedoch muß dafür gefestigter und besser geordnet sein sowohl in den Komponenten, aus denen sie sich zusammensetzt, als auch im Dialog mit der Regierung. Damit eine Gesellschaft entstehen kann, die wirklich Sorge trägt für das Gemeinwohl, sind Werte notwendig, die von allen geteilt werden. Ich bin überzeugt, daß Angola sie auch heute im Evangelium Jesu Christi finden kann, so wie es vor langer Zeit bei einem eurer berühmten Vorfahren geschah: Dom Afonso I. Mbemba-a-Nzinga. Durch sein Wirken entstand vor 500 Jahren in Mbanza Kongo ein christliches Reich, das bis zum 18. Jahrhundert existierte. Aus seiner Asche konnte um 1900 eine erneuerte Kirche erstehen, die bis in unsere Tage nicht aufgehört hat zu wachsen. Gott sei dafür gedankt! Das ist der erste Grund, der mich nach Angola geführt hat: einer der ältesten katholischen Gemeinschaften im Afrika südlich des Äquators zu begegnen, um sie in ihrem Glauben an den Auferstandenen zu bestärken und mich den Bittgebeten ihrer Söhne und Töchter anzuschließen, damit die Zeit des Friedens, der Gerechtigkeit und der Brüderlichkeit in Angola nicht aufhört und es ihnen möglich ist, die Sendung zu erfüllen, die Gott ihnen zum Wohl des Volkes und im Konzert der Nationen anvertraut hat. Gott segne Angola!


BEGEGNUNG MIT DEN POLITISCHEN UND ZIVILEN AUTORITÄTEN UND DEM DIPLOMATISCHEN KORPS

Ehrensaal des Präsidentenpalastes von Luanda

Freitag, 20. März 2009

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Herr Staatspräsident,
verehrte Autoritäten,
sehr geehrte Botschafter,
verehrte Mitbrüder im Bischofsamt,
meine Damen und Herren!

Mit einer Geste herzlicher Gastfreundschaft hat uns der Herr Staatspräsident in seiner Residenz empfangen, und so habe ich die Freude, Ihnen zu begegnen, um Sie zu begrüßen. Ich wünsche Ihnen guten Erfolg bei der Wahrnehmung Ihrer großen Verantwortung im Bereich der Regierung, der Zivilverwaltung und der Diplomatie, in dem ein jeder der eigenen Nation zum Wohl der ganzen Menschheitsfamilie dient. Herr Staatspräsident, ich danke Ihnen für den Empfang und für die Worte, die Sie soeben an mich gerichtet haben - Worte voller Hochachtung gegenüber der Person des Nachfolgers Petri und voller Vertrauen in die Arbeit der katholischen Kirche zum Wohl dieser geliebten Nation.

Meine Freunde, Sie sind Erbauer und Zeugen eines Angolas, das sich im Wiederaufbau befindet. Nachdem der Bürgerkrieg 27 Jahre lang dieses Land verwüstet hat, hat der Friede begonnen, Wurzeln zu schlagen, und er hat als Früchte Stabilität und Freiheit mit sich gebracht. Die sichtbaren Bemühungen der Regierung um den Ausbau der Infrastruktur und die Wiederherstellung der Einrichtungen, die für die Entwicklung und das Wohlergehen der Gesellschaft grundlegend sind, haben die Hoffnung unter den Bürgern der Nation wieder aufleben lassen. Diese Hoffnung wird auch durch verschiedene Initiativen multilateraler Einrichtungen gestützt, die den Entschluß gefaßt haben, Einzelinteressen außen vor zu lassen, um für das Gemeinwohl zu arbeiten. Überall gibt es Beispiele für Lehrer und Angestellte im Gesundheitswesen oder in der öffentlichen Verwaltung, die gegen geringen Lohn mit Integrität und Hingabe ihren Mitmenschen dienen; und es gibt immer mehr Personen, die ehrenamtliche Tätigkeiten im Dienst der Notleidenden übernehmen. Möge Gott diesen guten Willen und diese wohltätigen Initiativen segnen und vermehren!

Angola weiß, daß für Afrika die Zeit der Hoffnung gekommen ist. Jedes redliche Verhalten des Menschen ist Hoffnung, die handelt. Unser Handeln ist niemals gleichgültig - weder vor Gott, noch für den Fortgang der Geschichte. Meine Freunde, gerüstet mit einem redlichen, großmütigen und erbarmungsvollen Herzen können Sie diesen Kontinent verwandeln und Ihr Volk von der Geißel der Habgier, der Gewalt und der Unruhen befreien. Sie können es auf dem Weg der Grundsätze führen, die für jede moderne bürgerliche Demokratie unverzichtbar sind: die Achtung und Förderung der Menschenrechte, eine transparente Regierung, eine unabhängige Gerichtsbarkeit, Freiheit der sozialen Kommunikationsmittel, eine redliche öffentliche Verwaltung, ein Netz gut funktionierender Schulen und Krankenhäuser und der feste, in der Umkehr der Herzen verankerte Entschluß, der Korruption ein für allemal ein Ende zu setzen. In der diesjährigen Botschaft zur Feier des Weltfriedenstages habe ich auf die Notwendigkeit einer ethischen Sichtweise der Entwicklung hingewiesen. Die Menschen in diesem Kontinent fordern nämlich zu Recht nicht nur Pläne und Protokolle, sondern vielmehr eine dauerhafte Umkehr der Herzen zur Brüderlichkeit, die tiefer Überzeugung entspringt (vgl. Nr. 13). Sie bitten jene, die in der Politik, in der öffentlichen Verwaltung, in internationalen Einrichtungen und in multinationalen Konzernen dienen, vor allem um eines: Steht uns auf wirklich menschliche Weise bei; begleitet uns, unsere Familien und unsere Gemeinschaften.

Die wirtschaftliche und soziale Entwicklung Afrikas verlangt die Koordinierung der nationalen Regierung mit regionalen Initiativen und internationalen Entscheidungen. Eine solche Koordinierung setzt voraus, daß die afrikanischen Nationen nicht nur als Empfänger von Plänen und Lösungen betrachtet werden, die von anderen erstellt worden sind. Die Afrikaner selbst müssen Hauptakteure ihrer Entwicklung sein, indem sie zusammen für das Wohl ihrer Gemeinschaften arbeiten. In diesem Zusammenhang gibt es eine wachsende Zahl erfolgreicher Initiativen, die es verdienen, unterstützt zu werden. Zu ihnen gehören die »New Partnership for Africa’s Development« (NEPAD) und der Pakt für Sicherheit, Stabilität und Entwicklung in der Region der Großen Seen ebenso wie der »Kimberley Process«, die »Publish What You Pay Coalition« und die »Extractive Industries Transparency Initiative«: Sie alle fördern die Transparenz, die Integrität im Geschäftsleben und die gute Regierung. Was die internationale Gemeinschaft in ihrer Gesamtheit betrifft, so bedarf es dringend einer Koordinierung der Kräfte, um die Frage des Klimawandels in Angriff zu nehmen, ebenso wie die volle und ehrliche Umsetzung der Verpflichtungen zugunsten der Entwicklung, die von der Doha-Runde aufgezeigt wurden, und die Erfüllung des oft wiederholten Versprechens der Industrienationen, 0,7 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts (BIP) in die offizielle Entwicklungshilfe einfließen zu lassen. Eine solche Unterstützung ist heute, aufgrund der weltweiten Finanzkrise, notwendiger denn je; sie darf dieser keinesfalls zum Opfer fallen.

Liebe Freunde, zum Abschluß meiner Überlegungen möchte ich Ihnen anvertrauen, daß mein Besuch in Kamerun und Angola in mir die tiefe menschliche Freude weckt, die man empfindet, wenn man nach Hause kommt, wenn man in der Familie ist. Ich glaube, daß genau diese Erfahrung das gemeinsame Geschenk Afrikas an all jene ist, die aus anderen Kontinenten hierher kommen, denn hier »stellt die Familie einen Stützpfeiler dar, auf dem das Gebäude der Gesellschaft errichtet ist« (Ecclesia in Africa ). Dennoch lastet, wie wir alle wissen, auch hier ein großer Druck auf den Familien: durch Armut verursachte Angst und Erniedrigung, Arbeitslosigkeit, Krankheit, Vertreibung, um nur einige zu nennen. Besonders beunruhigend ist das bedrückende Joch der Diskriminierung, das auf Frauen und Mädchen lastet, ganz zu schweigen von jener unsäglichen Praxis der Gewalt und der sexuellen Ausbeutung, die bei ihnen so viele Erniedrigungen und Traumata hervorruft. Ich muß auch noch auf ein neues Gebiet hinweisen, das schwere Sorge bereitet: die Politik jener, die sich den Anschein geben, die »Sozialstruktur « zu festigen, in Wirklichkeit aber deren Grundlagen bedrohen. Welch bittere Ironie besitzen jene, die die Abtreibung als »mütterliche« Gesundheitsvorsorge fördern! Wie erschütternd ist die These jener, die die Vernichtung von Leben als eine Frage reproduktiver Gesundheit verteidigen (vgl. Maputo-Protokoll, Art. 14)!

Die Kirche, meine Damen und Herren, werden Sie - gemäß dem Willen ihres göttlichen Gründers - stets bei den Ärmsten dieses Kontinents finden. Ich kann Ihnen versichern, daß sie durch diözesane Initiativen und durch zahllose Werke der verschiedenen Ordensgemeinschaften im Bereich von Erziehung und Bildung sowie im Gesundheits- und Sozialwesen auch weiterhin alles tun wird, was in ihrer Macht steht, um die Familien zu unterstützen - insbesondere jene, die von den tragischen Auswirkungen der Aids-Krankheit betroffen sind - und um die Gleichheit der Würde von Mann und Frau auf der Grundlage harmonischer gegenseitiger Ergänzung zu fördern. Der geistliche Weg des Christen ist der Weg täglicher Umkehr; auf diesen Weg lädt die Kirche alle Verantwortungsträger der Menschheit ein, damit diese auf dem Weg der Wahrheit, der Integrität, der Achtung und der Solidarität voranschreiten kann.

Herr Staatspräsident, ich möchte Ihnen noch einmal meinen aufrichtigen Dank für den Empfang zum Ausdruck bringen, den Sie uns in Ihrer Residenz gewährt haben. Ich danke allen und einem jeden von Ihnen für Ihre Anwesenheit und für Ihre Aufmerksamkeit. Sie können auf mein Gebet zählen - für sich und für Ihre Familien sowie für alle Einwohner dieses wunderbaren Afrikas! Der Gott des Himmels sei Ihnen gnädig und segne alle!


BEGEGNUNG MIT DEN BISCHÖFEN VON ANGOLA UND SÃO TOMÉ

Kapelle der Apostolischen Nuntiatur - Luanda - Freitag, 20. März 2009

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Herr Kardinal,

liebe Bischöfe von Angola und São Tomé!

Es ist mir eine große Freude, euch an diesem Sitz treffen zu können, den Angola dem Nachfolger Petri - für gewöhnlich in der Person seines Vertreters - vorbehalten hat. Dieser Ort ist sichtbares Zeichen für die Bande, die eure Völker mit der katholischen Kirche verbinden, die sich seit über fünfhundert Jahren darüber freut, euch zu ihren Kindern zählen zu können. Unser einmütiger und inniger Lobpreis soll zu Gottvater aufsteigen, der durch das Wirken und die Gnade des Heiligen Geistes nicht aufhören möge, den mystischen Leib seines Sohnes mit den für Angola und São Tomé charakteristischen Zügen hervorzubringen, ohne deshalb die jüdischen, römischen, portugiesischen und viele andere, schon früher angeeignete Charaktermerkmale zu verleugnen, »denn ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid […], seid ›einer‹ in Christus Jesus« (
Ga 3,27 Ga 3,28). Um dieses Werk der Hervorbringung des ganzen Christus durch den Glauben und die Taufe heute weiter voranzubringen, hat es dem guten Gott gefallen, mich und euch, liebe Brüder, daran teilhaben zu lassen; man braucht sich also nicht zu wundern, daß die Geburtswehen bei uns so lange zu spüren sind, bis Christus im Herzen eures Volkes vollkommen Gestalt angenommen hat (vgl. Ga 4,10). Gott wird euch für eure apostolische Arbeit belohnen, die ihr unter schwierigen Bedingungen, sowohl während des Krieges wie derzeit inmitten so vieler Einschränkungen, erbracht habt; auf diese Weise tragt ihr dazu bei, der Kirche in Angola und São Tomé und Príncipe jene Dynamik zu verleihen, die alle dankbar anerkennen.

Im Bewußtsein des Amtes, zu dessen Erfüllung im Dienst der kirchlichen Gemeinschaft ich berufen bin, bitte ich euch: Macht euch zu Übermittlern meiner ständigen Sorge um eure Gemeinschaften, die ich in der Person jedes einzelnen Mitglieds dieser Bischofskonferenz mit aufrichtiger Liebe grüße! Einen besonderen Gruß richte ich an euren Vorsitzenden, Erzbischof Damião Franklin, dem ich für die in eurem Namen an mich gerichteten Begrüßungsworte danke; er hat darin eure Bemühungen um gewissenhafte Unterscheidung und einen daraus folgenden einheitlichen Plan dargelegt, der in euren Diözesangemeinschaften verwirklicht werden soll, um die Brüder »für den Aufbau des Leibes Christi zu rüsten […], damit wir alle zum vollkommenen Menschen werden und Christus in seiner vollendeten Gestalt darstellen« (Ep 4,12 Ep 4,13). Denn gegen einen verbreiteten Relativismus, der nichts als endgültig anerkennt und dazu neigt, das eigene Ich und seine Launen zum letzten Maßstab zu machen, setzen wir einen anderen Maßstab entgegen: den Sohn Gottes, der auch wahrer Mensch ist. Er ist der Maßstab des wahren Humanismus. Ein Christ mit einem mündigen und reifen Glauben ist nicht jemand, der den Modeströmungen und letzten Neuigkeiten folgt, sondern jemand, der tiefverwurzelt in der Freundschaft Christi lebt. Diese Freundschaft öffnet uns für alles Gute und bietet uns das Kriterium, um zwischen Irrtum und Wahrheit zu unterscheiden.

Für die Zukunft des Glaubens und für die gesamte Ausrichtung des Lebens des Landes ist mit Sicherheit der Bereich der Kultur entscheidend, in dem die Kirche angesehene akademische Einrichtungen besitzt. Für sie sollte es eine Ehrensache sein, zu erreichen, daß in der Kulturdebatte der Nation die Stimme der Katholiken immer präsent ist. Dadurch sollen die Möglichkeiten erweitert werden, die vielen Fragen, die in den verschiedenen Wissenschafts- und Lebensbereichen auftauchen, im Lichte des Glaubens vernünftig zu behandeln. Außerdem werden heutzutage die Kultur und die Verhaltensvorbilder zunehmend bestimmt und geprägt von den Bildern, die die Kommunikationsmitteln anbieten; lobenswert ist deshalb jedes Bemühen eurerseits, auch in diesem Bereich eine Kommunikationsfähigkeit zu besitzen, um allen eine christliche Interpretation der Ereignisse, der Probleme und der menschlichen Wirklichkeiten bieten zu können.

Eine dieser menschlichen Realitäten, die heute vielen Schwierigkeiten und Bedrohungen ausgesetzt ist, ist die Familie, die es besonders nötig hat, evangelisiert und konkret unterstützt zu werden, da zu der inneren Zerbrechlichkeit und Instabilität vieler Ehen die in Gesellschaft und Kultur verbreitete Tendenz hinzukommt, den einzigartigen Charakter und den eigentlichen Auftrag der auf die Ehe gegründeten Familie in Abrede zu stellen. Laßt in eurer Hirtensorge gegenüber jedem Menschen nicht darin nach, zur Verteidigung der Heiligkeit des menschlichen Lebens und des Wertes der Institution der Ehe und für die Förderung der Rolle der Familie in Kirche und Gesellschaft eure Stimme zu erheben, indem ihr wirtschaftliche und gesetzliche Maßnahmen fordert, die die Eltern in ihrer Entscheidung für Kinder und bei deren Erziehung unterstützen.

Ich freue mich, daß es in euren Ländern so viele glaubensbegeisterte Gemeinschaften mit einem engagierten Laientum gibt, das sich zahlreichen Werken des Apostolats widmet, sowie eine beachtliche Zahl von Berufungen zum Priesteramt und zum Ordensleben, besonders zu kontemplativen Orden. Sie stellen ein echtes Hoffnungszeichen für die Zukunft dar. Während euer Klerus zunehmend aus dem eigenen Land kommt, möchte ich der geduldigen und unerschrockenen Arbeit, die von den Missionaren vollbracht wurde, um Christus und sein Evangelium zu verkünden und die christlichen Gemeinden entstehen zu lassen, für die ihr heute Verantwortung tragt, meine Anerkennung aussprechen. Ich fordere euch auf, eure Priester aus der Nähe zu begleiten, indem ihr euch um ihre ständige theologische und geistliche Weiterbildung kümmert, auf ihre Lebensbedingungen und die Ausübung ihrer Mission achtet, damit sie glaubwürdige Zeugen des Wortes, das sie verkünden, und der Sakramente, die sie feiern, sind. Mögen sie in der Selbsthingabe an Christus und an das Volk, dessen Hirten sie sind, den Anforderungen ihres Standes treu bleiben und ihr Priesteramt als einen echten Weg der Heiligkeit leben, indem sie sich bemühen, heilig zu werden, um in ihrer Umgebung neue Heilige zu wecken.

Verehrte Brüder, indem ich mich eurem Gebetsgedenken beim Herrn anvertraue, versichere ich euch meinerseits eines besonderen Gebets an Ihn, der der wahre Bräutigam der Kirche ist, die von ihm geliebt, beschützt und genährt wird: der eingeborene Sohn des lebendigen Gottes, Jesus Christus unser Herr. Er unterstütze mit seiner Gnade eure pastoralen Anstrengungen, damit sie nach dem Vorbild und unter dem Schutz des Unbefleckten Herzens der jungfräulichen Mutter fruchtbar werden. Mit diesen Empfindungen erteile ich einem jeden von euch, euren Priestern, den Personen des geweihten Lebens, den Seminaristen, den Katechisten und allen gläubigen Laien, Gliedern der Herde, die Gott euch anvertraut hat, meinen Segen.



BEGEGNUNG MIT DEN JUGENDLICHEN

Stadion "dos Coqueiros" - Luanda - Samstag, 21. März 2009

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Liebe Freunde!

Ihr seid sehr zahlreich erschienen - auch stellvertretend für viele andere, die im Geiste bei uns sind -, um dem Nachfolger Petri zu begegnen und zusammen mit mir allen die Freude zu verkünden, an Jesus Christus zu glauben und das Versprechen zu erneuern, seine treuen Jünger in unserer Zeit zu sein. Eine ähnliche Begegnung fand hier in dieser Stadt am 7. Juni 1992 mit dem geliebten Papst Johannes Paul II. statt. Nun steht der jetzige Nachfolger Petri vor euch - er sieht zwar etwas anders aus, hat aber dieselbe Liebe im Herzen -, der euch alle in Jesus Christus umarmt. Christus ist »derselbe gestern, heute und in Ewigkeit« (
He 13,8).

Zunächst möchte ich mich bei euch für dieses Fest bedanken, das ihr mir bereitet, für dieses Fest, das ihr seid, für eure Anwesenheit und eure Freude. Ich richte einen herzlichen Gruß an die verehrten Brüder im Bischofs- und im Priesteramt sowie an eure Gruppenleiter. Von Herzen danke ich allen, die diese Begegnung vorbereitet haben, und grüße sie, insbesondere die bischöfliche Kommission für Jugend und Berufungen mit ihrem Vorsitzenden, Bischof Almeida Kanda, dem ich für den herzlichen Willkommensgruß danke, den er an mich gerichtet hat. Ich grüße alle Jugendlichen - die katholischen und die nichtkatholischen -, die auf der Suche sind nach einer Antwort auf ihre Fragen. Einige dieser Probleme haben eure Vertreter sicherlich angesprochen; ich habe ihren dankbar zugehört. Als ich sie umarmte, galt diese Umarmung natürlich euch allen.

Den Jugendlichen zu begegnen tut allen gut! Sie haben manchmal viele Schwierigkeiten, aber sie bringen viel Hoffnung mit sich, viel Begeisterung, viel Willen zu einem Neubeginn. Liebe junge Freunde, ihr tragt die Dynamik der Zukunft in euch. Ich lade euch ein, es mit den Augen des Apostels Johannes zu betrachten: »Dann sah ich einen neuen Himmel und eine neue Erde … Ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott her aus dem Himmel herabkommen; sie war bereit wie eine Braut, die sich für ihren Mann geschmückt hat. Da hörte ich eine laute Stimme vom Thron her rufen: Seht, die Wohnung Gottes unter den Menschen!« (Ap 21,1-3). Liebe Freunde, Gott macht den Unterschied: von der friedlichen Vertrautheit zwischen Gott und dem Menschenpaar im Garten Eden über die göttliche Herrlichkeit, die vom Bundeszelt ausstrahlte inmitten des Volkes Israel auf seinem Weg durch die Wüste, bis hin zur Menschwerdung des Sohnes Gottes, der untrennbar eins geworden ist mit dem Menschen in Jesus Christus. Jesus selbst nimmt den Weg durch die menschliche Wüste wieder auf, indem er durch den Tod hindurchgeht und zur Auferstehung gelangt. Er nimmt dabei die gesamte Menschheit mit sich zu Gott. Jetzt ist Jesus nicht mehr an einen Ort und eine bestimmte Zeit gebunden, sondern sein Geist, der Heilige Geist, geht von ihm aus und gelangt in unsere Herzen. So vereint er uns mit Jesus und durch ihn mit dem Vater - mit dem einen und dreifaltigen Gott.

Ja, meine lieben Freunde! Gott macht den Unterschied… Mehr noch: Gott macht uns anders, er macht uns neu. Das ist die Verheißung, die er selbst uns gibt: »Seht, ich mache alles neu« (Ap 21,5). Und das ist wahr! Das sagt uns der Apostel Paulus: »Wenn also jemand in Christus ist, dann ist er eine neue Schöpfung: Das Alte ist vergangen, Neues ist geworden. Aber das alles kommt von Gott, der uns durch Christus mit sich versöhnt … hat« (2Co 5,17-18). Jesus Christus ist zum Himmel aufgefahren und in die Ewigkeit eingegangen und ist so zum Herrn aller Zeiten geworden. Daher kann er in der Gegenwart bei uns sein und hält das Buch unserer Tage in seiner Hand: In ihr hält er unsere Vergangenheit fest, mit den Ursprüngen und Grundlagen unseres Seins; in ihr hält er eifersüchtig die Zukunft verborgen und läßt uns das schönste Morgenrot unseres ganzen Lebens erahnen, das von ihm ausstrahlt: die Auferstehung in Gott. Die Zukunft der neuen Menschheit ist Gott; eine allererste Vorwegnahme dessen ist seine Kirche. Wenn ihr könnt, lest aufmerksam ihre Geschichte: Ihr werdet merken, daß die Kirche im Laufe der Jahre nicht altert, sondern im Gegenteil immer jünger wird, weil sie dem Herrn entgegengeht und sich immer mehr der einzigen und wahren Quelle nähert, der die Jugend, die Erneuerung, die Lebenskraft entspringt.

Liebe Freunde, die ihr mir zuhört, die Zukunft ist Gott. Gerade haben wir gehört: »Er wird alle Tränen von ihren Augen abwischen: Der Tod wird nicht mehr sein, keine Trauer, keine Klage, keine Mühsal. Denn was früher war, ist vergangen« (Ap 21,4). Ich sehe unterdessen, daß einige der vielen tausend jungen Angolaner hier anwesend sind, die der Krieg und die Minen zu Invaliden gemacht haben. Ich denke an die unzähligen Tränen, die viele von euch wegen des Verlusts von Familienangehörigen vergossen haben, und es ist nicht schwer, sich die grauen Wolken vorzustellen, die noch immer den Himmel eurer schönsten Träume bedecken… Und ich sehe in euren Herzen einen Zweifel, den ihr mir entgegenhaltet: »Das haben wir ja alles! Was du uns sagst, das sieht man nicht. Die Verheißung trägt das göttliche Siegel - und wir glauben das -, aber wann wird Gott sich erheben, um alles neu zu machen?« Die Antwort Jesu ist dieselbe, die er seinen Jüngern gegeben hat: »Euer Herz lasse sich nicht verwirren. Glaubt an Gott und glaubt an mich! Im Haus meines Vaters gibt es viele Wohnungen. Wenn es nicht so wäre, hätte ich euch dann gesagt: Ich gehe, um einen Platz für euch vorzubereiten?« (Jn 14,1-2). Aber ihr, liebe Jugendliche, sagt wiederum: »Einverstanden! Aber wann wird das geschehen?« Als ihm die Apostel dieselbe Frage stellten, antwortete Jesus: »Euch steht es nicht zu, Zeiten und Fristen zu erfahren, die der Vater in seiner Macht festgesetzt hat. Aber ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch herabkommen wird; und ihr werdet meine Zeugen sein … bis an die Grenzen der Erde« (Ac 1,7-8). Wie ihr seht, hat Jesus immer eine Antwort für uns. Er sagt uns eines ganz deutlich: Die Erneuerung beginnt im Innern; ihr werdet eine Kraft aus der Höhe erhalten. Die dynamische Kraft der Zukunft liegt in euch.

Sie liegt in uns…, aber wie? So wie das Leben in einem Samenkorn enthalten ist: So hat Jesus es in einer schwierigen Stunde seiner Sendung erklärt. Sie rief am Anfang große Begeisterung hervor, denn die Menschen sahen, daß Kranke geheilt, Dämonen ausgetrieben und das Evangelium verkündigt wurde. Aber ansonsten war die Welt nicht anders als vorher: Die Römer herrschten immer noch; das tägliche Leben war schwer, trotz dieser Zeichen, dieser schönen Worte. Und die Begeisterung ließ langsam nach, viele Jünger verließen sogar den Meister (vgl. Jn 6,66), der zwar predigte, aber die Welt nicht veränderte. Und alle fragten sich: Was ist diese Botschaft letztendlich wert? Was bringt uns dieser Prophet Gottes? Da sprach Jesus von einem Sämann, der den Samen auf den Acker der Welt streute, und erklärte dann, daß der Same sein Wort ist (vgl. Mc 4,3-20), seine Heilungen, die er gewirkt hat - in der Tat nur sehr wenig verglichen mit den enormen Mängeln und Schwierigkeiten der täglichen Wirklichkeit. Und dennoch ist im Samenkorn die Zukunft gegenwärtig, weil das Samenkorn das Brot von morgen, das Leben von morgen in sich trägt. Das Samenkorn scheint fast nichts zu sein, es ist jedoch die Gegenwart der Zukunft, es ist die schon heute gegenwärtige Verheißung; wenn es auf guten Boden fällt, bringt es dreißigfach, ja sechzigfach und hundertfach Frucht.

Meine Freunde, ihr seid die Saat, die Gott auf dem Acker aussät und die im Herzen eine Kraft aus der Höhe trägt, die Kraft des Heiligen Geistes. Der einzige Weg jedoch, um von der Verheißung des Lebens zur Frucht zu gelangen, ist der, das Leben aus Liebe hinzugeben, aus Liebe zu sterben. Das hat Jesus selbst gesagt: »Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht. Wer an seinem Leben hängt, verliert es; wer aber sein Leben in dieser Welt geringachtet, wird es bewahren bis ins ewige Leben« (Jn 12,24-25). So sprach Jesus, und so handelte er: Seine Kreuzigung scheint das völlige Scheitern zu sein, sie ist es aber nicht! Jesus hat »sich selbst kraft ewigen Geistes Gott als makelloses Opfer dargebracht« (He 9,14). Indem er so als Samenkorn in die Erde fiel, konnte er zu jeder Zeit und im Laufe der Zeiten Frucht tragen. Und dort habt ihr das neue Brot, das Brot des zukünftigen Lebens, die Allerheiligste Eucharistie, die uns nährt und die das dreifaltige Leben im Herzen der Menschen zur Entfaltung bringt.

Liebe junge Freunde, die ihr gleichsam von der Kraft des ewigen Geistes erfüllte Samenkörner seid, entfaltet euch durch die Wärme der Eucharistie, in der das Vermächtnis des Herrn umgesetzt wird: Er schenkt sich uns hin, und wir antworten darauf, indem wir uns den anderen hinschenken aus Liebe zu ihm. Das ist der Weg des Lebens; aber ihr könnt ihn nur dann gehen, wenn ihr im ständigen Dialog mit dem Herrn und im wahren Dialog untereinander steht. Die vorherrschende gesellschaftliche Kultur hilft euch weder, das Wort Jesu zu leben, noch unterstützt sie die Selbsthingabe, zu der er euch einlädt nach dem Plan des Vaters. Liebe Freunde, die Kraft ist in euch, wie sie in Jesus war, der sagte: »Der Vater, der in mir bleibt, vollbringt seine Werke… Wer an mich glaubt, wird die Werke, die ich vollbringe, auch vollbringen, und er wird noch größere vollbringen, denn ich gehe zum Vater (Jn 14,10 Jn 14,12). Habt daher keine Angst, endgültige Entscheidungen zu treffen. Es fehlt euch nicht an Großherzigkeit - das weiß ich! Aber ihr habt Angst vor dem Risiko, euch für das ganze Leben zu binden, in der Ehe oder in einem Leben besonderer Weihe: »Die Welt ist immer in Bewegung, und das Leben ist voller Möglichkeiten. Kann ich in diesem Augenblick über mein ganzes Leben verfügen, ohne zu wissen, welche Überraschungen es für mich bereithält? Setze ich durch eine endgültige Entscheidung nicht meine Freiheit aufs Spiel und fessele mich mit eigenen Händen?« Diese Bedenken kommen euch, und durch die gegenwärtige individualistische und hedonistische Kultur werden sie noch unterstützt. Aber wenn ein junger Mensch sich nicht entscheidet, läuft er Gefahr, auf ewig ein Kind zu bleiben!

Ich sage euch: Habt Mut! Wagt endgültige Entscheidungen, denn in Wahrheit stehen sie der Freiheit nicht entgegen, sondern sie lenken sie vielmehr in die richtige Bahn. Sie machen es möglich, voranzugehen und etwas Großes im Leben zu erreichen. Das Leben hat zweifellos nur dann einen Wert, wenn ihr den Mut zum Abenteuer habt, wenn ihr darauf vertraut, daß der Herr euch niemals verlassen wird. Jugend von Angola, setze in dir den Heiligen Geist frei, die Kraft aus der Höhe! Indem du wie Jesus auf sie vertraust, wage sozusagen diesen Sprung in die Endgültigkeit und gib dadurch dem Leben eine Chance! So werden unter euch Inseln, Oasen und schließlich große Flächen christlicher Kultur entstehen, in denen »die heilige Stadt, die von Gott her aus dem Himmel herabkommt, bereit wie eine Braut, die sich für ihren Mann geschmückt hat«, sichtbar wird. Das ist das lebenswerte Leben, das ich euch von Herzen wünsche. Es lebe die Jugend von Angola!




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