ANSPRACHE 2009 67

BEGEGNUNG MIT VERTRETERN KATHOLISCHER BEWEGUNGEN ZUR FÖRDERUNG DER FRAU

Pfarrgemeinde "Santo António", Luanda - Sonntag, 22. März 2009

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Liebe Brüder und Schwestern!

»Sie haben keinen Wein mehr« - mit diesem Anliegen wandte sich Maria an Jesus, damit die Hochzeit weiter gefeiert werden konnte. So muß es im übrigen immer sein: »Die Hochzeitsgäste können nicht fasten, solange der Bräutigam bei ihnen ist« (vgl.
Mc 2,19). Dann ging die Mutter Jesu zu den Dienern, um sie zu ermahnen: »Was er euch sagt, das tut« (vgl. Jn 2,1-5). Und durch diese mütterliche Fürsprache konnte der »gute Wein« entstehen, der eine Vorahnung gibt von dem neuen Bund zwischen der göttlichen Allmacht und dem armen, aber fügsamen menschlichen Herzen. Dasselbe war bereits in der Vergangenheit geschehen, wie wir in der Ersten Lesung gehört haben: »Das ganze Volk antwortete einstimmig und erklärte: Alles, was der Herr gesagt hat, wollen wir tun« (Ex 19,8).

Diese Worte steigen auch aus unserem Herzen empor. Wir sind hier in der Kirche »Santo António« versammelt, die durch die verdienstvolle Missionsarbeit der Kapuziner-Minderbrüder entstanden ist. Sie sollte ein neues Bundeszelt sein, Zeichen der Gegenwart Gottes inmitten des pilgernden Volkes. Ihnen und allen, die an der hier erteilten Seelsorge und Sozialfürsorge teilhaben, gibt der Papst seinen Segen als Zeichen des Wohlwollens und der Ermutigung. Ich grüße alle Anwesenden sehr herzlich: die Bischöfe, Priester, geweihten Männer und Frauen und insbesondere euch, die gläubigen Laien, die ihr bewußt die Pflicht zu christlichem Engagement und zum Zeugnis übernehmt, die im Taufsakrament und für die Verheirateten auch im Ehesakrament verankert ist. Der Hauptgrund für unsere Versammlung veranlaßt mich zu einem Gruß voll Hochachtung und Hoffnung an die Frauen, denen Gott die Quellen des Lebens anvertraut hat: Lebt und setzt auf das Leben, denn der lebendige Gott setzt auf euch! Mit dankbarem Herzen grüße ich die Verantwortlichen und Leiter der kirchlichen Bewegungen, die sich insbesondere für die Förderung der angolanischen Frau einsetzen. Ich danke Herrn Erzbischof José de Queirós Alves und euren Vertretern für die Worte, die sie an mich gerichtet haben und in denen sie mir die Sorgen und Hoffnungen so vieler stiller Heldinnen, der Frauen in dieser geliebten Nation, dargelegt haben.

Ich fordere alle auf, sich wirklich die Benachteiligung zu Bewußtsein zu führen, der viele Frauen unterworfen waren - und es noch immer sind -, und darüber nachzudenken, in welchem Maß das Verhalten und die Einstellungen der Männer, denen es manchmal an Einfühlungsvermögen oder Verantwortungsbewußtsein mangelt, der Grund dafür sein könnte. Gott hat einen anderen Plan. Wir haben in der Lesung gehört, daß das Volk einstimmig antwortete: »Alles, was der Herr gesagt hat, wollen wir tun.« Die Heilige Schrift sagt, daß Gott, der Schöpfer, als er sein Werk betrachtete, sah, daß etwas fehlte: Alles war sehr gut, wenn nur der Mensch, der Mann, nicht allein gewesen wäre! Wie konnte der Mann allein Abbild des einen und dreifaltigen Gottes sein, des Gottes, der Gemeinschaft ist? »Es ist nicht gut, daß der Mensch allein bleibt. Ich will ihm eine Hilfe machen, die ihm entspricht« (Gn 2,18). Aufs neue machte Gott sich ans Werk, um die Hilfe zu schaffen, die fehlte, und er stattete sie in bevorzugter Weise mit Gaben im Hinblick auf die Ordnung der Liebe aus, die er in der Schöpfung nicht ausreichend vertreten sah.

Wie ihr wißt, Brüder und Schwestern, gehört diese Ordnung der Liebe zum inneren Leben Gottes, zum Leben des dreifaltigen Gottes, da der Heilige Geist die personhafte Verkörperung der Liebe ist. So schrieb der unvergeßliche Papst Johannes Paul II.: »Auf der Grundlage des ewigen Planes Gottes ist die Frau diejenige, in der die Ordnung der Liebe in der geschaffenen Welt der Personen das Erdreich für ihr erstes Wurzelfassen findet« (Apostolisches Schreiben Mulieris dignitatem MD 29). Und wirklich, beim Anblick des Liebreizes, der von der Frau ausgeht aufgrund der inneren Gnade und Anmut, die Gott ihr gegeben hat, erhellt sich das Herz des Mannes, und er erkennt sich selbst in ihr: »Das endlich ist Bein von meinem Bein und Fleisch von meinem Fleisch« (Gn 2,23). Die Frau ist ein anderes »Ich« im gemeinsamen Menschsein. Die Gleichheit der Würde von Mann und Frau muß anerkannt, bekräftigt und verteidigt werden: Beide sind Personen, im Unterschied zu den anderen Lebewesen der Welt, die sie umgibt.

Beide sind berufen, in tiefer Gemeinschaft zu leben, in gegenseitiger Anerkennung und Selbsthingabe. Sie müssen zusammen für das Gemeinwohl arbeiten mit ihren männlichen und weiblichen Eigenschaften, die einander ergänzen. Wer verspürt heute nicht die Notwendigkeit, dem, »was das Herz sagt«, mehr Raum zu geben? In der heutigen Welt, die von der Technik beherrscht wird, verspürt man die Notwendigkeit dieser ergänzenden Eigenschaften der Frau, damit der Mensch in ihr leben kann, ohne völlig entmenschlicht zu werden. Man denke an jene Zonen, in denen Armut herrscht, an die vom Krieg heimgesuchten Gebiete, an so viele tragische Situationen, die mit der - erzwungenen oder freiwilligen - Migration verbunden sind… Fast immer sind es die Frauen, die die menschliche Würde aufrechterhalten, die Familie verteidigen und die kulturellen und religiösen Werte bewahren.

Liebe Brüder und Schwestern, in der Geschichte finden wir fast nur die Errungenschaften von Männern verzeichnet, aber sehr viel ist dem maßgeblichen, beharrlichen und wohltätigen Einsatz von Frauen zu verdanken. Gestattet mir, zu euch über zwei der vielen außergewöhnlichen Frauen zu sprechen: Teresa Gomes und Maria Bonino. Teresa Gomes war Angolanerin; sie ist im Jahre 2004 in der Stadt Sumbe gestorben, nach einem glücklichen Eheleben, aus dem sieben Kinder hervorgegangen sind. Ihr christlicher Glaube war unerschütterlich, und sie zeigte einen bewundernswerten apostolischen Eifer, vor allem in den Jahren 1975 und 1976, als eine heftige ideologische und politische Propaganda die Pfarrei »Nossa Senhora das Graças« in Porto Amboim erschütterte, so daß die Kirche beinahe ihre Tore schließen mußte. Teresa wurde damals zur Anführerin der Gläubigen, die diese Situation nicht hinnahmen. Sie unterstützte sie, verteidigte mutig die Gemeindestrukturen und tat alles, damit die heilige Messe wieder gefeiert wurde. Ihre Liebe zur Kirche machte sie unermüdlich in der Evangelisierungsarbeit unter Anleitung der Priester.

Maria Bonino ihrerseits war eine italienische Kinderärztin, die sich als freiwillige Helferin verschiedenen Missionen im geliebten Afrika zur Verfügung gestellt hatte. In ihren letzten beiden Lebensjahren leitete sie die kindermedizinische Abteilung des Provinzkrankenhauses von Uíje. Maria widmete sich täglich mit Hingabe der Behandlung Tausender von Kindern, die dort eingeliefert wurden, und mußte während einer schrecklichen Epidemie des hämorrhagischen Marburgfiebers, bei der auch sie sich ansteckte, an diesem Ort das höchste Opfer für ihren Dienst darbringen. Sie wurde zwar nach Luanda gebracht, verstarb jedoch hier und wurde am 24. März 2005 hier beigesetzt - übermorgen werden es vier Jahre sein. Die Kirche und die menschliche Gesellschaft wurden und werden auch weiterhin enorm bereichert durch die Gegenwart und die Tugenden von Frauen, besonders jener, die sich dem Herrn geweiht haben und sich auf ihn gestützt in den Dienst der anderen gestellt haben.

Heute, liebe Angolaner, sollte niemand mehr daran zweifeln, daß die Frauen, auf der Grundlage der Gleichheit der Würde von Mann und Frau, »das volle Recht haben, sich aktiv in sämtliche Bereiche des öffentlichen Lebens einzuschalten, und ihr Recht ist dort, wo es sich als notwendig erweist, auch durch gesetzliche Mittel zu bestätigen und zu schützen. Eine solche Anerkennung der öffentlichen Rolle der Frauen darf jedoch nicht ihre unersetzliche Rolle innerhalb der Familie schmälern: Hier ist ihr Beitrag zum Wohl und zum sozialen Fortschritt, obwohl kaum beachtet, von wirklich unschätzbarem Wert« (Botschaft zur Feier des Weltfriedenstages 1995, Nr. 9; in O.R. dt. Nr. 50, 16.12.1994, S. 8). Auf persönlicher Ebene erhält die Frau ein Bewußtsein von ihrer eigenen Würde nicht so sehr durch die Behauptung von Rechten auf juridischem Gebiet, sondern vielmehr als direkte Folge der materiellen und geistlichen Zuwendung, die sie innerhalb der Familie erfahren hat. Die Anwesenheit der Mutter innerhalb der Familie ist sehr wichtig für die Stabilität und das Wachstum dieser Grundzelle der Gesellschaft, die auf jede nur erdenkliche Weise anerkannt, geschätzt und unterstützt werden muß. Aus demselben Grund muß die Gesellschaft auch die Ehemänner und Väter zur Verantwortung gegenüber ihrer Familie rufen.

Liebe Familien, ihr habt sicher schon gemerkt, daß kein Ehepaar allein und nur aus eigenen Kräften den Kindern auf angemessene Weise die Liebe und den Sinn des Lebens vermitteln kann. Um zu jemandem sagen zu können: »Dein Leben ist gut, obwohl ich deine Zukunft nicht kenne«, bedarf es einer höheren Autorität und Glaubwürdigkeit als jene, die die Eltern allein bieten können. Die Christen wissen, daß diese größere Autorität jener weiteren Familie anvertraut ist, die Gott durch seinen Sohn Jesus Christus und das Geschenk des Heiligen Geistes in der Geschichte der Menschheit geschaffen hat: der Kirche. Wir sehen hier jene ewige und unerschütterliche Liebe am Werk, die unser aller Leben einen bleibenden Sinn verleiht, auch wenn wir die Zukunft nicht kennen. Aus diesem Grund geschieht der Aufbau jeder christlichen Familie innerhalb jener größeren Familie, der Kirche, die sie unterstützt und in ihrer Mitte aufnimmt und damit sicherstellt, daß jetzt und in Zukunft das »Ja« des Schöpfers auf ihr ruht.

»Sie haben keinen Wein mehr«, sagt Maria zu Jesus. Liebe angolanische Frauen, laßt sie eure Fürsprecherin beim Herrn sein. So kennen wir sie seit der Hochzeit in Kana: als gütige Frau, voll mütterlicher Fürsorge und Mut, als Frau, die die Nöte der anderen wahrnimmt und sie in dem Wunsch, Abhilfe zu schaffen, vor den Herrn bringt. Zusammen mit ihr können wir alle, Frauen und Männer, jenen inneren Frieden und jenes Vertrauen wiedererlangen, die uns in Gott unser Glück finden lassen und uns unermüdlich machen im Kampf für das Leben. Möge die Muttergottes von Muxima der Stern eures Lebens sein, der euch in der Einheit mit der großen Familie Gottes bewahrt. Amen.



ABSCHIEDSZEREMONIE

Internationaler Flughafen "4 de Fevereiro", Luanda - Montag, 23. März 2009

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Verehrter Herr Staatspräsident,
sehr geehrte Obrigkeiten aus dem zivilen, militärischen und kirchlichen Bereich,
liebe Brüder und Schwestern in Christus,
liebe angolanische Freunde!

Lebhaft berührt durch Ihre Anwesenheit, Herr Präsident, möchte ich Ihnen zu dieser Stunde meiner Abreise meine Wertschätzung und Dankbarkeit sowohl für die ausgezeichnete Behandlung zum Ausdruck bringen, die Sie mir vorbehalten haben, als auch für die getroffenen Maßnahmen, um den Ablauf der verschiedenen Begegnungen zu erleichtern, die zu erleben ich die Freude hatte. Sowohl an die zivilen und militärischen Obrigkeiten als auch an die Bischöfe und Verantwortlichen der kirchlichen Gemeinschaften und Einrichtungen, die an den genannten Begegnungen teilgenommen haben, richte ich meinen herzlichsten Dank für die Liebenswürdigkeit, mit der sie meiner Person während dieser Tage, die ich unter euch verbringen durfte, die Ehre erwiesen haben. Ein Wort des Dankes gilt auch den Medienvertretern, den Sicherheitsbeamten sowie allen freiwilligen Helfern, die großherzig, effizient und diskret zum guten Gelingen meines Besuches ihren Beitrag geleistet haben.

Ich danke Gott, daß ich eine lebendige und trotz aller Schwierigkeiten von Begeisterung erfüllte Kirche vorgefunden habe, die es verstanden hat, auf ihre Schultern ihr Kreuz und das der anderen zu nehmen, und die auf diese Weise vor allen Menschen Zeugnis für die heilbringende Kraft der Botschaft des Evangeliums abgelegt hat. Sie fährt fort zu verkündigen, daß die Zeit der Hoffnung gekommen ist, indem sie sich für den Frieden in den Herzen einsetzt und zur Ausübung einer brüderlicher Nächstenliebe einlädt, die sich für die Annahme aller in Achtung der Ideen und Gefühle eines jeden einzelnen zu öffnen vermag. Es ist nun die Zeit gekommen, mich zu verabschieden und nach Rom zurückzureisen, traurig darüber, euch verlassen zu müssen, aber zufrieden, ein mutiges und zu einem Neuanfang entschlossenes Volk kennengelernt zu haben. Trotz der Widerstände und Hindernisse beabsichtigt dieses Volk, seine Zukunft aufzubauen, indem es Wege der Vergebung, Gerechtigkeit und Solidarität einschlägt.

An dieser Stelle sei es mir gestattet, einen letzten Appell zu machen: Ich möchte darum bitten, daß die gerechte Verwirklichung der grundlegenden Bestrebungen der bedürftigsten Bevölkerungsteile die hauptsächliche Sorge all jener bilde, die öffentliche Ämter bekleiden, da es - dessen bin ich mir gewiß - ihre Absicht ist, die übernommene Aufgabe nicht für sich selbst, sondern im Hinblick auf das Gemeinwohl zu erfüllen. Unser Herz kann nicht zur Ruhe kommen, solange es Brüder und Schwestern gibt, die aufgrund von Mangel an Nahrung, Arbeit, einer Wohnung oder anderen grundlegenden Gütern leiden. Um zu einer konkreten Antwort für diese unsere Brüder und Schwestern in der Menschlichkeit zu gelangen, besteht die erste Herausforderung, der wir uns stellen müssen, in der Solidarität: Solidarität unter den Generationen, Solidarität unter den Nationen und Kontinenten, die eine immer gerechtere Verteilung der Ressourcen der Erde unter allen Menschen verlangt.

Von Luanda aus erstreckt sich mein Blick auf ganz Afrika, wobei ich mich mit euch für den kommenden Monat Oktober in der Vatikanstadt verabrede, wenn wir uns zur Zweiten Sonderversammlung der Bischofssynode für Afrika treffen werden, die diesem Kontinent gewidmet sein wird, auf dem das menschgewordene Wort in Person Zuflucht gefunden hat. Ich bete jetzt zu Gott, auf daß er seinen Schutz und seine Hilfe die zahllosen Flüchtlinge und Vertriebenen spüren lasse, die in Erwartung auf eine Rückkehr in ihre Heimat umherziehen. Der Herr des Himmels ruft ihnen erneut zu: »Selbst wenn eine Mutter dich vergessen würde: ich vergesse dich nicht« (vgl.
Is 49,15). Wie Söhne und Töchter liebt euch Gott; er wacht über eure Tage und Nächte, über eure Mühen und Hoffnungen.

Brüder und Schwestern, Freunde aus Afrika, liebe Angolaner, Mut! Werdet nicht müde, den Frieden auszubauen, indem ihr Gesten der Vergebung vollbringt und für die nationale Versöhnung arbeitet, damit nie die Gewalt die Vorherrschaft über den Dialog habe, die Angst und die Entmutigung über das Vertrauen, der Feindseligkeit über die brüderliche Liebe. Und dies wird möglich sein, wenn ihr euch als Kinder des einen Vaters im Himmel erkennt. Gott segne Angola! Er segne ein jedes seiner Kinder! Er segne die Gegenwart und die Zukunft dieser geliebten Nation. Lebt wohl!




AN DIE JOURNALISTEN AUF DEM RÜCKFLUG NACH ROM

Montag, 23. März 2009

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Liebe Freunde,

ich sehe, daß ihr immer noch arbeitet. Meine Arbeit ist fast beendet, eure Arbeit dagegen beginnt von neuem. Danke für euren Einsatz.

Vor allem zwei Eindrücke sind mir im Gedächtnis geblieben: zum einen der Eindruck dieser fast überschäumenden Herzlichkeit, dieser Freude, der Eindruck von einem Afrika in festlicher Stimmung, und mir scheint, daß sie im Papst, so könnte man sagen, die Personifizierung der Tatsache gesehen haben, daß wir alle Kinder Gottes und Familie Gottes sind. Es gibt diese Familie und wir sind - mit all unseren Grenzen - Teil dieser Familie, und Gott ist mit uns. So hat die Gegenwart des Papstes geholfen, dies zu spüren und wirklich in der Freude zu sein.

Zum anderen hat mich die gesammelte Innerlichkeit in den Liturgien, der starke Sinn für das Heilige sehr beeindruckt: In den Liturgien gibt es keine Selbstdarstellung der Gruppen, keine Selbstbegeisterung, sondern es herrscht die Gegenwart des Heiligen, die Gegenwart Gottes. Auch die Tänze waren immer Tänze des Respekts und des Bewußtseins der Gegenwart Gottes. Das hat mich sehr beeindruckt.

Dann muß ich sagen, daß es mich tief getroffen hat, daß am Freitag abend im Chaos vor dem Stadioneingang zwei Mädchen gestorben sind. Ich habe für sie gebetet und bete weiter für sie. Leider konnte eine von ihnen noch nicht identifiziert werden. Kardinal Bertone und Erzbischof Filoni hatten die Möglichkeit, die Mutter des anderen Mädchens zu besuchen, eine Witwe, eine mutige Frau, Mutter von fünf Kindern. Die älteste, die jetzt gestorben ist, war Katechistin. Wir alle hoffen und beten, daß die Dinge in Zukunft so organisiert werden können, daß so etwas nicht mehr passiert.

Zwei weitere Eindrücke haben sich mir besonders eingeprägt: eine besondere Erinnerung - darüber gäbe es viel zu sagen - betrifft das »Cardinal Léger«-Zentrum. Es hat mein Herz tief berührt, dort die verschiedensten Arten von Leiden zu sehen - den ganzen Schmerz, die Traurigkeit, die Armut der menschlichen Existenz -, aber auch zu sehen, wie Kirche und Staat zusammenarbeiten, um den Leidenden zu helfen. Auf der einen Seite führt der Staat auf vorbildliche Weise dieses große Zentrum, auf der anderen Seite arbeiten kirchliche Bewegungen und Gruppen zusammen, um den Menschen dort wirklich zu helfen. Und mir scheint, daß man sieht, daß der Mensch, wenn er den Leidenden hilft, mehr Mensch wird, daß die Welt menschlicher wird. Das ist es, was sich meinem Gedächtnis eingeprägt hat.

Wir haben nicht nur das »Instrumentum laboris« verteilt, sondern wir haben auch für die Synode gearbeitet. Am Abend des Festes des hl. Joseph habe ich mich mit allen Mitgliedern des Sonderrates für die Synode - zwölf Bischöfen - getroffen, und jeder hat über die Situation in seiner Ortskirche gesprochen. Sie haben von ihren Vorschlägen, ihren Erwartungen gesprochen, und so ist eine sehr vielfältige Vorstellung von der Wirklichkeit der Kirche in Afrika entstanden: wie sie sich bewegt, wie sie leidet, was sie tut, was ihre Hoffnungen und Probleme sind. Ich könnte viel erzählen, zum Beispiel von der Kirche in Südafrika, die eine Erfahrung von der Versöhnung gemacht hat, die schwierig war, aber im wesentlichen erfolgreich: Sie hilft jetzt mit ihren Erfahrungen bei den Versöhnungsversuchen in Burundi und versucht ähnliches auch in Simbabwe zu tun, wenn auch unter sehr großen Schwierigkeiten.

Und schließlich möchte ich nochmals all jenen danken, die zum guten Gelingen dieser Reise beigetragen haben: Wir haben gesehen, welche Vorbereitungen ihr vorausgegangen sind und wie alle zusammengearbeitet haben. Ich möchte den staatlichen, den zivilen und den kirchlichen Autoritäten danken sowie jedem einzelnen, der daran beteiligt war. Mir scheint, daß das Wort »Danke« wirklich dieses Abenteuer abschließen muß. »Danke« auch noch einmal an euch Journalisten für die geleistete Arbeit und für das, was ihr weiterhin tut. Euch allen gute Reise. Danke!




AN DIE JUNGEN EHRENAMTLICHEN HELFER IM ZIVIL- UND KATASTROPHENSCHUTZ

Samstag, 28. März 2009

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Liebe junge Menschen!

Ich heiße euch herzlich willkommen und danke euch für euren Besuch. Ich freue mich immer, wenn ich jungen Menschen begegne; in diesem Fall ist meine Freude noch größer, denn ihr seid Zivildienstleistende, und das läßt meine Wertschätzung für euch noch stärker werden und lädt mich ein, euch einige Reflexionen zu unterbreiten, die mit eurer Tätigkeit verbunden sind. Zunächst jedoch möchte ich den Untersekretär im Präsidium des Ministerrates begrüßen, Herrn Senator Carlo Giovanardi, der diese Begegnung im Namen der italienischen Regierung in die Wege geleitet hat. Ich danke ihm für seine freundlichen Worte und begrüße auch die anderen anwesenden Obrigkeiten.

Liebe Freunde, was kann der Papst jungen Menschen sagen, die im nationalen Zivilschutz tätig sind? Zunächst einmal kann er euch beglückwünschen zu der Begeisterung, die euch beseelt, und zu der Großherzigkeit, mit der ihr eure Friedensmission erfüllt. Gestattet mir, euch eine Reflexion zu unterbreiten, die euch sozusagen direkt betrifft, eine Reflexion, die der Konstitution Gaudium et spes - »Freude und Hoffnung« - des Zweiten Vatikanischen Konzils entnommen ist, über die Kirche in der Welt von heute. Im letzten Teil dieses Konzilsdokuments, wo unter anderem das Thema des Friedens zwischen den Völkern behandelt wird, findet sich ein grundlegender Gedanke, bei dem man etwas verweilen sollte. Es heißt dort, daß »der Friede niemals endgültiger Besitz, sondern immer wieder neu zu erfüllende Aufgabe« ist (
GS 78). Wie realistisch ist doch diese Beobachtung! Leider hören Kriege und Gewalt niemals auf, und die Suche nach Frieden ist immer mühsam. In Jahren, die von der Gefahr möglicher weltweiter Konflikte geprägt waren, verurteilte das Zweite Vatikanische Konzil - in eben diesem Text - ausdrücklich den Rüstungswettlauf. Es heißt dort, »daß der Rüstungswettlauf, zu dem nicht wenige Nationen ihre Zuflucht nehmen, kein sicherer Weg ist, den Frieden zu sichern«. Weiter heißt es: »Der Rüstungswettlauf ist eine der schrecklichsten Wunden der Menschheit, er schädigt unerträglich die Armen« (Gaudium et spes GS 81). Dieser besorgten Feststellung schlossen die Konzilsväter einen Wunsch an. Sie sagten: »Neue Wege, von einer inneren Wandlung aus beginnend, müssen gewählt werden, um dieses Ärgernis zu beseitigen, die Welt von der drückenden Angst zu befreien und ihr den wahren Frieden zu schenken« (ebd.).

Es bedarf also »neuer Wege«, »von einer inneren Wandlung aus beginnend«, von der Erneuerung des Herzens und des Bewußtseins. Genau wie damals ist auch heute die echte Bekehrung des Herzens der richtige Weg, der einzige, der jeden von uns und die gesamte Menschheit zum erhofften Frieden führen kann. Es ist der Weg, den Jesus aufgezeigt hat: Er - der Erlöser des Universums - ist nicht gekommen, um durch eine Armee den Frieden in die Welt zu bringen, sondern durch Gewaltlosigkeit. Das sagte er ausdrücklich zu Petrus im Garten Getsemani: »Steck dein Schwert in die Scheide; denn alle, die zum Schwert greifen, werden durch das Schwert umkommen« (Mt 26,52), und dann zu Pontius Pilatus: »Mein Königtum ist nicht von dieser Welt. Wenn es von dieser Welt wäre, würden meine Leute kämpfen, damit ich den Juden nicht ausgeliefert würde. Aber mein Königtum ist nicht von hier« (Jn 18,36).

Diesen Weg gingen und gehen nicht nur die Jünger Christi, sondern viele Männer und Frauen guten Willens, mutige Zeugen der Kraft der Gewaltlosigkeit. In der Konstitution Gaudium et spes sagt das Konzil auch: Wir können »denen unsere Anerkennung nicht versagen, die bei der Wahrung ihrer Rechte darauf verzichten, Gewalt anzuwenden, sich vielmehr auf Verteidigungsmittel beschränken, so wie sie auch den Schwächeren zur Verfügung stehen, vorausgesetzt, daß dies ohne Verletzung der Rechte und Pflichten anderer oder der Gemeinschaft möglich ist« (GS 78). Dieser Kategorie von Friedensstiftern gehört auch ihr an, liebe junge Freunde. Seid also immer und überall Werkzeuge des Friedens, lehnt Egoismus und Unrecht, Gleichgültigkeit und Haß entschieden ab, um mit Geduld und Beharrlichkeit in jeder Gemeinschaft Gleichheit, Freiheit, Versöhnung, Annahme und Vergebung herzustellen und zu verbreiten.

An dieser Stelle, liebe junge Menschen, möchte ich die Einladung an euch richten, mit der ich die diesjährige Botschaft zur Feier des Weltfriedenstages vom 1. Januar abgeschlossen habe: Ich ermahne euch, »gegenüber den Bedürfnissen der Armen das Herz zu öffnen und alles konkret Mögliche zu unternehmen, um ihnen zu Hilfe zu kommen. Unumstößlich wahr bleibt nämlich das Axiom: ›Die Armut bekämpfen heißt den Frieden schaffen‹«. Viele von euch - ich denke zum Beispiel an jene, die bei der »Caritas« und in anderen sozialen Einrichtungen tätig sind - leisten täglich notleidenden Menschen Hilfe. Aber in jedem Fall, in den verschiedenen Bereichen, in denen ihr euch einsetzt, kann jeder durch diese Erfahrung freiwilliger Tätigkeit das eigene soziale Empfinden stärken, die Probleme der Menschen aus nächster Nähe kennenlernen und eine konkrete Solidarität aktiv fördern. Das ist mit Sicherheit das wichtigste Ziel des nationalen Zivilschutzes, ein pädagogisches Ziel: in den jungen Generationen ein Bewußtsein verantwortlicher Fürsorge für die notleidenden Menschen und das Gemeinwohl heranzubilden.

Liebe junge Männer und Frauen, Jesus sagte einmal zu den Menschen, die ihm folgten: »Wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen und um des Evangeliums willen verliert, wird es retten« (Mc 8,35). In diesen Worten liegt eine nicht nur christliche, sondern allgemein menschliche Wahrheit: Das Leben ist ein Geheimnis der Liebe, das uns desto mehr gehört je mehr wir es hinschenken - je mehr wir uns hinschenken, also uns selbst, unsere Zeit, unsere Fähigkeiten und Eigenschaften zum Geschenk machen, zum Wohl der anderen. So heißt es in einem berühmten Gebet, das dem hl. Franz von Assisi zugeschrieben wird. Es beginnt mit den Worten: »Herr, mach mich zu einem Werkzeug deines Friedens«, und es endet folgendermaßen: »Denn wer sich hingibt, der empfängt; wer verzeiht, dem wird verziehen; und wer stirbt, der erwacht zum ewigen Leben«. Liebe Freunde, dies möge stets die Logik eures Lebens sein; nicht nur heute, wo ihr jung seid, sondern auch morgen, wenn ihr - das wünsche ich euch - eine bedeutende Rolle in der Gesellschaft bekleidet und eine Familie habt. Seid Menschen, die bereit sind, sich für andere hinzugeben, und die auch bereit sind, für das Gute und die Gerechtigkeit zu leiden. Dafür versichere ich euch meines Gebets und vertraue euch dem Schutz der allerseligsten Jungfrau Maria an. Ich wünsche euch einen guten Dienst und segne euch alle von Herzen, ebenso wie eure Angehörigen und die Menschen, denen ihr täglich begegnet.

PASTORALBESUCH IN DER RÖMISCHEN PFARRGEMEINDE

"SANTO VOLTO DI GESÙ" IM STADTTEIL "MAGLIANA"

GRUSSWORTE VON BENEDIKT XVI.

V. Sonntag der Fastenzeit, 29. März 2009


AN DIE GLÄUBIGEN VOR DER HEILIGEN MESSE

Liebe Brüder und Schwestern, danke daß ihr an diesem schönen Sonntag mit mir zusammen seid. Es regnet zwar leider, aber die Sonne kommt auch schon ein bißchen heraus. Vielleicht ist das ein Zeichen für diese vorösterliche Zeit, in der wir die Leiden unseres Herrn und alle Probleme der Welt von heute spüren, jeder auf seine Weise. Aber wir wissen, daß die Sonne, auch wenn sie oft verborgen ist, existiert; wir wissen, daß Gott nahe ist, uns hilft und uns begleitet. In diesem Sinn wollen wir jetzt dem Osterfest entgegengehen: im Bewußtsein, daß Leiden und Schwierigkeiten zu unserem Leben gehören, aber auch in dem Wissen, daß dahinter Sonne der göttlichen Güte steht. In diesem Sinne grüße ich euch alle herzlich: danke für eure Anwesenheit. Und einen gesegneten Sonntag dieser schönen Pfarrei. Alles Gute!

AN DIE ERSTKOMMUNIONKINDER

Liebe Kinder, zuerst wünsche ich euch einen schönen Sonntag. Ich bin glücklich, heute bei euch zu sein, auch wenn das Wetter schlecht ist und wir wegen der Umstellung auf die Sommerzeit eine Stunde früher aufgestanden sind. Aber trotz allem sind wir hier versammelt. Ich weiß, daß ihr euch auf die Erstkommunion vorbereitet, auf die Begegnung mit Jesus. Im heutigen Evangelium haben wir gehört, daß Menschen aus Griechenland gesagt haben: Wir wollen Jesus sehen. Wir alle wollen Jesus, der unter uns gegenwärtig ist, sehen und ihn kennenlernen. Jetzt geht ihr den Weg der Vorbereitung, und dann wird Jesus euch im Augenblick der Erstkommunion ganz nahe sein, und ihr werdet spüren können, daß er bei euch ist. An Ostern werden wir durch die Schönheit des Festes besser begreifen können, was für ein Fest die Gegenwart des auferstandenen Jesus für unser Herz ist. Jetzt wünsche ich euch einen schönen Sonntag, eine gute Vorbereitung auf Ostern und auf die heilige Kommunion und viel Freude in den Ferien und dann natürlich ein frohes Fest der Erstkommunion: Der Mittelpunkt ist nicht das Festessen, sondern Jesus selbst wird der Mittelpunkt sein. Dann kann auch das Festessen gut schmecken. Alles Gute euch allen. Betet für mich, ich bete für euch.


AN DEN PFARRGEMEINDERAT

Liebe Freunde, in diesem Augenblick kann ich nur Danke sagen für all das, was ihr für den Aufbau der lebendigen Kirche in diesem Stadtviertel Roms tut. Die Existenz der Gemeinderäte scheint mir eines der Geschenke des Zweiten Vatikanischen Konzils zu sein: Hier stellen sich Laien als Vertreter der gesamten Gemeinde gemeinsam mit dem Pfarrer und anderen Priestern den Problemen der lebendigen Kirche eines Stadtviertels, sie unterstützen den Aufbau der Kirche, sie helfen, das Wort Gottes zu vergegenwärtigen und die Gläubigen für die Gegenwart Jesu Christi in den Sakramenten sensibel zu machen. In dieser Zeit, in der der Säkularismus stark ist und alle Eindrücke, die aus unserem Umfeld auf uns einströmen, sich eher ein wenig in Gegensatz zur Gegenwart Gottes stellen, gegen die Fähigkeit, diese Gegenwart wahrzunehmen, ist es um so wichtiger, daß der Priester nicht alleingelassen wird, sondern von Gläubigen umgeben ist, die mit ihm zusammen den Samen des Wortes Gottes zu den Menschen bringen und helfen, daß der Same auch in unserer Zeit lebendig ist und wachsen kann. Daher danke ich euch für diese eure Initiativen. Es ist wichtig die Leidenden zu trösten, ihnen zu helfen und beizustehen, sie die Nähe der Gläubigen spüren zu lassen, die sich allen, die ein Leid zu tragen haben, besonders nahe fühlen.

Das habe ich in Afrika gesehen: In Yaoundé in Kamerun gibt es ein großes Zentrum, das Kardinal Léger geschaffen hat, ein Kanadier, ein bedeutender Vater des Konzils, auf dem ich ihn kennengelernt habe. Nach dem Konzil 1968 spürte er, daß es für ihn notwendig war, nicht nur zu predigen und die Gläubigen zu leiten, sondern auch ein einfacher Priester zu sein, um den Leidenden beizustehen. Er ist nach Kamerun gegangen und hat dieses Zentrum geschaffen, das heute dem Staat gehört, wo aber vor allem Ordensleute und Priester arbeiten. Man sieht dort die ganze Skala des Leidens: Aids, Lepra, alles. Aber man sieht auch die Kraft des Glaubens, man sieht auch Menschen, die von der Kraft des Glaubens und der aus dem Glauben geborenen Liebe beseelt sind und sich ganz zur Verfügung stellen. So wird das Leiden verwandelt und auch die Menschen, die helfen, werden verwandelt, werden menschlicher, christlicher: Man spürt etwas von der Liebe Gottes. Deshalb wollen auch wir in unserem Umfeld immer sensibel sein für das Leid, die Leidenden, die Armen, die Bedürftigen in den verschiedenen Formen der Armut, auch der geistlichen Armut. Sie warten auf uns, in ihnen wartet der Herr auf uns. Vielen Dank für alles, was ihr tut.

Der Tradition gemäß ist der Rat eine Gabe des Heiligen Geistes, und ein Pfarrer - und noch mehr ein Papst - braucht für die Entscheidungsfindung einen Rat, eine Hilfe. Deshalb verwirklichen die Gemeinderäte auch ein Werk des Heiligen Geistes und bezeugen seine Gegenwart in der Kirche.

Danke für alles, was ihr tut; der Herr stehe euch immer bei und schenke euch Osterfreude für das ganze Jahr. Danke.

ZUM ABSCHIED

Liebe Freunde, ich möchte euch danken für eure Begeisterung. Sie erinnert mich an Afrika, wo ich auch viele Menschen gesehen habe, die es mit Freude erfüllt, katholisch zu sein, zur großen Familie Gottes zu gehören. Danke dafür, daß ich diese Freude auch bei euch sehe. Ich wünsche euch einen schönen Sonntag und gesegnete Ostern und inmitten aller Schwierigkeiten des Lebens die Freude des Herrn: sein Licht möge immer gegenwärtig sein. Danke und alles Gute euch allen.

                                                                         April 2009


AN DIE BISCHÖFE VON ARGENTINIEN ANLÄSSLICH DES "AD-LIMINA"-BESUCHES

Donnerstag, 2. April 2009

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Liebe Mitbrüder im Bischofsamt!

1. Es ist für mich eine große Freude, euch, die Bischöfe des Gottesvolkes in Argentinien, die ihr zum »Ad-limina«-Besuch nach Rom gekommen seid, heute vormittag empfangen zu können. Meine Gedanken gelten auch allen Diözesen, die ihr vertretet, und euren Priestern, Ordensmännern, Ordensfrauen und Gläubigen, die selbstlos und voll Enthusiasmus für den Aufbau des Reiches Gottes in dieser geliebten Nation arbeiten.

An erster Stelle möchte ich für die liebenswürdigen Worte danken, die Erzbischof Alfonso Delgado Evers von San Juan de Cuyo im Namen aller an mich gerichtet hat; er wollte damit eure Gefühle der Gemeinschaft mit dem Nachfolger Petri erneuern und so das innere Band stärken, das uns im Glauben, in der brüderlichen Liebe und im Gebet vereint.

2. Wie in vielen anderen Teilen der Welt spürt ihr auch in Argentinien die Dringlichkeit, eine ausgedehnte und wirksame Evangelisierungstätigkeit durchzuführen, die dadurch, daß sie den christlichen Werten, die die Geschichte und Kultur eures Landes geformt haben, Rechnung trägt, zu einer geistigen und moralischen Erneuerung eurer Gemeinden und der ganzen Gesellschaft führt. Dazu veranlaßt euch zudem der starke missionarische Impuls, den die in Aparecida abgehaltene V. Generalversammlung der Bischöfe Lateinamerikas und der Karibik in der ganzen Kirche Lateinamerikas wecken wollte (vgl. Schlußdokument, Nr. 213).

3. Mein verehrter Vorgänger Papst Paul VI. führte im Apostolischen Schreiben Evangelii nuntiandi aus: »Evangelisieren besagt zuallererst, auf einfache und direkte Weise Zeugnis zu geben von Gott, der sich durch Jesus Christus geoffenbart hat im Heiligen Geist, Zeugnis davon zu geben, daß er in seinem Sohn die Welt geliebt hat« (
EN 26). Evangelisierung besteht also nicht nur darin, eine Lehre zu vermitteln oder zu lehren, sondern Christus zu verkünden, das Geheimnis seiner Person und seiner Liebe, denn wir sind in der Tat davon überzeugt, daß es »nichts Schöneres gibt, als vom Evangelium, von Christus gefunden zu werden. Es gibt nichts Schöneres, als ihn zu kennen und anderen die Freundschaft mit ihm zu schenken« (Predigt von Benedikt XVI. bei der heiligen Messe zu seiner Amtseinführung, 24. April 2005).

Diese klare und deutliche Verkündigung von Christus als Heiland der Menschen fügt sich ein in die leidenschaftliche Suche nach der Wahrheit, der Schönheit und dem Guten, die zum Wesen des Menschen gehört. Während wir außerdem berücksichtigen, daß »die Wahrheit nicht anders Anspruch erhebt als kraft der Wahrheit selbst« (II. Vat. Konzil, Dignitatis humanae DH 1) und daß die von anderen erworbenen oder von der eigenen Kultur vermittelten Erkenntnisse den Menschen mit Wahrheiten bereichern, zu denen er von sich allein nicht gelangen könnte, halten wir fest, daß »die Verkündigung und das Zeugnis des Evangeliums sogar der allererste Dienst sind, den die Christen jedem einzelnen Menschen und dem ganzen Menschengeschlecht leisten können« (Ansprache an den Kongreß der Kongregation für die Evangelisierung der Völker, 11. März 2006).

4. Jedes Engagement für die Verkündigung entspringt einer dreifachen Liebe: der Liebe zum Wort Gottes, zur Kirche und zur Welt. Da sich Christus durch die Heilige Schrift in seiner Person, in seinem Leben und in seiner Lehre kennenlernen läßt, »besteht die Hauptaufgabe der Kirche am Beginn des neuen Jahrtausends vor allem darin, sich vom Wort Gottes zu ernähren, um den Einsatz in der Neuevangelisierung, der Verkündigung in unserer Zeit wirksam werden zu lassen« (Predigt bei der Eucharistiefeier zum Abschluß der XII. Generalversammlung der Bischofssynode, 26. Oktober 2008). Da das Wort Gottes immer reiche Frucht bringt (vgl. Jes 55,10-11; Mt 13,23) und nur das Wort Gottes das Herz des Menschen in der Tiefe verwandeln kann, ermutige ich euch, liebe Brüder, allen Gläubigen den Zugang zur Heiligen Schrift zu erleichtern (vgl. Dei Verbum DV 22 u. 25), damit sie das Wort Gottes in den Mittelpunkt ihres Lebens stellen, Christus als Erlöser annehmen und sein Licht jeden Bereich des menschlichen Lebens erleuchte (vgl. Predigt bei der Eucharistiefeier zur Eröffnung der XII. Generalversammlung der Bischofssynode, 5. Oktober 2008).

Da das Wort Gottes nicht getrennt von der Kirche oder an ihrem Rand erfaßt werden kann, ist es notwendig, den Geist der Gemeinschaft und der Treue gegenüber dem Lehramt vor allem bei denen zu fördern, deren Sendungsauftrag es ist, die Botschaft des Evangeliums unverkürzt weiterzugeben. Derjenige, der das Evangelium verkündet, muß daher ein treuer Sohn der Kirche und darüber hinaus voller Liebe gegenüber den Menschen sein, um ihnen die große Hoffnung anzubieten, die uns erfüllt (vgl. 1P 3,15).

73 5. Man muß immer sehr klar vor Augen haben, daß die erste Form der Evangelisierung das Zeugnis des eigenen Lebens ist (vgl. Lumen gentium LG 35). Die Heiligkeit des Lebens ist ein kostbares Geschenk, das ihr euren Gemeinden auf ihrem Weg zu einer wahren Erneuerung der Kirche anbieten könnt. Die Heiligkeit ist heute mehr denn je eine Anforderung von immerwährender Aktualität, zumal der Mensch unserer Zeit das dringende Bedürfnis nach dem klaren und anziehenden Zeugnis eines kohärenten und beispielhaften Lebens spürt.

In dieser Hinsicht lege ich euch inständig ans Herz, den Priestern, euren engsten Mitarbeitern, besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Die Herausforderungen unserer Zeit verlangen mehr denn je tugendhafte, von Gebetsgeist und Opfergesinnung erfüllte Priester mit einer soliden Ausbildung, die sich vor allem durch ihre tätige Nächstenliebe dem Dienst an Christus und der Kirche hingeben. Der Priester hat die große Verantwortung, vor den Gläubigen in seinem Verhalten als unbescholten zu erscheinen, indem er Christus aus nächster Nähe folgt, und dies mit der Unterstützung und Ermutigung seitens der Gläubigen, vor allem durch ihr Gebet, ihr Verständnis und ihre geistliche Zuneigung.

6. Die Verkündigung des Evangeliums ist Aufgabe aller in der Kirche; auch der gläubigen Laien, die durch Taufe und Firmung für diesen Sendungsauftrag bestimmt sind (vgl. Lumen gentium LG 33). Ich ermutige euch, geliebte Brüder im bischöflichen Dienst, dafür zu sorgen, daß sich die Laien immer mehr ihrer Berufung als lebendige Glieder der Kirche und glaubwürdige Jünger und Missionare Christi in allen Dingen bewußt werden (vgl. Gaudium et spes GS 43). Wie viele Wohltaten kann man sich auch für die Zivilgesellschaft vom Wiedererstehen eines reifen Laienstandes erwarten, der in seinen alltäglichen Tätigkeiten die Heiligkeit sucht, in voller Gemeinschaft mit seinen Hirten, und gefestigt ist in seiner apostolischen Berufung, Sauerteig des Evangeliums in der Welt zu sein.

7. Mit besonderer Verehrung vertraue ich der Jungfrau Maria, Unserer Lieben Frau von Luján, alle eure Hirtenaufgaben, eure Sorgen und die Menschen an. Euch, euren Priestern, Ordensleuten, Seminaristen und Gläubigen erteile ich mit Liebe im Herrn einen besonderen Apostolischen Segen.




ANSPRACHE 2009 67