ANSPRACHE 2009 158

BOTSCHAFT AN DIE JUGENDLICHEN

Stará Boleslav - Montag, 28. September 2009

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Liebe Jugendliche!

Am Ende dieser Feier wende ich mich unmittelbar an euch und grüße euch vor allem ganz herzlich. In großer Zahl seid ihr aus dem ganzen Land und auch aus den Nachbarländern hierher gekommen; gestern abend habt ihr hier euer Lager aufgeschlagen und die Nacht in den Zelten verbracht. So habt ihr gemeinsam eine Erfahrung des Glaubens und der Brüderlichkeit gemacht. Danke für euer Kommen, das mich die Begeisterung und die Großzügigkeit spüren läßt, welche die Jugendlichen auszeichnen. Mit euch fühlt sich auch der Papst jung! Besonders danke ich eurem Vertreter für seine Worte und für das wunderschöne Geschenk.

Liebe Freunde, es ist nicht schwer zu erkennen, daß es in jedem Jugendlichen ein Streben nach Glück gibt, das manchmal mit einer gewissen inneren Unruhe verbunden ist. Dieses Streben wird jedoch von der heutigen Konsumgesellschaft oft auf falsche und entfremdende Weise ausgenutzt. Die Sehnsucht nach Glück, die eine wahre und umfassende Antwort erfordert, muß hingegen ernst genommen werden. In eurem Alter trifft man nämlich die ersten großen Entscheidungen, die ein Leben zum Guten oder zum Bösen hin ausrichten können. Leider lassen sich nicht wenige von euren Altersgenossen durch illusorische Trugbilder von künstlichen Paradiesen verlocken und finden sich dann in trauriger Einsamkeit wieder. Es gibt aber auch viele Jugendliche, die - wie es euer Sprecher gesagt hat - die Lehre in die Tat umsetzen wollen, um ihrem Leben einen vollen Sinn zu geben. Ich lade euch alle ein, einen Blick auf die Erfahrung des heiligen Augustinus zu werfen, der gesagt hat, daß das Herz eines jeden Menschen unruhig ist, bis er das gefunden hat, was er wirklich sucht. Und er hat entdeckt, daß allein Jesus Christus die Antwort ist, die seine Sehnsucht und die Sehnsucht eines jeden Menschen stillt, die Sehnsucht nach einem glücklichen, von Sinn und Wert erfüllten Leben (vgl. Bekenntnisse I,1,1).

So wie bei Augustinus kommt der Herr zu einem jeden von euch. Er klopft an die Tür eurer Freiheit und bittet darum, als Freund aufgenommen zu werden. Er möchte euch glücklich machen, euch mit Menschlichkeit und Würde erfüllen. Das ist der christliche Glaube: die Begegnung mit Christus, einer lebendigen Person, die dem Leben einen neuen Horizont und damit die entscheidende Ausrichtung gibt. Und wenn sich das Herz eines Jugendlichen für seine göttlichen Pläne öffnet, dann fällt es ihm nicht allzu schwer, seiner Stimme zu folgen. Der Herr ruft nämlich jeden bei seinem Namen und jedem möchte er eine besondere Sendung in der Kirche und in der Gesellschaft anvertrauen. Liebe Jugendliche, werdet euch bewußt, daß die Taufe euch zu Kindern Gottes und zu Gliedern seines Leibes, der Kirche, gemacht hat. Jesus erneuert beständig die Einladung an euch, seine Jünger und seine Zeugen zu sein. Viele von euch beruft er zur Ehe, und die Vorbereitung auf dieses Sakrament stellt wahrlich einen Berufungsweg dar. Denkt also ernsthaft über den göttlichen Ruf nach, eine christliche Familie zu gründen, und eure Jugend sei die Zeit, in der ihr verantwortungsbewußt die Grundlagen für eure Zukunft legt. Die Gesellschaft braucht christliche Familien, heilige Familien!

Und wenn euch der Herr beruft, ihm im Priesterdienst oder im geweihten Leben nachzufolgen, dann zögert nicht, auf seine Einladung zu antworten. Besonders in diesem Jahr der Priester rufe ich euch auf, liebe Jugendliche: Seid aufmerksam und bereit für den Ruf Jesu, euer Leben im Dienst an Gott und an seinem Volk zu verschenken. Die Kirche braucht auch in diesem Land zahlreiche und heilige Priester und Menschen, die sich ganz dem Dienst Christi weihen, der die Hoffnung der Welt ist.

160 Die Hoffnung! Dieses Wort, auf das ich immer wieder zurückkomme, paßt wirklich zur Jugend. Ihr, liebe Jugendliche, seid die Hoffnung der Kirche! Sie erwartet von euch, daß ihr zu Boten der Hoffnung werdet, so wie es im vergangenen Jahr beim Weltjugendtag in Australien der Fall war, diesem großartigen Zeugnis jugendlichen Glaubens, das ich persönlich erleben durfte und an dem auch einige von euch teilgenommen haben. Viel mehr von euch werden im August 2011 nach Madrid kommen können. Ich lade euch schon jetzt zu dieser großen Zusammenkunft der Jugendlichen mit Christus in der Kirche ein.

Liebe Freunde, noch einmal vielen Dank für euer Kommen und danke für euer Geschenk: das Buch mit den Photographien, die vom Leben der Jugendlichen in euren Diözesen berichten. Danke auch für das Zeichen eurer Solidarität mit den Jugendlichen in Afrika, das ihr mir überreicht habt. Der Papst bittet euch, euren Glauben mit Freude und Begeisterung zu leben; in der Einheit untereinander und mit Christus zu wachsen; zu beten und häufig die Sakramente zu empfangen, besonders die Eucharistie und die Beichte; euch um eure christliche Bildung zu bemühen und stets auf die Unterweisungen eurer Hirten zu hören. Auf diesem Weg geleite euch das Vorbild und die Fürsprache des heiligen Wenzel, und es beschütze euch immer die selige Jungfrau Maria, die Mutter Jesu und unsere Mutter. Von Herzen segne ich euch alle!
* * *


[auf slowakisch:]
Ein herzliches Willkommen sage ich den Pilgern aus der Slowakei, besonders den Jugendlichen. Liebe junge Freunde, liebe Brüder und Schwestern, ich danke euch für eure Teilnahme an der heutigen Feier. Vergeßt nicht: Die Liebe Gottes sei eure Stärke! Gerne segne ich euch und eure Familien. Gelobt sei Jesus Christus!

[auf polnisch:]
Ein Wort des Grußes richte ich an alle hier anwesenden Polen und insbesondere an die Jugendlichen, die ihre tschechischen Brüder und Schwestern im Geist tiefer Freundschaft begleiten. Stützt euch gegenseitig mit einem freudigen Glaubenszeugnis und wachst in der Liebe Christi und in der Kraft des Heiligen Geistes, um zur Fülle eures Menschseins und der Heiligkeit zu gelangen. Gott segne euch!

[auf deutsch:]
Ganz herzlich grüße ich die Jugendlichen und alle Pilger aus den deutschsprachigen Nachbarländern. Danke für euer Kommen! Eure Teilnahme an diesem Fest des Glaubens und der Hoffnung ist ein Zeichen dafür, daß ihr in Jesus Christus und in der Gemeinschaft der Kirche die Antworten auf eure Fragen und inneren Wünsche sucht. Christus selbst ist der Weg, die Wahrheit und das Leben (vgl.
Jn 14,6). Er ist der Grund, der wirklich unser Leben trägt. Auf diesem Fundament können christliche Familien entstehen und junge Menschen auf ihre Berufung zum Priester und zum geweihten Leben antworten. Die persönliche Freundschaft mit Christus erfüllt uns mit echter, bleibender Freude und macht uns bereit, Gottes Plan für unser Leben zu verwirklichen. Dazu erbitte ich euch allen den Beistand des Heiligen Geistes.

[auf tschechisch:]
Liebe junge Freunde, eure Begeisterung für den christlichen Glauben ist ein Zeichen der Hoffnung für die Kirche, die in diesen Ländern wirkt. Um eurer Jugend einen volleren Sinn zu geben, folgt mutig und hochherzig dem Herrn Jesus, der an die Tür eures Herzens klopft. Christus bittet euch, ihn als Freund aufzunehmen. Der Herr segne euch und vollende alle eure guten Lebenspläne!




ABSCHIEDSZEREMONIE

Internationaler Flughafen "Stará Ruzyne" - Prag - Montag, 28. September 2009

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Herr Präsident!
Meine Herren Kardinäle und Mitbrüder im Bischofsamt!
Exzellenzen,
sehr geehrte Damen und Herren!

Bevor ich Abschied nehme, möchte ich Ihnen für Ihre zuvorkommende Gastfreundschaft während meines kurzen Aufenthaltes in diesem schönen Land danken. Dank gebührt vor allem Ihnen, Herr Präsident, für Ihre Worte und für den Empfang in Ihrer Residenz. Gestatten Sie mir, Ihnen heute am Festtag des heiligen Wenzel, dem Schutzherrn und Patron Ihres Landes, erneut meine aufrichtigen guten Wünsche zu Ihrem Namenstag auszusprechen. Ich grüße auch Herrn Weihbischof Václav Malý, der ebenfalls heute seinen Namenstag feiert, und danke ihm für seine unermüdliche Arbeit als Koordinator der Organisation meiner Pastoralreise in die Tschechische Republik.

Ich bin auch Herrn Kardinal Vlk, Erzbischof Graubner und all jenen, die einen ruhigen Ablauf der verschiedenen Veranstaltungen und Feiern gewährleistet haben, zu großem Dank verpflichtet. In meinen Dank schließe ich natürlich auch die Autoritäten des öffentlichen Lebens ein sowie die Medienvertreter, die vielen freiwilligen Helfer bei den Großveranstaltungen und alle Gläubigen, die durch ihr Gebet dazu beigetragen haben, daß dieser Besuch für das Wohl der Tschechischen Republik und für die Kirche in diesem Land fruchtbar werde.

Die Zeiten des Gebets, die ich mit den Bischöfen, Priestern und Gläubigen dieses Landes verbringen durfte, werden mir in guter Erinnerung bleiben. Tief bewegt haben mich die Feier der heilige Messe heute vormittag in Stará Bolesav, dem Ort des Martyriums des jungen Herzogs Wenzel, sowie der Besuch an seinem Grab am Samstagabend in der majestätischen Kathedrale, die das Stadtbild von Prag beherrscht. Gestern konnte ich in Mähren, wo die Heiligen Cyrill und Methodius ihre apostolische Mission begannen, in dankerfülltem Gebet der Anfänge des Christentums in dieser Region und im gesamten slawischen Gebiet gedenken. Die Kirche in diesem Land ist fürwahr mit einer beachtlichen Schar von Missionaren und Märtyrern sowie kontemplativen Heiligen gesegnet, von denen ich gerne die heilige Agnes von Böhmen herausgreifen möchte, deren Heiligsprechung vor genau zwanzig Jahren nach göttlicher Fügung die Befreiung dieses Landes von der atheistischen Unterdrückung vorankündigte.

Meine gestrige Zusammenkunft mit anderen christlichen Gemeinschaften bestätigte mir die Bedeutung des ökumenischen Dialogs in diesem Land, das so sehr unter den Folgen der religiösen Spaltung zur Zeit des dreißigjährigen Kriegs gelitten hat. Seitdem wurde schon viel für die Heilung der Wunden der Vergangenheit erreicht, und es wurden entscheidende Schritte zur Versöhnung und zur wahren Einheit in Christus unternommen. Um auf diesen festen Fundamenten weiter aufzubauen, kommt der akademischen Gemeinschaft und ihrer beharrlichen Suche nach Wahrheit eine wichtige Rolle zu. Es war mir eine Freude, gestern einige Zeit mit den Vertretern der Universitäten dieses Landes verbringen zu können, und ich möchte meine Wertschätzung für die ehrenwerte Berufung bekunden, der sie ihr Leben widmen.

Ganz besonders habe ich mich gefreut, den Jugendlichen zu begegnen und sie zu ermutigen, ihre Zukunft auf den besten Traditionen der Vergangenheit dieser Nation, insbesondere auf ihr christliches Erbe zu bauen. In einem Franz Kafka zugeschriebenen Satz heißt es: „Wer die Fähigkeit bewahrt, das Schöne zu sehen, wird niemals alt“ (Gustav Janouch, Gespräche mit Kafka). Wenn unsere Augen für die Schönheit der Schöpfung Gottes und unser Sinn für die Schönheit seiner Wahrheit offen bleiben, dann können wir gewiß hoffen, jung zu bleiben und eine Welt zu bauen, die etwas von dieser göttlichen Schönheit widerspiegelt, damit wir auch zukünftige Generationen anregen, das gleiche zu tun.

Herr Präsident, liebe Freunde: Nochmals danke ich Ihnen und verspreche Ihnen, Sie alle in mein Gebet einzuschließen und Sie in meinem Herzen zu tragen. Gott segne die Tschechische Republik! Das Prager Jesulein erleuchte und führe Sie und alle Familien dieses Landes! Gott segne Sie alle!


Oktober 2009


AN FRAU BARONIN HENRIETTE JOHANNA CORNELIA MARIA VAN LYNDEN-LEIJTEN, NEUE BOTSCHAFTERIN DES KÖNIGREICHS DER NIEDERLANDE

Apostolischer Palast, Castelgandolfo - Freitag, 2. Oktober 2009

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Exzellenz!

Ich freue mich, Sie im Vatikan begrüßen zu dürfen und von Ihnen das Beglaubigungsschreiben in Empfang zu nehmen, mit dem Sie als außerordentliche und bevollmächtigte Botschafterin des Königreichs der Niederlande beim Heiligen Stuhl akkreditiert werden. Ich danke Ihnen für die guten Wünsche, die Sie mir im Namen von Königin Beatrix überbringen. Bitte übermitteln Sie Ihrer Majestät auch meinen herzlichen Gruß und versichern Sie sie meiner ständigen Gebete für alle Menschen Ihrer Nation.

In unserer immer enger miteinander verbundenen Welt bieten sich durch die diplomatischen Beziehungen, die der Heilige Stuhl zu den einzelnen Staaten unterhält, viele Gelegenheiten zur Zusammenarbeit in wichtigen globalen Fragen. Vor diesem Hintergrund weiß der Heilige Stuhl seine Verbindungen zu den Niederlanden zu schätzen und hegt die Hoffnung, diese in den kommenden Jahren noch verstärken zu können. Als Gründungsmitglied der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und Sitz verschiedener internationaler Justizinstitutionen setzt sich Ihr Land schon seit langem und in vorderster Linie für eine Stärkung der internationalen Zusammenarbeit zum Wohl der Menschheitsfamilie ein. Die Mission, die nun vor Ihnen liegt, bietet daher viele Gelegenheiten für ein gemeinsames Handeln im Namen der Förderung von Frieden und Wohlstand. Ein Handeln, das vom gemeinsamen Wunsch des Heiligen Stuhls und der Niederlande beseelt ist, der menschlichen Person zu helfen.

Der Schutz und die Förderung der Freiheit sind ein zentrales Element dieser Art von humanitärem Engagement, auf das der Heilige Stuhl und das Königreich der Niederlande oft ihr Augenmerk richten. Man darf aber nicht vergessen, daß die Freiheit in der Wahrheit - der Wahrheit über die Natur der menschlichen Person - verankert und auf das Wohl des einzelnen und der Gesellschaft ausgerichtet sein muß. Die Finanzkrise der vergangenen zwölf Monate hat der ganzen Welt gezeigt, wozu ein übertriebener Individualismus führt, der allein den persönlichen Vorteil im Auge hat und dafür bereitwillig andere Güter opfert. Es wurde viel über die Notwendigkeit eines gesunden ethischen Umgangs mit den wirtschaftlichen und politischen Integrationsprozessen nachgedacht. Immer mehr Menschen haben inzwischen erkannt, daß die Globalisierung die ganzheitliche menschliche Entwicklung des einzelnen, der Gemeinschaften und der Völker zum Ziel haben muß und nicht von mechanischen oder deterministischen Kräften geprägt sein darf, sondern von menschlichen Werten, die offen sind für die Transzendenz (vgl. Caritas in veritate ). Unsere Welt muß »den wahren Sinn der Freiheit wiedergewinnen, die nicht in der Trunkenheit einer totalen Autonomie besteht, sondern in der Antwort auf den Aufruf des Seins« (ebd., 70). Daher ergibt sich die Überzeugung, die der Heilige Stuhl hinsichtlich der unersetzlichen Rolle vertritt, die die Glaubensgemeinschaften im öffentlichen Leben und in der öffentlichen Debatte spielen.

Es stimmt zwar, daß sich ein Teil der niederländischen Bevölkerung als Agnostiker oder Atheisten definiert, mehr als die Hälfte aber bekennt sich zum christlichen Glauben. Die wachsende Zahl der Einwanderer, die anderen religiösen Traditionen folgen, macht es mehr denn je notwendig, daß die zivilen Autoritäten den Platz anerkennen, den die Religion in der holländischen Gesellschaft einnimmt. Ein Beweis dafür, daß Ihre Regierung das tut, ist die Tatsache, daß konfessionelle Schulen in Ihrem Land staatlich gefördert werden. Und das zu Recht: immerhin sind diese Institutionen gerufen, einen bedeutenden Beitrag zum gegenseitigen Verständnis und sozialen Zusammenhalt zu leisten, was durch das Vermitteln von Werten geschehen kann, die in einer transzendenten Sicht der Menschenwürde wurzeln.

Noch grundlegender als die Schule ist in diesem Zusammenhang jedoch die Familie, die auf einer stabilen und fruchtbaren Ehe zwischen Mann und Frau aufgebaut ist. Nichts hat mehr erzieherischen Wert als in einem harmonischen familiären Umfeld aufzuwachsen, wo man lernt, die Personenwürde der anderen zu respektieren und zu fördern, woraus dann »herzliche Zuneigung und Begegnung im Gespräch, selbstlose Einsatzbereitschaft und hochherziger Wille zum Dienen sowie tiefempfundene Solidarität« erwachsen können (Familiaris consortio
FC 43 vgl. Kompendium der Soziallehre der Kirche, 221) - kurz gesagt: indem man lernt, zu lieben. Wenn eine Gesellschaft dagegen im Namen einer vermeintlichen Vielfalt Alternativmodelle des Familienlebens vorschlägt, kann das gesellschaftliche Folgen haben, die einer ganzheitlichen Entwicklung des Menschen wenig zuträglich sind (vgl. Caritas in veritate ). Die katholische Kirche in Ihrem Land hat den festen Wunsch, zur Unterstützung und Förderung eines stabilen Familienlebens beizutragen. Das hat auch die Niederländische Bischofskonferenz in ihrem jüngsten Dokument über die pastorale Sorge für junge Menschen und für die Familie bekräftigt. Ich hoffe, daß alle Glieder der holländischen Gesellschaft dem katholischen Beitrag zur ethischen Debatte Gehör schenken werden, damit die edle Kultur, durch die sich Ihr Land schon seit Jahrhunderten auszeichnet, auch weiterhin für Solidarität mit den Armen und Wehrlosen und Respekt vor der Würde und dem unschätzbaren Wert jedes menschlichen Lebens stehen kann.

Exzellenz, ich wünsche Ihnen viel Erfolg für Ihre Mission und versichere Ihnen, daß Ihnen die Dikasterien der Römischen Kurie gerne bei der Erfüllung Ihrer Pflichten zur Seite stehen werden. Für Sie, Exzellenz, Ihre Familie und alle Menschen des Königreichs der Niederlande erbitte ich Gottes reichen Segen.



AN HERRN MIGUEL HUMBERTO DÍAZ, NEUER BOTSCHAFTER DER VEREINIGTEN STAATEN VON AMERIKA BEIM HL. STUHL

Apostolischer Palast, Castelgandolfo - Freitag, 2. Oktober 2009

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Exzellenz!

Ich freue mich, das Beglaubigungsschreiben in Empfang nehmen zu dürfen, mit dem Sie als außerordentlicher und bevollmächtigter Botschafter der Vereinigten Staaten von Amerika beim Heiligen Stuhl akkreditiert werden.

Gern denke ich an mein Treffen mit Präsident Barack Obama und seiner Familie im Juli dieses Jahres zurück und danke für die Grüße, die Sie mir in seinem Namen überbringen. Ich möchte bei dieser Gelegenheit auch betonen, wie zuversichtlich ich bin, daß die diplomatischen Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und dem Heiligen Stuhl, die vor 25 Jahren formell angeknüpft wurden, auch weiter von einem fruchtbaren Dialog und einer erfolgreichen Zusammenarbeit geprägt sein werden. Und das gilt nicht nur für die Bereiche der Förderung der Menschenwürde, der Achtung der grundlegenden Menschenrechte, sondern auch für den Dienst an der Gerechtigkeit, an der Solidarität und am Frieden in der gesamten Menschheitsfamilie.

Während meines Pastoralbesuches in den Vereinigten Staaten im vergangenen Jahr konnte ich mit Zufriedenheit feststellen, wie lebendig die Demokratie dort ist. Sie steht ganz im Dienst des Gemeinwohls und ist vom Prinzip der Gleichberechtigung und der Chancengleichheit geprägt, das auf der von Gott gegebenen Würde und der Freiheit eines jeden Menschen basiert. Dieses Prinzip, das in den Gründungsdokumenten der Nation festgeschrieben ist, inspiriert auch weiter das Wachstum der Vereinigten Staaten als kohäsive, wenngleich pluralistische Gesellschaft, die durch die von den neuen Generationen eingebrachten Gaben kontinuierlich bereichert wird. Dazu tragen auch die vielen Einwanderer bei, die die amerikanische Gesellschaft gedeihen lassen und jung erhalten. In den letzten Monaten hat die neuerliche Bekräftigung dieser Dialektik von Tradition und Originalität, Einheit und Verschiedenheit, die Aufmerksamkeit wieder auf Amerika gelenkt. Viele Völker unserer Erde lassen sich daher auch bei ihrer eigenen Suche nach realistischen und zuverlässigen Demokratie-Modellen sowie einer nachhaltigen Entwicklung in einer zunehmend interdependenten Weltgesellschaft von der amerikanischen Erfahrung und vom amerikanischen Gründergedanken inspirieren.

Ich kann also nur zustimmen, wenn Sie herausstellen, wie wichtig ein stärkeres Solidaritätsgefühl und ein größeres multilaterales Engagement für eine Lösung der dringlichsten Probleme unseres Planeten sind. Die Kultivierung von Werten wie »Leben, Freiheit und Streben nach Glück« darf nicht länger in einem vorwiegend individualistischen oder nationalen Sinn gelten, sondern muß aus der höheren Perspektive des Gemeinwohls der gesamten Menschheitsfamilie betrachtet werden. Die anhaltende internationale Wirtschaftskrise zwingt uns, unsere derzeitigen politischen, wirtschaftlichen und finanziellen Strukturen zu überdenken. Und geschehen muß dies im Licht des ethischen Imperativs, die ganzheitliche Entwicklung aller Menschen zu gewährleisten. Wir brauchen dazu ein Globalisierungsmodell, das von einem authentischen Humanismus durchdrungen ist und in dem die Völker nicht nur als Nachbarn, sondern als Brüder und Schwestern betrachtet werden.

Der Multilateralismus dagegen sollte nicht auf rein wirtschaftliche oder politische Fragen beschränkt sein, sondern vielmehr in dem Willen zum Ausdruck kommen, das gesamte Spektrum der Fragen anzugehen, die mit der Zukunft der Menschheitsfamilie und der Förderung der Menschenwürde zusammenhängen. Dazu gehören die sichere Versorgung mit Nahrung und Wasser; eine medizinische Grundversorgung; eine gerechte Handels- und Einwanderungspolitik, besonders dort, wo Familien betroffen sind; Klimakontrolle und Umweltschutz; die Beseitigung der Geißel der Atomwaffen. Vor allem im Bezug auf diesen letzten Punkt möchte ich meine Zufriedenheit über die letzte Sitzung des UN-Sicherheitsrates unter Vorsitz von Präsident Obama zum Ausdruck bringen. Dabei konnte die Resolution zur atomaren Abrüstung einstimmig approbiert und der internationalen Gemeinschaft nahegelegt werden, eine atomwaffenfreie Welt zu schaffen. Das ist ein vielversprechendes Zeichen am Vorabend der Revisionskonferenz des Atomwaffensperrvertrages.

Wie uns die Soziallehre der Kirche lehrt, kann eine echte Entwicklung nur eine ganzheitliche, menschliche Entwicklung sein. Sie kann nicht von der Wahrheit über die Menschen absehen und muß stets auf deren Gemeinwohl ausgerichtet sein. Mit anderen Worten: die Treue zum Menschen bedarf der Treue zur Wahrheit, die allein Freiheit und wahre Entwicklung garantieren kann. Die Kirche der Vereinigten Staaten will ihren Beitrag zur Lösung der wichtigen ethischen und sozialen Fragen, die das Amerika der Zukunft formen, dadurch leisten, daß sie respektvolle und vernünftige Argumente vorschlägt, die im Naturgesetz gründen und von der Perspektive des Glaubens bestätigt werden. Eine religiöse Anschauung und Vorstellung schränkt die politische und ethische Debatte nicht ein, sondern bereichert sie. Gerade weil die Religionen mit der letzten Bestimmung aller Frauen und Männer befaßt sind, sind sie gerufen, prophetische Kraft für die Befreiung und Entwicklung der Menschen auf dieser Welt zu sein. Das gilt ganz besonders in Gebieten, die von Feindseligkeiten und Konflikten in Mitleidenschaft gezogen sind. Bei meinem jüngsten Besuch im Heiligen Land habe ich herausgestellt, welch großer Wert dem gegenseitigen Verständnis und der Zusammenarbeit zwischen den Jüngern der verschiedenen Religionen im Dienst des Friedens zukommt. Es freut mich, feststellen zu können, daß Ihre Regierung den Wunsch hat, diese Zusammenarbeit als Teil eines umfassenderen Dialogs zwischen den Kulturen und Völkern zu fördern.

Herr Botschafter, erlauben Sie mir, noch einmal das zu bekräftigen, was ich bereits zu Beginn meiner Apostolischen Reise in die Vereinigten Staaten zum Ausdruck gebracht habe: Freiheit - die Freiheit, die den Amerikanern zu Recht so sehr am Herzen liegt »ist nicht nur ein Geschenk, sondern auch eine Aufforderung zu persönlicher Verantwortung«; sie ist »eine Herausforderung für jede Generation und muß immer neu für das Gute errungen werden« (Ansprache im Weißen Haus, 16. April 2008, in O.R. dt., Nr. 17, 25.4.2008, S. 8). Die Bewahrung der Freiheit ist untrennbar verbunden mit dem Respekt vor der Wahrheit und dem Streben nach echtem Wohlergehen der Menschen. Die Krise unserer modernen Demokratien macht ein erneuertes Engagement für einen Dialog notwendig, der auf der Vernunft basiert und nach weisen und gerechten Maßnahmen sucht, die die menschliche Natur und die menschliche Würde respektieren. Die Kirche in den Vereinigten Staaten unterstützt diese Suche nicht nur durch die Gewissensbildung, sondern auch durch ihr Erziehungsapostolat, mit dem sie einen wertvollen Beitrag zum bürgerlichen Leben und zur öffentlichen Debatte in Amerika leistet.

In diesem Zusammenhang denke ich besonders an die Notwendigkeit eines klaren Urteilsvermögens bei Fragen, die den Schutz der Menschenwürde und das unveräußerliche Recht auf Leben vom Augenblick der Empfängnis bis zum natürlichen Tod betreffen. Aber ich denke auch an die im Krankendienst Tätigen, ja alle Bürger, die das Recht haben müssen, die Ausführung von Taten zu verweigern, die nicht mit ihrem Gewissen vereinbar sind. Die Kirche beharrt auf dem unauflöslichen Band zwischen einer Ethik des Lebens und jedem anderen Aspekt der Sozialethik. Sie ist nämlich überzeugt davon, daß - wie es schon der verstorbene Papst Johannes Paul II. so prophetisch formulierte -, »eine Gesellschaft keine gesicherten Grundlagen haben kann, die - während sie Werte wie Würde der Person, Gerechtigkeit und Frieden geltend macht - sich von Grund auf widerspricht, wenn sie die verschiedensten Formen von Mißachtung und Verletzung des menschlichen Lebens akzeptiert oder duldet, vor allem, wenn es sich um schwaches oder ausgegrenztes Leben handelt.« (Evangelium vitae,
EV 93; vgl. Caritas in veritate ).

Herr Botschafter, ich wünsche Ihnen für Ihren neuen Auftrag im Dienst Ihres Landes viel Erfolg und versichere Sie meiner Gebete. Seien Sie gewiß, daß Ihnen die Dikasterien des Heiligen Stuhls bei der Erfüllung Ihrer Aufgaben jederzeit zur Seite stehen werden. Für Sie, Ihre Familie und das geliebte amerikanische Volk, erbitte ich gerne Gottes Segen. Er schenke Ihnen allen Weisheit, Stärke und Frieden!



ZWEITE SONDERVERSAMMLUNG DER BISCHOFSSYNODE FÜR AFRIKA

(4.-25. OKTOBER 2009)


BEI DER ERSTEN GENERALKONGREGATION

Synodenaula - Montag, 5. Oktober 2009

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Liebe Brüder und Schwestern!

Wir haben unsere Synodenversammlung soeben mit der Anrufung des Heiligen Geistes begonnen, im Wissen darum, daß nicht wir es sind, die in diesem Augenblick das verwirklichen können, was für die Kirche und für die Welt zu tun ist: Nur in der Kraft des Heiligen Geistes können wir das finden, was richtig ist, und es dann umsetzen. Und jeden Tag werden wir unsere Arbeit damit beginnen, daß wir den Heiligen Geist anrufen mit dem Gebet der Terz »Nunc sancte nobis Spiritus«. Daher möchte ich jetzt gemeinsam mit euch ein wenig diesen Hymnus betrachten, der die Arbeit eines jeden Tages eröffnet, sowohl jetzt bei der Synode als auch später in unserem täglichen Leben.

»Nunc sancte nobis Spiritus«. Wir beten darum, daß Pfingsten nicht nur ein Ereignis der Vergangenheit sein möge, der erste Anfang der Kirche, sondern daß es heute, jetzt stattfinde: »Nunc sancte nobis Spiritus«. Wir beten darum, daß der Herr jetzt seinen Geist ausgießen und seine Kirche und die Welt neu erschaffen möge. Wir erinnern uns daran, daß die Apostel nach der Himmelfahrt nicht begonnen haben - wie es vielleicht normal gewesen wäre -, die zukünftige Kirche zu organisieren, zu schaffen. Sie haben auf das Handeln Gottes gewartet, haben auf den Heiligen Geist gewartet. Sie haben verstanden, daß man die Kirche nicht machen kann, daß sie nicht das Produkt unserer Organisation ist: Die Kirche muß aus dem Heiligen Geist geboren werden. Wie der Herr selbst durch den Heiligen Geist empfangen und geboren wurde, so muß auch die Kirche stets durch den Heiligen Geist empfangen und geboren werden. Nur durch diesen Schöpfungsakt Gottes können wir am Handeln Gottes, am göttlichen Handeln, teilhaben und mit Gott zusammenarbeiten. In diesem Sinne ist auch all unsere Arbeit auf der Synode ein Zusammenarbeiten mit dem Heiligen Geist, mit der Kraft Gottes, die uns vorausgeht. Und wir müssen immer wieder um diese göttliche Initiative bitten, in der wir dann als Mitarbeiter Gottes dazu beitragen können, daß seine Kirche aufs neue geboren werde und wachsen möge.

Die zweite Strophe dieses Hymnus - »Os, lingua, mens, sensus, vigor, / Confessionem personent: / Flammescat igne caritas, / accendat ardor proximos« - ist das Herzstück dieses Gebets. Wir bitten Gott um drei Gaben, um die wesentlichen Pfingstgaben des Heiligen Geistes: »confessio«, »caritas«, »proximos«. »Confessio«: Die Zunge von Feuer, die »vernünftig « ist, schenkt das rechte Wort und läßt an die Überwindung Babels am Pfingstfest denken. Die Verwirrung, die aus dem Egoismus und dem Hochmut des Menschen entstanden ist und infolge derer wir einander nicht mehr verstehen können, muß durch die Kraft des Geistes überwunden werden, die vereint, ohne gleichzumachen, die Einheit in der Vielfalt schenkt: Jeder kann den anderen verstehen, auch in der Verschiedenheit der Sprachen. »Confessio«: das Wort, die Zunge von Feuer, die der Herr uns schenkt, das gemeinsame Wort, in dem wir alle vereint sind, der Gottesstaat, die Heilige Kirche, in der der ganze Reichtum der verschiedenen Kulturen gegenwärtig ist. »Flammescat igne caritas«. Diese »confessio«, dieses Bekenntnis, ist keine Theorie, sondern es ist Leben, es ist Liebe. Das Herz der Heiligen Kirche ist die Liebe, Gott ist die Liebe, und er teilt sich mit, indem er uns an der Liebe teilhaben läßt. Und schließlich der »Nächste«: Die Kirche ist niemals eine in sich geschlossene Gruppe, die für sich lebt als eine der vielen Gruppen, die es in der Welt gibt, sondern sie zeichnet sich aus durch die Universalität der Liebe, der Verantwortung für den Nächsten.

Betrachten wir jede dieser drei Gaben einzeln für sich. »Confessio«: In der Sprache der Bibel und der Alten Kirche hat dieses Wort zwei grundlegende Bedeutungen, die scheinbar im Gegensatz zueinander stehen, in Wirklichkeit aber eine einzige Realität darstellen. »Confessio« ist vor allem das Bekenntnis der Sünden: Wir erkennen unsere Schuld an und erkennen, daß wir vor Gott unzulänglich, schuldig sind, daß wir nicht in der rechten Beziehung zu ihm stehen. Das ist der erste Punkt: sich selbst erkennen im Licht Gottes. Nur in diesem Licht können wir uns selbst erkennen, können wir auch verstehen, wieviel Böses in uns ist. So können wir sehen, wie viel erneuert, verändert werden muß. Nur im Licht Gottes lernen wir einander kennen und sehen wirklich die ganze Realität.

All das, so scheint mir, müssen wir uns bei unseren Überlegungen zu Versöhnung, Gerechtigkeit und Frieden vor Augen halten. Empirische Untersuchungen sind wichtig; es ist wichtig, daß man die Realität dieser Welt genau kennenlernt. Dennoch sind solche horizontalen Analysen, die mit großer Genauigkeit und Kompetenz durchgeführt werden, unzulänglich. Sie zeigen nicht die wahren Probleme auf, weil sie sie nicht in das Licht Gottes stellen. Wenn wir nicht sehen, daß an der Wurzel das Geheimnis Gottes liegt, funktionieren die Dinge der Welt nicht, weil die Beziehung zu Gott nicht geordnet ist. Und wenn die erste, grundlegende Beziehung nicht in Ordnung ist, dann funktionieren im Grunde auch alle anderen Beziehungen zu all dem Guten, das es gibt, nicht. Alle unsere Analysen der Welt sind daher unzulänglich, wenn wir nicht bis zu diesem Punkt gehen, wenn wir die Welt nicht im Licht Gottes betrachten, wenn wir nicht entdecken, daß an der Wurzel von Ungerechtigkeit und Korruption ein unlauteres Herz liegt, eine Verschlossenheit gegenüber Gott und somit eine Entstellung der wesentlichen Beziehung, die die Grundlage aller anderen Beziehungen ist.

»Confessio« bedeutet, die Realitäten der Welt, den Primat Gottes und letztendlich den ganzen Menschen und die menschlichen Realitäten, die auf unsere Beziehung mit Gott ausgerichtet sind, im Licht Gottes zu sehen. Und wenn diese Beziehung zu Gott nicht in Ordnung ist, nicht an den von Gott gewollten Punkt gelangt, nicht in seine Wahrheit eintritt, dann ist auch alles andere nicht korrigierbar, weil alle Untugenden wieder entstehen, die das soziale Netz, den Frieden in der Welt zerstören.

165 »Confessio« bedeutet, die Realität im Licht Gottes zu sehen, zu verstehen, daß unsere Realitäten im Grunde von unserer Beziehung mit unserem Schöpfer und Erlöser abhängen, und so zur Wahrheit zu gelangen, zur rettenden Wahrheit. Der hl. Augustinus umschreibt mit Blick auf das 3. Kapitel des Johannesevangeliums den christlichen Bekenntnisakt als »die Wahrheit tun, zum Licht gehen«. Nur wenn wir unsere Schuld, die Unzulänglichkeit unserer Beziehung zu Gott im Licht Gottes sehen, wandeln wir im Licht der Wahrheit. Und nur die Wahrheit rettet. Handeln wir schließlich in der Wahrheit: In dieser Tiefe von Gottes Licht wirklich unsere Schuld zu bekennen, heißt, die Wahrheit zu tun.

Das ist die erste Bedeutung des Wortes »confessio«: Bekenntnis der Sünden, Anerkennung der Schuldhaftigkeit, die unserer verfehlten Beziehung zu Gott entspringt. Aber Bekenntnis hat noch eine zweite Bedeutung: Es bedeutet auch, Gott zu danken, Gott zu verherrlichen, Gott zu bezeugen. Wir können die Wahrheit unseres Seins erkennen, weil es die göttliche Antwort gibt. Gott hat uns nicht allein gelassen mit unseren Sünden; auch wenn unserer Beziehung zu seiner Majestät etwas im Wege steht, zieht er sich nicht zurück, sondern er kommt und nimmt uns an der Hand. Daher ist »confessio« ein Zeugnis von der Güte Gottes; sie ist Evangelisierung. Man könnte sagen, daß die zweite Dimension des Wortes »confessio« mit der Evangelisierung identisch ist. Das sehen wir am Pfingsttag, als der hl. Petrus in seiner Predigt einerseits die Schuld der Menschen anklagt: Ihr habt den Heiligen und den Gerechten umgebracht. Gleichzeitig aber sagt er: Dieser Heilige ist auferstanden und liebt euch, er umarmt euch, er ruft euch zu sich, damit ihr zu ihm gehört in der Buße und in der Taufe sowie in der Gemeinschaft seines Leibes. Im Licht Gottes bedeutet bekennen immer auch, Gott zu verkündigen, zu evangelisieren und so die Welt zu erneuern.

Das Wort »confessio« ruft uns jedoch noch ein weiteres Element ins Gedächtnis. Im 10. Kapitel des Briefes an die Römer legt der hl. Paulus das Bekenntnis des 30. Kapitels des Buches Deuteronomium aus. In diesem letztgenannten Text scheint es, daß die Juden, als sie in die endgültige Form des Bundes, in das Heilige Land, eintreten, Angst haben und in Wirklichkeit Gott nicht so antworten können, wie sie es sollten. Der Herr sagt zu ihnen: Habt keine Angst, Gott ist nicht fern. Um zu Gott zu gelangen, muß man keinen unbekannten Ozean überqueren, sind keine Raumfahrten in den Himmel, keine schwierigen oder unmöglichen Dinge nötig. Gott ist nicht fern, er befindet sich nicht auf der anderen Seite des Ozeans, in den unendlichen Räumen des Universums. Gott ist nahe. Er ist in deinem Herzen und in deinem Mund, mit dem Wort der Torah, das in dein Herz eindringt und durch deinen Mund verkündet wird. Gott ist in dir und bei dir; er ist nahe.

In seiner Auslegung ersetzt der hl. Paulus das Wort »Torah« durch »Bekenntnis« und »Glauben«. Er sagt: Gott ist wirklich nahe, es bedarf keiner schwierigen Unternehmungen, um zu ihm zu gelangen, und auch keiner spirituellen oder materiellen Abenteuer. Gott ist mit dem Glauben nahe, er ist in deinem Herzen, und durch das Bekenntnis ist er in deinem Mund. Er ist in dir und bei dir. Jesus Christus schenkt uns in seiner Anwesenheit wirklich das Wort des Lebens. So tritt er im Glauben in unser Herz ein. Er wohnt in unserem Herzen, und im Bekenntnis tragen wir die Wirklichkeit des Herrn in die Welt, in unsere Zeit. Das scheint mir ein sehr wichtiges Element zu sein: der nahe Gott. Wissenschaft und Technik verlangen große Investitionen; spirituelle und materielle Abenteuer sind kostspielig und schwierig. Aber Gott schenkt sich unentgeltlich hin. Die größten Dinge des Lebens - Gott, Liebe, Wahrheit - sind unentgeltlich. Gott schenkt sich in unserem Herzen hin. Ich würde sagen, daß wir oft über diese Unentgeltlichkeit Gottes nachdenken müssen: Es bedarf keiner großen materiellen oder auch intellektuellen Gaben, um Gott nahe zu sein. Gott schenkt sich unentgeltlich hin in seiner Liebe; er ist in mir im Herzen und auf den Lippen. Das ist der Mut, die Freude unseres Lebens. Es ist auch der Mut, der in dieser Synode gegenwärtig ist, denn Gott ist nicht fern: Er ist bei uns mit dem Wort des Glaubens. Ich denke, daß auch diese Dualität wichtig ist: das Wort im Herzen und auf den Lippen. Diese Tiefe des persönlichen Glaubens, der mich wirklich eng mit Gott verbindet, muß man auch bekennen: Glaube und Bekenntnis, Innerlichkeit in der Gemeinschaft mit Gott und Glaubenszeugnis, das durch meinen Mund zum Ausdruck kommt und so in der Welt spürbar und gegenwärtig wird. Das sind zwei wichtige Dinge, die immer zusammengehören.

Der Hymnus, über den wir sprechen, verweist auch auf die Orte, in denen das Bekenntnis liegt: »Os, lingua, mens, sensus, vigor«. All unsere Fähigkeiten zu denken, zu sprechen, zu hören, zu handeln müssen das Wort Gottes wiedergeben - das Lateinische gebraucht das Verb »personare «. Unser Sein sollte in all seinen Dimensionen erfüllt sein von diesem Wort, das so in der Welt wirklich spürbar wird, das durch unser Leben in der Welt zu hören ist: das Wort des Heiligen Geistes.

Und dann kurz zwei andere Gaben. Die Liebe: Es ist wichtig, daß das Christentum keine Summe von Ideen ist, keine Philosophie oder Theologie, sondern ein Lebensstil. Das Christentum ist Liebe. Nur so werden wir zu Christen: Wenn der Glaube sich in Liebe verwandelt, wenn er Liebe ist. Man kann sagen, daß auch »lógos« und »caritas« zusammengehören. Unser Gott ist einerseits »lógos«, ewige Vernunft. Aber diese Vernunft ist auch Liebe; sie ist keine kalte Mathematik, die das Universum konstruiert, sie ist kein Demiurg. Diese ewige Vernunft ist Feuer; sie ist Liebe. In uns selbst müßte diese Einheit von Vernunft und Liebe, von Glauben und Liebe verwirklicht werden. So werden wir durch die Liebe verwandelt und somit »vergöttlicht«, wie die griechischen Kirchenväter sagen. Ich würde sagen, daß in der Entwicklung der Welt dieser Aufstieg vorhanden ist, von den zuerst geschaffenen Realitäten bis hin zum Menschengeschöpf. Aber dieser Aufstieg ist noch nicht beendet. Der Mensch soll vergöttlicht werden und sich so verwirklichen. Die Einheit des Geschöpfes mit dem Schöpfer: Das ist die wahre Entwicklung, durch die Gnade Gottes zu dieser Öffnung zu gelangen. Unser Wesen wird in der Liebe verwandelt. Wenn wir von dieser Entwicklung sprechen, denken wir immer auch an dieses Endziel, das Gott mit uns erreichen will.

Und schließlich: der Nächste. Die Liebe ist nichts Individuelles, sondern sie ist universal und konkret. Heute haben wir in der Messe den Evangeliumsabschnitt vom barmherzigen Samariter verkündet, in dem wir die zweifache Realität der christlichen Liebe sehen, die universal und konkret ist. Dieser Samariter begegnet einem Juden, also jemandem, der außerhalb seines Volkes und seiner Religion steht. Aber die Liebe ist universal, und daher ist dieser Fremde für ihn in jedem Sinn der Nächste. Die Universalität öffnet die Grenzen, die die Welt verschließen und Gegensätze und Konflikte schaffen. Gleichzeitig ist die Tatsache, daß man für die Universalität etwas tun muß, keine Philosophie, sondern konkretes Handeln. Wir müssen nach dieser Vereinigung von Universalität und Konkretheit streben; wir müssen die Grenzen zwischen Völkern, Ethnien, Religionen zur Universalität der Liebe Gottes hin öffnen - und zwar nicht theoretisch, sondern an allen Orten unseres Lebens, mit aller notwendigen Konkretheit. Bitten wir den Herrn, daß er uns all dies schenken möge, in der Kraft des Heiligen Geistes. Letztendlich ist der Hymnus eine Verherrlichung des dreieinigen Gottes und eine Bitte um Erkenntnis und Glauben. So kehrt das Ende zum Anfang zurück. Beten wir darum, daß wir erkennen können und daß das Erkennen zum Glauben wird und das Glauben zum Lieben, zum Handeln. Bitten wir den Herrn, daß er uns den Heiligen Geist schenken, ein neues Pfingsten erwecken und uns helfen möge, seine Diener zu sein in dieser Stunde der Welt. Amen.

ANSPRACHE 2009 158